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(43) alte Schilde


Hicks

„Du meinst, du bist blind?"
Raff fuchtelte ungläubig mit ihrer Hand vor Moiras Gesicht herum, wofür sie prompt einen festen Schlag gegens Handgelenk kassierte.

„Au! Von wegen! Du siehst wunderbar!"

„Ich bin blind, nicht tot! Deine Nägel sind mir fast über die Nase geschrammt!"

„Das heißt, du spürst etwas?"

Jetzt bekam beinahe Astrid eine gescheuert. Es fehlte nicht viel und Moira bleckte die Zähne. Die unzähligen Wunden formten ihre wütende Grimasse zu einer grauenerregenden Fratze, spiegelten und verzerrten ihre Gedanken in einem nie erreichten Ausmaß. Sie brauchte keine Reißzähne, um jedem Alptraumgespinst die Furcht durchs verrottete Herz zu jagen.
„Haltet ihr mich für völlig nutzlos?", fauchte sie, ihr Blick brannte und sengte ziellos Löcher in die Luft um uns. Ich spürte das furiose Knistern.

„Natürlich nicht." Meine Stimme war fester als meine Knie. Oder die Ränder des Loches, das sich durch meine Eingeweide fraß und das immer weiter bröckelte, bis es mich irgendwann vollständig zusammenfallen und nichts als diese eisige Kälte hinterlassen würde.
Angst, das war es. Die Frage war bloß: vor oder um Moira?
„Im Gegenteil. Das ist großartig. Wir wussten nur nicht- Naja, deine Haut besteht praktisch aus nichts als Brandwunden."

„Ach was."
Moira schnaubte höhnisch.
„Sonst noch kluge Bemerkungen?"

„Das kriegt Gothi wieder hin. Hat sie bei Astrid auch. Nicht wahr, Hicks?"

Ja, hatte sie. Da hatte Taff Recht. Allerdings-

„Ich war geblendet. Moira dagegen-"

„Jaja, was auch immer. Ich muss meine Axt holen."

Moiras Hand griff ins Leere. Nachtblitz war einen Schritt zurückgewichen.

„Nachtblitz?"
Panik blitzte durch das Wort, fand in den unzähligen Furchen auf ihren Wangen halt, grub ihre Wurzeln in die Schnitte.
„Wo ist sie hin?"

„Sie-"
Es schmerzte, Moira so zu sehen.
„Sie steht direkt neben dir."

Blind streckte Moira ihren Arm aus, doch der Himmelsfluch trippelte knapp aus ihrer Reichweite. Flehende Fingerspitzen fuhren durchs Nichts.
Salbe und Schorf bröckelten, als ich mir auf die Lippe bis. Das folgende Brennen lenkte mich immerhin etwas von dem blubbernden Ziehen ab, das das Loch zu füllen begann.

„Nachtblitz?!"

„Moira, sie-"
Astrid schluckte. Schlug die Augen nieder.
„Sie will nicht. Sie weicht vor dir zurück."

„Was?!"
Ihre Beine schabten über den Kristall, sie zog sie an, lehnte und schob sich in die Richtung, in der sie Nachtblitz vermutete, rückte Stück für Stück weiter, ihr Atem stoßweise. Streckte sich weiter voran, ihre Finger tasteten Luft, langgestreckt. Verlagerte ihr Gewicht weiter vor-
Ich riss die Augen auf, sah es zu spät. Da war die Kante, Moiras vorgelagerte Schwerpunkt passierte sie, die Kriegerin verlor das Gleichgewicht und-
im letzten Moment setzte Nachtblitz vor und schubste sie zurück auf den Kristall.

„Hey!"
Mit einem harten Knall krachte Moiras Kopf auf das Kristallauge.
„Nachtblitz?"

Die Drachin grummelte.

„Was soll das?"
Der Zorn war nichts weiter als eine fadenscheinige Hülse. Verzweiflung sickerte ungehindert darunter hervor.

Fauchen. leises Knurren, ein Ton, der wie das Imitat eines Wortes klang.

Unterhielten sie sich? Laut?
Das war falsch. An dem Ganzen hier war etwas falsch. Es stank geradezu. Wieso nur kam ich nicht darauf, was es war? Wieso blieb es bei diesem mulmigen Gefühl?

Moiras Kiefer mahlte, ihre Zähne knirschten.
„Bitte?", presste sie hervor.

Nachtblitz schüttelte murrend den Kopf.

„Schön, dann hole ich sie eben nachher. Allein."
Die Worte schlugen klar und hart durch die Dunkelheit. Getroffen riss Nachtblitz die Augen auf, ihr Blick fegte zu Moira, zum Boden, zu mir und weiter, als würde sie irgendwo einen Weg finden, es rückgängig zu machen. Als würde irgendwas Moira dazu bringen, die Existenz ihrer Worte zu vernichten.

„Nachtblitz?", fragte sie da kleinlaut. „Bist du noch... bitte geh nicht weg."

Gurrend überbrückte Nachtblitz den selbst geschaffenen Abstand und rieb liebevoll ihren Kopf an Moiras Arm. Sie zuckte nicht zurück, hielt ihre eine Hand jedoch noch immer zur Faust geballt. Blut sammelte sich darunter, frisches Rot bildete einen scharfen Kontrast zum Weiß des Auges.
Licht brach sich in den Schlieren, verfing sich in den Konturen des Kristalls, ließ ihn glitzern, als würde sich seine Iris jeden Moment bewegen und an uns heften. Meine Haut kribbelte, Wärme kitzelte meine Finger.
Astrid schnappte nach Luft, Raff und Taff keuchten auf.
Konnte es sein- wurde es tatsächlich hell?

Mit zusammengekniffenen Augen starrte ich in den Himmel. Die Sterne waren verschwunden, aber das, was der Mond bereits von der Sonne freigegeben hatte, strahlte mit neuer Kraft, als hätte sie die Pause genutzt, um den heutigen zum hellsten aller Tage zu küren.
Zum hellsten- und zum dunkelsten. Denn es gab mehr als zu viele, die dieses Licht nie wieder sehen würden. Und Moira war die einzige von ihnen, die noch atmete.

Leichter Wind wehte über uns, trug einen Schleier aus bunten Blättern und Ascheflocken. Ein stummes Versprechen, eine zarte Hoffnung. Sie roch nach Kohlestaub und Tod, nach Feuer und Blut, nach Winter und vergangenem Regen. Flüsterte von einem neuen Tag, von glänzenden Narben, von einem nächsten Morgen. Von Stürmen und Gewittern, von Wärme und Schutz, von Vergänglichkeit und neuem Leben.
Wolken türmten sich, quollen über das hauchfeine Blau, grau vor Asche und Schwarz vom Regen, der irgendwann fallen und die Spuren der Schlacht fortwaschen würde.
Ein sehr später Schmetterling flatterte zwischen den Blättern, tanzte um unsere Köpfe.
Der Wind wehte weiter, raschelte in den Baumkronen, tröstete die Erde, spielte mit dem Rauch.

„Wie lange?", unterbrach Moira das stille Lied.

„Seit du in den Vulkan gefallen bist."

Auf Astrids Antwort hin schnalzte Moira missfallend mit der Zunge. Ihr Gesicht verzog sich eigenartig vertraut- sie zog eine Augenbraue hoch. Oder vielmehr würde sie es tun, wenn dort nicht bloß Hautfitzelchen und angekohlter Schorf klaffen würden.
„Wohl kaum."

„Aber die Sonne-", begann Taff.

„Wer redet denn von der Sonne?! Wie lange war ich weggetreten?"
Sie warf uns einen abschätzigen Blick zu. Wie so viele Male zuvor. Doch diesmal zischte er knapp an mir vorbei, so knapp, dass ich mich eine Sekunde lang freute, ihm entgangen zu sein.
„Und was ist bitte in der Zwischenzeit passiert?"
Das war absurd. Ich war ihm nicht entgangen. Sie war-
So durchdringend der Blick auch war, er war nur für ihre Umgebung von Bedeutung. Eine Phantomwaffe, blitzend scharf und doch nur ein verkleidetes Schild.

„Ein paar Minuten, vielleicht eine halbe Stunde. Es ist schwer, das ohne Sonne abzuschätzen.", erklärte Astrid.

Das schien Moira zu erschrecken. Ein Ruck lief durch ihren Körper, einen Moment entgleisten ihr die Gesichtszüge. Sie streckte die Hand aus, die sie nicht zur Faust geballt hatte, die Handfläche nach oben. Wartete.

„Sie scheint.", stellte sie fest. Tonlos.

„Der Mond zieht sich gerade wieder zurück, ja."
Astrid lächelte bei den Worten.
„Du hast es geschafft. Keine ewige Dunkelheit. Das Drachenfeuer ist gerettet."

Jetzt, wo sie es laut ausgesprochen hatte, setzte die Erkenntnis bei mir ein. Sie hatte recht, hatte verdammt recht.
Wir lebten. Moira lebte. Das Licht kehrte zurück. Sungird hatte sich zurückgezogen.
Es war überstanden. Wir hatten es geschafft.

Wir hatten es geschafft.

Aber was mindestens genauso wichtig war:
„Nachtblitz lebt."

Unser Lächeln sprang auf Moira über, legte sich hauchfein über ihre Lippen.
„Ja", murmelte sie und zog Nachtblitz' Kopf näher an ihre Brust.
„Sie lebt."

„Apropos Nachtblitz!"
Begeistert klatschte Taff in die Hände.
„Du kannst doch durch ihre Augen sehen! Ist zwar bestimmt etwas umständlich, aber immer noch besser, als völlig blind zu sein, oder?"

Moira versteinerte. Das Lächeln erstarrte.

„Ihr müsstet euch nur ständig absprechen, wo Nachtblitz hinsehen soll. Wie fühlt sich das überhaupt an? Wird einem da nicht mega schwindlig bei? Und kannst du dich dann selbst sehen? Ugh. Ist bestimmt merkwürdig. Ich meine, wenn ich mich plötzlich selbst sehen würde... dann wüsste ich endlich, wie ich von hinten aussehe! Egal, was ich auch versuche, nie kann ich meinen Hinterkopf-"

„Nein.", unterbrach Moira seinen Redeschwall. Ihr Ton war endgültig.
Aber Taff sprühte nur so vor Euphorie. Ein Zustand, in dem jeder Einwand einfach an ihm abperlte- und schon rannte er sehenden Auges ins Messer, weil er es für eine Einladung hielt:
„Doch! Selma hatte es uns erklärt! Das meiste davon habe ich ignoriert, aber sie sagte auf jeden Fall, dass ihr-"

„Es funktioniert nicht."

„Dann hat Selma sich geirrt? Das ergibt keinen Sinn! Sie sah so aus, als wüsste sie genau, wovon sie redet. Ich muss es wissen, denn ich habe die Kunst des so-Tuns- als-wüsste-man-wovon-man-spricht perfektioniert! Das bringt einem unglaubliche Pluspunkte!"

„Heidrun, Rotzbakke und Fischbein sind hier irgendwo?"

Themenwechsel. Eiskalt.
Da war etwas Bekanntes an der Art, wie sie reagierte, wie wir nicht mit, sondern zu ihr sprachen.
Als wären wir wieder ganz am Anfang.
Und das bedeutete: Sie verschwieg uns etwas.
Ich wusste doch, dass hier etwas faul war. Etwas anders war, noch etwas, zusätzlich zu ihrem Sehverlust.

Das Loch klaffte erneut auf, nur wusste ich diesmal, was es riss.
Beides. Ich hatte Angst- Sorge, das traf es auch- um Moira und zugleich vor ihr. Ich wollte ihr helfen und gleichzeitig den winzigen Radius an Sicherheitsabstand wahren, den sie in jeder ihrer Handlungen konsequent einforderte. So wie zu Beginn.

Ihre Hand ertastete die Kante. Ohne langes Federlesen schwang Moira ihre Beine vom Kristall, ihre Faust klemmte in Nachtblitz' Nacken.

„Warte!"
Astrid sprang vor, ihre Armschlaufe schaukelte gefährlich.
„Deine Füße sind ungefähr zwei Handlängen vom Boden entfernt. Hier liegen überall Steine. Wenn du runterspringst, wirst du umknicken."
Moira blieb still, presste nur die Lippen zu einer dünnen Linie. Ihr Kiefer trat hervor.
Doch das schüchterte Astrid nicht ein.
Natürlich nicht. Stattdessen begann meine Verlobte, mit den Füßen die Steine von Moiras potentieller Landefläche zu rollen.

„Ich weiß, wie es ist, wenn man nichts mehr sieht. Man muss sich erst daran gewöhnen."
Sie griff nach Moiras Schulter, um ihr Halt zu geben.
„Lass uns dir helfen, Moira. Bitte."

Es klatschte laut, Astrid riss ihre Hand zu sich, Moira krallte sich einhändig an die Kante, um dem Schwung ihres eigenen Schlages zu widerstehen.
Kalt wischte sie die Faust an den Resten ihres Beinpanzers ab.
„Ich brauche keine Hilfe.", grollte sie, die versteckte Drohung brüllte uns geradezu an.

Schließlich ertastete sie den Sattel und schwang sich auf ihre Freundin, die Bewegungen von einer Sicherheit und Präzision, wie sie nur die Routine erschaffen konnte.
Nachtblitz hob ab, Moira verlagerte reflexartig ihr Gewicht, balancierte sich aus und ließ uns in einer Staubwolke zurück.

Ja, wir hatten es geschafft.
Und jetzt?

Sollte es das gewesen sein? Sie hatte nur mit uns zusammengearbeitet, um... Halt, nicht um. Weil. Weil sie zufällig auf uns getroffen und sich unsere Anwesenheit wie eine resistente Krankheit eingefangen hatte. Beinahe jedes Mittel war ihr Recht gewesen, um uns loszuwerden. Die Schnellen Stacheln, die Geschehnisse im Labyrinth, das, was im Gebirge geschehen war. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie sich Niras Doppelgängeraktion wahrscheinlich zu Nutze gemacht und wäre mit Nachtblitz verschwunden. Nur die Vergiftung und das fehlende Puzzleteil hatten sie davon abgehalten.
Bei den Ahnen Odins, sie hatte uns gesagt, dass wir Leine ziehen sollten! Mehrfach und in den buntesten Worten.

Erst, als wir bereits bis zum Halse drinsteckten, hatte sie uns akzeptiert. Vorläufig, offenbar. Ein Zweckbündnis. Verbündete, keine Freunde.
Was jetzt? Pah, eine höhnische Frage. Was sollte jetzt schon sein?
Jetzt war der Zweck abgegolten, die Schlacht geschlagen.
Jetzt hatten wir es geschafft und deshalb konnte jetzt jeder seiner Wege ziehen.
Jetzt war sie wieder allein.

Durch den verfliegenden Staub sah ich, wie das nachtschwarze Paar am Kraterrand landete, unweit von Hakenzahn.

Allein sein.
War es das, was sie wollte- oder war es das, wovon sie ausging?










Heidrun schluckte hart, bestimmt schon zum fünften Mal. Sie öffnete den Mund, atmete zitternd ein, stockte, schloss ihn wieder, kaute auf den Worten, die sie nicht hatte, atmete flach aus und schluckte hart. Der Rest ihres Körpers war zu einer Figur des Entsetzens erstarrt.

„Wer von euch hat Heidrun in einen Fisch verwandelt?!"
Empört kletterte Raff über die letzten Trümmer und landete anklagend vor Rotzbakke.
„Und dann auch noch, ohne uns vorher in die geheime Kunst der Hypnose einzuweihen! Schämen sollst du dich, Rotzbakke Jorgenson!"

„Ganz recht, Schwesterchen! Er hat schon Thor Knochenbrecher, dieser Schuft!"

„Wir erheben Anspruch auf Heidruns mentale Verfassung! Wenn jemand daran herumpfuschen darf, dann sind wir das!"

„Die genialen und unschlagbaren Thorstons, Meister der Täuschung!"

„Ihr Schafsköpfe seid höchstens die Boten der Enttäuschung! Ich war das überhaupt nicht!"

Woher nahmen diese Chaoten schon wieder so viel Energie?

„Niemand hat hier irgendwen hypnotisiert."
Pause, Luft holen. Nein, bei mir hatte es kein rätselhaftes Verschwinden der Erschöpfung gegeben.
„Und das wird hier auch niemand tun.", warf ich halbwegs zu Atem kommend hinterher.

Heidrun räusperte sich.
„Tut mir leid.", richtete sie ihre grippebrüchige Stimme an Moira.
„Du- Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so..."

„Gravierend", schlug Taff hilfsbereit vor.

„Schlimm.", ergänzte Raff.

„Schlimm ist zu allgemein. Du siehst zum Beispiel schlimm aus. Moira ist eher grauenerregend."

„Komplett zerstört."

„Richtig übel.

„Katastrophal."

„Furchtbar."

„Grässlich."

„Haarsträubend."

„Geradezu entsetzlich."

„Ich sehe aus wie eine Leiche.", fasste Moira zusammen.

Raff und Taff nickten abwiegelnd und korrigierten unisono:
„Wie eine schrecklich zugerichtete Leiche."

Astrid schüttelte ungläubig den Kopf, beließ es aber dabei. Von ihrem akuten Mangel an Einfühlungsvermögen mal abgesehen, lagen die Zwillinge schließlich nicht falsch.
Ohne das Wunder wäre dieser Körper schon lange nicht mehr lebensfähig.

„Wenn ich so darüber nachdenke", setzte Taff an und wurde prompt von seiner Schwester unterbrochen: „Tu das nicht! Böses Omen! Wenn Thorstons nachdenken..." Mit düsterem Blick ließ den Satz in der Luft hängen.

„Touché", nickte Taffnuss und startete gleich einen neuen Versuch: „Wenn ich es mir recht überlege-"
„Stopp!"
Mit einem lauten 'Klong!' zog Raff ihm einen Stein über den Helm.
„Thorstons überlegen nicht! Du bringst Schande über uns!"

„Findest du nicht, dass Moira eigentlich Glück hat, blind zu sein und sich nicht selbst sehen zu müssen?"

„Ihr habt auch gar keinen Respekt, was?", nahm Rotzbakke Raffs Antwort vorneweg und funkelte die Geschwister warnend an.

„Vor dir nicht, nö."
Raff zuckte mit den Schultern, auf ihren Lippen ein freches Grinsen. Klatschend schlug sie mit ihrem Bruder ein.

„Blind?"
Mit einer Mischung aus Besorgnis und Unglauben beugte sich Heidrun zu Moira, bis Raff sie vorsorglich ein Stück zurückzog.
„Pass bloß auf, sie kann spüren, wohin sie ihre fiesen Schläge steuern muss.", erklärte sie auf den verwirrten Blick hin.

Moira schnaubte unwirsch.
„Und du, Fischbein? Hat's dir die Sprache verschlagen?"

Schlagartig sahen wir betrübt zu Boden. Natürlich, sie konnte nicht wissen, dass er auf der Schwelle zum Jenseits schwebte. Wie sagte man sowas? Gerade heraus oder mit einer vorsichtigen Einleitung? Wie sagte man es Moira? Sie nahm selten ein Blatt vor den Mund, aber das hieß nicht, dass-

„Na?"

„Er kann dir nicht antworten.", nahm Astrid uns die Last der ungesagten Worte ab.
Sofort schreckte Moira zurück, ein Auge weit aufgerissen, das andere hinter der Schwellung verborgen, die Hand fest in den Sattel gekrallt.

„Er ist...?"

„Noch am Leben.", sprang ich ein.

„Vorerst."
Heidrun stieß die Silben heraus, als wäre sie froh, sie los zu sein.

„Er ist ohnmächtig. Wurde abgeschossen und ist aufs Deck geknallt. Nira-"
Wut verschlang ihre Verzweiflung, ließ Heidruns Augen dunkel glühen und sprengte für einen Moment die Sorge aus ihrer Stimme.
„Diese Hexe hat ihm etwas eingeflößt, das wohl gegen seine Schmerzen helfen soll."
Sie holte tief Luft, knurrte: „Nur, dass Tote auch keine Schmerzen mehr haben." und fuhr fort, die Stimme fest vom Mut der Verzweiflung: „Die Dosis war hoch, genau grenzwertig. Wenn er aufwacht, haben wir gute Chancen. Dann ist er nicht den Schmerzen erlegen."

Moira starrte geradeaus. Und selbst, wenn sie ihr Augenlicht noch hätte, würden wir nicht erblicken können, was sie betrachtete.
„Oh.", murmelte sie und schüttelte den Kopf, um lästige Gedanken zu vertreiben, doch dann hefteten sich ihre Augen ungefähr auf ihre Hände und ihr Schweigen verkündete, dass diese Grübelei noch nicht beendet war.
Schließlich schrie sie frustriert auf, schlug sich die flache Hand an die Augen und kniff sich in den Nasenrücken. Als sie von ihrem Gesicht abließ, klebten an ihren Fingern Hautfetzen, die sie angewidert abschüttelte.

Neues Blut floss über die Wulste, wo sich Reste geschmolzener Augenbrauen erahnen ließen, zog Schleier über ihre Augen und rubinrote Tränen über ihre Wangen.

Wie von selbst griff Heidrun in die unzähligen Taschen der Lederweste und erstarrte mit entsetztem Blick, als sie sich dessen bewusst wurde. Zähneknirschend fuhr sie fort, zog dieselbe Paste hervor, die mein Gesicht bedeckte, schraubte den Deckel ab und ließ ihn beinahe fallen, als ihr Körper von einem ausgewachsenen Hustenanfall geschüttelt wurde.

„Was wird das?"
Misstrauisch hob Moira den Kopf.

„Ich behandle deine Wunden.", brachte Heidrun hervor.
„Soweit ich kann, jedenfalls."

Die Salbentube zischte durch die Luft, prallte gegen einen Felsen, sprang in den Krater.

„Ich brauche keine Hilfe!"

„Du bist gerade mehr als nur fast gestorben!", krächzte Heidrun zurück und nahm Ohnezahn die Salbenschale ab, die er ihr mit treuem Blick gebracht hatte.
Energisch tunkte sie zwei Finger in das Gemisch, drückte mir die Tube an die Brust und hielt mit ihrer nun freien Hand bestimmt Moiras Unterarm fest.
„Still halten.", befahl sie. Moiras Antwort bestand in einem Kinnhaken, dem Heidrun nur ausweichen konnte, indem sie sich rückwärts in den Dreck fallen ließ.

Die schwarze Kriegerin setzte zu einem weiteren Kommentar an, da landete sie neben Heidrun.
Nachtblitz' Züge sprühten vor Schuldgefühl, sie gurrte entschuldigend, fixierte ihre Reiterin jedoch trotzdem mit dem Körper am Boden.

„Nachtblitz!", rief Moira aufgebracht. „Lass das!"

Sie ließ es nicht, warf Heidrun aber einen bittenden Blick zu. Diese verstand sofort und verteilte das Kräuterzeug zügig auf Moiras Gesicht.
Der kleine Pott war noch nicht ganz leer, da gab Nachtblitz ihre Freundin wieder frei, die sich augenblicklich aufstemmte und mit tödlichen Blicken und Flüchen um sich schoss.
Ehe sie wie ein Stein umfiel, sich mehr schlecht als recht abrollte und Dreck spuckte.

„Moira?"
Astrid und ich machten einen Schritt auf sie zu, ich blieb stehen. Es brachte nichts, wenn wir alle zu ihr stürmten und von uns beiden konnte sich Astrid wesentlich besser in sie einfühlen.

„Moira, ich nehme deine Hand, nicht erschrecken. Okay, gut. Und jetzt langsam aufstehen. Langsam!"

Moira knurrte genervt.
„Ich kann durchaus alleine aufstehen."

„Ich weiß.", sagte Astrid und zog sie trotzdem hoch.
„Aber kannst du auch alleine stehen bleiben?"

Schnaubend schlug Moira ihre Hand weg und verlagerte das Gewicht, um einen Schritt zu machen. Noch bevor ihre Sohle den Boden verlassen konnte, geriet sie ins Straucheln und griff reflexartig dahin, wo sie Astrid vermutete.
Meine Verlobte sog scharf die Luft ein und riss Moiras Hand von ihrer Schiene, um sie sich auf die Schulter zu legen.

„Die Welt ist fremd, wenn man nichts sieht, stimmt's?", fragte sie, während sie das einst weiße Tuch zurechtrückte.
Moira schwieg, der Schreck war ihr deutlich anzusehen. Dann nickte sie knapp und widerwillig.

„Weißt du, die ganze Insel hat gezittert, als du aufgeschlagen bist. Es ist ein Wunder, dass du dir nicht den Schädel zertrümmert hast. Dein Schwindel ist mehr als nur natürlich."

„Hmpf."

„Aber er wird weggehen, versprochen. Von selbst."
Astrid pausierte, legte sich die nächsten Worte zurecht.
„Nicht von selbst zurückkehren wird dein Gleichgewicht. Glaub mir, ich weiß, wie sich das anfühlt. Wir halten die Welt mit unseren Augen fest, doch wenn all diese Seile reißen, wirbelt sie geradezu um uns herum. Es ist... es ist, als würde man auf Wasser laufen. Oder im Wasser. Alles bewegt sich irgendwie und steht zugleich still. Kein Fixpunkt. Keine Richtungen. Alles ist gleich, nur der Boden an deinen Füßen und alles, was dich berührt, existiert."

„Ich kenne die Dunkelheit.", hielt Moira dagegen.
„Sie ist mein Freund."

Ich zuckte zusammen, ihre Worte jagten mir einen Schauer über den Rücken. Dabei hatten sie nichts Erschreckendes an sich. Sie war die schwarze Kriegerin und wurde meist in der Nacht aktiv, das war alles. Kein Wunder, dass Dunkelheit ihr keine Angst machte.
Warum also sträubten sich die Härchen auf meinen Armen?

„Die Dunkelheit, okay. Aber ich rede nicht von der Nacht, ich rede von allgegenwärtiger Finsternis. Von Schwärze, die scheinbar alles verschluckt, was nicht in deiner unmittelbaren Reich- und Hörweite ist."

Moira brummte desinteressiert und wandte sich ab, ließ Astrid allerdings nicht los.
„Das führt doch zu nichts.", zischte sie.

„Du musst dich selbst finden, Moira. Du musst zu dem Ankerpunkt werden, an dem dein Gleichgewicht ansetzen kann. Das- Es ist leichter, wenn du dich dabei unterstützen lässt."

„Bist du fertig?", motzte die Kriegerin und kreuzte die Arme.
Gerade noch rechtzeitig preschte Nachtblitz an ihre Seite, um den Sturz abzufangen.

„Jetzt hör mir mal zu"
Mit ungewohnt bestimmter Haltung trat Rotzbakke vor, positionierte sich mit wütend verschränkten Armen vor Moira und grollte weiter: „Wir sind alle müde und verletzt und fertig und wir haben die Nase gestrichen voll von diesem Hochmut. Ich habe die Nase voll! Was müssen wir noch alles tun, damit du uns endlich vertraust? Wir sind die Drachenreiter! Bei uns bleibt niemand zurück, egal wie lausig er sich anstellt oder wie oft er es verbockt hat! Also hör auf, uns zu schlagen, wenn wir dir helfen wollen, denn wenn es etwas gibt, das noch größer und vollkommener ist als die Mauer, die du zwischen dir und dem Rest der Welt errichten willst, dann sind das Hicks' Gutmütigkeit und die Idiotie der Zwillinge und jetzt wag es ja nicht, mir ins Wort zu fallen!"

Er holte tief Luft, rief puterrot an und fuhr fort:
„Du kannst uns so viel Angst einjagen, wie du willst, du kannst so viel kaputt machen, wie du willst, du kannst soviel verschweigen, wie du willst, aber vergiss nicht, dass der da einen Nachtschatten gezähmt und sich damit Jahrhunderten an Tradition und Haudrauf dem Stoischen höchstpersönlich widersetzt hat! Vergiss nicht, dass ich lange Zeit den Vorrat an riesenhaftem Alptraumgel verwaltet habe und die Zwillinge jede Möglichkeit nutzen, um Dinge zu sabotieren! Vergiss nicht, dass wir Heidrun- entschuldige, Heidrun- aufgenommen haben, die uns mehrfach hintergangen hat, um ihre Familie zu- zu beschützen, zu vereinen, was auch immer, jedenfalls war immer irgendwas mit ihrer Familie und die umfasst Dagur den Durchgeknallten, der meinen Namen immer noch nicht auf die Reihe bekommt! Wir haben das verfluchte Nest der Feuerwürmer vor den Augen der Feuerwurmkönigin ausgenommen, um Hakenzahn zu retten, weil ich unbedingt der Beste sein musste!
Und es steht mir bis hier, dass du es trotzdem weiter versuchst und du siehst es zwar nicht, aber mein Arm ist durchgestreckt und höher komme ich nicht!"

Rotzbakke rang nach Luft, sein erhobener Finger signalisierte, dass er noch nicht fertig war.
Moira sagte nichts, ihr Gesicht war blank. Keine Regung, einfach nur leer.

„Also schön, ja, du machst mir Angst. Du bist brutal und rücksichtslos und diese Seelenbindung finde ich unheimlich. Du redest nicht mit uns, wenn es nicht unbedingt sein muss. Du bist so unglaublich undurchsichtig. Ach ja, und außerdem hast du auf mich geschossen, vor nichtmal drei Stunden. Oder so. Du hast uns beleidigt und zurückgelassen und Astrid, du kannst mich wieder zu Boden werfen, aber selbst Hicks' Gesicht sagt, dass ich Recht habe."

Ich musste echt daran arbeiten, meine Gedanken besser zu verstecken...

„Du hast uns mehr als genug Gründe gegeben, uns von dir fern zu halten, trotzdem sind wir hier. Also lass dieses Theater endlich sein, lass dir verdammt nochmal helfen und sag uns, was mit dir los ist, bei Thor!"

Rotzbakke schnaufte, räusperte sich mehrfach und schien zu realisieren, was er da eben getan hatte. Unruhig verlagerte er sein Gesicht und sah uns an, wartete auf eine Reaktion.

„Das"
Taffnuss deutete dramatisch auf den Jorgenson und genoss seine Kunstpause sichtlich, „war seit Hicks' Ansprache auf der Insel des Überwilden der beste Monolog, den ich gehört habe."
Damit neigte er hochachtungsvoll den Kopf und applaudierte.

„Yeah, Rotzbakke, Rotzbakke, oi, oi, oi!", stimmte Raff in den Applaus mit ein. Heidrun hielt sich etwas zurück und lächelte Rotzbakke nur erleichtert an, Astrid zögerte, nickte aber schließlich anerkennend und ich hatte gerade noch genug Beherrschung, um nicht ebenfalls zu klatschen. Selbst Nachtblitz musste einen zustimmenden Laut mit einem Niesen kaschieren.
Mit sichtlich geschwollener Brust half Rotzbakke Moira auf, die keinen Laut von sich gab.

„Warte, warte!"
Schnell unterbrach Heidrun Rotzbakkes Vorhaben und stützte Moira an der anderen Seite.
„Lass sie sich lieber wieder hinsetzen, das ist sicherer. Und ich kann in Ruhe gucken, wie ich ihr helfen kann."

Das brachte Moira dazu, protestierend den Mund zu öffnen. Sie biss sich jedoch schnell auf die Lippe, schloss ihn wieder und begnügte sich damit, mürrisch die Zähne zusammenzubeißen.

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4020 Wörter

Es tut mir sehr Leid, dass es doch erst so spät geworden ist. Ich könnte jetzt mit Prüfungsphase und sonstigem argumentieren, aber ehrlich gesagt war es Faulheit. Ich mag das Kapitel nicht so sehr, sodass ich das Korrekturlesen ewig hinausgeschoben habe. 😅
Als Entschädigung versuche ich, heute Abend noch ein weiteres Kapitel hochzuladen.

Hektorianja

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