•Kapitel 61•
Drei gegen acht. Wir lieferten uns ein Blickduell vom Feinsten, versuchten nebenbei die falsche Höflichkeit aufrecht zu erhalten.
Bis dann die Klingel vom Café ertönte, jemand eintrat und wir uns alle zu ihm drehten.
Und ich musste zugeben: ein wenig erschrocken war ich schon, als ich ihn sah. Mein Bruder wirkte mit einem Mal so...viel reifer.
Aber gleichzeitig auch total abgefuckt.
Ohne Witz! Er wirkte müde und vollkommen desinteressiert, als er sich so umsah, erst im Café und dann in unserer kleinen Menge.
Als seine Augen an meinen hafteten, zog er seinen Koffer hinter sich herein, wobei er ein paar Male mit der Tür zu kämpfen hatte. Er stemmte sie mühsam weg, doch es half nicht viel, sodass er nur Stück für Stück voran kam.
Wir sahen ihm dabei zu, wie er sich zum Löffel machte, schwiegen aber. Ich zog eine Augenbraue nach oben. Das war...mein Bruder...?
Als er es geschafft hatte, verdrehten die andern drei Familienmitglieder die Augen, während wir anderen ihn wirklich nur anstarren konnten. Verwirrt und...einfach nur verwirrt.
Lee stellte seinen Koffer neben Tiana ab und sah sie an, steckte seine Hände in die Jackentaschen. „Hab ich irgendwas verpasst?"
Sie verzog angewidert das Gesicht und drehte es nach vorn. „Nein, wir waren gerade erst dabei uns kennenzulernen."
Er schnaubte belustigt, was meinen Vater dazu brachte ihn streng zu mustern. „Zeig etwas Benehmen!"
Mit Benehmen meinte unser Dad wohl eher, dass Lee sich nicht so peinlich verhalten sollte. Doch mein Bruder wirkte ja fast schon gelassen, wie er ihm in die Augen sah und kurz schmatzte.
In einem anderen Jahrzehnt hätte ich es zum totlachen gefunden, aber nun fragte ich mich, wie meine Eltern nur lügen konnten? Sie meinten sie wären „so stolz" auf Lee, aber ich konnte sehen, dass es überhaupt nicht stimmte. Nicht nur in ihren Augen, sondern auch durch den lebenden Beweis vor uns.
Keine Ahnung wer das war, aber der alte Lee ganz sicher nicht.
Der Schwarzhaarige sah desinteressiert in die Runde. „Tja, also ich bin hier. Nett von euch, dass ihr gewartet habt."
„Du Idiot warst zu spät dran und wir wollten pünktlich erscheinen.", patzte Tiana los, weswegen ihr Mum eine Hand auf den Arm legte.
„Schatz, bleib ruhig."
Die Blondine nickte. „Entschuldige Mutter. Es kommt nicht wieder vor."
Glucksend verdrehte Lee die Augen. „Ja von wegen."
Wütend funkelte ihn unsere Schwester an, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, trat der große Bruder nach vorne und schaute mir direkt in die Augen, nur noch einen Meter entfernt.
„Hi, kleiner Bruder. Erkennst du mich noch?", fragte er.
Ich schluckte einmal feste und bemerkte, wie sich Kookies Hand auf meinen Rücken legte. Dadurch ging es mir gleich ein wenig besser, musste ich mir eingestehen.
„Wie sollte er, wenn du so fertig aussiehst?", fragte Joonie ihn und sah ihn skeptisch an.
Lee fing leicht an zu grinsen, seine tief dunklen Augenringe verliehen ihm dadurch etwas verrücktes. „Sieh mal einer an, die ganze Mannschaft ist ja hier! Hey Leute, ewig nicht gesehen!"
„Ja, seit dem dein Bruder von Zuhause rausgeschmissen wurde.", meinte Hobi wütend.
„Hoseok.", sprach ich ruhig, jedoch auch warnend und sofort hielt er die Klappe.
Kookie vergriff sich ein wenig mehr in meinem Pullover, weswegen ich ihn kurz ansah und ihm ein Lächeln schenkte. Er schluckte, seine großen Augen glänzten voller Sorge. Ich wollte ihn nicht so sehen und beschloss mit ihm noch einmal zu reden.
Ich war gar nicht mehr so traurig wegen ihm, sondern nur genervt, weil meine Eltern und meine Schwester immer noch so drauf waren wie früher. Meine Laune hatte nicht wirklich etwas mit ihm zu tun.
Als ich mich wieder zu Lee drehte, blickte er zwischen Kookie und mir hin und her, bevor er einatmete und auf Hobis Kommentar antwortete, mich dabei aber nicht aus den Augen ließ.
„Du hast recht, Rotschopf. Es ist schon eine ganze Weile her..." Die Art, wie er mich dabei musterte, ließ mich etwas unwohl fühlen und ich war froh, dass unser Vater vom Thema abschweifte.
„Also! Wir würden unser Gepäck in unser Hotel bringen und Sie alle zur Feier des Tages einladen wollen, was halten Sie davon?"
Feier des Tages? Er wollte doch nur angeben mit seinem ganzen Geld, und dass er es sich leisten konnte für so viele Leute zu bezahlen.
Mrs. Min wurde ein wenig schüchtern und sah leicht nervös zu uns. Wir waren ihre Familie, wie ihre Söhne, hatte sie einmal gesagt. Sie suchte wohl nach unserer Zustimmung.
Also nickte ich leicht lächelnd und alle sahen wir zu meinem Dad. Begeistert klatschte er in die Hände und schlug vor etwas richtig ‚schickes' zu finden.
~•~•~•~•~•~
Er hatte mal wieder untertrieben. Der Teufel hatte uns tatsächlich in den Himmel gebracht. Ein fünf-Sterne Restaurant mitten in der Stadt und wir saßen zu zwölft um einen riesigen Tisch aus irgendeinem edlen Holz.
Wollte der mich verarschen?!
„Und? Was sagen Sie zu der Location?", fragte der fast schon grauhaarige Mann, dem ich einen vernichtenden Blick zuwarf.
Wie konnte er es nur wagen dieser Familie sein Reichtum unter die Nase zu reiben?!
Mrs. Min schluckte. „J-Ja, also es ist wirklich erstaunlich."
Ich sah mich um und erkannte auch die erstaunten Gesichter von Yoongi und Kookie. Jin, sowie meine anderen Freunde waren es bereits gewohnt, da ich nicht der Einzige aus einer wohlhabenden Familie war, auch wenn ich erkannte, dass auch sie von unserer Umgebung beeindruckt waren. Und Mrs. Min hatte es wohl zuletzt bei ihrer Mutter gesehen.
Warum ich nämlich Himmel gesagt hat? Weil die verdammte Decke des Raumes genau als solcher dargestellt wurde! Mit Engeln und dem ganzen Kram! So schick, dass man gar nichts anfassen wollte!
Ich hatte mich nie dafür begeistern können und war froh mich eher mit Videospielen beschäftigt zu haben.
Ich legte Kookie neben mir eine Hand auf sein Bein, da es nervös zuckte. Er sah überrascht nach unten und entspannte sich sofort. Sanft fuhr ich mit meinen Daumen über den Stoff seiner Hose, damit er wusste, ich war für ihn da.
„Erzählen Sie uns etwas über sich, Mrs. Min.", sprach Mum und sofort horchte ich auf. Da konnte nichts Gutes bei rauskommen. „Wo ist Ihr Mann? Ist er auf Geschäftsreisen?"
Oh, das hatte sie nicht...
Kookies Mum wurde blass und schüttelte leicht den Kopf, während ihre Söhne sich um einiges anspannten. „Nein, er ist...er ist nicht mehr bei uns."
„Oh...", machte meine Mum nur und kaute kurz nachdenklich auf ihrer Möhre herum, bevor sie schluckte. „Nehmen Sie es nicht schwer. Es gibt viele Leute, die durch eine Scheidung müssen, das ist gar keine so große Schande, wie einige behaupten-"
„Großer Gott, Mutter!", rief ich aufgebracht auf, knallte gleichzeitig meine Faust auf den Tisch, sodass nun jeder auf das Gespräch aufmerksam wurde.
Die Furie vor mir verstummte und sah mich ungläubig an. Weil ich ihr das Wort abgeschnitten hatte. Und anders als zuvor hielt auch Lee seine Klappe, genau wie Tiana und Vater.
Die schwarzhaarige Bestie setzte schon wieder an, aber weit kam sie nicht, da ich erneut sprach. „Nein! Hör auf, du wirst nichts mehr sagen!", bellte ich sie an.
„Wie redest du mit mir?", fragte sie leise und als sich ihr Blick verdunkelte, fing eine dunkle Stimme an zu erklären.
„Er ist gestorben.", sagte Yoongi. Er blickte meiner Mutter kalt in die Augen, sodass sie verstand wie ernst es war.
Sie wirkte kurz überrumpelt, dann verbeugte sie sich entschuldigend. „Das tut mir leid."
Yoongi sah sie einen Augenblick lang an, bevor er sich wieder zum Essen drehte. „Ich glaube Ihnen nicht."
„Danke!", sprach seine Mum schnell und lächelte schüchtern. „Und es schmeckt hervorragend, danke also auch für die Einladung."
Es gab nichts zu danken, das wusste hier jeder.
„Gern geschehen.", meinte mein Vater fröhlich, das Thema um den Tod von Mr. Min war wohl nicht so herzzerreißend.
Und ich dachte ehrlich, es wäre vorbei.
„Und wie steht es mit einem neuen Mann?", fragte Mutter dann weiter und vollkommen ohne Scham.
„I-ich habe jemanden kennengelernt."
„Oh? Wie lange ist es denn her, dass ihr Mann verstorben i-"
„Es reicht!", sagte ich laut und schon wieder verstummten alle um uns herum. Wütend ballte ich die Fäuste, meine Hand hatte ich von Kookies Bein heruntergenommen, sodass jeder sie auf dem Tisch sehen konnte.
„Wie wäre es, wenn wir uns über eure Schule unterhalten würden?", fragte Tiana und warf mir einen warnenden Blick zu, den ich giftig zurückgab.
„Natürlich.", sprang Jimin sofort darauf an und sprach lächelnd über ein paar kleine Geschichten.
Kookie legte währenddessen seine Hand auf meine, welche sich langsam für ihn öffnete. Er strich mir sanft über den Handrücken und schenkte mir ein Lächeln, welches ich leider nicht erwidern konnte.
Stattdessen hörte ich einfach nicht mehr zu und versuchte alles zu vergessen. Ich bekam nicht mit, wie Lee uns wieder einmal ansah, genauso wenig wie meine Eltern es nicht begriffen, dass an diesem Tisch drei homosexuelle Pärchen saßen.
Es war zum lachen und gleichzeitig zum kotzen.
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Haha, Same Dude ich kann deine Familie auch nicht ab 😜🤟🏻
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