28| Von riesigen Versagern und Polizisten
Aiden
Aiden hat schlecht geschlafen. Normalerweise fällt er nach einem Konzert halb tot ins Bett, aber letzte Nacht ist er einfach nicht zur Ruhe gekommen.
Quinns Gesicht und der Ausdruck darauf, als sie ihn im Hotelzimmer gesehen hat, geistern durch seinen Kopf und machen ihn wahnsinnig.
Er verflucht sich, er verflucht Julia, er verflucht die ganze Welt. Es hätte perfekt sein können. Aber er musste es kaputt machen, weil er insgeheim nichts weiter als ein riesiger Versager ist, der sich zu viel um die Meinung anderer kümmert.
Aiden zieht nochmal an seinem Joint und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er sitzt im Hinterhof des Hotels, an dem sie heute Morgen angekommen sind.
Immer wieder wirft er einen Blick auf sein Smartphone, aber Quinn antwortet nicht auf seine Nachrichten, die er gestern im Vollrausch geschrieben hat. Erin hat ihm gesagt, dass sie mit ihrer Freundin Eliza zurück nach LA geflogen ist.
Aiden würde furchtbar gerne ebenfalls zurück, würde Quinn gerne alles erklären. Aber er kann nicht.
Langsam und ohne, dass er es richtig mitbekommt, wird es kühler, der Tag neigt sich dem Abend zu. Aiden raucht einen Joint nach dem Anderen und die Tequilaflasche, die er aus dem Hotel mit nach draußen genommen hat, wird auch immer leerer.
Er döst nur noch vor sich hin, seine Gedanken machen unzusammenhängende Sprünge zwischen belanglosen Sachen. Immer wieder drohen ihm die Augen zuzufallen, aber der Gedanke an das bevorstehende Konzert hält ihn wach.
Er darf seine Fans nicht auch noch enttäuschen, wo er jetzt schon Quinn enttäuscht hat.
Aiden hört ein Geräusch und dreht langsam den Kopf. Vor ihm steht Grayson, der blonde Schlagzeuger sieht alles andere als erfreut aus.
Wütend stemmt er die Arme in die Hüften und funkelt ihn an.
"Was machst du hier?", will er wissen. Sein Blick wandert von Aiden, zu der Flasche und den Joints.
"Siehst du doch", nuschelt Aiden. Wäre er nüchtern und bei vollem Bewusstsein, wäre er jetzt wütend geworden, aber beides ist nicht der Fall. Er kann sich kaum noch an seinen eigenen Namen erinnern.
"Das meine ich nicht. Wir müssen jetzt zur Arena", meint Grayson missbilligend und streckt die Hand aus, um ihm hoch zu helfen.
Aiden will sich aufrappeln, aber sobald er auf seinen eigenen Beinen steht, beginnt sich der Hinterhof zu drehen und Grayson muss ihn festhalten, sonst wäre er der Länge nach auf den Asphalt geklatscht.
"Alter, du kannst nicht mal mehr richtig stehen", mault der Schlagzeuger. "Wie willst du da das Konzert spielen?"
"Geht schon. Mach ich ständig." Aiden macht einen selbstbewussten Schritt zur Tür, aber Grayson hält ihn am Kragen fest.
"Sicher nicht. Du fällst noch von der Bühne und brichst dir deinen scheiß Arm oder so."
Er versucht, sich aus dem eisernen Griff des Blonden zu befreien, aber sein Körper gehorcht ihm kaum.
Frustriert verschränkt er die Arme. "Ich will aber."
"Du bist wie ein Kind, wenn du gesoffen hast, Denny. Du trittst heute Abend nicht auf, Ende. Jordan übernimmt den Gesang und Gitarre muss halt einer aus der Vorband spielen."
"Ich darf machen, was ich will", mault Aiden.
"Von mir aus." Grayson lässt ihn los und fast wäre er umgefallen, wenn er sich nicht an der Wand festgehalten hätte. "Ich sag, du schaffst es keine drei Meter weit."
Aiden entgegnet nichts, sondern greift nach der Türklinke.
Der Schlagzeuger sieht ihn an. "Du willst das doch nicht ernsthaft durchziehen. Aiden, man, das ist doch Schwachsinn."
"Ich darf sie nicht enttäuschen", meint er und drückt die Tür ins Hotel auf. "Kommst du?"
Grayson schüttelt den Kopf und macht einen Schritt auf Aiden zu, da wird dem plötzlich ganz schummrig. Der Flur beginnt, sich zu drehen und sein ganzer Körper ist auf einmal taub.
Bevor er irgendetwas dagegen tun kann, kippt er Grayson in die Arme und alles um ihn herum wird schwarz.
**
Aiden
Die nächsten Stunden sind nur noch verschwommene Fetzen in Aidens Erinnerung. Mal tauchen seine Bandkollegen auf, mal Erin und mal lauter fremde Menschen.
Er ist in einer Zelle, glaubt er zumindest. Es ist kalt, stickig und mehr als eine Liege und eine Toilette ist nicht in dem kleinen Raum. Er kann sich nicht erinnern, hierhergekommen zu sein.
Aiden ist kotzübel, während er auf der Pritsche liegt und an die Decke starrt. Minuten vergehen und dann hört er Schritte. Er richtet sich auf und streicht sich über das zerknitterte Shirt, dass er seit dem Konzert am Abend, an dem Quinn gegangen ist, anhat.
Die Tür öffnet sich und ein Mann in Uniform blafft: "Besuch."
Aiden steht auf und beißt sich auf die Lippe, als ein stechender Schmerz durch seinen Kopf fährt. Er schließt kurz die Augen, bevor der Mann ihn am Arm packt und hinter sich herzerrt.
Sie gehen durch einen Flur mit vielen Türen und Aiden hat das Gefühl, dass er nicht der Einzige ist, der hier in einer Zelle sitzt.
Der Uniformierte führt ihn in einen weiteren Raum, mit einem Tisch und zwei Stühlen davor. Auf dem einen sitzt Erin und sieht auf, als der Mann die Glastür hinter Aiden zuknallt und sich davorstellt.
Der Blonde lässt sich auf den Stuhl fallen und fährt sich übers Gesicht. So sehr er auch versucht, seine Erinnerung lässt ihn im Stich.
Er sieht auf zu Erin, die ihn immer noch stumm anblickt, und hebt eine Augenbraue.
"Was ist passiert?", fragt er. Seine Stimme klingt seltsam heißer, als hätte er geschrien.
"Du erinnerst dich nicht?"
Aiden schüttelt leicht den Kopf, sein Kopfschmerz verhindert mehr. "Nein."
Erin holt tief Luft und legt die Hände auf den Tisch. "Du bist zusammengeklappt. Vor dem Konzert gestern."
"Gestern?"
"Ja, gestern. Vor 16 Stunden, um genau zu sein. Du warst total down, oder wie man das sagt. Wir mussten den Krankenwagen rufen, weil du total flach geatmet hast."
Aiden lässt den Kopf auf die Tischplatte sinken und stöhnt auf. Schöne Scheiße.
"Die haben dir dann irgendwas gegeben, keine Ahnung und gesagt, du wärst total bekifft", fährt die Tourmanagerin fort. "Sie haben uns empfohlen, die Polizei zu rufen, wegen Drogenmissbrauch. Das wollten wir dann auch machen, aber in dem Moment bist du wieder zu dir gekommen und ausgerastet. Grayson musste dich festhalten, sonst hättest du weiß Gott was gemacht. Als die Polizei dann gekommen bist, hast du dich immer noch nicht beruhigt gehabt und sie haben dich in Handschellen gelegt. Ein Auto hat dich dann mitgenommen und die anderen Polizisten haben dein Zimmer durchsucht."
Sie hält inne. "Alles okay?"
Er macht ein undefinierbares Geräusch und Erin erzählt weiter: "Jedenfalls haben sie dein ganzes Gras gefunden und auch die anderen Zimmer und den Bus durchsucht. Als sie da noch mehr gefunden haben, haben sie auch Jordan, Olive und Grayson festgenommen."
"Das ist alles meine Schuld", stöhnt Aiden und hebt den Kopf. Eine Träne glitzert in seinem Augenwinkel. "Meine beschissene scheiß Schuld."
Die Tourmanagerin seufzt. "Ich will nicht lügen, das ist es wirklich. Ich werde dich nicht fragen, warum du dich so weggeschossen hast, aber du solltest wissen, dass es ganz schön bescheuert war. Die ganze Band ist in Haft, ihr werdet wegen Drogenbesitz angezeigt. Meine Telefone laufen heiß."
"Tut mir leid." Mehr bringt er nicht zustande. Er fühlt sich mies, richtig mies. Er hat innerhalb von zwei Tagen alles zerstört, was er hätte zerstören können. Seine Beziehung mit Quinn. Die Band.
"Was?", will Erin wissen.
Aber Aiden schüttelt nur den Kopf. "Alles. Hätte ich nicht mit Naomi geschlafen, hätten wir unseren Investor nicht verloren, ich hätte nicht auf diese doofe Party gemusst und auch nicht mit Julia geschlafen, ich-"
"Moment", unterbricht sie ihn. "Wer ist Julia? Und wann hast du mit ihr geschlafen? Ich dachte, du bist mit meiner Tochter zusammen."
Verdutzt starrt er sie an. "Quinn hat dir nichts erzählt?"
"Wovon hat sie mir nichts erzählt? Aiden de Vil, rück raus mit der Sprache!" Erin ist wütend und Aiden sinkt in seinem Stuhl zusammen. Er hat keine Ahnung, wie er ihr die Sache mit Julia erklären soll.
"Auf der Party, da war so eine Julia Jackson, die wollte Stations' neue Investorin werden. Aber sie wollte als Ausgleich dafür mit mir schlafen. Und ich wollte es nicht, wirklich, aber sie hat mich manipuliert und Quinn hat es herausgefunden und-"
Weiter kommt er nicht, denn ein Schluchzen kommt aus seiner Kehle, so laut, dass er sich selbst davor erschreckt. Wann bitte hat er das letzte Mal so geweint?
Aiden versucht, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, aber es ist zwecklos. Immer mehr laufen ihm über die Wangen und durchnässen sein Shirt.
Erin starrt ihn, sprachlos und wütend. "Du hast Quinn betrogen? Wegen dir ist sie zurück nach LA?"
Er nickt. Beschämt sieht er auf den Tisch. Er fühlt sich so schwach wie schon lange nicht mehr.
"Sag mal, geht's noch?" Sie springt auf. "Ich reiß mir den Arsch auf, um deinen zu retten und du sagst mir, du hast meine Tochter betrogen?! Was stimmt denn nicht mit dir?!"
Aiden will antworten, sagen, dass es ihm leidtut, dass er auch nicht weiß, was falsch bei ihm läuft, aber Erin hebt die Hand.
"Spar dir das, ich wills nicht hören. Dein Anwalt ist informiert, er wird alles weitere mit dir klären. Du widerst mich an, Aiden. Wie kannst du nur? Sie liebt dich doch, du Idiot! Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Du hast ihr das Herz gebrochen! Aber das ist dir scheiß egal, oder?"
Er schüttelt kraftlos den Kopf. Es ist ihm nicht egal, ganz und gar nicht. Aber er sagt nichts, denn wer weiß, es würde sowieso nichts bringen. Jedes Wort, das seinen Mund verlassen würde, würde Erin nur noch wütender machen.
"Ich gehe jetzt", sagt die Tourmanagerin und knallt die Tür hinter sich zu.
Aiden bleibt allein zurück und ihm wird schlagartig bewusst, dass er genau das ist: Allein.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro