Kapitel 26
„Niall?!" Ein Ausdruck purer Fassungslosigkeit huschte über seine Miene, doch er fing sich schnell wieder und reckte gebieterisch das Kinn nach vorne. „Was tust du hier?"
„Das könnte ich dich genauso fragen", gab ich schlagfertig zurück. „Wieso brecht ihr Türen im Rathaus auf? Wollt ihr leeres Druckerpapier klauen? Dann übefallt doch einfach ein Schreibwarengeschäft."
Josh presste die Lippen aufeinander, ging aber nicht auf meine Sticheleien ein, sondern fragte: „Weißt du, wer wir sind?"
Ich warf den beiden Männern hinter ihm einen Blick zu. „Nein." Zayn hatte etwas von einer ziemlich gewalttätigen Gang gesagt, wahrscheinlich die, über deren neuesten Verbrechen ständig in der Zeitung berichtet wurde.
Joshs Augen verhärteten sich. „Du weißt, wer wir sind. Ich sehe es dir an. Malik hat geplaudert, habe ich recht?"
Die Gedanken jagten nur so durch meinen Kopf. Wieso hatte ich ihnen auch folgen müssen, hatte ich denn gar keinen Selbsterhaltungstrieb? „Ich habe keinen blassen Schimmer, was ihr hier fabriziert, also lasst mich jetzt in Ruhe, bevor ich zu schreien anfange. Was willst du eigentlich von mir, Josh? Immer wenn es Ärger gibt, bist du in der Nähe. Ihr wart es doch, die Zayn neulich so übel zugerichtet haben. Was auch immer ihr vorhabt, ich weiß von nichts."
Josh schien mir gar nicht zugehört zu haben. „Sieh an, sieh an. Malik konnte also sein Maul nicht halten. Hat er denn überhaupt nichts gelernt?" Er grinste mich an. „Tja, Nialler, tut mir leid für dich, aber wir müssen dich wohl oder übel mitnehmen."
Mein Herz klopfte heftig gegen meine Rippen und ließ meinen Atem stoßweise werden. „Wie bitte?" In einem fort hallte mir, wie so oft, Zayns Stimme durch den Kopf.
Sie haben ihn verschwinden lassen.
Ich habe ihn nie wieder gesehen.
Ich weiß nicht, was sie mit ihm getan haben.
Ich spürte Panik in mir aufsteigen. Was, wenn sie jetzt das Gleiche mit mir vorhatten? Oh Gott. Als hätte man in mir einen Schalter umgelegt, begann ich zu zappeln. „Nein! Lass mich los, du Arschloch!" Ich rammte meinen Ellbogen nach hinten und traf ihn sauber in die Magengrube, sodass er mit einen Stöhnen nach hinten klappte und seinen Griff lockerte. Adrenalin schoss durch meine Adern, als ich mich endgültig aus seinen Armen wand und von ihm weg taumelte, um auf die Straße oben zuzusteuern.
„Du hast eh keine Chance", tönte Josh hinter mir. „Wir sind zu viert, du bist alleine. Diesmal kann dir auch dein toller Zayn nicht helfen!"
Diesmal? Scheiß labern war wohl seine Spezialität.
An der Straße angekommen stürzte von rechts schon wieder einer meiner Verfolger auf mich zu, sodass ich wohl oder übel meine Flucht nach links fortführen musste und immer tiefer in das Labyrinth aus Gassen und alten Häusern eindrang. Mein Verstand war komplett blank. Ich verstand nicht, was hier lief, was Josh wollte und was als Nächstes passieren würde. Ich wusste nur, dass ich mich wieder mal tief in den Schlamassel hineingeritten hatte und zusehen musste, wie ich wohlbehalten wieder herauskam.
Das Tageslicht wurde immer schwächer, die Straßen dunkler. Immer wenn ich glaubte, sie endlich abgeschüttelt zu haben, erklangen wieder von irgendwoher ihre Stimmen und Schritte und trieben mich immer weiter auf den Rand der Stadt zu.
Keuchend schlitterte ich um die Ecke eines Gassenhauses und hätte mir in dem Versuch stehenzubleiben, beinahe alle Knochen gebrochen. Das fahle Licht der uralten, mit Spinnweben überzogenen Straßenlaterne tauchte die verlassene Kopfsteinpflasterstraße vor mir in eine schwummrige, unheimliche Athmosphäre, die mich frösteln ließ. Mein Atem sandte stoßweise helle Wölkchen in die kalte Luft und klang seltsam pfeifend, als wäre ich etliche Kilometer an einem Stück gelaufen – und so fühlte ich mich auch, obwohl es nur maximal einer gewesen sein konnte. Die Kälte, in Kombination mit der Anstrengung und dem Schweiß, der auf meiner Haut brannte, trieb mir die Tränen in die Augen und gab meiner Lunge das Gefühl, jeden Moment einfrieren zu müssen. Wie gerne hätte ich hier und jetzt eine ausgedehnte Pause eingelegt, mich im Schutz eines Hauseingangs zusammengerollt und versucht, meine Wärme bei mir zu behalten, doch trampelnde Schritte am anderen Ende der Gasse und laute Stimmen trieben mich dazu, wieder loszusprinten, obwohl mein ganzer Körper nur so nach Ruhe schrie.
Nach weiteren hundertfünfzig Metern konnte ich endgültig nicht mehr. Erschöpft stützte ich mich auf die Knie und versuchte, meinen unregelmäßigen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Verzweiflung übermannte mich, als die Geräusche meiner Verfolger immer näher kamen. Wieso hatte ich nicht auf Zayn gehört? Er hatte mich gewarnt, mich in acht zu nehmen, mich von Josh fernzuhalten. Und ich? Ich hatte nichts Besseres zu tun, als genau das Gegenteil zu machen. Aber jetzt war weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort, um irgendetwas zu bereuen oder sich für etwas selbst den Kopf einschlagen zu wollen. Kurzerhand taumelte ich auf ein paar Mülltonnen zu, die aneinandergereiht vor einem Abhang standen, der in den alten Löschteich hinunterführte, und ließ mich dahinterfallen. In meinem Zustand wegzulaufen wäre keine gute Option gewesen; ausnahmsweise musste ich mich mal allein auf mein Glück verlassen – von welchem ich leider nur sehr wenig zu spüren bekam. Meistens spielte mir das Schicksal einen Streich nach dem anderen, so wie diesen hier, der mich womöglich das Leben kostete, wenn ich mich nicht irgendwie herauswinden konnte.
Mehrere Menschen kamen direkt vor den Tonnen zum Stehen. Instinktiv kauerte ich mich noch kleiner zusammen und presste mir eine Hand auf den Mund, um das Keuchen zu unterdrücken, das meinen Lippen zu entschlüpfen drohte.
„Wo ist er hin?" Das war eindeutigJosh. Wenn er mich fand, war ich so was von fällig.
„Ich wusste gar nicht, dass er so schnell laufen kann", meinte eine andere Stimme, die eindeutig beeindruckt klang.
„Tja." Josh lachte auf. „Du kennst ihn eben nicht gut genug. Ich weiß alles über ihn. Seine Schwächen, seine Stärken, seine Ängste. Alles. Deshalb weiß ich auch, dass er sich hier irgendwo versteckt."
Obwohl ich bereits in der Hocke dasaß, spürte ich, wie meine Knie noch weicher wurden und zu zittern begannen. Verdammt. Sie würden mich kriegen. ER würde mich kriegen. Ich würde einfach plötzlich von der Bildfläche verschwinden, niemand hätte etwas mitbekommen, die Polizei würde erfolglos ermitteln, bis der Fall ungelöst in den Akten landete. Wie schon letztes Mal. Fieberhaft wiegte ich mich hin und zurück, während ich nach einem Fluchtweg Ausschau hielt, doch der Schatten, der plötzlich auf den nassen Boden neben mir geworfen wurde, ließ mir das Blut in den Adern zu Eis gefrieren.
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Der Prolog hat uns eingeholt, wooho!
Sorry für den Cliffhanger, ich bemühe mich, dafür wieder schneller zu updaten! :)
Und (ich weiß nicht, ob ich das bei dieser Story schon erwähnt habe) ich bin mit "Forbidden" bei den 1D Awards dabei, haha :D awards1d
Es wäre total lieb von euch, wenn ein paar dort bei meinem Kapitel vorbeischauen und voten sowie kommentieren könnten :) Beides zählt als Punkt und würde mir sehr helfen! <3 Der direkte Link ist auch auf meinem Profil.
Liebe Grüße,
Andi
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