Es ist still in seiner Wohnung.
Unsicher drückt sie Ruby fester an sich. Hält sie vor sich wie ein Schutzschild.

Er nimmt ihr gegenüber Platz.
Dunkle Schatten trüben sein Gesicht. Steile Falten verunstaltet seine Haut.
Noch nie hat er seinen Schmerz so offen gezeigt.

„Martha", fing er mit rauer Stimme an und suchte ihren Blick.
Sie wich aus. Findet in Rubys schlafendem Gesicht die Geborgenheit, nach der sie sich sehnt.
„Das ist nicht unser Kind."

Ein Schauer durchfährt ihren Körper. Erschwert ihre Brust. Ein dumpfer Schmerz.
Sie hält das Baby ganz fest in ihren verkrampften Händen. Ruby schreit auf.

„Du tust ihr weh, Martha." Er klingt verunsichert. Seine Haltung angespannt.
Tränen fluten ihre Augen. Benetzen ihr Gesicht. Tropfen auf Rubys verkniffene Grimasse.

Er steht auf. Legt seine Hände sanft über die ihren. Lockert den Griff.
Sie schnappt nach Luft. Zittert wie verrückt.
„Du musst sie ihrer echten Mutter zurückgeben", murmelt er eindringlich. Begegnet ihrem tränenverschleierten Gesicht.

„Ich bin ihre echte Mutter." Sie lügt nicht. Sie weiß, dass Ruby ihr gehört. Warum kann er das nicht sehen?
Sie will sich zurückziehen. Ihr Baby vor seinen wirren Ideen beschützen, doch sie verharrt an Ort und Stelle.

„Warum bist du nur so?"
„Was meinst du?"
„Warum kannst du nicht vergessen?"
„Es gibt nichts zu vergessen."

Beruhigende Worte. Er versucht, sie zu manipulieren.
Er will ihr das Kind wegnehmen. Ihr Kind! Ihr eigen Fleisch und Blut!
Ihre Mimik verdüstert sich.

„Unser Kind ist tot, Martha. Verstehst du? Tot."
Er verzieht das Gesicht. Senkt bedrückt den Blick.
Sie starrt ihn verächtlich an. Wut brodelt in ihrem Magen. Droht, wie ein Vulkan zu explodieren.
Er lügt. Warum lügt er sie an? Warum kann er die Wahrheit nicht sehen?

„Eine Totgeburt ist was natürliches, Martha. Aber du musst darüber hinwegkommen. Lass dir doch helfen!"
Sie bricht zusammen. Ein verzweifelter Schluchzer zerreißt die Stille.
Ruby schreckt hoch. Sie weint. Ihr Baby auch.