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Er sucht nach Hilfe, er sucht nach Licht...

15. Juni 1945
[8:35 Uhr]

Warme Sonnenstrahlen fielen wie goldene Zacken einer Krone in das kleine Zimmer. Sie kitzelten sanft auf der Nasenspitze und ließen ein wohlig warmes Gefühl auf der Haut entstehen, das einem bestenfalls den gesamten Tag prägen sollte. Ein Paar blitzblauer Augen begrüßte die liebe Morgensonne zuerst; kleine Staubkörner tanzten in der Luft wie Glitzerstaub. Sie vollführten in aller Ruhe ihren gleichmäßigen Tanz der Luft, ehe sie zu Boden schwebten und wie der Schnee eine kleine Staubschicht auf das Mobiliar legten. Müde und vollends erschöpft strich sich der Blonde seine Stirnfransen zurück und blickte wortlos auf die Seite. Eingewickelt in einer verhältnismäßig dickeren Decke befand er sich in einem weichen, warmen Bett. Die Erinnerungen, wie er in diesem Nest landete, waren verschwommen oder gar voll und ganz vergessen wie ein Fußabdruck im goldenen Sand des Strandes, welcher durch eine große Welle weggewischt wurde und nun nichts weiter als ein Haufen kleiner, verwitterter Steine war.
Ein warmer, sanfter Luftzug streifte seinen Hals, welcher ihn kurz aufzucken ließ. Gefolgt von einem beflügelten 'Ve~' und dem dünnen Arm um seinen Oberkörper, brachte es Ludwig dazu, dem kleinen, schlafenden Feliciano seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Friedlich schlafend hatte er sich an ihn gekuschelt, die einzigen Anzeichen von den Momenten des gestrigen Abends waren seine langen tränenverklebten Wimpern. Sie mussten wohl kurz nachdem Ludwig Feliciano beruhigt hatte, eingeschlafen sein, anders konnte der Blonde sich die momentane Situation nicht erklären. Schlaftrunken wie er noch war ließ er seinen Blick ziellos durch den Raum kreisen. Die warme frühsommerliche Sonne stand bereits hoch am Himmel und hob die morgendlichen Nebelschwaden vom taubesetzten Feld nebenan hoch in die Luft, bis sie schließlich eins mit dem Himmel wurden. Eigentlich war es ein Tag wie aus dem Bilderbuch, und doch war er es nicht. Denn ein Bilderbuch, wie es für Kinder gedacht war, verbarg nur selten die vielen facettenreichen Seitengassen des Lebens, die dir entweder Glückseligkeit und Frohsinn gaben oder dich mit Leid und Schmerz überschütteten. Sie wählten meist nur einen einzigen Weg, den schönsten, ohne großartige Probleme. Aber so etwas Simples bat dir das Leben kaum an. Es gab überall einen Haken, der alles auf einmal zum Einsturz bringen konnte. Ein Haken, der alles beeinflussen und alles zu einem anderen Ergebnis locken konnte.

Feliciano bewegte sich im Schlaf und Ludwig drehte sich sofort zu ihm, da er dachte, er wäre endlich auch aufgewacht. Doch dem war nicht so; er lebte immer noch im Land der Träume vor sich hin und in dieser Zeit schien er sehr ruhig und voll und ganz zufrieden zu sein. Das erfreute den Deutschen ungemein, denn er sah nichts lieber als einen glücklichen Feliciano am Morgen. Denn mit seinem Lachen konnte er die Sonne einfangen und einem jeden Menschen einen seiner Sonnenstrahlen schenken, der auch für den Rest des Tages im Herzen hell schien. Der junge Mann würde alles dafür geben, Feliciano wirklich glücklich und zufrieden zu sehen. Und das nicht nur für wenige Minuten, sondern für immer. Dass es ihm gut ging, das war seine höchste Priorität, sein sehnlichster Wunsch, sein Lebensziel. Er wäre immer glücklich, auch wenn Schlimmes passierte, solange dieser junge Mann mit dem kupferfarbenen Haar bei ihm bliebe und seine Freude mit ihm teilte.

Sie hatten es sich als junge Jugendliche versprochen, doch diese wenigen Tage dieses verfluchten Jahres drohten alle Hoffnungen mit einem Schlag zu zerstören, sie zu zertreten, sie zu zerreißen.
Ebenso...stand es um sein Herz.
Jeder neue Tag würde von nun an mit der Angst beginnen, dass der unschuldige Italiener seinen letzten Atemzug machte und auf ewig von ihm ging. Aber das durfte, nein, das konnte nicht eintreffen. Feliciano musste es schaffen, er musste leben. Ludwig würde lügen, wenn er behauptete, dass er fest davon überzeugt war, dass dieser Teufelskreis gut endete. Er konnte nicht gut enden und dieses Wissen plagte ihn. Es plagte ihn so sehr...und doch wollte er den Wunsch auf ein Happy End nicht aufgeben...vielleicht gab es ja doch noch eine Möglichkeit dafür.

Doch dann ertönte ein verschlafenes Murren aus Felicianos Richtung, das die morgendliche Ruhe ein für alle Mal zerstörte.
"Luddy...", nuschelte er und drückte sich immer näher an den Deutschen, wodurch dieser immer mehr errötete, "Guten Morgen..." Das leichte Kratzen der heute noch unbenutzten Stimme des Italieners erhöhte mit einem Mal den Herzschlag des Anderen, doch glücklicherweise schaffte Ludwig es, seinen verrückten Puls unter Kontrolle zu bringen, anders als die kontrastbringende Farbe in seinem Gesicht.
"G-Guten Morgen, Feli...", er drehte sich auf die Seite, um seinen Freund sehen zu können, "Hast du gut geschlafen?" Er nickte und grinste selig. Seine immer bleicher werdende Haut würde bald dem Schnee oder der Haut Gilberts - Ludwigs älterer Bruder - keinen Unterschied mehr zeigen, doch die leichte Rötung an beiden Wangen beweisten, dass Feliciano wenigstens noch ein wenig Willenskraft und Stärke besaß.
"Und du?", fragte der Kleinere nun und piekste den Älteren an der Wange.
"Wie man's nimmt, wenn die Alpträume vom Krieg nicht wären, dann wäre es besser gewesen."
"Oh."

Ein Paar brauner Augen verirrte sich in einem Paar von blauer Farbe. Doch dieses Blau war nicht mehr das strahlende Blau, welches er liebte; es war verhangen mit einem tristen Grauschleier, der Ludwigs Spiegel zur Seele wie eine dicke Glasplatte vor ihm versperrte. Feliciano mochte es keineswegs. Er hatte das Gefühl, sich dadurch Ludwig nach und nach zu entfernen und zwar genau dann, wenn er die Nähe unbedingt mehr als alles Andere brauchte.
Wenig wusste er, dass auch er sich langsam veränderte.
Aus extrovertiert wurde introvertiert.
Aus aufgeweckt wurde deprimiert.
Aus optimistisch wurde pessimistisch.
Diese Veränderungen stimmten den Deutschen etwas traurig, da er glaubte, den Feliciano zu verlieren, in den er sich vor vielen vielen Jahren verliebt hatte...aber er wusste, dass sich im tiefsten Inneren seines Geliebten noch ein kleiner Funken seiner Selbst befand, umhüllt von dicken Schutzmauern...wie ein Vogel im Käfig.

Feliciano schaute sich um und erblickte das schöne Wetter außerhalb seines stickigen Zimmers. Wie gerne würde er wieder die Möglichkeit haben, draußen in der schönen Natur zu sein, die Vögel fliegen zu sehen und das weiche Gras unter seinen Füßen zu spüren. Einfach die Natur genießen zu können, das war sein Wunsch. Nicht nur das, sondern auch einige wenige Stunden gemeinsam mit seinem Freund außerhalb dieses tristen Raumes verbringen zu können, war etwas, das sich der junge Mann von diesem Tag wünschte. Feliciano erkannte nur zu gut an der Mimik des Deutschen, dass er auch viel lieber einige schöne, sorglose Erinnerungen mit ihm haben wollen würde, als bis zum letzten Atemzug des Italieners hier tatenlos abzuwarten.
Ludwig bemerkte Felis Abwesenheit und fragte, was denn los sei.
Der Italiener antwortete erst nach ein paar Sekunden und erklärte, dass er gerne raus gehen würde, aber er es niemals dürfte.

"Ich vermisse es einfach, etwas Anderes zu tun als einfach nur hier zu sitzen. Und ich war immer so gerne draußen...Aber Mama und Papa wären wahrscheinlich wieder zu besorgt, dass ich krank werden könnte und es mir im Nachhinein noch schlechter geht...", er machte eine Pause und setzte sich auf, "Und Lovino erst...er würde sofort davon ausgehen, dass du mit dieser bescheuerten Idee aufgekommen bist..."
Ludwig hörte aufmerksam zu.
"Aber sie wissen nicht...dass sie mir damit auch schaden, wenn sie mir aus Angst alles verbieten. Ich kann so nicht glücklich werden; ich kann mein Leben nicht genießen...Was..bringt es mir, wenn ich jeden einzelnen Tag vor mich hin vegetiere und nur darauf warte, dass ich entweder gesund werde oder sterbe? Ich will die Zeit nutzen und nicht verstreichen lassen...", Feliciano sah Ludwig mit einem hellen Hoffnungsschimmer in den Augen an, "Verstehst du?"
Ludwig blinzelte ein paar Mal perplex, ehe er vorsichtig nickte.
"Ja, ich kann dich verstehen, aber ich kann auch die Ängste deiner Familie verstehen. Sie wollen dich beschützen und setzen alles daran, dass alles wieder normal wird. Möchtest du das denn nicht?"
"Das schon, ja, aber was, wenn nichts normal werden kann? Wollt ihr denn nicht, dass ich wenigstens mit gutem Gewissen und schönen Erinnerungen von euch gehe?" Seine Stimme wurde brüchiger und ein wässriger Film überzog seine Augen, so wie es in den letzten Tagen und Wochen schon üblich war.
"Feli-"
"Nein, nichts 'Feli'! Ist es den zu viel verlangt mir eine kleine Freude zu bereiten?"
"Feliciano, du übertrei-"
"Ich übertreibe gar nicht!", Feliciano wurde lauter, war aber nach einem kurzen Wimpernzucken wieder ruhiger, "Ich will doch nur ganz kurz aus diesem Zimmer raus, einmal nur...und zwar mit dir. Bitte..."
Letzteres wisperte er nur leise, aber so voller Sehnsucht, dass es schwer für den Blonden wurde, etwas dagegen zu sagen. Eine kurze Zeit lang sahen sie sich einander nur in die Augen, erlebten allein durch den Augenkontakt die Welt des Anderen und verstanden einander.

Der Deutsche nickte und stieg aus dem Bett. Sein Weg führte ihn zur Tür, von wo er auch Feliciano mitteilte, dass er Frühstück holen ginge und dass er ein paar Minuten warten müsse. Dann verließ er den stickigen Raum und ließ die schwere Tür mit lautem Krach hinter sich zufallen.

Sollte er Roderich und Elizabeta von Felicianos Wunsch erzählen oder sollte er es lieber für sich behalten? Die erste Option hörte sich für ihn vernünftiger an, weswegen Ludwig sich vornahm, mit Felicianos Eltern darüber zu sprechen, sobald er ihnen über den Weg lief. Der Blonde ging den altmodischen, mit dunklem Holz und purpurnem Teppich ausgestatteten, langen Gang entlang. Jeder zweite Schritt knarzte wie das Öffnen eines alten, modrigen Sarges und die vielen Gemälde an den Wänden wurden allmächlich immer ausgebleichter. Manches Papier hatte Wellen bekommen, anderes hatte einen Gelbstich und wieder andere Bilder waren mit einer dünnen Staubschicht überzogen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Ludwig vom zweiten Stock ausgehend in die Küche und dem anliegenden Esszimmer gelangte. Kaum hatte dieser sein Ziel erreicht, strahlten ihm bereits Felis Eltern entgegen. Der Österreicher mit den komplett zerzausten Haaren und dem Null-Bock-Blick nippte verschlafen an seinem Kaffee und stocherte in seinem Küchlein herum, während sich seine Frau noch eine Tasse Tee zubereitete. Ihre Blicke waren sofort auf Ludwig fixiert, als dieser das Esszimmer betrat und sie wünschten ihm sogleich einen guten Morgen. Die Ungarin war natürlich wieder die Erste, die sich zu Wort meldete.
"Na, du musst aber gut geschlafen haben, Ludwig", sie stellte ihre Teetasse auf den Tisch und grinste, "Ich war nämlich vorher oben bei euch, um nachzusehen, ob auch alles okay ist und dann sehe ich zwei Jungs, die im Schlaf miteinander kuscheln wie Teddybären."
Roderich verschluckte sich vor Schreck an seinem Kaffee und verbrannte sich die Zunge; Ludwig dagegen spürte nur die Hitze in seinem Kopf aufsteigen.
Elizabeta lachte.
"Ach, sei doch nicht so verlegen, das ist doch ganz okay! Es war schön zu sehen, dass meinen Sohn wenigstens etwas aufheitert." Doch selbst die Worte der lieben Ungarin konnten die Verlegenheit Ludwigs nicht abschalten, dennoch versuchte er, relativ neutral zu wirken. Er sprach noch kurz mit den Eltern, richtete Feliciano und sich ein Frühstück zusammen und war gerade dabei, die Küche wieder zu verlassen, als ihm wieder das kleine Problem mit Feliciano einfiel.
"Feliciano hat vorher übrigens gemeint, dass er sehr gerne raus gehen würde. Ich wollte fragen, ob es überhaupt ginge." Roderich und Elizabeta sahen sich kurz einander an und grinsten schief. Irgendetwas beschäftigte sie, das war mehr als klar.
"Feli wäre wirklich sehr glücklich darüber...", fügte Ludwig noch hinzu, um die Entscheidungen der Älteren vielleicht doch noch zugunsten ihres Kindes zu beeinflussen. Nach einigen Sekunden des intensiven Nachdenkens konnten sie sich endlich darauf einigen, dass sie es erlaubten, aber nur unter der Bedingung, dass Ludwig genaustens darauf achtete, dass sich Feliciano weder verkühlte, noch überanstrengte. Sie wollten sich gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn nur ein weiterer Fremdkörper den kleinen Italiener befallen würde. Er war so zerbrechlich geworden, so schwach und anfällig auf alles. Die Eltern machten sich tagtäglich Sorgen, was sie nur tun sollten, um ihren Sohn besser genesen zu lassen, doch es war schwieriger als gedacht. Jeder Tag stellte ein neues Hindernis dar, das sie gemeinsam bewältigen mussten, jedoch war ihnen auch bewusst, dass sie Felicianos Gefühle nicht außen vor lassen durften. Er war eine eigenständige Person mit Gefühlen, Gefühlen, auf die man Rücksicht nehmen musste. Auch wenn sie nur das Beste für Feliciano wollten, irgendwann war auch für sie der Zeitpunkt gekommen, an dem sie ihn lieber seinem Herzen folgen ließen, als der Vernunft...sie riskierten damit etwas und überließen ihrem Sohn somit die Entscheidung über sein Leben. Es mag zwar nur etwas Kleines, Unbedeutendes auf dem ersten Blick sein, aber wenn man Tag und Nacht mit der Sorge konfrontiert ist, dass eine falsche Bewegung ein Leben kosten könnte, dann sah die Sache schon wieder ganz anders aus.

Aber eines wussten Elizabeta und Roderich...sie mussten Feliciano los lassen. Und sie wollten nur noch, dass er schlussendlich glücklich wird. Denn ihn ein Leben lang zu isolieren, war auch nicht der richtige Weg.

~♡~

15. Juni 1945

Augen des Eises

Das Eis, das die ganze Welt verdeckt,
Eis, das mein schwaches Herz erweckt.
Eis, es kann so vieles sein,
Egal ob Naturphänomen oder Augen ganz allein.
Eis schützt, Eis verletzt,
Es ist immer da, in verschiedenen Wegen vernetzt.

Aber mein liebstes Eis,
So merkwürdig es auch klingt,
Ist das deiner Augen,
Das mir starkes Herklopfen bringt.
Es tut weh zu sehen, wie sie ergrauen,
Sie verschließen sich meiner, Sie werden zu dichten Auen.

Ich finde keinen Weg zu dir, wenn du dich verschließt.
Also bitte, lass mich zu dir, bevor mein Körper das Leben abschließt.
Ich jammere Tag aus Tag ein,
Ich wette, jeder glaubt, ich würde eine Nervensäge sein.

Aber ich weiß mir einfach nicht zu helfen,
Ich verzweifle hoffnungslos in mir,
Bis ich sterbe wie einst Staufer und Welfen,
Und ich zuletzt sehe, deine Augen so schön wie Saphir.

~Feliciano Vargas

~♡~

Milde lächelnd setzte der junge Erwachsene seine Unterschrift unter sein neuestes Werk. Es mag zwar nicht perfekt sein, aber es beruhigte ihn und half seine Ängste zu verarbeiten. Leise blätterte Feliciano durch sein besonderes Tagebuch und überflog Gedichte und Zeichnungen aus alten Tagen. Viele seiner kleinen Werke behandelten im weitesten Sinne Ludwig oder beschrieben einfach sein Leben. Er schrieb sogar über Menschen seiner Familie, die er nie kennengelernt hatte. Er schrieb über seine leiblichen Eltern, über den Bruder, der laut den Papieren die Geburt nicht überlebt hatte und den er aus Liebkosung einfach Romeo nannte.
Er bemerkte wie trist jedes Gedicht mit der Zeit wurde, wie viel Negativität und Trostlosigkeit in ihnen steckte. Früher hätte er Fröhliches geschrieben, doch nun konnte er sich nur schlecht in diese Verfassung bringen. Es sei denn, Ludwig war bei ihm. Ludwig hellte seine graue Welt mit einem Mal auf und doch zog ihn seine schwere Bürde immer wieder runter. Er wollte Auswege suchen wie er diesen Gedanken entfliehen könnte und die simpelste Idee, die ihm eingefallen war, war ein Raumwechsel. Sein Zimmer erinnerte ihn nur an sein Leid, aber andere Orte waren frei von diesem Gefühl.

Das Herunterdrücken der Türklinke brachte den Italiener wieder auf andere Gedanken und das Nächste, was er sah, war Ludwig, der mit dem Frühstück zu ihm ans Bett kam. Sein Blick fiel auf das kleine Buch, welches Feliciano fest in der Hand hielt und er setzte einen Versuch an, einen Blick auf dessen Inhalt zu erhaschen. Leider war es ihm auch dieses Mal verwehrt, da der Jüngere sein Tagebuch auf der Stelle zuklappte und an sich drückte. Die Verlegenheit in seinen karamellfarbenen Augen war nicht zu übersehen. Zu Felicianos Glück, beließ Ludwig es bei dieser indirekten Warnung und kümmerte sich lieber darum, seinen Freund zu versorgen. Das Geschirr schepperte, doch die Stimme des Deutschen übertönte alles.
"Ich hab mit deinen Eltern geredet-", Feliciano sprang halbwegs auf, ohne Ludwig überhaupt zu Ende sprechen zu lassen.
"Was haben sie gesagt?" Seine Augen leuchteten stark auf und Ludwig könnte schwören, einen kurzen Funken von Felicianos altem Selbst zu erkennen.
"Solange du dich nicht überanstrengst oder dir etwas einfängst, ist es okay."
Felis Augen weiteten sich ungläubig.
"Das haben sie wirklich gesagt?" Der Blonde nickte als Antwort und erwartete schon die übliche Umarmung seines Freundes, die auch sofort kam. Überrumpelt von Felicianos plötzlichem Stimmungswechsel stotterte er unbeholfen vor sich hin.
"Eh..j-ja", er patschte dem Italiener vorsichtig auf den Rücken, "Ich soll einfach nur auf dich a-aufpassen." Feliciano löste sich von ihm und strahlte über das ganze Gesicht, die zunehmenden Schmerzen gezielt ignoriernd. "Ve~, das schaffst du doch mit links, Luddy!" Der breite Grinser auf Felicianos Gesicht ließ das Herz Ludwigs mit einem Mal schneller schlagen; auch er wurde angesteckt und ein leichtes Lächeln legte sich auch auf seine Lippen. Es war ein seltener Anblick, den Deutschen lächeln zu sehen, aber das brachte Feliciano nur noch mehr dazu, diese kleinen, wenigen Grinser wertzuschätzen. Er liebte es, wenn Ludwig lachte. Jedes Lächeln gab ihm das Gefühl etwas Besonderes zu sein; es gab ihm das Gefühl, die eine Person zu sein, die Zugriff zu Ludwigs verschlossenes und in schweren Ketten gelegtes Herz hatte. Es machte ihn glücklich, die Person zu sein...die Ludwig fröhlich stimmen konnte...und doch wusste er, dass auch diese Gabe seine Folgen wie einen schweren Mühlstein hinter sich mitschleppte. Denn wenn Feliciano der Einzige war, der Ludwig zum Lachen brachte...wenn er der Einzige war, der ihm so unglaublich nahe stehen durfte...dann würde er ihn auch mit Leichtigkeit wie eine Glaskugel zerbrechen können. Menschen konnten zwar vom äußeren Erscheinungsbild her stark, mutig und bodenständig sein, aber ein jeder besaß auch eine Schwachstelle...und diese eine Schwachstelle konnte auch den stursten Menschen zu Fall bringen; ihn in tausend Scherben zerschmettern. Trotz dieser Freude, die Feliciano empfand, wenn er Ludwig bei sich hatte und ihn mit Leichtigkeit um den Finger wickeln konnte, lauerte ihm immer diese Angst ihn zu verletzen auf. Besonders jetzt, wo ihn jederzeit der Tod holen konnte, hatte er das Gefühl, eine indirekte Gefahr für Ludwig zu sein. Wenn er könnte, würde er jeden einzelnen Tag für ihn aufstehen und gesund werden, nur um ihn nicht mit seinem Ableben zu belasten. Das war auch der Grund, weshalb er sich wochenlang nicht aufgeben wollte. Er wollte für Ludwig weitermachen. Egal wie oft er nur im Kreis rannte und wie sehr er darunter auch leiden musste. Er wollte ihn so unbedingt glücklich sehen, er wollte mit ihm glücklich werden, so wie sie es sich einst versprochen hatten. Es war unmöglich und Feliciano hätte womöglich schon längst aufgegeben, aber die Liebe, diese starke und leidenschaftliche Liebe, die er für diesen einen Mann empfand, hielt ihn davon ab. Seine Liebe...hielt ihn am Leben.
Er würde hunderte Meilen laufen, wenn er dafür einen Wunsch frei hätte...Und dieser wäre ein Happy End. Ein Happy End für sie beide.

~♡~

15. Juni 1945
[18:00 Uhr]

Feliciano hustete. Blutflecken zierten seinen bleichen Unterkiefer und er schnappte gierig nach Luft. Seine Beine und seine Brust fühlten sich an, als würden sie jeden Moment platzen; sein Herz raste und seine Körpertemperatur stieg rasant an. Diese Schmerzen, sie zerfraßen ihn.
Der Druck in seiner Brust wurde unerträglich und er musste sich zusammenreißen, nicht loszuheulen. "Verdammt!", dachte er nur, "Verdammt! Dabei war vor wenigen Minuten noch alles in Ordnung!"
Feliciano hustete erneut und wieder setzten sich Abdrücke von Blut an. Er könnte sich im Moment sowas von selbst schlagen! "Warum? Warum musste es genau jetzt passieren?"

Ludwig und er hatten beinahe den ganzen Tag zusammen draußen im Garten und im naheliegenden Wald verbracht. Nie hatte etwas gestört oder auch nur den Anschein gemacht, dass etwas nicht stimmte, doch als sich der Abend anbahnte, hatte Feliciano bemerkt, wie er zunehmend müder und schwächer wurde. Er hatte weniger gesprochen, er hatte sich sogar geweigert von Ludwig herumgetragen zu werden, obwohl er in seiner Verfassung nicht einmal selber stehen konnte. Irgendetwas veränderte sich, aber Feli hatte es in den letzten Stunden bewusst ignoriert. Er wollte doch nur Zeit mit Ludwig verbringen...Er hatte Blumenkränze für sie beide gebastelt, er hatte mit Freude jedes gesprochene Wort des Deutschen willkommen geheißen. Es war alles wie früher gewesen, alles war perfekt...bis sich ein vorerst kleiner Hustanfall dazwischendrängte. Feliciano spuckte Blut und er fing an entsetzlich zu zittern. Seine Augen waren vor Schock geweitet gewesen, er hatte nicht gewusst, was mit ihm auf einmal passierte. Schließlich wurde ihm schwindelig, seine Haut brannte bei jeder Berührung wie Feuer und sein Puls erhöhte sich aus Panik und Verwirrung, bis er jeden Herzschlag in seiner trockenen Kehle pulsieren spüren konnte. Er hatte angefangen schwer zu atmen, seine Lunge drohte zu zerplatzen und seine Augen tränten. Er hatte solche Angst. Angst davor, was nun mit ihm geschehen würde. Ludwig hatte ihn sofort ins Haus gebracht, ihm etwas zu Trinken gegeben, um das Kratzen seines Halses zu beruhigen und dabei das ganze Haus in Aufruhr versetzt. Schnelle Schritte waren minutenlang zu hören, entsetzte Stimmen hallten durch die Gänge und Leute gingen ein und aus. Lovinos vor Wut brodelnde Stimme hatte alles Andere in seinem Umfeld übertönt, als er endlich Ludwig gefunden hatte. Er war so verdammt sauer auf den Deutschen gewesen, dass er schon geglaubt hatte, er könnte vor Wut und der Angst, die unter seiner Haut kribbelte, platzen.
Sie hatten gestritten, ihre Argumente dargelegt und geschrien. Feliciano hatte all dies nicht hören wollen, er hatte nicht gewollt, dass seine zwei liebsten Menschen zu streiten begannen. Und doch hatte er jedes gesprochene Wort verstanden, selbst als der Notarzt mit seinen Eltern kam und ihn von vorne bis hinten untersuchte. Felicianos Herz hatte sich nie beruhigt, es raste und raste mindestens genau so schnell wie am Anfang seines Anfalls, erst als ihm der Arzt etwas zur Beruhigung gab, konnte es für einige Zeit lang seine Ruhe finden.

Doch nun lag er nur noch da; als Geisel seiner Selbst. Niemand vermochte es, Feliciano zu beruhigen, noch zu helfen. Nicht einmal Ludwigs behutsames Streicheln seines schneeweißen Handrückens konnte ihm Ruhe bringen. Er wollte, aber er konnte nicht. Seine inneren Dämonen, sie waren zu mächtig. Sie hatten die Oberhand und Feliciano konnte nichts dagegen tun, außer dieses Leiden über sich ergehen zu lassen. Tränen flossen in Bächen und das nicht nur in seinem Gesicht, auch Lovino sowie Ludwig waren völlig mit den Nerven zerfressen, von seinen Eltern ganz zu schweigen. Jeder Atemzug war seicht, seine Brust hebte sich kaum und es brannte tierisch in seiner Lunge. Jede Bewegung stach wie tausend kleine Dolche, nur darauf wartend, den kleinen Körper des Italieners voll und ganz zu zerfleischen und zu zerreißen. Die Angst, jetzt sterben zu müssen, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hätte sein Leid am liebsten mit seinem kleinen Buch geteilt; er könnte es aufschreiben, seine Ängste herauspicken, Stress mit kleinen Kritzeleien ablassen und seine eventuellen letzten Worte und Gedanken seiner Familie und Ludwig hinterlassen.
Aber er konnte nicht. Er war nichts weiter als ein Häufchen Elend, das mit aller Kraft versuchte, gegen die Mächte des Todes zu kämpfen.
Aber würde einer wie er überhaupt in den Himmel kommen? Er, ein Mensch voller Sünde; ein Mensch mit so vielen Macken, Fehlern und Schwächen? Würde er überhaupt Erbarmung vor seinem letzten Gericht erfahren dürfen?
Feliciano wusste es nicht, aber er hoffte es inständig. Er hatte sich immer bemüht, ein guter Mensch zu sein, auch wenn er oftmals vom vermeintlich rechten Weg abkam.
Und nun, wo er zwischen Leben und Tod am seidenen Faden wandelte, hatte er so seine Zweifel.

Eine zart gebaute Hand legte sich auf einmal auf seine brennend heiße Stirn und keine Sekunde später erklang die bedrückte, sorgenvolle Stimme seiner Mutter.
"Er hat Fieber...", sie klang sehr bestürzt und ihre rote Nase sowie die roten Augen verrieten Feliciano, dass Elizabeta wohl geweint haben musste.
Das brachte dem Siebzehnjährigen nur noch mehr Schuldgefühle. Sein Herz sank und bekam einen tiefen Sprung, als wäre es aus dünnem Glas und jederzeit einsturzbereit. Er wollte nicht, dass seine Mutter so deprimiert und verzweifelt war. Es zerstörte ihn, sie so zu sehen...vorallem...wenn gerade er der Auslöser für dieses Chaos war...
Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und gesagt, dass alles in Ordnung wäre, auch wenn dem nicht so war. Es war doch alles hoffnungslos!

Elizabeta setzte sich vorsichtig auf die Bettkannte und strich ihrem Sohn ein paar verschwitzte Strähnen aus dem schmerzverzerrten Gesicht. Es brach ihr das Herz, ihn so sehen zu müssen.
"Versuche zu schlafen, Feli", wisperte sie und fuhr ihm noch ein letztes Mal durch sein seidiges Haar, "Ich hole dir schnell einen Kräutertee herauf, der hilft wenigstens für die Halsschmerzen und den Husten."
Ihre grünen Augen funkelten Ludwig prüfend an, danach widmete sie sich ihrem älteren Sohn.
"Ludwig wird in der Zwischenzeit auf dich aufpassen, Lovino auch, okay? Papa muss noch mit dem Arzt sprechen, aber er kommt dann auch bald hoch."
Feliciano hätte liebend gerne genickt, schaffte es aber nicht, stattdessen taten es sein Bruder und sein Freund es für ihn.

In diesen Momenten fühlte er sich so unglaublich schwach, verletzlich und schutzlos. Es war so, als hätte man ein Neugeborenes von seiner Mutter getrennt und allein gelassen. Er war voll und ganz abhängig von der Hilfe, die andere ihm anboten; er war nicht fähig, sich selbst zu helfen oder einen Einfluss auf die Situation zu haben. Er war wie eine junge Pflanze, die beim leichtesten frostigen Windstoß erfrieren und eingehen würde. Nur mit viel Hingabe und Zeit würde dieses Pflänzchen feste Wurzeln schlagen können und seine zarten Blätter der Sonne entgegenstrecken, wenn dem nicht so wäre, würde damit das Todesurteil für dieses Lebewesen unterschrieben werden und jenes Leben wäre ausgelöscht.

Das war auch den zwei übrigen jungen Männern in diesem engen Raum klar. Feliciano brauchte im Moment Unterstützung und viel Ruhe. Und zwar so viel wie nur irgendwie möglich. Nichtsdestotrotz hätte Lovino echt gerne Lust gehabt, Ludwig so richtig anzuschnauzen. Wenn Blicke nur töten könnten, dachte er, dann wäre er heute schon mehrmals gestorben...
Der ältere Italiener funkelte den Deutschen böse an und dieser blickte entnervt zurück. Diese unsichtbaren Funken des Hasses sprühten durch das gesamte Schlafzimmer, man hätte beinahe meinen können, dass man sie kleine Blitze austauschen sehen konnte, die die momentane Atmosphäre so unglaublich angespannt und instabil machten. Allein mit der geheimnisvollen Sprache der Augen ärgerte sich Lovino über Ludwig, während dieser nur abweisend entgegenwirkte oder ihn nicht ernst nahm. Dieser Krieg der Augen wurde einige Zeit ausgetragen, wandelte sich dann aber in einen Flüsterstreit.
"Es ist deine Schuld, dass er hier liegt. Hättest du ihn nicht mit nach draußen genommen, wäre das alles nicht passiert."
"Wieso meine Schuld? Er wollte es doch so und deine Eltern hatten übrigens auch nichts dagegen!"
Es dauerte nicht einmal eine Millisekunde bis Lovino eine Antwort parat hatte.
"Ich weiß, was für ein Dickkopf du bist, Kartoffel-Bastard, warum hast du es ihm nicht einfach ausgeredet? Auf dich hätte er vielleicht gehört! Er ist genau so schlimm wie du!"
Ludwig rollte mit den Augen.
"Glaubst du im Ernst, dass ich mit ihm streiten will, wenn es ihm ohnehin nicht gut geht?"
"Du brauchst ihn aber nicht irgendwelche waghalsigen Sachen durchgehen lassen! Er überschätzt Situationen oft!", Lovino knirschte mit den Zähnen, "Außerdem hat er das wieder nur wegen dir durchgezogen!"
Der junge Mann mit den olivbraunen Augen boxte seinem Gegenüber leicht in den Arm, der ihn sofort perplex beäugte.
"Wieso wegen mir?", die Tonlage des Blonden klang eindeutig gereizt und genervt. Er hatte keine Lust mehr, mit Felicianos Bruder über nichts und wieder nichts zu streiten, aber für Lovino schien es wichtig zu sein, um den Stress und die Wut in seiner Brust zu verarbeiten.
"Na, weil er dich kohlenhydratsüchtigen 'idiota' liebt, du Vollpfosten!", die unmögliche Locke, die auch Lovi besaß, krümmte sich förmlich und ein Schatten fiel über das Gesicht des streitsuchenden Pessimisten, "So wie ich meinen Fratello kenne, wollte er nur nach draußen, um dir eine Freude zu machen, damit ihr noch ein paar bescheuerte, kitschige Pärchenstunden haben könnt. Feli ist wegen dir dieses Risiko eingegangen, damit du ihn nicht vergisst und ihn als glücklichen Menschen in Erinnerung behältst!" Lovino schnaufte, wurde immer lauter und die Tränen, die in zahlreichen Bächen über sein Gesicht zogen, schmeckten grauenhaft salzig in seinem Mund.
"Ich weiß es, ich weiß ganz genau!", er packte Ludwig am Kragen und zog ihn unsanft zu ihm runter, doch anstatt ihn weiter anzuschreien, flennte er nur noch verzweifelt vor sich hin. Seine harte Außenschale war gebrochen, er zeigte nun auch sein verletzliches, sensibles Gesicht. Es war eines seiner vielen Facetten, die er hasste zu zeigen, doch nun war der Zeitpunkt gekommen, sie der Welt zu zeigen. "Warum hast du ihn nicht aufgehalten?", er schniefte, "Warum hast du ihn nicht davor beschützt?"
Ein schwaches Boxen traf die Brust des Deutschen, gefolgt von einem Regen kleiner Schläge, die keinerlei Schaden verursachen konnten. "Warum machst du alles nur noch schlimmer? Warum muss er jetzt kurz vorm Sterben sein, verdammt nochmal!"

"FRATELLO!", schrie Feliciano aus voller Lunge und Lovino stoppte in der Bewegung. Nach mehrmaligem Rufen hatte er endlich die Stimme seines Bruders wahrgenommen, die ihn flehend dazu bringen wollte, aufzuhören. Sein Herz blieb stehen und der Sturm an überschüssigen Emotionen legte sich. Es war mit einem Mal so mucksmäuschenstill, sodass man selbst eine kleine Gelse fliegen hören könnte. Beide Köpfe, also Lovinos und Ludwigs, schnellten zu dem leidenden Sorgenkind, dessen Brust sich rasant hebte und senkte.
"Bitte...hört auf zu streiten...", Tränen bildeten sich in den roten, angeschwollenen Augen Felicianos, "...bitte...ich will das nicht!"

Das allein brachte die Herzen der Betroffenen zum Wanken und eine Welle von Reue überschwemmte ihre Seele. Sie fühlten sich schlecht, schuldig und einfach nur grauenvoll, dass sie neben dem ohnehin gegen die Schmerzen kämpfenden Sorgenkind eine solche Show abgezogen hatten. Sie beide wussten ganz genau, wie sehr Feliciano Streit verabscheute und der Fakt, dass die wichtigsten Personen in seinem Leben vor seinem Sterbebett wegen ihm allein stritten, war einfach nur grausam.
"Lovi", fuhr der Kupferhaarige ruhiger fort, "Bitte weine nicht." Vorsichtig Griff er mit der rechten Hand nach seinem Handgelenk und Lovino musste mit Schrecken feststellen, wie kalt sein kleiner Bruder doch war. Danach legte der Jüngere seine linke Hand in die seines Freundes und quälte sich zu einem Lächeln.
"Lovino hat teilweise recht, Luddy...Ich wollte dir zuliebe nach draußen, natürlich auch, weil ich Abwechslung wollte, aber größtenteils deswegen, um dir...um uns beiden noch eine schöne Zeit zu bescheren. Aber es ist nicht deine Schuld, sondern meine...", Feliciano wandte sich nun zu Lovino, der sich neben ihm aufs Bett gesellt hatte und sich schnellstmöglich die Tränen wegwischte, "Ich habe mich dazu entschieden, Lovi. Ludwig wollte es mir sogar mehr oder weniger ausreden...ihn betrifft also keine Schuld. Mir wäre es früher oder später genauso ergangen wie jetzt. Egal ob ich drinnen geblieben wäre oder ob ich draußen war. Lovino...es hatte noch nie einen Sinn ich-"
"Verdammt, hör auf so negativ zu reden!", schrie der Braunhaarige dazwischen und seine zitternden Hände wurden zu Fäusten.
"Du bist der, der positiv sein muss! Du musst der sein, der sagt, dass alles wieder gut wird! Ich bin der Pessimist von uns beiden, nicht du! Was soll ich denn machen, wenn du nicht mehr da bist? Wer spielt mir dann meinen Optimismus und mein gutes Gewissen, huh?" Die Worte des Älteren waren so von Verzweiflung und Orientierungslosigkeit geprägt, dass man ihn kaum noch wiedererkennen konnte. Er wusste nicht mehr wohin mit seinen Gefühlen; mit seiner Angst und seinen Kummer. Er hatte keine Ahnung was er tun sollte, er war orientierungslos in seinem jungen Leben; unwissend, was die beste Option für ihn war.
Er wollte nur, dass alles so werden würde, wie es einst vor vielen Jahren war. Verließe Feliciano ihn hier und jetzt, dann würde ein wichtiger Teil seiner Selbst verloren gehen. Sie waren doch verbunden...sie waren doch Brüder...Wenn einer nicht mehr war, gäbe es den anderen doch nicht mehr. Die beiden hatten sich doch perfekt ergänzt. Sie waren doch wie Ying und Yang, sie hielten einander im Gleichgewicht, doch würde dieses Gleichgewicht durch ein einziges umfallendes Dominosteinchen aus der Bahn geraten, würde Lovinos gesamte Welt zusammenstürzen. Doch wer würde es jemals schaffen, diese Welt neu aufzubauen? Beziehungsweise konnte man eine kaputte Welt überhaupt neu bauen? Lovino wusste es nicht. Er wusste auch nicht, ob es jemals jemand schaffen würde, ihn aus dem Schutthaufen seiner sich anbahnenden Depression zu ziehen.

"Lovino...", sagte Ludwig leise und verwundert, doch der Genannte schüttelte jede Art von möglichem Mitleid ab. Sein Bruder wollte noch etwas in Erwägung ziehen, doch er ließ dies nicht zu. Die Tränen rannten und rannten. Die Enttäuschung, die sich seit Monaten in seiner Seele befand, lüstete nach jeder vergossenen Träne und jedem verdrossenen, negativen Gedanken, bis sie sich schließlich als Übermächtig herausstellte und Lovinos Herz sowie Verstand bis aufs letzte Fitzelchen einnahm.
"Scusa....Ich glaube, ich geh dann mal...", raunte der junge Mann mit den olivgrünen Augen ein letztes Mal, bevor er aus dem Zimmer stürmte und geradewegs in seinen Vater rannte.
(Scusa = Entschuldigung)

Er fragte ihn, was los sei, doch Lovino stieß ihn nur weg, rannte in sein Zimmer, knallte und schloss die Zimmertür zu.
Es ist nicht fair, es ist absolut nicht fair, dachte sich Lovino als er sich rücklings auf sein Bett schmiss und all die schönen Fotos an der Wand betrachtete, die er mit Feli, Antonio und seiner Familie gemacht hatte.
Das Leben...es ist so verdammt unfair...

~♡~

15. Juni 1945

Nun stehe ich hier,
In dicker Rüstung und den Feind im Visier.
Die Last auf meinen Schultern, sie wird zu viel,
Ein einziges Hindernis versperrt mir das Ziel.
Ich hoffte auf Sicherheit und Leben,
Musste mich aber leider des Todes Klinge ergeben.

Versprich mir du liebst mich,
Glaub' mir ich beschütz' dich,
Auch wenn ich nicht mehr bei dir bin,
Bleib ich in deinem Herzen drin.
Ich wollte dich lieben, ehren und wertschätzen,
Letztendlich werde ich dich aber verletzen.
Es tut mir leid, ich bin am Boden.
Alles wird leer...Bett, Stühle und Kommoden.
Aber das Leben, es geht weiter,
Ich werde dich sehen, von der Himmelsleiter.

Alle meine Sünden aus vergangener Zeit sind Teil von mir,
Doch mein Herz ist und bleibt bei dir.
Alles wird zu Staub zergehen einmal,
Auch an dem Tag an dem ich vollends zerfall'.
Alles wird zu Asche irgendwann,
Doch mein Stern wird strahlen so hell wie er kann.

Und auch wenn alles verloren scheint, hoff' ich, dass zumindest diese Blume vor dir für dich übrig bleibt...

Vergiss-mein-nicht

~Feliciano Vargas

~♡~

Ich dachte schon, ich hätte mit diesem Kapitel schon viele Struggles, aber das nächste wird eine schwere Geburt...Oof

Und nur zur Info:
Kapitel 8 kommt später. Sehr viel später, da ich in letzter Zeit eine Schreibblockade hatte und noch immer bei der Ideensuche bin.
Aber ich gebe mir sehr viel Mühe dafür, also freut euch drauf! :3

1. Feedback

2. Verbesserungsvorschläge?

3. Das Gedicht am Ende ist inspiriert vom zweiten Ending von SAO Alicization. Ich verlinke hier mal kurz das deutsche Cover, welches für mich eine große Inspiration war:

https://youtu.be/HuKvNucp0JE


Jedenfalls danke für's Lesen!

~5818 Wörter
Hasta la pasta(=ヮ=)೨
Over and out

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