Kapitel 3
Josh fletschte die Zähne. „Wovon sprichst du?".
Entsetzt sah ich zwischen den beiden hin und her und wusste nicht, für wessen Seite ich mich entscheiden sollte, da sie beide gleichermaßen furchterregend und einschüchternd aussahen. „Leute?", unterbrach ich ihren Streit, während ich näher trat.
Zayn reckte den Josh den Mittelfinger entgegen, bevor er auf mich zukam und wenige Zentimeter vor mir zum Stehen kam. Unangenehm berührt musste ich mich zusammenreißen, nicht zurückzuweichen. Normalerweise war ich ein solches Weichei, aber zwei solche Typen auf einem Haufen ist auch mir ein wenig zuviel. „Ich würde mich an deiner Stelle von ihm fernhalten", zischte Zayn mir zu und pustete mir dabei seinen Pfefferminzkaugummi-Atem ins Gesicht. Mit diesen Worten stolzierte er davon, ohne sich nochmal nach uns umzudrehen.
„Was hat er zu dir gesagt?". Mit ein paar Schritten war Josh bei mir und legte mir einen Arm um die Schultern. Ich schüttelte scheinbar gleichgültig den Kopf. „Nichts Besonderes". Ich konnte ihm ja schlecht mitteilen, dass mir eben geraten worden war, mich von ihm fernzuhalten. Die Chancen, dass mir das gelang (falls ich es überhaupt wollte, und im Moment sah ich eigentlich ja keinen triftigen Grund dazu), lagen außerdem weit unter dem Nullpunkt – immerhin spielte ich mit ihm in einer Band und er ging in meinen Jahrgang, auch wenn er ein Jahr älter war.
Als wir die Aula erreicht hatten, schob ich peinlich berührt seinen Arm von meinen Schultern. „Sag mal, woher kennst du Zayn eigentlich?".
Josh schnaubte verächtlich. „Aus meinem alten Fußballverein. Er hat Scheiß über mich erzählt, da musste ich aussteigen. Deshalb kann ich ihn auch nicht wirklich ausstehen, wie du sicher bemerkt hast". Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, um dann abrupt das Thema zu wechseln. „Unsere Verabredung steht noch?".
„Wieso nicht?". Ich erwiderte das Lachen halbherzig und machte mich daran, möglichst schnell die Bushaltestelle zu erreichen, bevor mir der Bus vor der Nase wegfuhr, was mir einfach schon viel zu oft passiert war.
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„Mum, ich bin zu Hause!", rief ich durch die ganze Wohnung, während ich meine Tasche durch die offene Tür in mein Zimmer fliegen ließ, um mich anschließend sogleich auf den Weg in die Küche zu machen, wo ich meine Mutter vermutete. Diese kam mir mit einer aufgeklappten Zeitung vorm Gesicht entgegen. „Das musst du dir mal durchlesen", nuschelte sie undeutlich, den Mund voller Wäscheklammern. „Diese beiden berüchtigten Gangs haben sich schon wieder eine Schießerei geliefert, diesmal in der leerstehenden Fabrik nicht weit von hier". Im Vorbeigehen drückte sie mir die raschelnde Zeitung in die Hand und lief weiter in Richtung Keller, wo sie mittlerweile eine ausgewachsene Wäschelandschaft aufgebaut hatte. Nachdem ich die von Mittag übrig gebliebenen Spaghetti in den Ofen gestellt hatte, setzte ich mich im Schneidersitz auf einen der unbequemen Stühle und überflog den riesigen Zeitungsartikel, in dem über die Gruppenkämpfe berichtet wurde, die in letzter Zeit immer öfter stattfanden und die umliegend wohnenden Menschen in Angst und Schrecken versetzten. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln. Wo war bitte der Sinn darin, sich wegen Territoriums die Köpfe einzuschlagen? Und es kam ja noch besser: Außenstehende wussten nicht mal, wer überhaupt einer Gang angehörte, und wenn doch, dann nicht welcher – nicht mal die Polizei wusste es. Sobald jemand auch nur ansatzweise dahinterkam, wo sich ein Quartier befand oder wer die Mitglieder waren, wurde er von den jeweiligen Gangleuten aufgesucht und verschwand spurlos von der Bildfläche. Das war schon länger nicht mehr vorgekommen („länger" im Sinne von drei Jahren), da sich niemand mehr den Mund aufzumachen oder Nachforschungen anzustellen traute. Seufzend legte ich die Zeitung beiseite und war froh darüber, nichts mit diesen Leuten am Hut zu haben. Mir war mein einigermaßen friedliches Leben lieber als jeden Tag neue Aufregungen. Seit mein Vater abgehauen war, lebte ich alleine mit meiner Mutter in einer Mietwohnung unterhalb der einer alten Dame, der das Haus gehörte. Besagte alte Dame war sehr gutmütig und freundlich, weshalb sie auch dementsprechend wenig Miete verlangte, was uns bei dem eher knappen Einkommen gerade recht kam. Der einzige Nachteil war, dass ich, obwohl ich in derselben Stadt wohnte, mit dem Bus fast eine Stunde zur Schule brauchte, sodass ich richtig am Arsch war, wenn ich den Bus verpasste, und da ich meine Mum nicht herumhetzen wollte, dass sie mich mit dem Auto abholen kam, ging ich die Strecke dann lieber zu Fuß. Liam, der schon achtzehn war und ein Auto besaß (eine uralte Runkelkiste vor seinem Vater, aber immerhin), machte mir hinterher immer die Hölle heiß, wenn er es herausfand, da er mich heimfahren hätte können, doch ich wollte einfach niemandem eine Last sein. Ich hatte ohnehin schon ständig das Gefühl, jedem auf die Nerven zu gehen und zu nichts Nutze war, sodass ich nicht auch noch in irgendjemandes Schuld stehen wollte, und sei es nur Liam als mein bester Freund.
Bevor ich noch weiter in meinen düsteren Gedankegängen versinken konnte, tauschte ich die Zeitung gegen mein Handy und scrollte durch das Benachrichtigungsfeld, das ein paar Updates, Nachrichten und Speicher-voll-Meldungen beinhaltete, und blieb schließlich an der Anzeige einer unbekannten Nummer hängen. Stirnrunzelnd tippte ich sie an und rechnete eigentlich schon mit Werbung oder sonstigem Kram, als mir das Profilbild ins Auge stach: Es war Josh. Ich weiß, klingt blöd, aber zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine Handynummern ausgetauscht, da wir uns ohnehin so gut wie jeden Tag in der Schule sahen und dort alles klären konnten. Umso überraschter war ich also, dass Josh mich überhaupt kontaktierte.
Hey Niall :) Ein paar Kumpel und ich sind Freitag Abend im Kerker. Hast du Bock, mitzukommen? - Josh
Ich seufzte. Der Kerker war eine Diso im Keller einer Lagerhalle nahe am Industriegebiet, die allgemein für ihre wüsten Partys und ziemlich übel ausgehenden Schlägereien bekannt war. Soll heißen: Ich hatte absolut KEINEN Bock, mich dort hinzubegeben, da konnte ich mir an meinem Freitagabend eine bessere Beschäftigung vorstellen, und schon gar nicht mit Josh, dem ich sowieso nicht zu hundert Prozent über den Weg traute. Ich wusste, dass der Kerker die beliebteste Disco im ganzen Stadtviertel war, aber da ich ohnehin mehr zu den langweiligen Losern gehörte, war ich noch nie dort gewesen, ebenso Liam und Ed, die beide auf meiner Wellenlänge zu sein schienen.
Tut mir leid, ich denke eher nicht :)
Am liebsten hätte ich den freundlichen Smiley am Schluss wieder gestrichen, aber ich wollte ja kein manierenloser Tölpel sein, der jeden spüren ließ, wie wenig er jemanden ausstehen konnte. Es dauerte keine zwanzig Sekunden bis seine nächste Nachricht eintraf:
Harry, Louis und Ed werden auch dabei sein. Es wird so eine Art Bandparty.
Ich stutzte. Ed? Harry und Louis? Letztere beiden gingen normalerweise in diese andere, etwas friedlichere Disco ein paar Blöcke entfernt, während Ed Weggehen verabscheute. Hatte Josh sich das gerade schnell ausgedacht, damit ich mitkam? Misstrauisch wie ich war, schickte ich eine SMS an Ed (dessen Handynummer ich ausnahmsweise schon eingespeichert hatte), da dieser fernab jeglichen Internets lebte – so kam es mir jedenfalls vor – sodass er kein WhatsApp hatte, und erkundigte mich, ob Josh da nicht irgendeinen Scheiß gelabert hatte, doch Ed bestätigte mir, dass er auch da sein würde, wenn auch ziemlich widerwillig. Offenbar hatte er wie erwartet genauso wenig Lust wie ich. Stöhnend knallte ich das Handy mit dem Display nach unten auf die mehr oder weniger zusammengeknüllte Zeitung und vergrub das Gesicht in den Händen. Am Freitag würde ich also die Gelegenheit bekommen, mich mit Dealern, Rabauken und Schwerverbrechern abzugeben. Wunderbar.
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Whaat, nur drei Teile on, und schon bei den ersten beiden über 100 Reads?! *fällt in Ohnmacht* Vielen Dank, Leute!
Und ich habe keinen Plan, in was diese Story hier ausarten wird, das ist eher .... äh, Zufallsprodukt meiner schrägen Fantasie xD Also trotz allem vielen Dank für's Lesen!!!! (ich hoffe, ich hab die Kapitelnummerierung nicht verschusselt, denn da komm ich ständig durcheinander)
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