Als der Freitag dann tatsächlich gekommen war, hatte Stella erwartungsgemäß wieder schlecht geschlafen. Obwohl sie den Wecker extra eine halbe Stunde früher gestellt hatte, war sie noch davor aufgewacht. Noch im Bett überflog sie nochmal ihre Aufschriebe. Fachlich konnte eigentlich nicht viel schiefgehen, wenn sie nur eine Methode finden könnte, die Aufregung und Angst vor Frau Kraft loszuwerden. Nachdem sie geduscht hatte und in ihrem Schrank nach einem passenden Outfit suchen wollte, fiel ihr plötzlich wieder das Paket unter ihrem Bett ein. Sie hatte es die letzten Tage einfach verdrängt. Noch nichtmal anprobiert hatte sie es. Ob sie es doch Mal versuchen sollte? Langsam zog sie das Paket wieder unter dem Bett hervor und legte sich die Sachen bereit. bereit. Dann zog sie sich Stück für Stück an. Als sie fertig war und sich im Spiegel betrachtete, stieg ein bisher unbekanntes Gefühl in ihr hoch. Es kribbelte regelrecht, als sie sich selbst im Spiegel sah. Das kalte Leder der Hose fühlte sich spannend an an ihren Beinen, die enge Bluse und das Jacket ließen sie sehr erwachsen wirken und die hohen Stiefel, die ihr fast bis zu den Knien reichten, hatten eine faszinierende Wirkung auf sie. Auf einmal konnte sie sich auch einen Reim aus Nicos Bemerkungen über Frau Kraft machen. Trotzdem, oder vielleicht sogar deswegen, beschloss sie die Sachen anzubehalten. Sie fühlte sich auf einmal sehr selbstbewusst. So würde sie die Kraft einfach in den Schatten stellen.

Stella ignorierte die Blicke, die ihr im Bus und auf dem Weg zur Schule zugeworfen wurden. Sie konzentrierte sich auf ihr Referat und als Christina sich mit offenen Mund nach ihr umdrehte, warf sie ihr ein überlegenes Lächeln zu. Als Stella zur Deutschstunde den Klassenraum betrat, ging ein Raunen durch die Klasse. Lena und Lisa begannen sofort zu tuscheln und einige der Jungs pfiffen sogar. Frau Kraft verzog keine Miene. Wusste sie Bescheid? War sie einfach zu schockiert? Stella war es egal. Sie stand vor der Klasse und hielt ihr Referat, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes gemacht. Am Ende erhielt sie von der ganzen Klasse tosenden Applaus. Als die Klasse schon fast komplett den Raum verlassen hatte, kam Frau Kraft auf Stella zu. Sie räusperte sich kurz und sagte dann: " Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dir eine eins zu geben. Respekt. Nicht nur für dein Referat. Ich denke du weisst, was ich damit meine." Damit drehte sie sich um und verließ den Klassenraum. Stella hätte platzen können vor Stolz. 

Gerade als sie das Zimmer verließ, kam Fabio angelaufen. Er zog sie sanft zur Seite und fragte sie: " Und, wie war dein Referat?" Stella schaute ihn an und erwiderte:"Es lief super. Ich habe ne glatte eins bekommen. Aber woher weisst du davon?" "Nico hat's mir erzählt, ich hoffe dich stört es nicht. Übrigens, du siehst verdammt heiss aus" Stella überlegte kurz, was sie sagen sollte, dann nahm sie all ihren Mut zusammen: " Weisst du Fabio, die letzte  Zeit war sehr verwirrend für mich. Es ist noch so viel neu, so viel ungeklärt. Ich möchte einfach wissen, woran ich bei dir bin. Ich brauche jetzt erstmal Wochenende. Bitte sag mir am Montag, ob das was festes wird mit uns." Damit lies sie ihn stehen. 

Lisa und Lena hatten aus einiger Entfernung alles beobachtet und kamen nun auf Stella zu. Sie klopften ihr anerkennend auf die Schulter und beglückwüntschen sie zu ihrem Mut. Besser hätte der Tag kaum laufen können. Zumindest dachte sie das,.bis ihr Christina über den Weg lief. Sie kam direkt auf Stella zugeschritten und Stella duckte sich instinktiv zur Seite. Christina kam auch gleich zum Punkt indem sie sagte:" Merk dir zwei Dinge Stella: Erstens: Du bist und bleibst keine Konkurrenz für mich. Ich wollte Fabio sowieso nicht. Er war es nicht Wert. Zweitens: Trotzdem Anerkennung für deinen Mut und deine Wandlung. Hätte ich dir nicht zugetraut." Sie stieß Stella herzhaft in die Seite. Doch Stella fühlte keinen Schmerz. Sie fühlte stolz, Selbstbewusstsein und Überzeugung.

Als sie zu Hause angekommen war,.machte sie noch ein paar Fotos von sich in ihrem Outfit. Es fühlte sich gut an und als sie die Kleider wieder in der Schachtel verstaut hatte, schwor sie sich weiterhin neue Sachen auszuprobieren. Gerade als Stella sich zum Ausruhen auf ihr Bett legen wollte, vibrierte ihr Handy und sie erhielt eine SMS von einer ihr unbekannten Nummer...