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(21) schattenhafte Einsicht


Moira

Eine Lüge.

Jedes noch so kleine Detail in meinem Leben war gelogen. Jede Entscheidung wurde mir scheinheilig vorgetäuscht. Meine Überzeugungen waren nichts als grausamer Schwindel.

Das bedeutete es.
Das bedeutete diese Tatsache.
Ich war die Auserwählte und mein Leben, meine Freiheit nichts als betrügerische Gaukelei.

Ich hatte nie eine andere Wahl gehabt, als den Kampf zu wählen. Meine Freundschaft mit Nira war von Beginn an dazu verdammt, in Hass und Feindlichkeit zu enden. Es hatte nie eine andere Möglichkeit gegeben. Keine Möglichkeiten, keine Wahl, keine Entscheidung, keine Chance auf andauerndes Glück.
Nein, ich sollte nur meinen Zweck erfüllen. 

Und dafür musste ich einsam gehalten werden.

Sonst hätte ich irgendwo das fragile Zukunftsgerüst einstürzen lassen können. Ich hätte auf der Insel bleiben können, den Weg des geringsten Widerstandes wählen können, zusammen mit Nira, Kjell und Selma. Ich hätte mich nie gegen die Brutalität der Drachenjäger auflehnen können, wäre nicht verraten worden, nicht geflohen, nicht auf Nachtblitz getroffen. Vielleicht wäre sie eines Tages auf der Insel gelandet, wir hätten uns angefreundet und alles wäre gut gewesen. Irgendwann wären wir friedlich eingeschlafen, nach einem langen, von guten Freunden begleiteten Leben. Mit uns wäre das Drachenfeuer verloschen und Ende.
Möglicherweise auch nicht, vielleicht hätte Selma uns alles erklärt und wir wären ebenfalls hier gelandet.

Womöglich hätten wir uns aber doch dagegen entschieden, und dieses Womöglich war den runzligen Ahnen offenbar ein Dorn im Auge. Also wurde ich als Marionette geboren. Um ihr Gewissen zu erleichtern, hatten sie in den mir aufgezwungenen Weg noch ein paar Sackgassen eingeflochten. Damit ich hier und da mal woanders abbiegen konnte, aber immer auf dem rechten Pfad blieb.

Mein Blick flog zur Gruppe. Astrid nickte grimmig.
Die Drachenreiter waren wohl kein Teil des ach so sicheren Plans gewesen. Daher hatte ich sie loswerden sollen. Aber leider, leider hatten sich die altehrwürdigen Greise vertan und waren aufgeflogen. Wie traurig.
Und bei derart schlechten Verlierern konnte man lange auf Fairness warten. Tss, lieber bockten sie und schmissen die Truppe mit in meinen Tunnel. Tadaa, Problem gelöst.
Sie sollten besser zu allem beten, was sie in die selbstverliebten Finger bekamen, dass ich sie niemals finden würde.

Wilfriede knetete nervös ihre Hände.
„Und jetzt?"

Jetzt war ein weitere Freund ein Feind.

„Jetzt haben wir doch noch eine Chance."
Hicks wartete, bis der aufkeimende Donner verklungen war.
„Vergiss das nicht."

„Dann wollt ihr immer noch mitkommen?"

Meine Stimme kam von irgendwo außerhalb meines Körpers. Ich spürte nur ihre Vibration durch mich dringen, fühlte mich schrecklich leer. Alles zerfiel allmählich, wurde von der immer tiefer einsickernden Erkenntnis weggeätzt. Es brach zusammen. Erst bröselte es leicht, wie Staub, dann purzelten größere Stücke heraus, Brocken. Alles, was mich ausmachte, alles, was ich war, wovon ich zumindest geglaubt hatte, es zu sein- es fiel in sich zusammen. Und immer, sobald ich glaubte, nur noch aus Trümmern zu bestehen, barsten sie weiter.
Als wäre ich nicht mehr als eine spröde Figur, ein poröser Schatten dessen, was ich einst hätte sein können.
Hörte man das Krachen und Knirschen aus den Worten heraus?

Und wenn schon, wofür zählte es? Was nutzte es? Nichts, so simpel war es. Nichts. Denn ich war vorbei.
Wenn dieser Körper, mein Körper, jetzt abgestochen werden würde, es wäre nicht anders, als stünde an meiner Stelle eine strohgestopfte Trainingspuppe. Stand sie eigentlich auch. Ob Fleisch oder Stroh, das war unerheblich.

„Selbstverständlich." Astrid verschränkte die Arme, als wolle sie jede Art von Widerspruch abwehren. Berechtigt, aber nicht erforderlich. Ich schnaubte nur und warf halbherzig ein:
„Das ist nach wie vor Selbstmord."
„Es nicht zu versuchen ist tödlicher.", schoss sie zurück.
„Damit magst du sonst richtig liegen, aber ihr kennt Sungird nicht."
Ungläubig drehte ich mich zu Kjell. Bitterkeit drang aus seinen Worten, während er uns mit verschränkten Armen durch das Käfiggitter musterte.
„Keiner von euch hat ihn je persönlich getroffen. Lasst es. Alle. Ihr rennt sehenden Auges ins offene Messer."

<Wie kommt er bloß auf diese abwegige Idee?  Wir? Den kennen? Wer ist Sungird denn? Unterhaltungsartist? Haben wir je auch nur von ihm gehört? Ich nicht. Du etwa?>
Meine Freundin verzog abfällig das Gesicht.
<Die letzten Jahren haben wir schließlich in aller Ruhe Blumen kartografiert.
Bitte, er glaubt sich doch selbst nicht.>
<Hm...>
Ganz unrecht hatte der Dieb nicht.
Skeptisch flog Nachtblitz'  Blick von Kjell zu mir. Im Nu hatte sie meine Gedanken erraten. Oder gespürt, das hielt sich die Waage. Ihr Ton wurde weicher.
<Wir wissen beide, dass die Reiter ihre Entscheidung getroffen haben.>
Und zwar schon vor Wochen, hallte ungesagt hinterher.

Als wäre nichts gewesen, drehte ich mich zurück zur Blondine.
„Du wirst eine Schutzvorrichtung für deinen Arm brauchen. Die Stoffbahnen werden nicht reichen, wenn er nicht abfallen soll."

„Moira, ihr habt keine-"
Wilfriede unterbrach Kjells Protest.
„Und du schon? Du weißt, wie er ist?"
„Ja, das ist auch der Grund, weshalb ich euch dringend davon abrate-"
„Dann weißt du auch, was passiert, wenn man ihn nicht aufhält?"
„Mädchen, ihr könnt ihn nicht aufhalten. Das ist der Punk-"
„Was passiert denn, wenn man nichts tut?"
„Er wird... Blutvergießen, Kämpfe, Tote. Das wird passieren."
„Und genau deshalb werden wir alles tun, was wir können, um ihn aufzuhalten. Du weißt es vielleicht nicht, aber wir können sehr wohl etwas tun. Und wir werden es tun."
Astrids Blick ließ den Dieb in sich zusammen schrumpeln.
„Aber-", setze er trotzdem an.
Ungeahnte Abscheu brodelte in mir auf, ließ die hassgetränkten Worte über meine Lippen quellen.
„Kein Aber, Kjell. Das ist erbärmlich. Du bist hier derjenige, der am wenigsten zu verlieren und die unheilbare Ichsucht hat, der um sein feiges Leben bangt und nicht genug Ehre auftreiben kann, um sich überhaupt einen flohbefallen Dieb zu schimpfen. Das -und nur das- wolltest du eigentlich sagen."
Er verstummte, sackte in eine Ecke.
Ich warf einen Blick auf Astrids Arm. Spürte, wie die Härte aus meiner Stimme fiel und jede Festigkeit und Kraft mitriss.
„Zumindest eine Art feste Ummantelung wird nötig sein."

„Öh, wie jetzt? Das war's? Kein langer Starrkampf? Kein ‚Das ist nicht euer Kampf. Kehrt zurück nach Berk'? Ganz ohne Diskussion? Es ist einfach..."
Taffnuss fuchtelte mit der Hand überfordert zwischen Astrid und mir hin und her.
„...geklärt?!"
Kommentarlos wandte ich mich ab. Was ich entschied, entscheiden würde, entschieden hätte, es war sowieso bedeutungslos. Schon seit meinem ersten Atemzug.

„Moira? Wirklich nicht? Ich hatte mich schon so auf das Gebrüll gefreut! Naja, eher darüber, mal nicht selbst derjenige zu sein, der angeschrien wird, sondern das Spektakel vollkommen gelassen genießen zu können. Also: Keine Vorwürfe? Nichts? So... so rein gar nichts?"
Ich linste über meine Schulter.
„Ihr wisst nun, worauf ihr euch einlasst."
„Ja, aber du akzeptierst doch nie unsere Entscheidungen."
„Immerhin ist es eure Entscheidung."
„Trotzdem ist das nicht normal."
Als er die Arme verschränkte, schüttelte seine Schwester in meinem Augenwinkel den Kopf.
„Taff, lass es."

Natürlich ließ er es nicht. Er überhörte sie kurzerhand und richtete sich noch ein Stück höher auf.

„Deshalb bin ich gezwungen, das Folgende zu übernehmen und unter alleiniger Verantwortung durchzuführen, aufopfernd wie ich bin."

Ich seufzte stumm. Was auch immer kam, es würde mir nicht gefallen.
Seine Schultern strafften sich, der Ausdruck in seinem Gesicht wurde hart: „Wer bist du und was hast du mit Moira gemacht?"
„Du schlabbriges Quallenhirn!"
Raff sprang vor und funkelte ihren Zwilling wütend an.
„Seit wann habe ich mehr Feingefühl als du, Schafskopf?"
Verteidigend hob ihr Bruder die Hände.
„Irgendwer musste fragen!"
„Fang an zu denken und-"
Ehe auch noch hier alles in die Brüche ging, drehte ich mich vollends um und schnitt ihr mit seltsam kraftloser Stimme das Wort ab. Ja, man konnte das Knirschen heraushören.

„Ich weiß es nicht, Taffnuss. Niemand, vermutlich. Und Raffnuss, hebe dir deine Kräfte lieber für später auf. Du wirst sie brauchen."
Mein Blick suchte Hicks'.
„Am Horizont wird es hell."
Grimmig erfreut nickte er. Eine schmerzende Bestätigung, ein bittersüßes Versprechen vor dem sich düster grummelnd zusammenbrauenden Hintergrund der nahen Zukunft.
















Verhalten segelten Nieseltröpfchen auf den blankgewaschenen Fels. Blank wie das Intrigengeschwür, die Basis meines ganzen Seins. Und wie der Fels war es solide, schwer zu erschüttern, nicht mehr zu übersehen. Dennoch versuchte ich, es auszublenden, zu ignorieren, zu verdrängen. Ich war nicht stolz drauf, aber ich brauchte die Kraft, die aus dem Gefühl von Selbstbestimmung rührte.

Ich hatte die Wahrheit gewollt. Oder? Ich war mir sicher gewesen, bereit für sie zu sein.

Das war die Wahrheit.
Doch nein, ich war nicht bereit. Ich wollte sie nicht mehr. Es wäre einfacher, meinen baldigen Tod zu akzeptieren, so viel einfacher.
Lieber halb bestattet als komplett ausgeliefert.

Am Himmel lösten sich die sterblichen Gewitterüberreste in Sonnenlicht auf. Klarer Himmel, klarer Boden, klare Regeln. So war es.
Bezüglich Nachtblitz' und meiner Rollen jedenfalls. Die Drachenreiter versuchten noch, ihre aus den restlichen Zeilen herauszulesen.

„Der Blitz- Mealla. Das bist du. Fluch, vermutlich ein Himmelsfluch. Nachtblitz. ‚Das Verlöschende' ist selbsterklärend. Der Untergang..."

Bemerkte Hicks, dass ich nicht mehr mitdiskutierte? Gar nicht erst mitgerätselt hatte? Garantiert, das konnte ihm nicht entgangen sein. Die direkte Anrede entsprang eher seiner Höflichkeit, mich weiterhin einbinden, nicht ausschließen zu wollen, als dass er wirklich eine Reaktion erwartete.
Vergebene Müh. Es gab keinen Schlüssel, der die Tür öffnen konnte, die sich zwischen ihnen und mir geschlossen hatte.
Hm, offen war sie nie gewesen. Nur unsichtbar.

„Das Ende der Himmelsflüche und des Drachenfeuers.", beendete Fischbein den Gedankengang seines Häuptlings. Es hätte auch jeder andere sein können, so oft, wie sie das bereits durchgesprochen hatten.
„Genau."
Bedrückt nickte das junge Oberhaupt.
„Egal wie es ausgehen wird, danach gibt es keine Veränderungen mehr. Entweder wir können das Feuer erhalten oder... tja."
Astrid vollführte eine vielsagende Handbewegung.
„Vermutlich. Es steht nicht drin, was geschieht, falls wir gewinnen sollten. Bloß die andere Option hat unwiderrufliche Folgen."
„Großartig. Ganz großartig. Warum müssen wir immer den Kürzeren ziehen?"
Rotzbakkes Jammern wurde mit entnervten Blicken quittiert. Dennoch ging keiner weiter auf ihn ein, zu ähnlich dachte jeder.

Jetzt folgten einige Herzschläge für Grübelei, dann würde es von vorn losgehen.
Warum ich sie nicht unterbrach, war mir schleierhaft. Wahrscheinlich änderte es sowieso nichts, unsere nächsten Schritte waren längst in Stein gemeißelt. Da konnte ich auch die Klappe halten und das tun, was Selma mir am liebsten gepredigt hatte: ‚Auf das Schicksal vertrauen'. Auf dieses faulende, wendehalsige, schmierige Problemlösungsrezept.

Ich schreckte beinahe zusammen, als Wilfrieds Stimme unvermittelt den Kreislauf zerstörte.
„Was wäre, wenn ihr Nachtblitz hier lasst? So kann Sungird ihr nichts anhaben."
Er zog fragend eine Augenbraue hoch, ließ sie jedoch sofort wieder in die Tiefe schrappen, als besagte Drachin warnend aufknurrte.
Heidrun schüttelte energisch den Kopf.
„Ausgeschlossen."
„Nachtblitz und ich werden ausdrücklich erwähnt. Wenn auch nur einer von uns hier bleibt, ist der Kampf schon verloren."
Die Berserkerin brauchte eine Sekunde, um sich von ihrer Überraschung zu erholen. Alles Andere wäre auch Grund zur Sorge gewesen, nichtmal ich selbst hatte damit gerechnet, dass ich ihr in der kurzen Atempause über den Mund fahren würde. Gut die letzte halbe Stunde hatte ich schließlich bloß stumm dagesessen und jeden noch so flüchtigen Blick verbittert zurückgeschossen.

Stille.

Alle Aufmerksamkeit bei mir, alle Blicke gesenkt, abgewandt, gezwungen ferngehalten. Angst hatten sie, Angst um mich, Mitgefühl. Wollten nicht noch Salz in die Wunde streuen, nicht durch Gaffen das Messer weiter drehen.

Fühlten sich schuldig.
Und genau das war das Einzige, das ihnen leidtun sollte. Nicht sie trugen die Verantwortung. Sie hatten nichts getan, mich nicht verletzt. Lediglich die Augen geöffnet.
Stolz müssten sie sein. Und wenn es
fässerweise Salz in die Wunden schüttete, der Schmerz gab mir wackligen Halt. Genug jedenfalls, um bis jetzt nicht vollkommen zusammengebrochen zu sein.

Mit Schmerz konnte ich kämpfen.

Mit einer übermächtigen Bestimmung nicht.

Heidruns vorsichtiges Räuspern war schließlich alles, was dazu kommentiert wurde. Vielleicht war es besser so, vielleicht würde diese fadenscheinige Hülle hier bei direkter Konfrontation mit Worten zerbersten. Vielleicht war sie nur da, um das zu hören, was an alle gerichtet war. An alle und niemanden, so, wie sie von allen und niemandem geführt wurde.  Es war einfach nicht ihre Aufgabe, als selbstständiges Wesen wahrgenommen zu werden. Früher hatte der Schwindel sie noch geschirmt, jetzt war sie kahl, schutzlos, bei der harmlosesten Beschädigung zerstört. Einmal falsch verwendet und augenblicklich kaputt.

„Außerdem wird im ersten Teil der Prophezeiung ein Limit gesetzt."
Leise sprach die Klingenpeitschlingreiterin. Zu leise, um den Krach in mir zu übertönen.
„Hier redet man von einer ‚Zeit'. Wenn wir bis dahin nicht erfolgreich waren, ist es so oder so zu spät."
Das stand fest. Blieb nur offen, was nach Ablauf des Limits geschehen würde.

„Mhm... Wieso muss das so verzwickt sein? Wir können euch nichtmal helfen, diese urige Truhe lässt sich nämlich nicht öffnen. Das Schlüsselloch ist bloß Deko."
Missmutig schnipste Wilfriede einen leeren Thymianstrang vom Tisch. Ihr Kopf ruhte auf einem ihrer Unterarme, in den wirren Haaren hatten sich Reste der Kräuter verfangen.
„Habt ihr sie auf weitere Mechanismen untersucht?" Hicks ging gedanklich bereits alles durch, was ihm je unter die Nase gekommen war. Man las es in seinem Gesicht, in den unruhig schweifenden Augen, den leichten Bewegungen seiner Finger, die Gedankenmodelle zusammenbauten, Oberflächen suchend abfuhren, in der Luft nach Geistesblitzen bewährter Schmiede forschten.

„Jup. Zehn Jahre lang."
„Erfolglos.", ergänzte ihr Bruder.
„Nein, das stimmt nicht. Sie bot immer eine großartige Ausrede."
Zu spät registrierte das junge Mädchen, was sie gesagt hatte.
„Äh, ich meinte Ablenkung. Von den Trainingseinheiten. Und sie hat mich für meine Namensgebung inspiriert, weil ich dort super nachdenken konnte. Darüber hinaus konnten wir uns ständig Geschichten über ihren Inhalt ausdenken, und keine davon war Schwachsinn, denn wir wissen bis heute nicht, was sich wirklich in ihr befindet."
Wilfried verschränkte die Arme.
„Unter Garantie kein Tor zum Mond."
„Pff. Du bist zu verklemmt, deshalb geht das nicht. Ansonsten schon. Frag Raff und Taff, die können es dir bestätigen."
Mit diesem Worten sprang sie plötzlich auf.
„Hey, wir könnten trotzdem zu ihr gehen! Zusammen sind wir möglicherweise stark genug, um sie aufzubrechen. Das hat bisher leider ebenfalls nicht geklappt. Unglaublich, das Holz zerfällt geradezu beim Angucken, aber preisgeben will es sein Innerstes nach wie vor nicht. Und falls das nichts bringt, können wir sie aufsprengen. Mit diesen zwei Profis kann dabei gar nichts schiefgehen!"

Sechs schockerstarrte Augenpaare verschmolzen zu einem starren Wall, der die leidenschaftliche Rednerin so unvermittelt konfrontierte, dass sie verwirrt zurückprallte und nicht wusste, wo ihr Blick zuerst hinkoordiniert werden sollte.
Ihr Bruder begnügte sich gegenüber der heftigen Reaktion mit einem still seufzenden Kopfschütteln und ich schwenkte meinen Blick ahnend zu den Zwillingen, die mit lieblichsten Unschuldsminen Rotzbakkes Sattel durch Dornen an der Sitzfläche aufwerteten. Ihnen war die ständige Wiederholung recht bald langweilig geworden- Hatten sie nicht nach einigen weniger dankbar angenommenen Scherzen im Regen irgendwelche seltenen Wurmdrachen suchen wollen? Schien so, als hätten die Kriecher ihren Stachelvorrat loswerden wollen.

<D-das meint sie nicht ernst, oder?>
Ja, auch Nachtblitz war eine der sechs erschütterten Stützen in der Ungläubigkeitsmauer.

Gefährlich leise knackten Astrids Fingerknöchel.

„Besäßet ihr zwei womöglich die Güte, uns aufzuklären?"

Das war er, der feine Riss in dem staubtrockenem Lehm. Gesponnen aus bedrohlich ruhig gehaltenen Stimmvibrationen breiteten sich seine hauchdünnen Fäden aus, krochen geschwungen und gezackt vorwärts, rückwärts, in die Tiefe und weiter hinauf, bis die ganze Mauer von schattenhaften Spinnweben durchzogen war. Astrids Kopf drehte sich, blonde Strähnen trieben durch die Wand, verursachten die ersten bröckelnden Klumpen. Schlagartig griff der schneiende Zerfall auf den Rest des Walls über, eben noch versteifte Gliedmaßen fielen in ihre Dynamik zurück, als alle es der blonden Reiterin gleichtaten und sich zu dem Chaotenpaar wandten.

Unbeteiligt dreinschauend zuckte Taffnuss mit den Schultern.
„Naja, als Berks meistpraktizierende Berufsexplosionisten vertraten wir einstimmig die Auffassung, ein ‚Profis' als längst überfällig zu deklarieren. Bei unserem Erfahrungsschatz gälten wir sowieso als Meister, aber der Begriff war uns zu steif. Also sind wir Profis."

„Allerdings.", Rotzbakke verschränkte abfällig die Arme.
„Profis für unerwünschte Zerstörung und Verwirr- Was zum Geier macht ihr da mit meinem Sattel?!"

„Putzen."

„Einfetten."

Raffnuss ließ die restlichen Dornen unauffällig in ihrem Rock verschwinden. Ihr vorfreudiges Schmunzeln kaschierte sie gekonnt durch ein reuevolles Lächeln.

„Als Entschuldigung für die Aktion mit dem Gel."

Kräftig bestätigend nickte ihr Bruder, so hingabevoll, dass ihm der Helm auf die Nase rutschte.

Normalerweise hätte ich jetzt belustigt geschnaubt oder mindestens die Arme verschränkt. Eventuell wäre es auch bei einem entnervten Augenrollen geblieben.
Nur war für mich nichts mehr normal. Die Freude der Reiter, ihre Erleichterung und langsam aufkeimende Frustration, jede Gefühlsregung zog teilnahmslos an mir vorbei. Ich kam nicht mehr an sie ran.
Noch schlimmer war, dass es anfing, mir egal zu werden. Nicht nur es, alles fing an, Bedeutung einzubüßen. Wozu sich bemühen, wenn es nie etwas bringen würde?

„Obwohl es wirklich super komisch aussah, wenn du mit brennendem Allerwertesten durch die Gegend gepest bist."
„Ja, das was himmlisch. Wir werden es vermissen."
„Sehr."
„Hmchrm."

Hicks' Stimme war noch nicht ganz abgeebbt, da zuckten die Zwillinge schon getroffen zusammen. Ob das an dem strengen Unterton lag, war bei Astrids Blick jedoch guten Gewissens in Frage zu stellen. Schwelend wie glühendes Eisen schnitt er durch den Raum, sengte tief durch die aufgesetzten Fassaden hindurch und erspähte scheinbar jeden noch so sorgfältig verscharrten Gedanken. Glanz- und mutlose Furchen zerschnitten nach wie vor das unnachgiebig lodernde Blau, ähnlich Kratern in der von eingefangenen Sonnenstrahlen erleuchteten, mühsam neu belebten Landschaft, an deren Grund träge Lava danach gierte, hervorzubrechen und erneut alles zu leerem Ascheregen zu verglühen.

Das waren sie, die ewig wunden Narben. Denn was einmal vollkommen zerbrach, konnte nie mehr restlos verheilen.

Sacht langte der Nachtschattenreiter um ihre Hüfte. Fast hörte ich das schmorende Gestein am Boden der Schluchten fauchen, ehe sein toxisches Strahlen nachließ. Vorsichtig, aber nicht minder bestimmt hielt er seine Freundin fest. Kein Wunder, die Bände, die ihre Mimik sprach, waren für jeden leicht zu lesen und nicht einer endete vorteilhaft für die Zwillinge. Ob sich der Wikinger der verstärkenden Wirkung bewusst war, die er auf die notdürftig zusammengeschabte Hoffnung der Kämpferin hatte, blieb dagegen hinter Schloss und Riegel. Mir genügte es auch vollkommen, die feinen Kummerfurchen von Astrids Stirn verdunsten zu sehen.
Dann gab es immerhin für eine von uns noch die Chance auf Heilung.

Mit sich ringend schwankte Taffnuss' Aufmerksamkeit im fliegenden Wechsel zwischen den blonden Mädchen. Eine richtige Wahl ließen ihm die auffordernden Haltungen seiner Kameraden nicht, doch er verstand es, sich wenige Sekunden Restehre zu erschleichen.
Schlussendlich stieß er ergeben die Luft aus.
„Liebste Wilfr-Ilfri, es tut mir furchtbar leid, doch allen Belegen zufolge sehen unsere Freunde in gewissen Annahmen unter bestimmten Facetten manche Dinge anders an als wir Geschworene. Daher- und nur daher- sehe ich mich in der Pflicht, zum Wohle der Freundschaft auf die Auszeichnung als Profi zu verzichten."
„Hey, dann bin ich jetzt die bessere Sprengerin von uns beiden! Halt, sogar die beste von ganz Berk!"
„Raffnuss!"
„Was?"
Abwehrend verschränkte sie die Arme und warf Heidrun einen dickköpfigen Blick zu.
„Er hat für sich gesprochen, ich habe damit nichts am Huhn- Jaja, schon gut, das war ein blöder Scherz."
Kleinlaut senkte sie den Kopf angesichts der an sie gewandten Gesichter.
„Ich schließe mich meinem Vorredner an. Keine Profis mehr hier.", bekam der Boden vor ihren Füßen gereizt zugemurrt.
„Zufrieden?"

Wahrscheinlich erwiderte irgendwer irgendwas.
Wahrscheinlich brach die nächste Diskussion aus.
Wahrscheinlich würde jemand einwerfen, dass wir trotzdem zur Truhe gehen sollten.

Definitiv fiel niemandem auf, dass sie sich auflösten, allesamt, schneller und vollständiger als süße Träume nach bitterkaltem Erwachen. Zu Staubflocken verrieselten, zu Ascheschaum auf dem Flammenmeer, das plötzlich um mich rauschte.

Wie von selbst drehte ich mich im Kreis. Überall glühend pulsierende Wogen, Funken blitzten auf, ließen die Feuerwellen glitzern.
Ihre Hitze streichelte meine Wangen, liebkoste meine Arme, schmeichelte meinem Nacken. Warum verbrannte ich nicht?
Sanfte Loheströme spielten um meine Beine, verwirbelten hinter dem plötzlichen Widerstand.
Hellgraue Asche schneite vom grenzenlosen Himmel, trieb mit flimmernden Windhauchen wieder auf. Einige Flocken landeten federleicht auf meiner ausgestreckten Hand, fast zu weich zum Spüren.
Beim Kontakt mit meiner Haut strahlten sie auf, verzauberten wieder zu Diamantfunken. Sprühten golden zwischen meine Haare, wirbelten sie auf, schwirrten faltergleich weiter.

<MOIRA!>

Dahinten, noch ein funkelndes Glitzerfalterchen. Aber es war dunkel und tanzte nicht so freigelöst umher, vielmehr schwang es sich elegant durch die Luft. Federleicht und grazil und doch majestätisch und vor Kraft strotzend, glänzender als der meisterhafteste Edelsteinschliff. Wurde größer, schöner, überwältigend faszinierend. Neben ihm büßten die glühenden Funkenwolken gehörig an Strahlen ein, hoben ihn nur noch mehr hervor, wenn sie um ihn herum zerstoben und Lichtreflexe über die makellos schwarze Oberfläche schnuppten.

<MOIRA!>

Wieder dieser Ruf. Dieser grauenhaft fehlplatzierte Ruf. Brüllend vor Angst, schneidend ernst, kreischend verzweifelt.
Er gehörte hier nicht her. Gehörte nicht in die milde Flammensee, zwischen sprühende Sonnenpollen, in die Ewigkeit des hellgrauen Himmels. Nicht zu mir und nicht zu dem stetig anwachsenden Schattenstern.

Moment mal. Anwachsend?
Das war kein verschwirrter Funke, das war-

<Nachtblitz?!>

<Oh, allen Sternen sei Dank. Beweg dich nicht von der Stelle, ich komme!>

<Aber alles ist->

<HALT STILL!>

Da hörte ich es auch. Leises Knacken, kaum zu unterscheiden vom Knistergesang der Flammen. Wie dünnes Eis im Winter.
Ich sah nach unten.
Feine, tiefschwarze Fäden zogen sich ausgehend von meinen Füßen in die Feuerflut, durchsetzten den gleißenden Boden. Ruckartig schlossen sich meine Augenlider. Zu hell. Viel zu hell. Als stünde ich auf der Sonne selbst. Und vielleicht tat ich das sogar, vielleicht war unter mir nichts als Licht, so rein und kräftig, dass das lodernde Feuer wie sein Schatten wirkte.
Aber unter diesem Licht war Schwärze. Endlose, konturlose, unstillbar hungrige Schwärze. Und sie kroch hervor, genau unter mir bohrte sie ihr Loch, kratzte, drängte, leckte.
Jeder Schritt machte das Licht brüchiger, bot ihr eine größere Angriffsfläche. Schon die kleinste Gewichtsverlagerung könnte aus den spindeldürren Fädchen dick gedrehte Taue knüpfen.

<Gleich, Moira. Ich schaffe es, versprochen.>

Aber sie war noch so weit weg. So weit, dass ich nur mit Mühe die krampfhaft im Schwung schlagende Schwanzflosse erahnte, ihre Flügel noch wie Striche an einem größeren Punkt anmuteten.
Ja, Himmelsflüche waren schnell. Nicht umsonst galten ihre nächsten Verwandten, die Nachtschatten, als ungeschlagene Himmelssprinter. In diesem Punkt waren die Rassen identisch.
Doch auch schneller als der Schall war langsamer als das Licht- und wo Licht fehlte, war Schatten. Der dunkle Umriss unmittelbar nach dem Blitz kam schließlich nicht grundlos vor dem Donner.

Trotzdem, sie hatte es versprochen. Und ich vertraute ihr. Sie würde es schaffen. Natürlich würde sie es schaffen. Sie war Nachtblitz. Eine andere Option gab es gar nicht.

Weiteres Knacken. Dabei hatte ich mich nicht einen Deut gerührt. Selbst die Luft hielt ich an, starrte blinzellos meiner Freundin entgegen.

Knack. Knirsch.
Die Flammen zuckten schreckhaft vor den klaffenden Rissen zurück.

Und Nachtblitz weiterhin so fern. Das Pfeifen ihrer Flügelschläge nur ein ersticktes Echo.

Sie konnte das. Ich wusste es.
Glaubte es.
Hoffte.
Nein, ich wusste.
Genau wie sie.

Es kroch meine Beine hoch.
Etwas, eine namenlose Veränderung. Sie war weder schmerzhaft noch unangenehm, aber ich spürte deutlichst, wie sie über meine Knöchel klomm, die Waden emporstieg und sich um meine Knie wand, immer begleitet von lauterem Knacken.
Mittlerweile hatten sich Pfade gebildet, wo das Feuer gewichen war. Nur notdürftig spannte sich eine zum Zerreißen gedehnte Lichtfolie über das gähnende Dunkel, verschmolz zu einem laschen Grau.

Ich musste es riskieren. Musste wissen, was vor sich ging, kam gegen den Drang nicht an.
Einen Sekundenbruchteil schnippten meine Augen nach unten, haschten nach dem Bild.
Ein Sekundenbruchteil, dessen Folgen ich nicht einschätzen konnte. Nicht sagen konnte, ob das Bild die Gefahr wert war. Nicht abwägen wollte.
Ich musste einfach.

Die Ausbeute war zwar verschwommen, nichtsdestominder jedoch erschreckend genug, um völlig auszureichen.

Ich hatte keinen Gedanken an meine Kleidung verschwendet. Kein Wunder, das war nebensächlich. Wäre nebensächlich.
Denn sie war weiß. Schlohweiß.
Bis zu der scharf gezogenen Kante, die sich nun bis zur Mitte meines Oberschenkels hochgefressen hatte und unterhalb derer mir das entgegenprangte, was eben noch eine absolut harmlose Selbstverständlichkeit gewesen war: schwarze Knieschützer, schwarze Beinkleider, Stiefel aus dunkelstem Leder. Eine schwarze Rüstung.
Meine schwarze Rüstung.

Und unter mir ein zerbröselndes Strahlengitter. Seidene Schnitte über der Finsternis, ein engmaschiges Fangnetz. Aber die Dunkelheit brodelte voran, schürfte die hauchdünne Barriere gierig ab.
Ich hatte noch einen Atemzug frei, ein Schlucken, Händezittern oder Blinzeln, dann würde mich ihr Geifer verschlingen.
Ausgerechnet jetzt flatterte meine Lunge, verlangte nach frischer Zufuhr.

<Spring!>

Ich sprang. Ohne Zögern. Stieß mich in die Höhe, zertrat die letzten Lichtwächter zu Funkenstaub. Die Arme in die Höhe katapultiert, nach Halt im Verwehenden fischend.
Realisierend, dass mir im Grunde egal war, ob ich fliegen oder fallen würde.

Noch einmal sah ich nach unten, an meiner Körpermitte vorbei, wo zwei rumorende Mächte gegeneinanderwuchteten, unter die Feuerspitzen, die wie wahnsinnige Mücken um meine Sohlen zirpten und bei Kontakt aufgeregt davon sprangen, sah hinunter zu dem sich schälend aufpellenden Schattengeschwür. Es zwängte sich als Blase ins Freie, ließ das Licht an den Rändern zerbröseln und abblättern, puschte voluminöser hoch, die Sekunden bis zu seinem Platzen hastend wegfegend.

Meine Finger trafen auf Halt.

<Hab dich.>, schnurrte mir Nachtblitz entgegen, ein erleichtertes Glimmen in den Augen.
Ich nickte. Lächelte mit den Reflexsternen auf ihren Schuppen um die Wette. Wenn die Welt zerbrach, Nachtblitz würde bei mir bleiben.
<Daran habe ich nie gezweifelt.>
<Na los, schwing dich hoch. Ist für uns beide leichter.>

Mit anmutiger Grazilität warf sie sich nach hinten, glitt in einer Schleife über den Himmel, die hinter ihrer hypnotisierenden Eleganz absolut tödlich war. Kein Stück war sie langsamer geworden, nach wie vor jagten wir dem Schall davon, flohen vor dem Wortgeflacker des Feuers. Wenn sie sich nicht in die Rumpfplatten der Rüstung gekrallt hätte und diese nicht felsenfest sitzen würden, wäre mein Rückgrat wie ein trockener Ast zersplittert- da sollte ich lieber in Dankbarkeit schwelgen als direkt wieder meine Hals zu riskieren. Aber wir waren nunmal nicht irgendwer, wir waren wir. So oft, wie dieser Todestanz schon von uns absolviert worden war, so oft, wie ich zu genau wusste, dass mich die Wucht ihrer Flügelschläge umbringen konnte, noch ehe ich überhaupt den Schlag spüren würde, so oft hatten wir dieselben Schritte geübt, gedreht, dem Rhythmus unseres Herzschlages angepasst.
Als sie mich losließ, fiel ich nicht, ich schwebte schwerelos, nur Luft um mich, ohne Angst, ohne Gewicht, ohne Sorgen.
Schwang mich mit einer kräftigen Drehung um meine Achse, streckte meine Arme aus, just als Nachtblitz ihre Schleife vollendete und landete knapp vor ihren Flügeln, den Körper eng an ihren gepresst, die Arme um ihren Hals geschlungen, die Füße hinter ihren Vorderbeinen verankert.

Der Sattel fehlte, ihr Rückenkamm schnitt in die Rüstung.
Überall dort, wo ihre Schuppen auf den schwarzen Rüstungsteil trafen, stoben Blitze über mich, die meine Kleidung wieder weiß bleichten. Die dunkle Farbe löste sich, kringelte als Rußfahne im Flugwind davon.
Ich sah dem dunklen Dunst nach, ließ mir die Haare quer durchs Gesicht jagen.

<Nachtblitz... Bitte sag mir, dass du das Tempo halten kannst.>

Hinter uns türmte sich pechschwarze Finsternis auf. Die Blase war geplatzt. Wo ich gestanden hatte, stach eine unergründlich dunkle Säule unendlich hoch in den Himmel. Entlang der Risse breitete sie sich aus, bis dort eine Wand aus purer Finsternis aufragte, die immer weiter wuchs und sich uns viel schneller näherte, als möglich sein sollte.
Der Ruß schwirrte zu ihr, wandelte sich, fütterte sie, lockte sie auf unsere Fährte.

Ich spürte Nachtblitz' Entschlossenheit durch meine Adern fluten. Ihre Muskeln ballten sich noch stärker zusammen, ehe sie verbissen jedes Fitzelchen Kraft in die Flügelschläge rammte. Der Schub schoss uns voran, dass mir sehen und hören verging. Aus Luft wurde plötzlich eine Mauer, die wir mit aller Gewalt durchbrachen.
Ich zog den Kopf ein, drückte ihn so nah wie möglich an ihren Nacken. Die Augen geschlossen, in den Ohren nur ein jaulendes Windtosen, während wir weiter durch den Himmel säbelten.

Der Vorsprung wuchs sprunghaft an.
Doch unsere Energie zerrann immer schneller, wohingegen der Finsterniswall mit jedem vertilgten Flämmchen an Kraft gewann. Und da waren Abertausende Feuerfahnen, die in Wimperschlagsplittern der unstillbaren Gier zum Opfer fielen.

<Wir nutzen den Schwung aus, bis ich ohne Genickbruch den Kopf drehen kann. Alles Andere wäre... sinnlos.>
Hinter meinen Füßen bildeten ihre funkelnden Flügel eine Fläche, gewölbt von der tragenden Luft.
Wir schossen noch immer unglaublich schnell, ich konnte nach wie vor weder Hören noch Sehen- nichtmal atmen. Und trotzdem spürte man, wie wir zurückfielen, näher an den Schattenschlund rutschten.

Ich konnte Luft holen, die Augen öffnen. Über uns grau, unter uns rötliche Masse, hinter uns Schwärze. Noch keine Details zwischen den Tränen ausmachbar, aber das hieß, dass Kopfheben keine Todesursache mehr war.

<Mal sehen, was dieser Weltfresser zu Plasma sagt.>

Pfeifend jagte die schwarze Flammenkugel auf die Dunkelheit zu. Vor diesem Hintergrund erstrahlten die weißen Sternenfunken klar erkennbar hervor.
Er traf auf, verschwand, verschluckt von dem Düsterkeitsschleier. Explodierte im Herzen der Finsternis mit markantem, unverkennbar kreischendem Knall.
Die Schatten wölbten sich nach außen, barsten unter dem Druck auf.
Schwarz spritzte umher, übergoss alles um uns herum. Dunkelheit, zerkratzt von gleißenden Silberfunken. Ihr Leuchten schwoll an, floss zusammen, schnitt dicke Striche in das kalte Nachtreich. Verknüpfte zu Formen. Kanten, spitze Ecken.
Riesig und unübersehbar starrte uns ein Auge entgegen, Weiß auf Schwarz, reines Licht vor purer Dunkelheit.

Und dann verpuffte alles zu Nebel, aus dem sich die Gesichter der Reiter und Wilfried, Wilfriede und Heidrun wuschen, die wild diskutierend um einen Holztisch mit abgebrannten Kerzen und einem Pergamentstück standen, die Gesichter getüncht in das Licht der Nachmittagssonne.
Unwissend, was soeben geschehen war.

So wie ich.

Es wurde unheimlich. Das hätte nicht geschehen dürfen, können, sollen. Ja, es hätte unmöglich sein sollen.
Ich hatte genug getrunken, eigentlich sollten die Halluzinationen vorbei sein. Und allein schon, dass sie beide gleich geendet hatten, mit einem Auge. Was sollte das?

<Sie beide? Hattest du  das schonmal?>

Hatte sie das nicht mitbekom- Oh, hatte ich sie zu dieser Zeit nicht krampfhaft abgestoßen? Hieß das, dass wir uns tatsächlich ausschließen oder wenigstens ein Stück weit verdrängen konnten?
Und- fand ich das gut?

Nein, tat ich nicht. Das war nicht gut, das war angsteinflößend. Was, wenn die Bindung schwächer wurde? Nachließ? Verdarb, wie alles in mir?
Ohne Nachtblitz könnte ich nicht leben. Niemals. Sie war alles, war mein Fels in der Brandung- pah, eher mein Fels im Mordssturm. Wenn unsere Bindung verschwand, löste ich mich endgültig auf. Für immer.
Und ich würde nichts, rein gar nichts dagegen tun können. Tun wollen.

Panisch schon ich den Gedanken beiseite. Nicht jetzt. Und Seelenbindungen lösten sich nicht auf. Jedenfalls nicht, solange beide lebten.

<Ja, vorhin, als Heidrun nach den Himmelsflüchen fragte. Wieso halluziniere ich von Augen?!>

Nachtblitz trottete zu mir, suchte Blickkontakt, legte den Kopf schief.

<Das sind keine Halluzinationen, Moira.>

<Bin ich etwa eingepennt?>

Sie schnaubte belustigt.

<Nein.>

<Erinnerungen von dir? Vielleicht... alte Träume?>

Jetzt schüttelte sie leicht den Kopf. Ihre Ohren wackelten.
Wäre auch unlogisch. In Erinnerungen konnte man nicht aktiv eingreifen.

<Ach, Moira. So kompliziert ist das nicht.
Das sind Visionen.>

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Wörter: 5016

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