Kapitel 1
NIALL
Misstrauisch beäugte Liam den Typen, der eben das Klassenzimmer betreten hatte und betont desinteressiert in die Runde schaute, ohne auch nur ein Wort des Grußes von sich zu geben. „Dem will ich nicht alleine auf dem Gang begegnen", raunte er mir zu, ohne den Blick von dem Neuankömmling zu wenden. Ich konnte ihm nur zustimmen – schwarze Lederjacke, schwarze Hose, schwarze Stiefel, Tatoos .... noch bedrohlicher konnte man gar nicht aussehen.
Mr Baker schien dasselbe zu denken, denn er stand zunächst etwas zögerlich auf, bevor er ihm mit einem leicht gezwungenen Lächeln die Hand reichte. „Sie müssen Zayn Malik sein. Herzlich Willkommen in meinem Kurs".
Der Typ, Zayn mit Namen, grunzte nur schulterzuckend, schüttelte die ihm angebotene Hand widerwillig und zog dann schnell seine Arme zu sich zurück, als hätte er Angst, Keime abbekommen zu haben, woraufhin die ganze Klasse ihn anstarrte, als ob er eben von der Decke gefallen wäre. Finster erwiderte er die Blicke. „Wollen Sie sich nicht mal kurz vorstellen?". Baker setzte sein bestes Fake-Lächeln auf, was eher aussah wie ein Hund, dem die Zähne wehtaten.
Zayn kaute ein paar mal auf seinem Kaugummi herum, bevor er gelangweilt antwortete: „Zayn Malik. Aus Bradford. Hobbys: Zeichnen und Singen. Ich bin schwul. Falls jemand ein Problem damit hat, kann er sich gleich verpissen".
Die Augen der zuhörenden Schüler wurden immer größer, während Bakers Kopf allmählich zu rauchen begann und seine übliche temperamentvolle Ausstrahlung zurückgewann. „Mr Malik, ich verbiete einen solchen Sprachgebrauch in meinem Kurs". Seine Stimme wurde mit jedem Wort kälter; ganz offensichtlich konnte er den neuen Schüler auf Gedeih und Verderb nicht ausstehen, doch auch diesmal erntete er nur lustloses Schulterzucken. „Wie auch immer, setzen Sie sich. Da hinten ist noch ein Platz".
Entsetzt ging mir auf, dass er den freien Tisch direkt hinter Liam und mir meinte. Liam ließ stöhnend seinen Kopf gegen die Tischkante krachen und raufte sich die Haare. „Nicht schon wieder so ein Arschloch in unserer Nähe". Ich konnte es ihm nicht verübeln: Der Letzte, der an diesem Platz gesessen hatte, war von der Schule geworfen worden, nachdem er mit Drogen erwischt worden war und versucht hatte, einen unserer Lehrer ins Bett zu kriegen. Ungünstigerweise hatte er vorher versucht, sich an Liam heranzumachen, der allerdings durch und durch straight war und deshalb einen Schock fürs Leben davongetragen hatte, als er einen schlabbrigen Kuss auf die Lippen kassiert hatte. Kein Wunder, dass er sich jetzt vor dem Neuen fast in die Hose machte.
In der Zwischenzeit hatte Zayn sich uns schlendernd genähert, den Stuhl zurückgezogen und sich lässig darauffallen lassen. Ich ließ es mir nicht nehmen, einen blitzschnellen Blick nach hinten zu riskieren und sah, dass er sich schon die Ohrenstöpsel seines Handys in die Ohren gesteckt hatte und mit dem Kopf zum Takt der Musik wippte. Ich verdrehte die Augen und drehte mich seufzend wieder zur Tafel um, auf die Mr Baker gerade irgendwelche Zeichnungen malte, die wir genauso hinkriegen sollten, und dabei irgendwelche Fachbezeichnungen vom Stapel ließ. Ich hasste Kunst. Um mich genauer auszudrücken: Ich liebte es, jemandem beim Zeichnen zuzusehen (mal ausgenommen Mr Baker) und das Resultat zu bestaunen, aber sobald ich mich selbst daran versuchen sollte, kam mir nur noch die Galle hoch.
Mr Baker vervollständigte die Zeichnung einer Landschaft, trat einen Schritt zur Seite und wollte uns gerade erläutern, was wir tun (und lassen) sollten, als Zayn hinter mir seine Stimme erhob. „Das nennen Sie Kunst?". Ein schneller Blick bestätigte mir, dass er die Ohrenstöpsel herausgenommen hatte, nun aufrecht dasaß und angewidert Bakers Kunstwerk musterte. „Bei allem Respekt, Sir, aber meine kleine Schwester könnte das besser".
Baker lief bis unter die Haarwurzeln rot an, ob vor Wut oder vor Verlegenheit, konnte ich nicht genau einordnen, aber ich tippte mal eher auf Ersteres. „Mr Malik, haben Sie uns irgendetwas mitzuteilen?", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Allerdings. Das da ist eine Schande für den Kunstbegriff", erklärte Zayn unverblümt, worauf wieder alle Münder aufklappten und sich alle fassungslos zu ihm umdrehten, was er mit einem lockeren Winken quittierte. „Die Berge im Hintergrund müssten viel dunkler sein und der Himmel von einem tieferen Blau. Das Gekraksel von einem Baum im Vordergrund sieht aus, als wäre er einem schlechten Gruselfilm entsprungen".
Bakers Kiefermuskeln spannten sich an, bis ich glaubte, die Adern an seinem Hals hervortreten zu sehen. „Mr Malik, ich wünsche Sie nach der Stunde hier zu sprechen". Dann wandte er sich mit hochrotem Kopf seinen Unterlagen zu, zeigte uns verschiedene Techniken der Schattierung und ignorierte dabei gekonnt das verächtliche Schnauben des neuen Schülers aus der letzten Reihe.
Ungeschickt griff ich nach meinem Bleistift und setzte gerade zum ersten fürchterlichen Strich an, als sich eine dunkle Stimme in meinem Rücken erhob. „Du musst den Stift anders halten".
Etwas verwirrt sah ich um mich, bis ich realisierte, dass er mit mir gesprochen hatte. „Was?". Herrgott, ich hörte mich an wie ein verschrecktes Kind, aber ich hatte nun mal verdammt Respekt vor diesem Typen. Langsam wandte ich mich zu ihm um, den Blick fest auf seinen Tisch gerichtet, da ich seinen Augen um keinen Preis begegnen wollte. Als ich die vollendete Zeichnung auf seinem Blockblatt sah, blieb mir wortwörtlich der Mund offen stehen. Er war allen Ernstes schon fertig, während ich noch nicht mal ansatzweise angefangen hatte, und noch dazu schien er ein umwerfender Künstler zu sein. Im Vergleich zu Zayns Werk war das von Mr Baker lediglich willkürlich hingeschmiertes Gekritsel. „Wie hast du das gemacht?".
Er zuckte nur die Schultern; ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ich verstehe eben etwas von dem, was ich tue". Seine Großspurigkeit ging mir augenblicklich gewaltig gegen den Strich, sodass ich mich wieder halb meinem eigenen Papier zuwandte und so tat, als hätte ich es unfassbar eilig, Bakers Auftrag auszuführen. „Deshalb weiß ich auch, dass du den Stift falsch hältst".
„Ach ja?", gab ich murmelnd zurück und spähte sehnsüchtig zur Wanduhr, die noch schmerzliche zehn Minuten anzeigte.
„Du musst ihn mehr waagrecht nehmen".
„Hä?".
Sein überhebliches Grinsen wurde noch breiter, was mich fast zur Weißglut brachte. So ein Arsch! „Du hältst ihn ja fast senkrecht. Kein Wunder, dass du so nichts zustandebringst".
„Woher willst du wissen, dass ich nichts zustandebringe?". Aus irgendeinem Grund hatte ich plötzlich richtig Bock, mit ihm zu diskutieren und ihm das Grinsen aus der Visage zu wischen.
„Das sieht man dir an der Nasenspitze an".
Beinahe wäre ich herumgewirbelt und hätte ihm die Bleistiftmine in die Nase gerammt oder ihm zumindest einen grauen Fleck auf einem seiner blitzend weißen Zähne verpasst, doch in diesem Moment tauchte Baker mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck neben uns auf und begutachtete mit hochgezogenen Augenbrauen meine Hand, die ich um den Bleistift geballt hatte, als ob ich ihn zerbrechen wollte. „Gibt es hier ein Problem, Mr Horan?".
Ich warf Zayn einen wütenden Blick zu, der scheinbar konzentriert seinen eigenen Stift inspizierte und dabei immer noch sein nervtötendes Grinsen aufgesetzt hatte. Es gab sehr wohl ein Problem, nämlich dieser bescheuerte Typ hinter mir, der nichts Besseres zu tun hatte, als mir auf die Nerven zu gehen und über meine persönliche künstlerische Begabung herzuziehen (die zugegebenermaßen wirklich nicht gerade die Beste war, aber trotzdem). Am liebsten wäre ich vor meinem Lehrer auf die Knie gefallen und hätte ihn angefleht, Zayn in die erste Reihe, ins Waschbecken oder auf den Mülleimer zu verbannen, mir egal wohin, hauptsache weg von mir, doch das wäre vermutlich nicht gerade gut rübergekommen, mal von der Tatsache ganz zu schweigen, dass sich das dann hundertpro in der Schülerzeitung wiedergefunden hätte. „Nein, Sir", brummte ich letztendlich missmutig und wollte endlich mit dem Stift ansetzen, doch Baker hielt mich mit einem „Wieso hältst du den Stift so horizontal? Du musst ihn mehr senkrecht nehmen, sonst wird das nichts".
Wollten die mich verarschen? Baker ging zum nächsten Tisch und Zayn kicherte hinter mir, während ich frustriert den Stift aufs Blatt knallte und mich zurücklehnte. Liam, der die ganze Zeit über keinen Ton von sich gegeben hatte, klopfte mir beruhigend auf die Schulter. „Ruhig Blut, Ni. Dieser Typ will dich nur provozieren".
„Wen meinst du? Baker oder diesen Arsch da hinten?", erwiderte ich flüsternd, auch wenn sich Zayn mittlerweile denken konnte, was ich für eine Meinung von ihm hatte.
Liam schüttelte lachend den Kopf. „Gute Frage. Beide?". Es war schon allgemein bekannt, dass Baker mich nicht ausstehen konnte, weshalb es mich auch nicht wunderte, dass er auf mir herumhackte, wo es gerade ging.
Die letzten Minuten tat ich einfach gar nichts, redete mit Liam und versuchte das Gefühl, ständig unter Zayns Beobachtung zu stehen, auszublenden, was mir nicht so recht gelingen wollte. Als es nach einer sich wie Kaugummi hinziehenden Ewigkeit endlich läutete, schnappte ich mir meine Tasche und verließ fluchtartig den Raum, bevor mir Baker aufgrund seiner schlechten Laune eine Mitteilung geben und Zayn einen Vortrag über Bleistifte vom Stapel lassen konnte.
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Tadaa, erstes Kapitel ist da :) Vorschläge, was passieren soll, werden noch gerne angenommen, da ich noch nicht weit bin mit dem Schreiben :D
Lasst mir doch ein kleines Vote & ein kleines Feedback da, wenn euch das Kapitel gefallen hat, ich freue mich darüber wie ein Weltmeister ;)
Bis zum nächsten Kapitel! <3
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