Stellas Outfits-Dienstag
Als Stella am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie erneut eine unruhige Nacht hinter sich. In ihrem Traum hatte sie die Schuluniform aus dem Paket angehabt. Inklusive Lackschühchen und Krawatte. Sie saß im Deutschunterricht und wurde plötzlich von Frau Kraft nach vorne gerufen um ihr Referat zu halten. Natürlich war sie noch nicht vorbereitet gewesen und Frau Kraft war darüber so verärgert, dass sie sagte, Stella würde zur Strafe jetzt den Po voll bekommen. Gerade als Frau Kraft vor versammelter Klasse das erste Mal die Hand hob, war Stella aufgewacht. Völlig verwirrt überlegte sie erneut, ob Fabio das Ganze wirklich wert war. Nach einigem Zögern entschied sie sich für die "Light Version" und legte Krawatte und Schuhe zurück in den Karton, den sie vorsichtshalber unter ihr Bett schob. Den Rest der Sachen nahm sie gemeinsam mit Rucksack und Sporttasche mit nach unten.
Das viele Überlegen hatte Stella viel Zeit gekostet, sodass sie sich nur kurz ein Nutellabrot schmierte und dieses auf dem Weg zur Bushaltestelle verschlang. Ihre Eltern wunderten sich schon über die Eile, da sie das von ihrer Tochter so nicht gewohnt waren. Da Stella wie gewohnt in Jogginghose, T-Shirt und Sneakern unterwegs war, bemerkten sie auch nichts von ihrem Vorhaben. Zum ersten Mal seit langem, musste Stella zur Bushaltestelle rennen und erwischte gerade noch so den Bus zur Schule. Da sie die ersten beiden Stunden Sport hatten, bekam sie noch etwas Zeit, sich auf ihren "Auftritt" vorzubereiten, was ihr nach dem Stress am Morgen ganz Recht war.
Heute war in Sport Mal wieder Volleyball angesagt. Frau Schneider liebte Volleyball, ganz im Gegensatz zu Stella und den meisten anderen Mädchen. Lediglich Lisa und Lena, die beide im Verein spielten und dort Frau Schneider auch als Trainerin hatten, waren begeistert. Stella, die sowieso nicht besonders groß war, regte sich darüber ziemlich auf. Sie hatten Frau Schneider jetzt schon das zweite Jahr hintereinander im Sport und hatten gefühlt 3/4 der Zeit nur Volleyball gespielt. Da Stella mit den Gedanken heute sowieso nicht recht bei der Sache war, ging noch mehr schief als sonst. Kein Ball kam dort an, wo er hin sollte. Zum Glück verstand sich Stella so gut mit Lena, die heute in ihrer Mannschaft spielte, sodass sie zumindest keine blöden Kommentare zu befürchten hatte.
Gerade als wieder Mal einer ihrer Aufschläge total verunglückte und der Ball um ein Haar Frau Schneider verfehlte, die auf Netzhöhe an der Seitenlinie stand, hörte sie hinter sich wie jemand sagte: "Komm, ich zeig dir Mal wie das richtig geht!" Wie in Trance fühlte sich Stella nach Sonntag zurück versetzt. Diesmal musste sie keine Sekunde überlegen, wem die Stimme gehörte. Die Jungs hatten im Hallenteil nebenan Sport und es war keine Seltenheit, dass Herr Hauger kurz zu den Mädchen rüber kam um irgendwas aus dem Schrank zu holen oder um kurz mit Frau Schneider zu reden. Ob er das wegen Frau Schneider machte oder weil er den Mädchen gerne beim Sport zuschaute, darüber gab es verschiedene Ansichten unter den Schülern. Dass es eines von beidem oder sogar beides war, darüber waren sich alle einig. Herr Hauger fragte vorsichtig:"Darf ich?" und nachdem Stella nicht widersprach, stellte er sich hinter sie, nahm den Ball in seine linke Hand und führte mit der anderen Stellas Rechte. Gemeinsam führten sie den Aufschlag aus und der Ball landete unhaltbar kurz hinter dem Netz auf der anderen Seite. Stella war verblüfft wie einfach sich das auf einmal angefühlt hatte. Ihr Herz klopfte jedoch so wild, dass der nächste Aufschlag gleich wieder total misslang. Herr Hauger lächelte ihr zu und sagte: " Das wird schon noch.", bevor er auf Frau Schneider zuging und die beiden dort flüsternd und lachend irgendwas besprachen.
Zumindest in dieser Sportstunde wurde es jedoch nichts mehr. Stella war zu verwirrt um noch irgendwas auf die Reihe zu bekommen. Im einen Moment war sie in Gedanken schon in der Umkleidekabine und zog sich ihre Schuluniform an, im nächsten Moment dachte sie an Fabio um gleich darauf wieder bei Herr Hauger und seiner Hilfestellung anzukommen. Für Volleyball und ihre Mitspielerinnen hatte ihr Gehirn auf jeden Fall keine Reserve mehr. Erst als Frau Schneiders Pfeife ertönte, wachte Stella wieder aus ihren Gedanken auf. "Was war denn heute los mit dir, Stella? Nächstes Mal erwarte ich von dir wieder mehr Konzentration.", warf ihr Frau Schneider noch auf dem Weg in die Kabine hinterher. Stella war froh, dass Frau Schneider nicht wirklich eine Antwort erwartet hatte und zielsicher auf die Lehrerkabine zusteuerte.
Stella ging erstmal noch zur Toilette und nahm sich dann ausgiebig Zeit zum Duschen. Sie wollte versuchen, möglichst als letze in der Kabine zu sein, damit die anderen Mädchen nicht gleich etwas von ihrer Verwandlung mitbekommen würden. Ihr Plan ging auch weitgehend auf. Nur Lena und Lisa waren am Ende noch mit in der Kabine. Stella schaute auf die Uhr und stellte fest, dass sie nicht länger warten konnte, wenn sie pünktlich zur Chemiestunde sein wollte. Also holte sie die mitgebrachten Sachen aus der Tasche und zog sich langsam an. Lena und Lisa machten keine Anstalten die Kabine zu verlassen, sondern schauten interessiert zu ihr herüber. Stella tat so als würde sie nichts bemerken, bis Lisa sie ansprach: " Sind das die Sachen von denen Nico erzählt hat? So eng sind die doch gar nicht. Sieht echt süß aus, aber ich hätte nicht gedacht, dass du dich traust sowas anzuziehen. " Stella merkte wie sich ein spannendes Gefühl in ihr breit machte. Eine Mischung aus Peinlichkeit und Stolz, wie sie es schon am Sonntag verspürt hatte. "Nein, es sind nicht die Sachen die Nico meinte, aber ich wollte gerne Mal was neues ausprobieren." , antwortete sie und war froh, dass es doch einigermaßen selbstsicher klang. "Hut ab, so kenn ich dich gar nicht.", schob nun auch Lena hinterher und als sie die Kabine in Richtung Chemiesaal verließen, fühlte sich Stella gleich etwas mutiger.
Dies änderte sich jedoch schlagartig, als sie auf dem Weg dorthin Nico begegneten:" Oh, ist heute Japantag?", fragte er frech. "Hast du dir das in einer deiner Serien abgeschaut?" Stella wollte gerade etwas sagen, als Lisa ihr zur Seite sprang: " Halts Maul Nico, erstens hast du keine Ahnung und zweitens gefällt es dir doch auch wenn du ehrlich bist." Nun war es Nico der nicht mehr wusste, was er sagen sollte und Stella war überrascht wie vehement Lisa sie verteidigt hatte. Naja, zumindest Nico konnte sie nun als Schreiber des Zettels getrost von ihrer Liste streichen. Als Nico sich halbwegs von seinem Schreck erholt hatte, flüsterte er Stella noch im Weitergehen zu: " Ich wette 10 Euro, heute erwischt es dich bei der Kraft." Stella stockte kurz, ging dann aber weiter in den Chemiesaal und vergaß Nicos Bemerkung schnell wieder.
Im Chemiesaal angekommen, setzte sie sich wie gewohnt mit den anderen beiden in die letzte Reihe. Sofort drehten sich einige ihrer Mitschüler zu ihr um und ein leises Getuschel begann. Stella versuchte die Blicke auszuhalten und der neu gewonnenen Aufmerksamkeit etwas positives abzugewinnen. Und wenn es Fabio gefiel und er Christina dafür vergessen würde, war es das allemal wert. Falls Fabio den Zettel überhaupt geschrieben hatte. Aber daran wollte und konnte sie jetzt nicht denken. Erstmal diesen Tag rumkriegen und dann auf positive Signale hoffen. Da der Chemielehrer in dieser Stunde einige Experimente mit Knalleffekt durchführte, ging die Stunde auch recht schnell vorbei und die Klasse machte sich auf den Rückweg ins Klassenzimmer.
Dort angekommen holte Stella ihr Deutschheft und ihre Lektüre aus ihrem Rucksack und als Frau Kraft zu einem ihrer berüchtigten Monologe angesetzt hatte, begann Stella, wie fast immer in solchen Situationen, auf ihrem Block an ihren Manga-Figuren weiterzuzeichnen. Frau Kraft schien das, solange man ihren Monolog nicht störte, nicht zu kümmern, denn bisher hatte sie sich nie darüber beschwert. Für Stella war es die optimale Ablenkung. Sie konnte in ihrer Fantasiewelt verschwinden und weder die Lehrerin noch die Mitschüler wurden dadurch gestört. Heute war sie so vertieft in ihre Zeichnung, dass sie gar nicht bemerkte, dass Frau Kraft ihren Vortrag unterbrochen hatte und plötzlich hinter ihr stand. "Sieht gut aus die Zeichnung. Sollst das du sein?", fragte Frau Kraft in die Stille hinein. Stella drehte sich erschrocken um und stotterte : " Nein, das ... ich meine.. also... das ist nur so eine Fantasiefigur." Frau Kraft nahm ihr den Block ab und zeigte ihn in die Klasse. "Findet ihr nicht auch, sie sieht aus wie Stella?" Stella hätte im Boden versinken können, so peinlich war es ihr. Sie schaute sich die Zeichnung selbst nochmal an und bemerkte, dass Frau Kraft gar nicht so unrecht hatte: Bis auf die fehlende Krawatte und den Sneakern glich ihr eigenes Aussehen ihrer gezeichneten Figur doch sehr. Einige von Stellas Klassenkameraden klatschten hämisch Beifall, andere riefen:" Ja, Frau Kraft hat Recht." Als Frau Kraft die Klasse wieder halbwegs beruhigt hatte, sagte sie zu Stella: " Wie du siehst, sind hier mit deiner künstlerischen Leistung alle zufrieden, trotzdem erwarte ich von dir, dass du mir zuhörst, wenn ich etwas erkläre. Komm bitte nach vorne."
Stella stand auf und ging langsam nach vorne. Sie nahm das kleine Büchlein vom Pult und schlug die verlangte Seite auf. Sie merkte wie ihre Stimme zitterte, als sie vorzulesen begann. Zu gut konnte sie sich vorstellen, wie es Sarah gestern gegangen sein musste. Ihr Blick fiel auf Nico. Der reckte siegesbewusst den Daumen nach oben. "Verdammt.", dachte Stella." Kann der Kerl Hellsehen? "Bisher hatte Frau Kraft sich doch nie an ihrer Zeichnerei gestört. Urplötzlich fiel ihr auch ihr Traum von letzter Nacht wieder ein. Der Traum lief nochmal vor ihrem inneren Auge ab, während sie weiter vorlas, so als ob sie ihn nochmal erleben würde. Stella spürte wie ihr heiss und kalt wurde..Je näher der Traum dem Ende kam, desto nervöser wurde sie. Dann war das Gedicht plötzlich zu Ende. Wie der Traum letzte Nacht. Selbstverständlich passierte nichts so, wie in ihrem Traum. Sichtlich verstört setze sich Stella wieder zurück an ihren Platz und wartete das Ende der Stunde ab.
Nachdem sie die letzten beiden Mathestunden auch noch irgendwie rum bekommen hatte, machte sich Stella auf den Weg nach Hause. Immerhin war ihr Christina heute nicht begegnet, sodass ihr wenigstens dieser Spott erspart blieb. Doch auch Fabio ließ sich nirgends blicken. Zu gerne hätte sie seine Reaktion gesehen. Enttäuscht lief Stella Richtung Bushaltestelle. Nachdem sie eine Weile gewartet hatte, kam endlich der Bus. Gerade als sie losfuhren sah sie Fabio an die Bushaltestelle kommen. Ohne Christina. Er entdeckte sie durchs Fenster, hob kurz die Hand und lächelte ihr zu. Dann fuhr der Bus ab...
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