Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

(1) Kerzen und Blitze

Astrid

Zwei Tage. Das war meiner Meinung nach viel zu lang.

48 Stunden waren vergangen, seit wir vor Selmas Hütte gelandet waren. Bisher hatte sich an Nachtblitz' Zustand nichts geändert. Leider hieß das in diesem Fall nichts Gutes.
Wahrscheinlich würde die Drachin nicht sterben, aber das, was ihr bevorstand, war um Welten schlimmer. Wenn man der alten Frau glauben konnte, und dies konnten wir.
Das war die einzige Sache, bei der ich mir momentan wirklich sicher war.

Nachdem Moira die Tür aufgerissen und Selma mehr oder weniger über das Problem aufgeklärt hatte, war die Frau sofort zu Nachtblitz gerannt.
Ihren Tonfall werde ich nie wieder vergessen, als sie uns aufforderte, den Himmelsfluch in ihr Kaminzimmer zu bringen. Kalt und bestimmend hatte sie geklungen, als ginge es um Leben und Tod. Tat es eigentlich auch. Aber die sonstige Sanftheit und Wärme war ohne Rückstände verschwunden gewesen. Ganz war sie noch immer nicht zurückgekehrt.

Kaum lag Nachtblitz auf der Decke vor dem Kamin, hatte Selma Moira gepackt und neben dem Drachen auf den Boden gedrückt. Seither hatte sich die Schwarze Kriegerin keinen Millimeter bewegt.
Anfangs hatten wir uns Sorgen gemacht, doch Selma meinte, das wäre normal. Zumindest, wenn man unsere Situation bedachte. Und ich vertraute ihr.
Nach ein paar Stunden hatte die alte Dame Moira die Rüstung der Rächerin ausgezogen.
Das Gruselige dabei war, dass unsere Verbündete einfach nur teilnahmslos dagesessen hatte. Wie eine sehr realistische Stoffpuppe hatte sie alles über sich ergehen lassen. Lediglich Nahrung nahm sie selbstständig zu sich und dabei wirkten ihre Bewegungen kraftlos und irgendwie grob, als würde nicht sie sie ausführen. Generell machte die junge Frau einen sehr abwesenden Eindruck. Sie hätte tot sein können, ich hätte keinen Unterschied erkannt.

Selma tat wirklich alles, was in ihrer Macht stand. Alle paar Minuten brachte sie trinkwarmen Tee zu Moira, wechselte das nasse Tuch auf Nachtblitz' Stirn und fast stündlich stellte sie einen Teller mit Essen vor der Rächerin auf den Boden.
Sie kam kaum zur Ruhe, und wenn sie einmal mit uns am Tisch saß, zerstörten regelrechte Schluchten aus Sorgenfalten ihr freundliches Gesicht.

Ich versuchte, ihr zu helfen, indem ich mich fortan um Kjell kümmerte- immer mit dem Bedürfnis, ihm meine Axt vorzustellen.
Der Junge war etwas kleiner als Hicks, ziemlich mager und schwächlich, was seine Augenringe nur noch unterstützten. Von seinen strähnigen, gräulich-dunkelblonden Filzsträhnen fange ich lieber gar nicht erst an. Alles in allem sah er für Außenstehende nicht bedrohlich aus, aber ich war nunmal keine Außenstehende.
Zu seinem Glück stand mir die Abneigung ins Gesicht geschrieben und er war klug genug, um Kontakt mit mir weit möglichst zu vermeiden.

Tja, und dann hatte Selma angefangen, uns über Moiras und Nachtblitz' Zustand im Gröbsten aufzuklären. Im Gegensatz zu uns war sie nämlich sehr gut mit dem von Nira verwendeten Gift vertraut.

„Das Sekret aus dem Stachel eines Todbringers. Kein Wunder, dass ihr davon noch nie etwas gehört habt, es ist sehr schwer zu erlangen und nur äußerst selten anzutreffen. Betet zu allen euch bekannten Göttern und Geistern, dass ihr nie wieder darauf stoßt, denn die Wirkung ist verheerend.
Allgemeinhin kann man es als Droge bezeichnen. In der richtigen Konzentration macht es Drachen gefügig. Wie Nira richtig erklärt hat, muss es permanent verabreicht werden. Leider hat sie das nicht.
Ich fürchte, die Dosis war zu viel."
„Heißt das, Nachtblitz wird sterben?!"
Geschockt war Hicks aufgesprungen. Ich selbst hatte keinen Muskel rühren können, aus Angst, irgendetwas Falsches zu tun und damit das Schicksal der Drachendame endgültig zu besiegeln. Diese Hoffnung war zwar äußerst irrsinnig gewesen, aber wenn ich still verharrte, zog die Realität vielleicht weiter und ließ Platz für ein Wunder der Kategorie größer-als-Rotzbakkes-Ego. Also genau das, was wir dringend benötigten.
„Nein. Soweit ich weiß, ist dieses Gift nicht tödlich. Jedenfalls nicht direkt."
Hicks hatte sich erleichtert wieder auf den Stuhl fallen lassen. Dann hatte er gestutzt, weil er das bemerkt hatte, was mir sofort aufgefallen war.
Das war nämlich nicht alles gewesen.

„Aber?"
Ich hatte an seinem Blick gesehen, dass er die Antwort gar nicht wissen wollte. So war es uns allen gegangen.
„Mir ist kein solcher Fall bekannt, aber es wäre durchaus logisch und möglich, wenn eine Überdosis Drachen nicht nur betäubt und gefügig macht, sondern ihnen auf ewig ihren eigenen Willen raubt. Zurück bleibt dann wohl nur noch eine leere Hülle, die nichts weiter tun kann, als Befehle auszuführen. Bei vollem Bewusstsein. Und das ist tausendmal schlimmer als das Sterben."
Unwillkürlich war mir das Bild von Moiras leerem Blick durch den Kopf geschossen.

Dann war Selma wieder aufgestanden und hatte eine weitere Tasse Tee ins Kaminzimmer gebracht.

Bisher zeigte nichts eine Wirkung. Weder die viele Nahrung noch die nassen Tücher.
Im Stillen wunderte ich mich darüber, dass Moiras Stoffwechsel keine... nennen wir es ‚Endprodukte' zu produzieren schien. Nun gut, sie saß praktisch neben dem Kamin und schwitzte daher einen Großteil der zu sich genommenen Flüssigkeit wieder aus, aber ungewöhnlich war es trotzdem.
Andererseits hatte ich wohl nicht ansatzweise eine Vorstellung von dem, was bei ihr gerade passierte.

Gestern war es schließlich zu dem Ereignis gekommen, vor dem mir schon seit einer Weile graute: Hicks wollte Antworten.
Ob man es glaubt oder nicht, ich hatte welche. In meinem Kopf klangen sie auch logisch, aber sie waren einfach nicht willig, meinen Mund zu verlassen. So hatte ich erst eine Weile vor mich hin gestarrt, ehe mein Blick seinen getroffen hatte.
„Ich..."

Die Frage war eigentlich recht simpel gewesen.
„Woher?"
Ein Wort. Normalerweise nicht weiter schlimm. Aber diesmal brachte es mich in Erklärungsnot.

Für einen Augenblick hatte ich die Wechselflügler um ihre Tarnfähigkeit beneidet.
Da lebte ich mehrere Tage lang mit dem Feind zusammen, ohne Angst zu haben, dass er mir nachts die Kehle durchschnitt, schlief bei einer mir unbekannten Person, die uns mit Leichtigkeit hätte vergiften können, und kämpfte stets und ständig gegen Drachenjäger. Ich rannte mitten durch einen Haufen riesiger Spinnendrachen, obwohl ich nicht sicher war, ob sie mich leben lassen würden, schlich im Dunkeln über eine mir fremde Insel, auf der wahrscheinlich Drachenjäger waren. Ich flog hundert Meter über dem Felsboden mit Sturmpfeil und übte Kunststücke auf ihr, hatte diverse Vergiftungen überlebt und sogar eine Krankheit, deren einziges Heilmittel seit Jahren als ausgestorben galt.
Und dann bereitete mir ein Wort Schwierigkeiten.
In einer anderen Situation hätte ich gelacht.

Stattdessen hatte ich die Zähne zusammengebissen.
„Ich hatte es dir gesagt. Ganz richtig hatte ich nicht gelegen, aber ich hatte dich eingeweiht."
„Könnte uns bitte auch einer einweihen?"
Ich glaube, der Einwurf war von Rotzbakke gekommen. Fischbein hätte sich vorsichtiger ausgedrückt und die Zwillinge... ach, das wollte ich lieber nicht weiter ausbauen.

Also hatte ich es ihnen nochmal von vorne erzählt.

Moiras viel zu schnelle Genesung.
Nachtblitz' schlagartig schlechterer Zustand.
Das Gegenmittel, welches anscheinend nur die Drachenjäger besaßen, denen wir zu diesem Zeitpunkt ausgeliefert gewesen wären.
Die Tatsache, dass Moira Schwierigkeiten beim Fliegen hatte.
Dass sie anfangs nicht auf ihren Namen reagiert hatte.
Und dann schließlich beim Joggen, als ich sie einfach nur auf die Beeren, die ich in die Vorratstasche gepackt hatte und die sich anschließend scheinbar in Luft aufgelöst hatten, angesprochen hatte. Kurioser Weise wusste sie, dass tatsächlich Beeren in der Tasche gewesen waren, dabei hatte niemand mehr jenes Objekt geöffnet, nachdem ich es gefüllt hatte. Darauf hatte ich sie dann - wohlgemerkt mit einem Dolch in der Hand, da ich meine Axt leider hatte bei Sturmpfeil lassen müssen - aufmerksam gemacht.
Mich wunderte nur, dass den anderen anscheinend nicht ein einziger Hinweis aufgefallen war.
Nun gut, Nira war auch eine verdammt talentierte Lügnerin, das musste man ihr lassen. Selbst ich wäre fast auf sie hereingefallen. Ein Glück, dass ich auf mein Bauchgefühl vertraut hatte.

Weiter war ich nicht gekommen, da die Zwillinge alles fünffach erklärt bekommen mussten. Wofür ich ihnen ausnahmsweise mal dankbar war, denn ich war der festen Überzeugung, dass Moira ihnen den Rest erzählen sollte. Immerhin ging es um sie.

Und jetzt saß ich hier. An dem von Schnitzereien überzogenen Tisch, auf dessen Mitte eine kleine Kerzenflamme gegen die Dunkelheit kämpfte. Ihr Licht spendete uns allen etwas Trost, während wir still vor uns hinstarrten.
Es gab keine Worte für das, was durch meinen Kopf surrte. Wahrscheinlich, weil ich wie leergefegt war. Dieses unwissende Warten war schlimmer als jede noch so traurige Gewissheit.

Die Flamme verschlang immer mehr Wachs, in dem Bestreben, den hoffnungslosen Krieg gegen die nächtliche Finsternis zu gewinnen.
Mein Blick fixierte das Licht, hinter meinen Augen dagegen herrschte bodenlose Dunkelheit.

Jede Minute, jeder unserer Atemzüge brachte mehr Endgültigkeit mit sich. Niemand sprach es aus, doch wenn Nachtblitz morgen noch immer keine Veränderung zeigte, hatten wir diesen Kampf ohne Hoffnung verloren. Dann würde ihr Körper nachgeben, weil er zu schwach geworden war. So wie die kleine Kerzenflamme, die mit dem letzten Tropfen Wachs zischend erlosch.

Seufzend entzündete Selma eine neue Kerze, die nun die Schlacht weiterführte. Wie ein Krieger, der den Platz für seinen gefallenen Kameraden einnahm.
Sie war genauso zum Scheitern verdammt wie ihre Vorgängerin.

Ein gellender Schrei zerriss die bangende Stille. Für einen Augenblick bildete ich mir ein, dass die Flamme bis zur Decke empor schoss.
Alarmiert sahen wir uns an.
Ich sprang auf, wollte Moira irgendwie helfen, doch Selma war schneller und drückte mich mit einer Kraft zurück auf meinen Platz, die ich ihr in meinen kühnsten Träumen nicht zugetraut hätte.
„Nein. Ihr bleibt hier. Du kannst nichts mehr für sie tun."
„Was soll das heißen?!"
Panisch krallten sich Hicks' Finger in die Kerben des Tisches.
„Entweder ist Nachtblitz gerettet.", Selma sah uns der Reihe nach in die Augen, ihr Blick zeigte von jahrelang gesammelten, schmerzvollen Erfahrungen.
„Oder sie sind beide für immer fort."

Die alten Holzdielen quietschten, als sie zur Tür ging. Langsam griff sie nach der Klinke. Ich hielt die Luft an. Wenn sie die Tür öffnete, sahen wir dahinter ein Wunder oder den schlimmsten Alptraum. Dazwischen gab es nichts.
Voller Furcht drückte Selma die Klinke und zog zögerlich die Tür auf. Ihre Hand zitterte kaum merklich.

Das plötzliche, ziemlich laute Rumpeln ließ uns zusammenfahren. Nur dank meiner jahrelang trainierten Selbstbeherrschung, die nebenbei Kjell täglich das Leben rettete, entfuhr mir kein Überraschungslaut.

Sofort verschwand sämtliches Zögern und Selma riss die Tür auf. Und ich glaubte, meine Augen würden mir einen Streich spielen.

Nachtblitz lag rücklings auf dem Boden, Moira fest in einer Drache-Mensch-Umarmung.
Beide wirkten erschöpft und abgemagert, aber glücklich. So glücklich, dass sich sogar auf meinen Lippen ein Lächeln bildete.

Sie lebten. Beide.
Sie hatten ihren Willen behalten.
Der Kampf war gewonnen.
Sie hatten gesiegt.

Ich weiß nicht, wie oft ich das in meinem Kopf wiederholte, ehe der Sinn hinter den Worten gänzlich in mein Bewusstsein gesickert war.
Als ich ihn endlich erfasst hatte, hielt mich nichts mehr an Ort und Stelle.
Nur gedämpft nahm ich war, wie der Stuhl klappernd auf dem Boden aufschlug. Sämtliche Aufmerksamkeit galt dem Duo, auf das ich zu rannte.
Ich flog praktisch über den Boden, spürte kaum, wie meine Sohlen das alte Holz berührten.

Moira, die sich mittlerweile aus der Umarmung befreit hatte und uns erstaunt ansah, hatte definitiv nicht mit der schallenden Backpfeife gerechnet, die ich ihr verpasste, kaum dass sie in Reichweite war.

Um ehrlich zu sein, überraschte meine Tat mich selbst nicht weniger.
Dafür überspülte mich direkt darauf eine Welle der Wut auf eben jene Person, deren Wange einen leuchtenden Rotton angenommen hatte.

„Was hast du dir bitte dabei gedacht?! ZWEI VERDAMMTE TAGE! Ich dachte, das wär's! DU HAST QUASI NICHT MEHR GEATMET!"
Moiras Gesichtszüge verhärteten sich. Aber ich war noch nicht fertig und sie würde mich ausreden lassen müssen, ob es ihr gefiel oder nicht.
Wusste sie überhaupt, wie es sich anfühlte, wenn man fürchtete, dass ein Freund in der nächsten Sekunde vielleicht tot sein konnte? Oder was-auch-immer mit ihr geschehen wäre?! Allem Anschein nach nicht, denn sie stand einfach da und lachte, als wäre nichts gewesen.
„REICHT ES DIR NICHT, DASS DU SCHONMAL FAST AN EINER VERGIFTUNG GESTORBEN WÄRST? Wie zum Hühnerhaufen hast du die überhaupt überlebt?! UND DASS DU FAST DEINEN KOPF VERLOREN HÄTTEST?! MUSSTEST DU UNS JETZT ALLEN NOCHMAL EINE HEIDEN ANGST MACHEN, WEIL DU SCHON WIEDER FAST... FAST... fast... ARGH!"
Und dann zog ich die vollkommen überrumpelte schwarze Kriegerin in eine Umarmung. Sämtliche Wut verschwand, dafür hätte ich vor Erleichterung weinen können.
„Ich bin so froh, dass es euch wieder gut geht..."

Ich ließ Moira los und wollte einen Schritt zur Seite gehen, damit Selma zu ihr konnte, doch soweit kam ich gar nicht.

Wusstet ihr, dass unsere Verbündete einen verdammt festen Schlag hat? Ich weiß es jetzt.
„Ich bin auch froh, am Leben zu sein.", erklärte Moira in der selben Tonlage, mit der ich sie gerade eben noch angeschrien hatte.
„Und du solltest niemals die Rächerin schlagen.", fügte sie flüsternd mit einem Grinsen hinzu.
Dem konnte ich nur zustimmen. Mein Schädel brummte, als würde ein Bienenschwarm in ihm herumfliegen. Ernsthaft, hatte sie Hände aus Metall?
Dennoch musste ich lächeln. Jetzt stand definitiv fest, dass sie noch immer die Moira war, die wir kennengelernt hatten.

„Moira, Nachtblitz, kommt. Ihr solltet euch lieber noch ein wenig schonen, auch wenn ihr euch anscheinend wieder gut fühlt."
Das gutmütige Schmunzeln, für das in den letzten Tagen kein Grund vorhanden war, hatte sich endlich wieder in Selmas Gesicht geschlichen. Mit einem Nicken deutete sie in Richtung des großen Tisches, an dem meine Freunde noch immer saßen und mit großen Augen und teilweise offenen Mündern zu Moira und mir sahen. Die Ausnahme war Hicks, den meine Reaktion wahrscheinlich nicht im Geringsten überrascht hatte.

„Ich würde lieber erst zur Kiste. Und außerdem ganz dringend den Tee loswerden.", erwiderte unsere Verbündete nach einem kurzen Blick an sich herab. Ein schlichtes Stoffhemd mit einer kleinen, abgewetzten Lederweste und eine sehr einfache Hose stellten momentan sämtliche Kleidung an ihr. Für mehr war unter einer Rüstung nun mal kein Platz.

Ich konnte förmlich spüren, wie sich meine Teamkameraden fragende Blicke zuwarfen. Anders als ich wussten sie nicht, dass es sich bei der Kiste um den Ort handelte, an dem Moira ihre Kleidung aufbewahrte. Und diverse Dinge versteckte, wie beispielsweise ein schlohweißes Seil und eine weiße Rüstung samt Maske.
Selma nickte bestätigend, ihre Augen funkelten kurz belustigt.
„Dem stimme ich voll und ganz zu."

Mit Nachtblitz an ihrer Seite verließ die schwarze Kriegerin den Raum, lief am Tisch vorbei und verschwand in dem Zimmer, das ich das letzte Mal durchs Fenster betreten und verlassen hatte.

„Da würde ich nicht-"
Die Tür fiel ins Schloss, bevor mein Verlobter seinen Satz beenden konnte.
„... reingehen."
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er musterte die Tür, als würde sie ihn jeden Augenblick angreifen.
Zugegeben, es sah irgendwie süß aus. Aber eher die Sorte süß, bei der man sich noch nicht ganz zwischen loslachen oder lieber doch schnell wegrennen entschieden hatte.
„Hicks? Ist alles ok?"
Ich ging wieder zu meinem Platz neben ihm, blieb jedoch stehen und sah ihm ins Gesicht.
„Ja, es ist nur... Das ist Meallas Zimmer."
Oh. Das hatte ich total verdrängt. Hoffentlich brauchte Moira nicht allzu lange, sonst würde ich wieder in Erklärungsnot geraten.
„A-ach ja? Woher weißt du das?"
„Wir... hatten eine Unterhaltung, während ihr geschlafen habt. Du weißt schon, als Selma uns von der Rächerin erzählt hat. Vorher habe ich Mealla getroffen und sie hat mit einem ziemlich lauten Knall genau diese Tür hinter sich zugeworfen."
„Oh..."
Ich hatte ganz vergessen, wie gut mein Verlobter im Beobachten war. Leider fiel mir das gerade ziemlich in den Rücken.
„Dann hoffen wir einfach, dass sie nicht da ist."
Langsam nickte Hicks und ich konnte innerlich aufatmen. Der vielsagende Blick von Selma entging ihm glücklicherweise.

Ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür wieder und Moira suchte sich ebenfalls einen Platz am fast schon überfüllten Tisch. Sie trug jetzt ein purpurnes Oberteil und einen zur Lederweste passenden Rock. Es war äußerst ungewohnt, sie ohne Rüstung zu sehen, schließlich hatte sie diese bis zu Niras Auftauchen immer getragen. Kein Wunder, dass ich sie erst nicht erkannt hatte.

Mir direkt gegenüber ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. Ganz kurz sah sie in unsere Richtung, aber Hicks' Blick hatte sie in dem Sekundenbruchteil durchaus richtig gedeutet. Ein Seufzen entwich ihr, dann sah sie wieder auf.
„Ich weiß, ihr wollt Antworten. Aber-"
Neben mir spannte sich Berks Oberhaupt an.
„Nichts ‚aber'. Hättest du dich nicht ständig so verschlossen, wären wir wahrscheinlich gar nicht erst auf Nira reingefallen."
Der stille Vorwurf, den er sich deshalb machte, war nicht zu überhören.
„Wenn ihr sie schneller entlarvt hättet, wärt ihr wahrscheinlich gar nicht mehr hier."
„Wenn wir sie schneller entlarvt hätten, wärst du nicht zweimal fast gestorben!"
„Zwei Attentate auf die selbe Person sind nicht so schlimm wie ein Mord an sechs verschiedenen."
„Zu sechst hätten wir eine größere Chance gehabt als einer allein."
„Zu sechst bietet ihr nur eine größere Angriffsfläche und seid abgelenkt, weil ihre euch gegenseitig schützt."
„Du vergisst unsere Drachen."
„Du vergisst Niras Karriere als Giftmischerin."

Die Worte waren so schnell durch den Raum geflogen, dass ich zwischendurch nichtmal hätte blinzeln können.
Eine Auseinandersetzung zwischen meinem Verlobten und Moira würde unter Garantie jede anderweitige Unterhaltungsmöglichkeit übertreffen, sogar Meallas Tanzkünste.
Jetzt herrschte Ruhe. Anstatt Worte wanderten nur noch scharfe Blicke hin und her.
Nein, das ging bestimmt nicht gut aus.

„Ihr habt beide recht. Wenn irgendein noch so kleines Ereignis anders verlaufen wäre, stünden wir nun alle höchstwahrscheinlich an einem komplett anderen Punkt. Es ist aber nichts anders verlaufen, also hört auf, euch deswegen zu streiten."
Selmas Stimme hatten einen weichen Klang, wie eine Mutter, die einen Streit zwischen ihren Kindern schlichtet. Dennoch zeigte sie Wirkung, denn sowohl Hicks als auch Moira ließen sich resigniert nach hinten fallen.
„Sehr gut. Und jetzt sollte ich erstmal erklären, was vorhin zwischen dir und Nachtblitz passiert ist. So wie es aussieht, hat sich meine Befürchtung nämlich bestätigt."
Passend zu den Unheil verkündenden Worten flackerte die Kerzenflamme so stark, dass sie fast verlosch.

„Dafür müsstest du mir sagen, wie du dich gefühlt und was du gesehen hast.", sprach Selma an Moira gerichtet weiter. Sie lächelte noch, doch kein Lächeln der Welt hätte die düstere Atmosphäre vertreiben können, welche sich wie ein schwarzer Schleier über uns legte.

Nachdenklich sah Moira zu ihrer Seelenverwandten. Ich setzte mich gerader hin. Auch ich war neugierig darauf, was in der schwarzen Kriegerin vorgegangen war. Immerhin war Nachtblitz vergiftet worden, nicht sie.

„E-es war komisch. Erst war alles gut, doch nachdem du mich neben Nachtblitz auf den Boden gesetzt hast, war ich plötzlich so... leer. Ich habe alles mitbekommen, aber es hat immer mehr an Bedeutung verloren. Dann kam die Stille. Das war das Schlimmste. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Muskeln. Aber... naja, ich... Es war mir einfach egal. Nichts hatte mehr eine Bedeutung."
Ich bekam eine Gänsehaut. Die Kontrolle über sich zu verlieren musste furchtbar sein. Noch erschreckender war für mich aber die Tatsache, dass es ihr offenbar nichts ausgemacht hatte. Allein schon die Vorstellung reichte aus, damit sich mein Magen in einen schweren Eisblock verwandelte.
Bei Odin, hoffentlich blieb das unsere einzige Erfahrung dieser Art.

„Schließt ‚nichts' deine Existenz mit ein?"

Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Ich ahnte die Antwort, aber ich fürchtete mich davor.
Ich hatte Angst, dass ich richtig lag.

„Ja."
Betreten betrachtete Moira ihre Handinnenseiten. Sprachlos starrten wir die Rächerin an.

Ich hatte von Fällen gehört, bei denen Menschen sich auf unmögliche Missionen begeben hatten, weil ihnen an ihrem Leben nichts mehr lag. Meistens waren diese Leute aber an einer unheilbaren Krankheit, die mit einem schmerzhaften Tod endete, erkrankt und wollten lieber im Kampf gegen den Sturm, Drachen oder auf dem Schlachtfeld sterben, als im Bett unter grausamen Qualen. Typisch Wikinger, immer bis zum letzten Ende mit der Waffe in der Hand.
Andere wollten sich beweisen, weil sie das Gefühl hatten, nichts wert zu sein. Sie lieferten sich dem Tod aus, wohl wissend, dass sie nicht wiederkehren würden.
Und doch hatte jeder einzelne von ihnen einen Lebenswillen besessen, manche waren sogar lebendig zurückgekehrt und für immer als Helden in Erinnerung geblieben. Moira dagegen schien diesen Willen verloren gehabt zu haben und genau das war es, was mich so erschütterte.

Seit ich sie kannte, hatte sie immer ihren eigenen Kopf durchgesetzt und Befehle oder Aufforderungen ignoriert. Ihre Sturheit hatte sie mehrmals in Gefahr gebracht und aus dieser auch immer wieder herausgeholt.
Moira ohne Lebenswillen war etwas, das ich niemals für möglich gehalten hätte. Er gehörte zu ihr, wie es ihre eigensinnige Art und Nachtblitz taten.

Selma war -im Gegensatz zu mir- nicht ansatzweise erschüttert.
„Was ist dann passiert?"
„Dunkelheit. Aber eine besondere Art. Keine Finsternis, sondern eine beruhigende, einladende Schwärze. Ungefähr dann begann auch das Vergessen. Oder es war schon vorher da, ich weiß es nicht genau."
Die alte Dame nickte verständnisvoll.
„Es ist nicht selbstverständlich, dass du dich überhaupt noch an das Vergessen erinnerst. War das alles?"
Der hoffende Unterton der letzten Frage war nicht zu überhören.
Mit einem einzigen Wort machte die Rächerin diesen Hoffnungsfunken zunichte.
„Nein. Als nächstes kam eine Art Nebel. Er hat alles verschwinden lassen, als hätte es sich zu genau diesem Nebel aufgelöst. Selbst die Dunkelheit war weg."
Die junge Frau senkte ihre Stimme.
„Ich weiß noch, dass er mir zu langsam war. Ich wollte, dass er schneller wird und mich holt.", hauchte sie.
„Du wolltest?"
„Ich... nein, eigentlich nicht. Es war mir egal. Aber mir war alles so egal...
Der Nebel hat auch die Stille mitgenommen.
Er sollte schneller sein, dabei war es mir eigentlich total egal. I-Ich weiß es nicht. Es war schrecklich. Vielleicht habe ich gehofft, dass alles aufhört, wenn ich vollkommen im Nebel bin. Aber dann war es mir wieder egal."
Verzweifelt knetete sie ihre Hände.
Über ihre Augen hatte sich ein Schatten gelegt. Für sie musste es unglaublich schlimm sein, alles nochmal zu durchleben. Auch wenn sie es nur erzählte. Ihr Schilderungen reichten schon aus, dass sich alle kleinen Härchen auf meinen Armen und in meinem Nacken aufstellten und meine Fingerspitzen sanft über den Knauf meines Dolches strichen, bereit, ihn jeden Moment zur Verteidigung zu ziehen.

Selmas Lächeln wurde für einen Herzschlag lang grimmig, doch das konnte ich mir auch einbilden.
Ihr Gesichtsausdruck war wie in Stein gemeißelt. Freundlich sah er aus, ließ ihre Gedanken jedoch sehr gut versteckt.
Erst als Moira weitersprach, hatte ich nicht mehr das Gefühl, eine Maske anzusehen.
„Bevor er mich erreichen konnte, tauchte urplötzlich ein grelles Licht auf. Und dann war alles wieder da; Erinnerungen, Kontrolle, Kraft, Geräusche, einfach alles. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, in einem hohlen Käfig festzusitzen, kraftlos zu sein. Es war soviel Energie auf einmal, dass ich fast keine Luft mehr bekam, alles weh tat und ich trotzdem gleichzeitig Bäume hätte ausreißen können."
Nachdenklich nickte Selma.
„Deshalb hast du auch geschrieen..."
Dann schien ihr etwas sehr Wichtiges aufzufallen, denn sofort wurde sie ernst und sah der Rächerin direkt in die Augen.
„Was war das für ein Licht? Feuer? Sonnenstrahlen? Eine Explosion?"
Sie stockte.

„Ein Blitz?", flüsterte sie fast, als wäre diese Möglichkeit unwahrscheinlich und furchtbar zugleich.

Irritiert nickte Moira.
„Ja. Ein gigantischer Blitz."
„Dann gibt es keinen Zweifel mehr..."
Die Augen der alten Frau wandten sich wieder der Kerzenflamme zu, ihr Blick war irgendwo in die Vergangenheit gerichtet. An einen Ort, weit entfernt von dieser Hütte.

„Weißt du, was eine Seelenbindung ist?"
Die Frage kam so unvorhersehbar wie ein Platzregen an einem wolkenlosen Tag.
„Natürlich weiß ich das. Du hast mir früher davon erzählt."
Skeptisch beobachtete die schwarze Kriegerin die Besitzerin der Hütte.

Worauf wollte sie hinaus? Dank Hicks, der von Moira persönlich über diese besondere Verbindung aufgeklärt worden war, wussten auch wir halbwegs Bescheid. Also, was wusste Selma, was wir noch nicht darüber wussten?

„Ich habe dir früher davon erzählt...
Du hast die Geschichten geliebt. Jetzt hast du eine, wie du es dir damals immer erträumt hast. Sag selbst, habe ich dir nicht einige Dinge verschwiegen?"

Der Griff um den Dolch kam ganz automatisch. Ich konnte nur verwundert feststellen, wie sehr all unsere ehemaligen kämpferischen Auseinandersetzungen mich geprägt hatten. Selma würde uns nichts tun, sonst hätte sie das schon längst. Und doch hielt ich die kleine Waffe so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten.
„Du hast mir eine ganze Menge nicht erzählen können.", versuchte Moira irgendwie, das Offensichtliche zu leugnen.
„Nein Moira. Ich hätte dir alles sagen können, was du nun selbst herausgefunden hast, und noch vieles mehr. Ich habe es dir bewusst verschwiegen."

Schweigen breitete sich aus, während wir alle darauf warteten, was als nächstes kam. Wirklich unerwartet war ihre Äußerung nicht gewesen. Auf dieser Insel schien jeder genug Geheimnisse für zehn Leben zu haben.

Nach einer schieren Endlosigkeit stand Selma auf, holte einige Gegenstände aus einer Kiste und kehrte zurück. In ihrer einen Hand befanden sich weitere Kerzen, in der anderen ein ziemlich abgegriffenes Pergament.
Nein, ich hatte mich verguckt. Es waren viele Pergamente, sorgfältig zusammengerollt.
Im Licht der neuen Kerzen rollte Selma die alten Schriften nun vorsichtig auseinander.

„Eine Seelenbindung ist sehr besonders.", begann sie.
„Sie verbindet einen Drachen mit einem Menschen auf eine Art und Weise, dass beide fast dasselbe Wesen werden."
Das oberste Blatt zeigte eine sehr detaillierte Zeichnung eines Drachens und eines Menschen, die durch feine Linien miteinander verbunden waren.
„Ihr könnt durch die Augen des Anderen blicken,", Selma deutete auf den Strich, der von Auge zu Auge ging, „den Anderen ohne Worte verstehen,", eine Linie verband die Münder und Ohren, „hören, was der Andere hört, spüren, was der Andere spürt.
Aber das ist bei weitem nicht alles.

Ihr könnt Erinnerungen austauschen,", sie zeigte auf die Köpfe der Wesen, „Gefühle und sogar Schmerzen teilen. Die Stärken des Einen werden auch auf den Anderen übertragen. Feuer macht dir nicht so viel aus wie anderen Menschen, Nachtblitz reagiert weniger empfindlich auf Drachenwurz. Krankheitssymptome könnt ihr aufteilen. Das Leiden Odins würde dir so nur etwas mehr anhaben können als eine schwere Grippe.
Ihr wärt zu dieser Zeit beide stark geschwächt und könntet auch beide daran sterben, doch eure Überlebenschancen wären deutlich höher. Das gilt auch für alle anderen Krankheiten, egal, ob wer von beiden sie hat."
„Auch für eine Vergiftung durch-"
„Blauen Oleander? Ja. Da bist du allerdings sehr viel weiter gegangen. Anstatt die Symptome aufzuteilen, hast du alle übernommen. Und du wärst unter Garantie an ihnen gestorben."
Augenblick mal.
„Soll das heißen, deine ‚Allergie' gegen blauen Oleander gibt es gar nicht?!"
Urplötzlich entwickelte unsere Verbündete ein gigantisches Interesse für ihre Fingernägel.
„Moira!"
Kalt sah sie mir in die Augen.
„Wenn du gewusst hättest, dass du das kannst, und du dich zwischen deinem, Sturmpfeils oder dem Tod deiner Freu- Verbündeten hättest entscheiden müssen, welchen hättest du genommen?!"
Meinen. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Ich hätte es ganz genauso gemacht wie Moira.

Wieder kehrte Stille ein. Keiner von uns hieß gut, was die schwarze Kriegerin getan hatte, doch wir hätten es an ihrer Stelle nicht anders gemacht.
Mindestens einer wäre so oder so gestorben. Wenn Nachtblitz nicht gelandet wäre, würden Hicks, Ohnezahn und ich wahrscheinlich schon längst nicht mehr leben. Und wenn Moira die Symptome nicht übernommen hätte, wäre Nachtblitz gestorben. Da war ihre Entscheidung sehr leicht nachzuvollziehen, auch wenn niemand es zugegeben hätte.

„Woher weißt du von ihrer Vergiftung?"
Stimmt! Wie konnte Selma davon wissen? Moira würde es ihr wohl nicht erzählt haben.
„Ich habe sie morgens in einem kleinen Ruderboot am Strand gefunden. Die Symptome waren noch nicht vollständig verschwunden, da habe ich mir den Rest gedacht.", beantwortete die alte Frau Hicks' Frage.
Moira ergänzte mit abweisendem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen:
„Nira hat das Gegenmittel gegen Wasser ausgetauscht, nachdem sie Fischbein außer Gefecht gesetzt hatte. Nachtblitz war schnell genug, um es trinken zu können, bevor sie es wegkippen konnte."
„Aber du warst doch krank. Was hilft es, wenn Nachtblitz das Gegenmittel trinkt?"
Rotzbakke sah verwirrt in die Runde.
„Wir werden es deinem überforderten Verstand erklären, Rötzchen-Klötzchen. Moira-"
„Rötzchen-Klötzchen?!"
„Ja, habe ich mir selbstausgedacht!"

Wie schafften es die Zwillinge nur, jede noch so bedrückende Situation zu entschärfen? Ich wusste ja, dass sie auch ernst sein konnten, aber manchmal zweifelte ich echt an ihnen.

Raffs stolzer Gesichtsausdruck riss auch den letzten Rest Selbstbeherrschung erbarmungslos um. Wie ein Kleinkind, das zum ersten Mal ein Schwert halten durfte, sah sie Rotzbakke an.
„Oh, der Name ist wunderschön! Genauso wie du..."
Och nein, jetzt ging das schon wieder los. Während Berks Wiederaufbau hatten sie zu viel zu tun, um Raffnuss zu umwerben, aber offenbar hatte sich der Jorgenson dazu entschieden, dieses aussichtslose Unterfangen ausgerechnet jetzt weiterzuführen. Wann registrierte er endlich, dass Taffs Schwester nur Augen für Eret hatte? Meine Güte, man musste lediglich seinen Namen nennen und sie fing an zu sabbern.
Doch Raff ließ sich gar nicht erst auf Rotzbakkes Flirterei ein. Angeekelt kräuselte sich ihre Oberlippe.
„Kotz."
Und weg war sie, die Wut auf das unpassendste Timing der Welt. Selbst Selma konnte sich nicht dagegen wehren, loszulachen.

Es tat unbeschreiblich gut, endlich wieder mit allen zusammen lachen zu können. Tausend drachensichere Ketten lösten sich von meinem Herzen. Ich hatte sie vorher überhaupt nicht gemerkt, aber es war wunderbar, sie los zu sein. In Millionen kleine Splitter ließ mein Lachen sie zerspringen, und das Gelächter der anderen machte aus den Splittern wunderschön bunte Schmetterlinge, die sich im Raum verteilten und alles in herrlichen, freundlichen Farben erstrahlen ließen.

„Es wäre wahrscheinlich besser, wenn ich die Erklärung übernehme.", rettete Selma Hakenzahns Reiter anschließend vor weiteren Blamagen.
„Krank war Nachtblitz, aber die Auswirkungen der Krankheit hat Moira übernommen. Wahrscheinlich, ohne ihre Freundin zu fragen."
Zustimmend grummelte der Himmelsfluch.
„Deshalb musste Nachtblitz das Gegenmittel trinken. Hätte Moira es zu sich genommen, hätte sie zusätzlich zu den Auswirkungen des Oleanders auch noch eine Vergiftung durch Glutkesselgift erhalten. Diese Kombination hätte selbst sie nicht überlebt."
Ich sah zu unserer Verbündeten.
Regungslos starrte sie vor sich hin, ihr Gesicht ließ keinen Schluss auf ihre Gedanken zu. Nichts erinnerte an ihr schallendes Lachen von eben. Ein leises Seufzen entfuhr mir. Wir hatten in den letzten Wochen so viel zusammen durchgestanden, aber wie es aussah, verschloss sich die schwarze Kriegerin uns gegenüber immer mehr.

Die alte Dame räusperte sich und kam wieder auf das eigentliche Thema zurück, indem sie das nächste Blatt nach oben legte. Die Zeichnung ähnelte der ersten, doch anstelle von Linien verbanden nun Pfeile die zwei Gestalten.
„Ihr teilt nicht nur eure Stärken, sondern auch eure Schwächen. Nachtblitz' Schuppen sind feuerfest, doch große Hitze meidet sie lieber. Du wirst von Drachenwurz nicht verrückt, aber er beeinträchtigt deine körperliche Fähigkeiten ein wenig. Jede Stärke, die ihr mit dem Anderen teilt, wird so für euch zu einer Schwäche. Es kommt eben darauf an, wie sehr Nachtblitz dir ihre Feuerimmunität überträgt oder du deine natürliche Immunität gegen Drachenwurz auf sie. Was du bisher garantiert noch nicht wusstest, ist, dass ihr diese Aufteilung jederzeit ändern könnt. So, wie ihr Krankheiten aufteilt, könnt ihr es auch mit vielen anderen Dingen machen. Du kannst ihr in einer Notfallsituation ihre komplette Hitzebeständigkeit zukommen lassen oder eben andersherum. Zusätzlich kannst du ihr auch noch das Bisschen, was du selbst an Hitzeresistenz hast, geben. Und das, was vor zwei Tagen passiert ist, war so ähnlich.

Die Überdosis Gift hätte Nachtblitz für immer ihres Willens beraubt. Ob du ihn ihr gegeben oder sie ihn sich genommen hat, kann ich nicht genau sagen, aber es geschah unbeabsichtigt. Kurz gesagt: Deine Willenskraft ist immer mehr zu Nachtblitz gewechselt.

Deshalb war dir alles egal und du hattest keine Kontrolle mehr. Immer mehr deiner geistigen und auch körperlichen Energie ist zu Nachtblitz gezogen. Sie hat sich sozusagen über dich am Leben gehalten, sonst wäre sie schon längst an Erschöpfung gestorben. Aus diesem Grund habe ich dir sooft Tee und Essen gebracht und aus diesem Grund bist du zusammengeklappt, als du mit ihr aktiv in Verbindung treten wolltest.
Letztendlich ist nur noch dein Bewusstsein in deinem Körper geblieben und nach deiner Beschreibung war selbst dieses schon kurz davor, den Ort zu wechseln. In letzter Sekunde habt ihr das Gift besiegen können und alles, was an geistiger Energie zu Nachtblitz geflossen ist, kam zu dir zurück."
„Der Blitz..."
„Genau. Dass es ziemlich weh tut, all diese Kraft auf einen Schlag wieder zuhaben, hast du selbst herausgefunden."
„W-was wäre denn p-passiert, wenn Nachtblitz nicht rechtzeitig..."
Nervös fummelte Fischbein an seinem Oberteil herum. Selmas Blick verfinsterte sich, ihre Hände verschränkte sie fest ineinander.
„Dann wäre Moiras Körper nur noch eine leere Hülle und in Nachtblitz' würden sich zwei Bewusstsein ohne Willen befinden."

Hatte ich vorhin felsenfest die Überzeugung vertreten, dass das Schlimmste, was einem passieren konnte, war, die Kontrolle über sich zu verlieren?
Ja?
Gut, ich hatte mich gewaltig geirrt. Moiras jetzige Situation, wenn Nachtblitz es nicht geschafft hätte, war um einiges schlimmer. Das wünschte ich nichtmal diesem Sungird, wegen dem sie überhaupt erst in diese Lage gekommen war.

Auch unserer Verbündeten schien ihr alternatives Schicksal alles andere als zuzusagen. Entsetzen spiegelte sich in ihren aufgerissenen Augen.

„Ja, Moira, ich weiß. Eine Seelenbindung ist wunderschön und schrecklich zugleich, wenn man sich mit ihr nicht auskennt. Deshalb hoffe ich inständig, dass du mir verzeihen kannst, dass ich dir diese Informationen vorenthalten habe."

Moira ging nicht darauf ein. Stattdessen fragte sie, die Augen vor Schreck noch immer aufgerissen: „Wieso war es ein Blitz?"

Auch ich hatte nicht vergessen, wie wichtig es Selma gewesen war, die Art des Lichts zu erfahren. Aber ich bewunderte die Rächerin dafür, dass sie ausgerechnet jetzt, wo mir beim besten Willen keine Worte eingefallen wären, danach fragte.

„Weil sie recht hatten. Es ist soweit."

——————————————————————————————

Tadaa, das erste Kapitel des zweiten Teils!

Ich hoffe es gefällt euch besser als mir, ich habe nämlich das Gefühl, dass irgendwas fehlt...

Wörter insgesamt: 5583

Ach ja, und das Foto oben habe ich gemacht.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro