Kapitel 4
Mit dem Himmel verwoben.
Nachts, wenn die Welt in einen tiefen Schlaf verfällt, erwachen sie. Die Sterne.
Leuchtende Glaskugeln, so nennt man sie manchmal, diese strahlenden, winzigen Punkte, die selbst in der tiefsten Finsternis Licht spenden. Denn, sobald man sie genauer ansieht, scheint ihr Strahlen matter zu werden. Erst, wenn man den Blick abwendet, flimmert ihr Licht wieder auf, als hätte es Angst gesehen zu werden.
Die Söhne und Töchter des Mondes, so nenne ich sie manchmal mit einem Lächeln, wenn ich mir vorstelle, wie sie wie kleine Geschwister umhertanzen, glücklich und unbeschwert.
„Seht ihr mich von da oben, ihr Sterne?", frage ich manchmal, wenn ich mal wieder einsam auf dem kleinen Hügel sitze und gen Himmel starre. „Könnt ihr mich von da oben sehen?" Doch eine Antwort erhalte ich nie.Lediglich das Rauschen des nächtlichen Windes und der weit entfernte Ruf der Nachtigall, verrät mir, dass ich noch hier bin, dass sich mein Körper hier unten auf der Erde befindet,
Doch meine Gedanken sind in den Sternen. Ja, jede Nacht, wenn ich die leuchtenden Himmelskörper betrachte, löst sich meine Seele ganz sanft von meinem Körper, um kaum hörbar Richtung Himmel zu sausen. Richtung Freiheit. Dort, wo die Stille herrscht, dort, wo die Unendlichkeit regiert.
Dort, inmitten brennender Galaxien und kollidierender Planeten finde ich mich selbst, mein Herz, meine Sehnsucht.
Der Blick auf die atemberaubende Finsternis, die von zeitlosen Blau- und Lilatönen erfüllt wird, lässt mich alles vergessen. Ich vergesse das Atmen, ich vergesse, wie man seinen Brustkorb senkt und hebt, ich vergesse, wie man denkt. Alles, was ich tun kann, ist zu sein. Zu existieren. Das, was ich schon immer am besten konnte.
Ja, manchmal frage ich mich, ob meine Seele es jemals schaffen wird, sich von diesem Anblick zu lösen, um wieder Richtung Erde zu schweben, um sich wieder mit meinem Körper zu vereinen. Wahrscheinlich nicht.
Wahrscheinlich wird mein Körper für immer dort unten auf dem Hügel bleiben, mit dem Blick in die Sterne, bis er vom Gras überwachsen, von der Natur umhüllt wird.
Ja, wahrscheinlich werden meine Gedanken für immer hier oben bleiben, hypnotisiert von dieser zeitlosen Unendlichkeit des Universums. Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Das spielt hier oben keine Rolle.
Hier oben kann ich endlich das sein, was ich sonst nur ehrfürchtig von weitem betrachten konnte. Ein Stern. Hier kann ich einer von ihnen sein, ein leuchtender Glaskörper, eine Tochter des Mondes. So lange bis meine Gedanken mit dem Himmel verwoben sind, bis ich in das pechschwarze Tuch des Himmels gestickt wurde. Und dann, irgendwann, wenn mein Körper auf der Erde bereits von Pflanzen überwuchert wurde, wenn meine Gedanken bereits mit den Sternen verwoben sind, dann höre ich auf zu sein. Höre auf zu existieren.
Aber was spielt das schon für eine Rolle?
Hier inmitten dieser Sterne erscheint es mir plötzlich so unwichtig, so bedeutungslos, zu sein. Denn jeder wird vergessen, jeder wird vergehen. Eines jeden Erinnerung wird verblassen.
Wo liegt also der Sinn darin, um das Leben zu bangen, wenn ich auch hier sein kann? Hier, in ewigem Frieden, inmitten meiner Brüder und Schwestern. Mit dem Himmel verwoben.
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