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54 - Sehnsucht

Es wird ein gemütlicher Abend.

Taehyung und Jimin spielen miteinander Jenga.

Jin liest ein Buch.

Namjoon und ich lassen uns von irgendeiner Show in der Glotze berieseln. Der Hund Hyebit von Sejin hat sich an das neue Zuhause und die vielen verschiedenen Herrchen gewöhnt, holt sich bei allen seine Streicheleinheiten oder liegt faul dösend mitten im Raum auf dem Boden, schön für alle im Weg.

Aber ich spüre, dass es in Namjoon arbeitet. Als wir schließlich ins Bett gehen, rückt er mit der Sprache raus.
"Nelli? Ich hab ein Problem."
"Das ist offensichtlich, Schatz. Und dass es irgendwie mit der Tanke zusammenhängt, auch. Magst du erzählen?"
"Durcheinander?"
"Durcheinander."
"Du hast es so gewollt."
Wir grinsen uns an, er wird aber gleich wieder ernst.

"Ich habe so viel Geld veruntreut, wie andere in ihrem ganzen Leben nicht verdienen. Und frag nicht, was für einen besch...eidenen Unsinn ich davon gekauft habe. Ich habe meine gerechte Strafe bekommen, arbeite meine Schulden ab und sehe Licht am Ende des Tunnels. 
Aber was hat ER verbrochen, dass er mal eben in einem netten kleinen Taifünchen seine komplette Existenz verloren hat?!? Ich finde diese Ungerechtigkeit vom Leben unerträglich! Mir doch egal, dass ich mir jetzt einen anderen Job suchen muss. Aber ... ich will keinen anderen. Der Mann war so fair zu mir, hat mir so schnell vertraut. Und ich kann ihm das nicht zurückgeben."
"Du kannst ihm so helfen. Das ist für ihn schon ganz viel wert."

"Aber es rettet nicht die Tankstelle! Wenn ich nicht so eine Scheiße gebaut und noch meinen Job hätte, dann ..."
"... wärst du heute noch ein Arschloch, würdest über den Kratzer im Lack von deinem Ferrari jammern und definitiv nicht einen einzigen Gedanken an all die Leben und Existenzen verschwenden, die dieses 'Taifünchen' vernichtet hat."
"Porsche. ... Entschuldige die Unterbrechung."
Meine Stimme wird ganz weich, während ich nach seiner Hand greife.
"Du hast dich so sehr verändert. Deine Werte und Ziele haben sich verschoben. Du hast die Menschen um dich drumrum in den Mittelpunkt deines Lebens gerückt. Das war im Sommer noch ganz anders."
Einen Augenblick lang schließt Joon die Augen und liegt ganz still.
"Stimmt. Das wäre mir früher egal gewesen."

"Und überhaupt. Wir hätten uns nie kennen gelernt. DA würde mir aber was fehlen!"
"Das wüsstest du dann doch gar nicht."
"Papperlapapp! Da wäre eine große Lücke ohne dich, und man muss nicht wissen, was da am besten reinpasst, um diese Füllung schmerzhaft zu vermissen."
"So! Jetzt hast du's mir aber gegeben."
Sein warmes verschmitztes Grübchenlächeln steht ihm wirklich seeeehr viel besser als die Frust- und Sorgenfalte vorher.
"Na, dann - lass es uns genießen. Kommt Zeit, kommt Rat für deinen Chef. Wir werden das einfach im Auge behalten. Her mit dir!"
Provokativ ziehe ich Joonie am Kragen seines T-Shirts zu mir ran.
Was hab ich eigentlich früher ohne diese Küsse gemacht???

Wir hören noch, wie der ausgepowerte Hoseok und der euphorische, völlig überdrehte Jeongguk vom Tanzen wieder nach Hause kommen. Aber irgendwann wird er von Taehyung ins Bett gescheucht, weil der nämlich seine Ruhe haben will. Dann wird es still in der alten Pförtnerei. Ich kuschele mich an meinen wunderbaren Freund und schlafe ganz schnell ein.

........................

Gut, dass wir so zeitig geschlafen haben! Denn trotzdem wird die Nacht ziemlich kurz - Jeongguk dreht vor Aufregung so früh schon am Rad, dass alle Bewohner der Pförtnerei vor Tag und Tau senkrecht im Bett stehen. Diesmal ist es Jin, der sich unser erbarmt und sich Guk "unter den Arm klemmt", damit wir anderen noch ein bisschen weiterschlafen können. Er schnappt sich das Nervenbündel, steckt sich und den Jungen in feste Schuhe und Jacke und teilt ihm mit, dass sie jetzt herausfinden werden, wo dieses Grundstück eigentlich aufhört.
Guuute Idee! Es wird eine ganze Weile dauern, bis die beiden kapieren, dass es zwar eine markierte Grundstücksgrenze, aber an dieser Grenze keinen durchgehenden Zaun zum Nationalpark gibt. Viel Spaß bei der Suche. 
"Wir klingeln dann durch, wenn Yoongi da ist. Viel Spaß!"
Die zwei ziehen los, und alle anderen sind erstaunlich schnell wieder hinter ihren geschlossenen Türen verschwunden.

Hmmm. Wir klingeln dann durch ... Was war noch die verabredete Zeit? 9.00 Uhr? Dann können wir uns auch nochmal rumdrehen.
Um Punkt 8.00 Uhr stehen die beiden wieder in der Tür. Und als Jin grade anfängt mit "Sorry, ich konnte ihn ..." - da klingelt es am Tor. Und auf meinem Handy.

"Bin da"
Nur diese zwei trockenen Worte. Aber das reicht völlig aus. Ich sehe Yoongi förmlich flattern vor lauter Angst, Jeongguk könnte ihn letzten Endes doch zurückweisen.
"Nelli, kannst du mir hoch helffen? Sonst renn ich gleich weg."

"Klar! Komme sofort."

"Jungs, das ist Yoongi. Er bittet mich, ihn am Tor abzuholen. Ab in die Küche mit euch!"
Jin geht in die Küche, alle anderen stehen Schlange vorm Bad, ich ziehe mich einfach so an und laufe los, dem zweiten Nervenbündel des Tages entgegen.

Es fängt an zu nieseln. Ich sehe Yoongi schon von weitem. Er steht außerhalb des großen, alten Tores, steckt die Hände in die Jackentaschen, zieht den Kopf zwischen die Schultern und starrt auf seinen linken Fuß, der unentschlossen in einer kleinen Pfütze rumplatscht. Yoongi ist das personifizierte "wo ist mein Mauseloch?"
Ich fühle so mit ihm. Mit beiden. Sie wollen trotz Scham und Enttäuschung ihre Freundschaft retten, wissen nicht, was sie erwartet, fürchten sich vorm Scheitern, vor weiteren Verletzungen und davor, den anderen noch einmal zu verlieren. Sie könnten dieses Gespräch auf die lange Bank schieben, würden damit aber exakt nichts leichter machen sondern nur den "point of no return" riskieren.
Ich habe mal wieder spontan das Bedürfnis zu beten, dass dieser Morgen für die zwei gelingen möge.
Was in den nächsten Stunden passiert, kann sie zerstören oder wertvoll wachsen lassen. Gott, hörst du mich? Lass es bitte gelingen!

Kaum habe ich das Tor aufgeschoben, schaut Yoongi mich an. Seine glühenden Augen sind so voller Angst und Schmerz und Selbstverachtung, dass ich ihn spontan fest in die Arme nehme.
Gott, hörst du mich? Bitte erlöse diese zwei von ihrer Qual!
Yoongis zitternde Hand fest in meiner warmen Hand, drehe ich mich um und führe ihn den Berg zur Villa rauf. Am Rondell vorbei. Sein Schritt wird wackeliger. Als wir durch die Hecke zur Pförtnerei treten, kriecht mir eine Gänsehaut den Rücken rauf. Jimin lunzt durch ein Fenster seines Busses. Jin und Namjoon spähen durchs angelehnte Küchenfenster. Hoseok und Taehyung stehen in der Haustür und halten Jeongguk an beiden Händen fest. Der Junge hat seine Augen fest zugekniffen und den Atem angehalten. Die Luft vibriert vor lauter Spannung. Ich nehme Yoongi nochmal kurz in die Arme und mache dann einen Schritt zur Seite.

Wie auf Kommando heben beide den Blick und schauen sich an. Ich kann förmlich das gespannte Gummiband zwischen ihnen sirren hören, während Yoongi auf Guk zustolpert.
"Jeongguk? ... Darf ich ... Ich ... schäme mich so sehr."
Die letzten Worte flüstert er nur, aber selbst der Wald hinter dem Haus schweigt stille, damit jedes Wort gut zu hören ist.
Jeongguk lässt seine "Wächter" los und schiebt sie hinter sich ins Haus. Leise schließt sich das Küchenfenster. Jimins Kopf verschwindet im Innern des Busses. Ich bewege mich nicht mehr.
"Yoongi ... ich ... Komm doch rein."
Er tritt zur Seite, lässt uns beide ins Haus und schließt die Tür.

Als wir das Wohnzimmer betreten, sehen wir noch, wie sich hinter dem letzten Rücken die Küchentür schließt. Yoongi grinst, schüttelt den Kopf und seine Stimme klingt plötzlich ganz normal. Er hat seinen Humor wiedergefunden.
"Gukkie, ich glaube, es geht dir wie mir. Wir haben uns beide gewünscht, dass Nelli bei diesem Gespräch dabei ist. Aber wenn die anderen vier jetzt da in der Küche dafür zuständig sind, euer Brunch vorzubereiten, werden wir verhungern, weil sie stattdessen gemeinsam an der Tür kleben, um nur ja kein Wort zu verpassen."
Aus der Küche erklingt unterdrücktes Gekicher, Jimin lunzt zum Fenster rein - und die beiden hier bei mir brechen in schallendes Gelächter aus. Dann ist es auf einmal totenstill. Sie sehen sich in die Augen - und nehmen sich schnell in die Arme. Als wollten sie sich beeilen, bevor sie es sich anders überlegen. Mir kommen die Tränen vor Erleichterung.

Jeongguk hält dem verdutzten Yoongi die Ohren zu, pumpt seine Lungen voll Luft und brüllt.
"Raus da, ihr Feiglinge! Wir sind hier diejenigen mit dem Katz und Maus Spiel. Ihr wollt doch dann sowieso alles wissen."
Schnell lässt er Yoongis Kopf los und redet normal weiter.
"Falls das für dich in Ordnung ist, Yoongi. Nelli und Namjoon wissen vermutlich eh alles, und die anderen sind nicht dumm. Für mich fühlt sich das grade richtig an."
Yoongi nickt, sieht etwas überrumpelt aus, während vier Gestalten aus der Küche geschlichen kommen und sich mit uns an den Tisch setzen. Sogar Jimin taucht drinnen auf, bleibt aber direkt neben der Zimmertür stehen, nervös und fluchtbereit. Seine Hand hält sich an Hyebits Halsband fest.

Yoongi dreht sich zu ihm um.
"Hallo, Jimin. Ich möchte mich auch bei dir entschuldigen, denn letzten Endes habe ich durch meine Feigheit die Katastrophe heraufbeschworen."
Jimin zuckt zusammen, hält aber der plötzlichen Aufmerksamkeit stand, nickt schließlich vorsichtig. Ihm ist das alles nicht geheuer.
Aber er will dazu gehören und springt dafür immer wieder über seinen Schatten!

Yoongi rutscht schnell vom Stuhl und verbeugt sich bis zum Boden vor Jeongguk. Der wiederum hockt sich daneben, bevor Yoongi überhaupt reden kann.
"Wir überholen uns gerade selbst. Und ich weiß nicht mal, ob das gut ist. Aber es ist ehrlich und echt. Ich vermiss dich wie Sau, da ist wütend bleiben ziemlich schwierig. Ich will einfach die Wahrheit wissen. Die ganze Wahrheit. Ich will verstehen, welcher Teil von dir da was gemacht, gewollt, gehasst, geliebt, angefangen oder beendet hat. Erklär mir bitte, was die Scheiße sollte. Und wer der wahre Yoongi ist. Bitte. Bitte überzeuge mich."

Weiteratmen, Nelli! Wie sehr sich Guk verändert hat in diesem halben Jahr. Wie sehr er gereift ist! Die Befreiung von der alten Last und diese Lehre haben einen klaren, zielstrebigen Charakter zum Vorschein gebracht. Eben den Charakter, der überhaupt dafür gesorgt hat, dass er diese furchtbaren Jahre überlebt hat. Yoongi wusste genau, warum er diese Werkstatt vorgeschlagen hat.
Ich möchte am liebsten vor Freude tanzen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass alle anderen sich neugierig aufrichten auf ihren Plätzen. Aber das geht nicht.
Ähm ... nö?! Ihre Anwesenheit darf hier nicht die Dynamik zwischen den beiden verfälschen!
"Jungs, euch ist hoffentlich klar, dass ihr euch absolut raushalten müsst. Am besten seid ihr gar nicht da, aber auf jeden Fall vollkommen unbeteiligt. Verstanden?"
Köpfe einziehen. Nicken. Dröhnende Stille.
Kapiert. Sehr gut.

Plötzlich steht Jeongguk auf, zieht Yoongi mit hoch und rüber zum Sofa. Mit diesem kleinen Abstand zu uns sehen die beiden sich an. Und Yoongi erzählt. Von sich, seiner Kindheit und Jugend, seinem Bruder, den er über alles geliebt hat. Von der Mopedtruppe, den coolen Fahrten, dem tragischen Unfall des Leaders. Vom Zerfall der Gruppe, dem Entgleiten seines Bruders und dessen furchtbarem Ende. Sein Schmerz erfasst uns alle, intensiv und ehrlich.
Jeongguk sitzt daneben, hört aufmerksam zu und zeigt mit seiner Körperhaltung unbewusst, wie es ihm mit all dem geht. Wenn Guk die Arme verschränkt und finster kuckt. Wenn er an seinen Fingern knibbelt und wegkuckt. Wenn ihm Tränen in den Augen stehen und er nach Yoongis Hand greift. Yoongi ist das alles sehr bewusst. Er reagiert darauf. Er erzählt von seinem Powerstudium, seiner Miniwohnung, seinen Praktika. Auch den Fahrradladen verschweigt er nicht.
"Ach, DESHALB wolltest du nicht als Bürge herhalten!"

Yoongi nickt bloß. Er erzählt jetzt zügig und flüssig, schonungslos und ehrlich, wirkt, als wolle er es hinter sich bringen. Er berichtet von seinem Job bei der Studie, vom Arbeitsauftrag und den Rahmenbedingungen, die ihm vorgegeben waren, wie er die Villa, schließlich Jeongguk gefunden hat. Schlagartig macht Guk dicht und runzelt die Stirn. Weder ihm noch den anderen Jungs gefällt, was sie da hören, wie sie alle als Versuchskaninchen herhalten mussten, wie sie manipuliert, gebremst und belogen wurden. Die Rückfragen werden schärfer, die Temperatur im Raum scheint trotz bullerndem Kachelofen rapide zu sinken. Aber Yoongi macht tapfer immer weiter.

Wie viel Kraft das alle hier grade kosten muss! Aber dieser Haufen junger Männer hält es doch miteinander aus. Alle Gefühle hier sind so greifbar und so authentisch. Sie gehören zusammen. Darum war all die Wochen dieses 'Yoongi fehlt' so präsent. Halt durch, Yoongi! 

Jetzt tauche ich in seinem Bericht auf. Dann Namjoon. So nach und nach dämmert es bei den Jungs. Yoongi erzählt von der Zeit, wo er begreift, was da eigentlich von ihm verlangt wird. Wie er versucht hat, sich zu wehren, das abzubiegen, Schlupflöcher zu finden in dem Korsett, das ihm umgeschnallt wurde. Wie er immer mehr zerrissen wurde zwischen seinem Arbeitsauftrag und den Bedingungen seines Arbeitsvertrages einerseits und seiner Freude über all die neuen Möglichkeiten und die sich öffnenden Türen andererseits. Wie seine Scham zu einem himmelhohen Berg anwuchs, je mehr ihm bewusst wurde, dass er solche Freunde niemals wieder finden würde, wenn er diese verliert. Was da für ihn auf dem Spiel stand. Wie furchtbar falsch das alles war. Für ihn selbst, seine berufliche Laufbahn, für die durchweg tief verletzten Seelen seiner Freunde, für seine eigene, nach wie vor sehr fragile psychische Stabilität.

"Du ... bist meinem Bruder so ähnlich in manchen Dingen. Ich hab dich so gern. Nelli war und ist so eine große Chance für dich und für uns alle. Mein Doppelleben hat mich richtig krank gemacht."
"Und warum hast du dann nicht viel früher die Karten auf den Tisch gelegt? Warum hast du dieses Scheißspiel immer weiter mitgespielt? Wie soll ich dir glauben, dass du das selbst nicht gewollt hast? Letzten Endes hast du noch monatelang immer weiter mitgemacht. Warum?!?"

"Weil die Erkenntnis, was da falsch läuft, nicht plötzlich da war wie ein angeknipstes Licht. Ich habe erst nach und nach realisiert, worauf das in letzter Konsequenz rausläuft. Dass ich dich drei Jahre im Elend halten und dafür isolieren soll.
Und dann habe ich eine Weile gebraucht, um zu entscheiden, was schlimmer ist - euch reinen Wein einzuschenken, den Job zu verlieren, eure und vor allem deine Achtung zu verlieren, horrende Strafzahlungen wegen Vertragsbruch zu riskieren, mich beruflich ins Off zu manövrieren. Oder weiter Verstecken zu spielen, aber in deiner, ... eurer Nähe sein und das Schlimmste verhindern zu können."
Ich halts bald selbst nicht mehr aus! Mir tut schon alles weh vor lauter Anspannung.
Jeongguk verstummt und kaut auf seiner Unterlippe.
Worüber der Junge jetzt wohl nachdenkt?

"Du bist echt ein Vollidiot!"
Mit einem Schlag ist es totenstill im Raum. Yoongi zieht erschrocken den Kopf ein bei Jeongguks plötzlicher und heftiger Reaktion. Im ersten Moment kann keiner von uns ahnen, was als nächstes kommen wird. Der Junge schweigt wieder eine ganze Weile, bevor er weiterspricht.
"Du richtest lieber dich selbst zu Grunde, statt die Karten auf den Tisch zu legen und mit uns gemeinsam die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Du hast Angst vor meiner Ablehnung, also gehst du lieber selbst bei drauf. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hab keine Ahnung, ob ich dich letzten Endes nicht einfach totgeschlagen hätte. - Warum hast du dich nicht gewehrt???"
"Weil du mit allem recht hattest? Weil ich mich beschissen benommen hatte? Weil ich auf einmal sooo erleichtert war, dass das Versteckspiel endlich vorbei war. ... Weil ich dir nicht weh tun wollte. Also ... noch mehr als sowieso schon."

Wieder herrscht unerträglich sich ziehende Stille. Niemand bewegt sich auch nur einen Milimeter.
Dann mit einem Mal springt Jeongguk auf und rennt aus dem Haus. Wir sitzen alle wie erstarrt und hypnotisieren die zugeknallte Zimmertür. Keiner wagt zu fragen, wohin Guk gerannt sein, was er da jetzt machen könnte.
Jimin ist erschrocken zur Seite gesprungen, als Jeongguk an ihm vorbeigestürmt ist. Ich sehe ihm an, dass er fieberhaft überlegt, wie er jetzt zu seinem sicheren Bus gelangen könnte. Vorsichtshalber verzieht er sich in die Küche. Jin direkt hinterher, weil auch er die Spannung kaum aushält. Taehyung folgt auf dem Fuße.
Yoongis trauriges Gesicht sieht aus, als wäre er noch einmal verprügelt worden. Erschöpft schließt er die Augen und sinkt in sich zusammen. Mein Hirn fängt an zu rattern.

Hinterher gehen oder hier bleiben? Wer von den beiden braucht mich jetzt mehr? Und würde Guk das überhaupt zulassen? Ach Mist!
Unentschlossen rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her.

Hoseok gibt sich einen Ruck und geht leise zum Sofa rüber.
"Yoongi? Ich mische mich jetzt doch ein. Gib nicht auf! Guk hat in dieser Stunde so viele Signale zur Versöhnung gesendet. Und du warst die ganze Zeit so schmerzhaft ehrlich. Gib nicht auf!
Ich glaube dir alles, jedes Wort. Was du mit deinem Bruder erlebt und verloren hast, ist furchtbar und kaum zu ertragen. Aber deine Zuneigung zu Jeongguk ist genauso echt. Also kämpfe um ihn. Er hat es selbst gesagt:'Bitte, überzeuge mich.' Das schaffst du aber nicht, wenn du hier in Scham und schlechtem Gewissen versinkst."

Yoongi rollt sich zu einer kleinen Kugel zusammen und bedeckt sein Gesicht mit seinem Arm.
"Ich kann nicht mehr. Das alles auszusprechen, ihm und euch die ganze ungeschminkte Wahrheit zu sagen - das ... das ... klingt in meinen Ohren NOCH schlimmer, als ... keine Ahnung, ... als es nur zu denken und zu fühlen. So ... unverzeihlich. Wie könnt ihr mir jemals wieder vertrauen?? Ich hasse mich dafür!"

Hoseok schüttelt den Kopf und zieht Yoongis Arm zur Seite.
"Schau mich an. ... Yoongi? Schau mich an! ... Aus den Scherben meines Traums und aus meiner abweisenden Kälte sind ein noch viel schönerer Traum und die unersetzliche Freundschaft zu euch allen geworden. Ich habe Namjoon verachtet am Anfang. Jetzt würde ich ihm ALLES anvertrauen und ALLES für ihn tun. Weil er großartig ist. Jimins Seele ist zutiefst gefangen und verletzt, und doch hat er sich auf Tae als seinen FREUND eingelassen und bezieht ganz viel Kraft und Mut daraus. Jin hatte wirklich aufgegeben. Inzwischen ist er nicht nur aus dem Keller raus. Er hat mit deiner Hilfe so viel verstanden, so viel Mut gefasst. Er ist auf einem guten Weg zurück ins Leben."
Yoongi liegt vollkommen unbeweglich da.

"Und - guess what? Das alles verdanken wir nicht nur unserer verrückten Engelin Nelli. Wir alle verdanken auch dir ganz viel. Du hast dich hier monatelang zerrissen, um uns dein Herz und dein Fachwissen zu schenken. Das war nicht umsonst.
Grrrr! Schüttel nicht den Kopf - es ist die Wahrheit! Ohne deine Monate lange Geduld, Klarheit und Kreativität wäre Jeongguk nicht so stabil heute. Ohne deinen gekonnten Hinweis auf die Werkstatt wäre er jetzt nicht so motiviert und so gereift. Du hast ihm seinen Bruder wiedergegeben. Du hast für ihn rausgefunden, dass es die Bedrohung durch die Gang nicht mehr gibt. Er wartet draußen auf dich. Los!"
"Woher willst du das denn wissen? So, wie der hier rausgestürmt ist, ..."

"... musste er einfach nur seine Gedanken sortieren. Kommst du jetzt endlich?"

Huch! Wo kommt der denn auf einmal her?!?
Alle Köpfe fliegen rum. Jeongguk steht plötzlich in der Tür. Ruhig, sogar relativ entspannt, lächelnd. Yoongi starrt ihn an wie einen Geist. Keiner von uns hat mitbekommen, wann er wieder dazugekommen ist.
"Los, auf! Ich hab noch ein paar Fragen an dich."
Zögernd erhebt sich Yoongi, macht ein paar Schritte in den Raum rein. Er weiß offensichtlich grade überhaupt nicht, wie ihm geschieht.
"Was ... für Fragen?"
"Hier oder draußen?"
"Weiß nicht?"
"Na dann."
Jeongguk schaut mich auffordernd an, geht auf Yoongi zu, nimmt seine Hand und zieht ihn hinter sich her nach draußen. Ich folge den beiden.

Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal etwas so Spannendes, Aufwühlendes, Hoffnungsfrohes und Versöhnliches erlebt habe.
Zielstrebig geht Jeongguk zum Holzplatz zwischen dem Pförtnerhaus und Jimins Bus und zeigt auf den Klotz, der hier wohl Yoongis Stammplatz war.
"Setz dich."
Yoongi ist viel zu überfordert, um irgendwas anderes zu tun. Er lässt sich auf dem improvisierten Sitz nieder. Er ringt um Worte und bringt letztendlich nur ein heiseres, leises "Frag" über die Lippen.

Guk hockt sich zu ihm.
"Erstens - wer bin ich für dich? Jeongguk? Ersatz für deinen Bruder? Studienobjekt? Schützling? Freund?"
Die Antwort kommt schnell und klar. Yoongi scheint erleichtert, dass er die Frage so sauber beantworten kann. Dankbar schließe ich für einen Moment die Augen.

Jeongguk ist für Yoongi vor allem ein wertvoller Edelstein, der nicht verloren gehen darf.
"Das ist leicht. Du bist Jeongguk. Versuchskaninchen ist zum Glück vorbei. Mein Bruder ist unersetzlich. Und du eben auch. Schützling ja, denn du Mensch bedeutest mir viel. Wieder dein Freund zu sein, wäre mir eine riesengroße Ehre. Ich ... hätte es einfach nicht ertragen, wenn noch ein Mensch, der mir in ganz kurzer Zeit sehr wichtig geworden ist, so unerträglich bitter gescheitert wäre. Mein Antrieb, dich unter meine Fittiche zu nehmen, war nur am Anfang der Job, jedenfalls nicht die Suche nach einem Ersatz. Sondern der ehrliche Wunsch, deine Qual ein für alle Mal beenden zu können. Ich habe immer so sehr gehofft, dass du es schaffen würdest, zurück ins Leben zu finden. Ich wollte so sehr, dass du das schaffst."

Jeongguk hat angespannt auf die Antwort gelauert. Jetzt kann er wieder loslassen und lächeln.
"Frage 2. Warum bist du verschwunden, und was hast du in den letzten Wochen gemacht?"
"Ich habe einen wissenschaftlich fundierten und gut mit Fakten untermauerten Bericht geschrieben, der für die Chefs und die unbekannten Auftraggeber ein nicht zu ignorierender Schlag in die Magengrube war. Ich war dafür bei meinen Eltern. Das hat uns allen dreien gut getan und mir Zeit zum Nachdenken verschafft.
Außerdem ... Ich wollte dir Freiraum lassen und für mich raus aus diesem Alltag hier, damit ich einen wirklich guten, objektiven, unanfechtbaren Bericht zu Stande kriege. Auf solche wichtigen schriftlichen Sachen kann ich mich am besten konzentrieren, wenn man mich ganz in Ruhe lässt, und ich hatte nur diesen einen Versuch. Sonst wäre mir vermutlich meine Rebellion ziemlich um die Ohren geflogen."

"Das heißt, dass du die berufliche Katastrophe abwenden konntest? Dann schließe ich sofort Frage 3 an. Wie geht es jetzt weiter? Willst du dich auch in Zukunft kaputt machen in dieser Zwangsjacke? Dass WIR nicht mehr mitspielen, dürfte klar sein."
Yoongi lächelt und schüttelt gleichzeitig den Kopf.
"Ganz bestimmt nicht. Mit euch nicht, und mit anderen auch nicht. Ich bin da raus. Mit dem Bericht habe ich auch meine Kündigung eingereicht. Das war für mich schon klar, bevor die im Krankenhaus auch nur meine Schulter wieder eingerenkt hatten. Es gab ein Riesentheater und unterschwellige Drohungen, aber die haben durchaus verstanden, dass ich sie ganz einfach auffliegen lassen kann, wenn ich will. Missbrauch von staatlichen Fördergeldern, Vortäuschung falscher Tatsachen - Sie haben mich freiwillig gehen lassen. ... Es hat sich schon seit ewigen Zeiten nichts mehr so gut und richtig angefühlt wie das."

"Danke, Yoongi. Und jetzt meine letzte Frage."
Yoongi ist inzwischen offensichtlich so ausgelaugt und gar gekocht - seine Selbstbeherrschung ist nur noch bewundernswert und zeigt, wie wichtig es ihm ist, jetzt nicht schlapp zu machen.
"Wann raffst du endlich deinen Kram zusammen, kommst zurück zu uns und arbeitest hauptberuflich für die Stiftung an deinem, an unserem Traum weiter?"
Yoongis Kopf fliegt hoch. Ungläubig starrt er Guk an.
Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Ich unterdrücke einen Lachanfall.
"Gukkie, mach langsam. Wir sind zu alt und geistig unbeweglich für dein jugendliches Tempo."
Yoongi stöhnt auf und schließt die Augen. Aber er grinst dabei. Jeongguk dreht sich empört zu mir rum.
"Zu alt und unbeweglich! Bei dir piepts wohl. Du bist nicht mal doppelt so alt wie ich."

Schlagartig löst sich die ganze Angst und Anspannung dieses Morgens auf in schallendes Gelächter. Die zwei jungen Leute nehmen sich herzlich in die Arme, lachen und weinen durcheinander. Und ich schicke von ganzem Herzen ein fettes "Danke!" zum Himmel.
Hoseok lugt seit ein paar Minuten um die Ecke, lässig, die Hände in den Hosentaschen, ein breites Grinsen im Gesicht. Da fehlen nur noch das umgedrehte Käppi und das Kaugummi zum coolen Style.
"Habt ihrs endlich? Schöne Grüße von Jin - Frühstück ist fertig. Und Namjoon möchte bald los."
Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht schon wieder loszulachen.
Was bin ich froh!

Mit gewohnter Energie zieht Jeongguk den völlig erschöpften Yoongi hinter sich her zur Haustür.
"Du wolltest in meinem Leben neue Türen öffnen. Und das hast du auch geschafft. Auf diesen Neuanfang folgt jetzt als erstes mal 'Wir', den Rest sehen wir dann. Außerdem hab ich Hunger, ich bin seit Stunden wach."
Hobi und ich bleiben noch einen Moment stehen, atmen tief durch und halten uns aneinander fest. Das schmerzende Loch in unserer Mitte ist endlich wieder geschlossen.

........................
5.4.2023    -    24.3.2024

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