(20) Zwillingsextra
Noch immer bei den Drachenjägern:
„Tut jetzt bloß nicht so, als würde sie euch nicht auch manchmal auf der Nase herumtanzen!", brüllte der Wikinger mit der Weste.
„Oder erinnert ihr euch nicht mehr an die gefälschten Karten, mit denen sie euch hereingelegt hat? Wem fällt denn bitte nicht auf, dass sogar die Himmelsrichtungen vertauscht sind?! Seit wann liegt gegenüber von Süden Osten?!"
Sofort verstummte das Gelächter und die Angesprochenen senkten beschämt ihre Köpfe.
Diesen Streich würden sie nicht so bald vergessen.
„Das klingt ja fast so, als würde euch da jemand gerne ärgern."
Ein ziemlich abgemagerter Junge hatte das Zelt betreten. Trotz seiner sehr schäbigen äußeren Erscheinung hatte er den Kopf hoch erhoben und blickte selbstsicher in die Runde.
„Ich an deiner Stelle wäre ich sehr vorsichtig mit meiner Wortwahl, Freundchen.", fuhr ihn auch gleich einer der Drachenjäger an.
„Ihr werdet mir nichts tun, Sungird schickt mich."
„Und warum sollte er gerade einen Schwächling wie dich schicken? Sollst du einzelne Federn von A nach B bringen?"
Der Junge tat so, als hätte er das nicht gehört.
„Ich soll das erledigen, was ihr nicht hinbekommt."
Die Anderen sahen ihn mit offenen Mündern an. Der Junge fuhr fort: „Um das jedoch tun zu können, brauche ich ein paar bestimmte Gegenstände. Man sagte mir, dass ihr solche hättet."
Etwas später kam der Junge mit einer kleinen Tasche zum Strand gelaufen.
Dort lag ein kleines Boot auf dem Sand, mit dem er sich auf den Weg zu seiner Aufgabe machen wollte.
Mit einiger Anstrengung schob er das Boot ins Meer, dann stieg er selbst ein und fing an zu rudern.
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„Was machst du da?"
Die Blondine sah neugierig über Moiras Schulter.
„Schnitzen."
„Aha."
„Astrid, ich möchte nicht darüber reden, wo ich vorhin noch war, okay?"
Astrid zog überrascht die Augenbrauen hoch.
„Das hatte ich schon vergessen."
„Hattest du nicht."
„Stimmt. Also?"
Das braunhaarige Mädchen seufzte.
„Woanders."
„Sehr präzise."
„Ich habe mir einen Vorrat angelegt, okay?"
Astrid wusste, dass ihr das als Antwort reichen musste und setzte sich neben ihre neue Freundin.
Die beiden jungen Frauen saßen noch eine Weile nebeneinander, dann rief Hicks alle zusammen, um ein wenig den Ablauf ihres nächtlichen Fluges durchzusprechen.
Im Licht der untergehenden Sonne versammelten sie sich.
„Ich frage mich, was es da groß zu planen gibt. Schließlich folgen wir doch sowieso nur diesem öden Sternbild.", grummelte Rotzbakke vor sich hin.
Die Zwillinge gingen natürlich sofort darauf ein.
„Nun, mein mürrischer Freund, zu aller erst wollen wir mal klarstellen, dass Hicks immer alles planen will. ‚Es gibt kein Problem, was mich nicht irgendwie planen kann.', hat er einmal gesagt, als wir-"
„Das habe ich nie gesagt!"
Taffnuss zwinkerte Hicks einfach nur verschwörerisch zu und fuhr dann fort.
„Also, außerdem kann nachts auch sehr viel passieren. Wir könnten einem Tiefseespalter begegnen oder dem brüllenden Tod-"
„Der lebt auf einer Insel, die ungefähr zehn Tagesflüge von uns entfernt ist.", wurde er auch schon wieder unterbrochen, diesmal von Fischbein.
„Ganz recht, aber wir wissen kaum etwas über diesen Drachen. Kommen wir wieder zum Thema, mein unterbelichteter Freund. Wir sollten auf alles vorbereitet sein, auch darauf, ans Ende der Welt zu gelangen. Aber sei unbesorgt, die Welt hat nämlich kein Ende, weil sie rund ist. Und wie ich glaube gehört zu haben, hat eine Kugel kein Ende. Genauso wie ein Ei. Da fällt mir ein, Hühnchen hat mich mal genau das Selbe gefragt. Und damals habe ich gesagt, dass sie sich da keine Sorgen zu machen braucht, Hicks erzählt es einfach, egal ob man zuhört."
„Oh ja, man kann sogar nebenbei versuchen, mit offenen Augen zu schlafen.", stimmte ihm seine Schwester zu.
„Leute, können wir uns jetzt bitte über-"
„Nanana, ich war noch nicht ferti-"
„RUHE!!"
Sofort verstummte Taffnuss und sah Moira erschrocken an.
„Aber-"
„Ich sagte: ‚RUHE!!'. Das bedeutet so viel wie ‚Entweder du hältst jetzt deine Klappe oder ich klebe sie dir schneller zu, als du ‚Wildschweingrube' sagen kannst."
„Wildschwe-"
Mit einer schnellen Bewegung zog Moira etwas aus ihrer Tasche und klatschte es gegen Taffnuss' Mund.
Als sie ihre Hand wieder weg nahm, glänzten seine Lippen komisch und er schien sie tatsächlich nicht auseinander zu bekommen.
„Sonst noch wer?", fragte Moira provozierend und sah sich um.
„Nicht? Auch gut."
Dann deutete sie auf Hicks.
„Ich glaube, du kannst fortfahren."
Aber Hicks war gerade zu verwirrt, um weiterzureden.
Er blickte zwischen ihr und Taffnuss hin und her.
„Wie..."
Moira zuckte mit den Schultern.
„Ich habe immer etwas Baumharz dabei. Und ich setze meine Drohungen auch um."
Bei ihrem letzten Satz sah sie Taffnuss herausfordernd an.
Als Hicks immer noch nicht fortfuhr, übernahm sie seinen Part.
„Nun, Hicks hat versucht, einen Kompass zu benutzen. Wenn wir die Richtung kennen, in die wir unterwegs sind, könnten wir auch bei Tag fliegen. Er musste allerdings feststellen, dass sein Kompass hier nicht funktioniert. Außerdem hat Astrid ein paar Neuigkeiten, die sie uns gleich netterweise mitteilen wird."
Alle blickten zu Astrid, die auch gleich das Wort ergriff.
„Drachenjäger. Auf einer Insel in der Nähe."
Die übrigen Reiter waren sofort in Alarmbereitschaft.
Nun ja, alle außer die Zwillinge.
Die fingen an zu grinsen und sich erwartungsvoll die Hände zu reiben. Taff wollte seiner Schwester etwas sagen, aber er bekam seine Lippen nicht auseinander. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf.
Nachdem sich seine Schwester von ihrem Lachanfall erholt hatte, stieß sie Moira mit dem Ellbogen an.
„Hey, ich finde es ja echt klasse, dass du seinen Mund zugeklebt hast. Endlich plappert er nicht die ganze Zeit von Hühnchen und davon, wie sehr sie ihm fehlt und dass es ihm so leid tut, sie allein gelassen zu haben. Nur mal unter uns; für mich ist es kein Wunder, dass sie lieber mit dem Hahn zusammen lebt. Aber wie bekommt man das Zeug von Taffs Lippen eigentlich wieder ab?"
Bei der Erwähnung von Hühnchen verzog Raffs Bruder kummervoll das Gesicht.
Die Gefragte verdrehte nur die Augen.
„Das ist Harz. Entweder ihr wartet, bis es getrocknet ist, und er macht es dann ab, oder ihr müsst es erwärmen, damit es flüssiger wird."
Auf Raffs Gesicht erschien ein fieses Grinsen.
„Würg, Kotz, kommt mal her!"
Der Zipper kam angelaufen und rempelte gleich noch Hicks an, der gerade eine Karte skizzierte.
„Hey! Wir haben hier gerade ein anderes Problem!"
Er sah erwartungsvoll zu Moira.
Doch Moira schaute nur fragend zurück.
„Die Drachenjäger?!", wollte er ihr auf die Sprünge helfen.
„Du planst doch nicht gerade wirklich, wie man diese Mini-Basis am besten angreift, oder?"
„Das sind Drachenjäger! Wir müssen wissen, wann wie viele Wachposten wo lang laufen, wie viele-"
BUMM!!
Alle starrten zu Taffnuss, um dessen Kopf sich eine Rauchwolke gebildet hatte.
Energisch wedelte er den Rauch beiseite und grinste breit.
Sein Gesicht war schwarz verkohlt, einige seiner Haare brannten, aber er konnte seine Lippen wieder auseinander bewegen.
„Das. War. Einfach. Nur. FANTASTISCH!!"
„Soll ich dir noch eine reinhauen?"
„Ja!"
Raff tat ihrem Bruder den Gefallen.
Die Schwarze Kriegerin sah Astrid fragend an.
„Sind die immer so?"
Astrid seufzte. „Leider ja."
„Was heißt hier ‚Leider'? Ohne mich wäre es doch hier nur halb so lustig! Na gut, manchmal hilft Raffnuss mit, aber meistens habe ich die Ideen!"
„Manchmal? Hallo? Es war schließlich meine Idee, deinen Kopf anzuzünden!"
„Und es war meine Idee, Rotzbakkes Sattel mit Albtraum Gel einzureiben!"
„Und es war-"
„Ihr habt meinen Sattel mit Albtraum Gel eingerieben?!", unterbrach Rotzbakke empört Raffnuss.
„Klar, sonst würde dein Po nicht immer Feuer fangen, wenn sich Hakenzahn in Brand setzt."
„Dafür seid IHR verantwortlich?"
Und dann brach das Chaos aus.
Raff und Taff liefen vor Rotzbakke weg und stießen dabei ein Tintenfass um, was auf Hicks' aufgerollte Karte kippte.
Fischbein sprang erschrocken rückwärts und rempelte den Zipper an. Dieser dachte, Fischbein wolle mit ihm spielen und rannte dem blonden Wikinger hinterher. Hicks versuchte seine Karte zu retten und Astrid gab sich alle Mühe, den Überblick zu behalten.
Aber bei all dem Durcheinander war das gar nicht so einfach.
<Nachtblitz, ich glaube, jetzt oder nie.>
Der schwarze Drache ließ Moura aufsteigen und schoss dann in die Höhe. Kaum hatte er keinen Bodenkontakt mehr, wurde er praktisch unsichtbar.
Das im Schatten versteckte Wesen bemerkte vorerst keiner.
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... Bild ist wieder einmal nicht von mir...
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