4| Von Reportern und Müttern
Quinn
Das könnte das Ende sein. So fühlt es sich auch an, als Aiden mein Zimmer verlässt und ich höre, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt.
Es ist, als würde mein Herz ein zweites Mal brechen. Als wären die Teile, die ich in den letzten Wochen mühevoll repariert habe, wieder auseinandergefallen, nur diesmal fühlt es sich viel schlimmer an. Weil es ein Abschied ist.
Dieser Kuss, das ist unser letzter Kuss gewesen, das wissen wir beide. Wir haben uns freigegeben. Aber ich will nicht frei sein.
Ich liege eine ganze Weile in meinem Bett und weine. Ich schluchze, bis mir übel ist und selbst dann kann ich nicht aufhören. Ich fühle mich schrecklich einsam, jetzt, wo Aiden nicht mehr da ist.
Plötzlich steht Mom im Zimmer. Sie sieht mich an, sagt kein Wort, sondern legt sich zu mir. Ich kralle mich in ihr Oberteil, vergrabe das Gesicht an ihrer Schulter.
"Er ist weg", schluchze ich und sie fährt mir beruhigend durch die Haare.
"Ich weiß, Schatz, ich weiß. Ist schon gut."
Ich sage ihr nicht, dass es nicht gut ist, dass nichts nie mehr gut sein wird. Ich lasse mich von ihr trösten, weil das genau das ist, was ich gerade brauche. Ich möchte nicht allein sein.
**
Quinn
Ich packe meine Sachen zusammen und winke Mom zu. "Ich geh dann!"
"Viel Spaß!", antwortet sie und ich verlasse die Wohnung, um in die Schule zu gehen. Mom hat mir angeboten, mich für heute krank zu melden, aber ich habe abgelehnt. Ich kann nicht ewig vor mich hin trauern, Schule ist genau die Ablenkung, die ich jetzt brauche.
Ich hüpfe das Treppenhaus hinunter und drücke die Tür nach draußen auf, da beginnt plötzlich ein Blitzlichtgewitter um mich herum. Eine Masse an Fotografen und Reportern strecken mir ihre Kameras ins Gesicht und brüllen irgendwelche Fragen.
Ich versuche, mich durch die hindurchzuschieben, aber es ist zwecklos, sie sind wie eine Mauer. Ich bleibe stehen und fahre mir durch die Haare, verzweifelt. Von allen Seiten drücken Menschen gegen mich und ich fühle mich unwohl. Was soll ich denn jetzt machen?
"Warum war Aiden hier?", brüllt mir ein Reporter ins Ohr und hält mir sein Mikro unter die Nase. "Habt ihr Schluss gemacht?", will ein anderer wissen.
Ich schüttle den Kopf, versuche nochmal, durch die ganzen Leute durchzukommen, aber ich schaffe es nicht. Eine Träne tropft aus meinem Augenwinkel und ich setze mich kurzerhand auf den Boden, ziehe die Beine an die Brust.
Ich wippe vor und zurück, versuche, mich selbst damit irgendwie zu beruhigen, als mich plötzlich jemand an der Kapuze auf die Beine zieht. Ich drehe mich um und sehe Milo, der mich grimmig an den Journalisten vorbeischiebt.
Er hat viel mehr Kraft also ich, außerdem ist er nicht halb so vorsichtig und so stehen wir wenig später auf der Straße. Ich drehe mich zu ihm, will mich bedanken, aber er schüttelt den Kopf. "Sie folgen dir. Komm mit."
Ein Blick über meine Schulter zeigt, dass er Recht hat. Die Fotografen und Reporter haben sich umgedreht und kommen auf uns zu.
Milo nimmt meine Hand und rennt los. Weg von den Menschen, die Straße entlang, dann nach rechts und durch mehrere kleine Gassen. Erst, als wir bestimmt schon zehn Minuten gerannt sind und meine Lunge brennt, hält er an.
Ich streife meinen Rucksack von meinen Schultern und setze mich auf den Boden. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und stöhne. Wenn mich das ab jetzt jeden Morgen erwartet, brauch ich einen Bodyguard. Wobei Milo den Job eigentlich ganz gut gemacht hat.
Ich streiche mir meine Haare aus den Augen und sehe ihn an. "Danke. Ohne dich wäre ich da nicht rausgekommen."
Er lächelt und setzt sich neben mich. "Schon okay. Was wollten die denn von dir?"
Ich blicke auf meine Hände, in meinem Hals bildet sich ein Kloß. "Nicht so wichtig", versuche ich abzulenken. "Wir sollten zur Schule gehen, sonst kommen wir zu spät."
Milo mustert mich mit zusammengekniffenen Augen, als würde er überlegen, ob er nachbohren soll oder nicht, entscheidet sich dann aber Gott sei Dank für Letzteres. Er reicht mir seine Hand und wir stehen auf.
Ich klopfe meine Jeans ab und greife nach meinem Rucksack. Hilflos sehe ich Milo an. "Wo müssen wir hin?"
Während unserer Flucht habe ich komplett die Orientierung verloren.
Er lacht. Und irgendwie ist es mir peinlich, dass ich nicht weiß, wo es zur Schule geht.
"Da lang." Er geht voran und ich folge ihm, während ich mein Handy aus der Tasche ziehe. Ich sollte Mom vielleicht vor den Reportern warnen, damit sie nicht so überrascht wird wie ich. Nachdem ich ihr eine kurze Nachricht geschrieben habe, stecke ich mein Smartphone wieder ein und schaue mich in der Gegend um.
Obwohl wir nicht weit von Zuhause weg sein können, bin ich hier noch nie gewesen. Mom und ich wohnen eher etwas außerhalb des großen Städtetrubels, mit Bäumen und Gras am Wegrand. Hier ist nichts Grünes mehr, nur Asphalt. Von meiner Wohnung zur Schule brauche ich, wenn ich schnell laufe, 15 Minuten, und wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir zu spät.
"Wohnst du eigentlich in der Nähe?", frage ich, um das Schweigen zu brechen, während wir an einer roten Ampel stehen. Die Sonne hat es geschafft, sich durch die dichte Wolkendecke zu schieben und meine Nasenspitze ist sogar schon ein bisschen wärmer.
Milo tritt von einem Fuß auf den anderen, was mich nicht wundert, schließlich trägt er nur ein T-Shirt. Und auch, wenn es wärmer als die letzten Tage ist, ist es nicht warm.
"Ich kam nur zufällig vorbei", weicht er aus und die Ampel springt auf grün. Mit großen Schritten überquert er die Straße und ich muss fast schon rennen, um Schritt zu halten.
"Wirklich?", hake ich nach. Schließlich hätte er doch eigentlich auch auf den Weg zur Schule sein müssen und nicht auf einem Spaziergang durch die Wohnblöcke.
"Naja." Milo fährt sich durch die Haare. "Ich hatte irgendwie gehofft, dich zu treffen, deshalb hab ich den Umweg genommen."
Ich bleibe stehen. Nein. Nein, nein, nein. Anstatt Milo sehe ich plötzlich Aiden vor mir, wie er mir auf dem Dach in Las Vegas etwas ganz Ähnliches gesagt hat. Er wolle Zeit mit mir verbringen.
Ich kann das jetzt nicht nochmal durchmachen. Milo ist ja wirklich nett und ich bin sicher, wir können Freunde werden, aber er kann nicht in mich verliebt sein. Nicht jetzt.
"Quinn. Ist alles okay?" Besorgt umfasst er meinen Arm und ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, dass ich definitiv nicht in ihn verliebt bin, aber ich kann nicht.
Er hat den Kopf schiefgelegt, sieht mich mit seinen blauen Augen an und wieder muss ich daran denken, dass er aussieht wie ein Teddybär. Und einen Teddybären kann man nicht einfach so abblitzen lassen. Oder?
"Äh, ja." Ich bringe ein schwaches Lächeln zustande und laufe weiter. "Alles okay."
**
Aiden
Aiden trommelt mit dem Bleistift, den er in der Hand hält, auf dem Tisch herum. Vor ihm liegt ein weißes, unbeschriebenes Blatt Papier, auf dem eigentlich schon längst ein paar neue Songtexte stehen sollten.
Aber er bekommt nicht einen Satz zusammen, es ist, als würde sein Gehirn blockieren. Normalerweise fällt es ihm nicht schwer, Songs zu schreiben, er hat schließlich genug Mist in seinem Leben, den man poetisch zusammenschreiben könnte. Vor allem sind neue Songs mehr als nötig.
Bald soll ein neues Album veröffentlicht werden, als großes Comeback sozusagen, aber bisher ist noch nichts fertig. Zwei Songs stehen schon, aber das nur, weil sie die schon vor der Tour aufgenommen haben.
Aidens Gedanken wandern zu Quinn. Er bereut nicht, dass er gestern mit Grayson zu ihrer Schule gefahren ist. Er bereut auch nicht, sie geküsst zu haben. Das Einzige, was er bereut, ist Julia.
Aber er kann es nicht mehr ändern. Es ist zu spät, Quinn vertraut ihm nicht mehr. Und ohne Vertrauen kann man keine Beziehung führen, so ist das nun mal.
Frustriert wirft er den Bleistift auf die Tischplatte und stützt den Kopf in seine Hände. Er starrt das weiße Blatt an, aber je länger er so dasitzt, desto leerer wird sein Kopf.
Er hört, wie die Tür aufgeht und richtet sich auf. Olive steht im Zimmer und sieht ihn forschend an. "Alles okay?"
Aiden schnaubt. "Klar."
Ihr Blick gleitet von ihm zum Papier und wieder zurück. "Mach dir doch keinen Stress mit den Songs. Wir wollten es doch langsam angehen lassen."
Er steht auf und streicht sich seinen Pullover glatt. "Ich mach mir keinen Stress. Ist irgendwas, oder gehst du dann wieder?" Er merkt selbst, dass er Olive gegenüber viel zu patzig ist, dabei will sie ihm nur helfen. Außerdem ist sie ja nicht schuld an seiner schlechten Laune und daran, dass er keine Songs zustande bringt.
Die Schwarzhaarige stemmt die Hände in die Hüften. "Hör mal. Ich weiß nicht, was dein Problem ist und warum du so mies drauf bist, aber lass es gefälligst sein. Ich habe für viel Verständnis, auch dafür, dass dir das mit dem Entzug und allem zugesetzt hat, aber uns geht es ganz genauso. Also schraub dich mal ein bisschen runter, Denny, es ist anstrengend, ständig deine Launen aushalten zu müssen."
Sie macht einen Schritt auf ihn zu und pikst ihn mit dem Zeigefinger in die Brust. "Und ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass Erin kurz mit uns allen sprechen will. Falls es dich interessiert."
Olive wirft ihre Haare nach hinten und verlässt das Zimmer. Aiden sieht ihr nach, überrumpelt. Normalerweise ist die Schwarzhaarige immer diejenige, die ruhig bleibt und Streit schlichtet, so wütend hat er sie selten erlebt.
Aber sie hat Recht. Im Grunde ist er an dem ganzen Schlamassel schuld und er sollte seinen Freunden dankbar sein, dass sie nicht böse auf ihn sind. Aber stattdessen pampt er sie am laufenden Band an, weil er mit sich selbst nicht klarkommt.
Aiden geht ins Wohnzimmer von Jordans und Graysons Haus, wo seine Bandkollegen, zusammen mit Erin, auf dem Sofa sitzen und augenscheinlich nur auf ihn gewartet haben. Er lässt sich auf die Couch fallen und versucht, nicht genervt zu klingen, als er fragt: "Was gibt's denn?"
Olive sieht schon nicht mehr ganz so wütend aus und er beschließt, sich später bei ihr zu entschuldigen. Bei allen. Das ist bitter nötig.
"Mehrere Sachen", antwortet die Tourmanagerin und zieht einen Zettel aus ihrer Mappe. "Einmal habt ihr morgen ein Meeting mit eurem Agenten und der Firma, die für euer Merchandise zuständig ist. Ihr müsst euch Designs für die neue Kollektion aussuchen."
Sie reicht den Zettel an Grayson, der ihn an Jordan weitergibt, die ihn auf dem Couchtisch ablegt.
"Und dann", fährt Erin fort. "hätte ich noch eine Frage, bezüglich einer Dame, die mich vor ein paar Tagen angerufen hat. Sie wollte deine Telefonnummer haben, Aiden."
Angesprochener runzelt die Stirn. "Wie heißt sie?"
"Antoinette Roger."
Er hält die Luft an, sein Hirn setzt für ein paar Sekunden aus. Grayson wirft ihm einen Blick zu, aber schnell winkt er ab. Er hat sich unter Kontrolle.
"Sie kriegt meine Nummer nicht, bitte", meint er, während sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Brust ausbreitet. Angst.
Er hat nicht wirklich Angst vor Antoinette, schließlich ist sie seine Mutter und eine ziemlich harmlose Person. Aber er will sie nicht sehen, will nicht mit ihr sprechen. Er hat Angst, dass, wenn sie jetzt schon an Erins Nummer gekommen ist, sie sich seine auch irgendwie beschaffen wird.
Erin mustert ihn kurz, bevor sie mit den Schultern zuckt. "Dein Wort zählt. Das wars dann auch schon."
Sie steht auf und Jordan und Olive folgen ihr schnell, um sie zur Tür zu bringen. Aiden bleibt sitzen, zu geschockt, um sich zu bewegen. Er hat seine Mom aus seinem Leben gestrichen, hat für sich selbst entschieden, sie nicht mehr zu brauchen.
Schlimm genug, dass er sie in der Untersuchungshaft, in der er gesessen hat, bevor er in den Entzug gekommen ist, sehen musste, jetzt ist sie wieder da. Es wird wahrscheinlich nicht lange dauern und sie wird ihn gefunden haben, denn Antoinette ist keine dumme Frau.
"Das ist ganz schön abgefuckt", unterbricht Grayson seine Gedanken.
"Ich hab mich zwei Jahre vor ihr versteckt, ich schaff das auch noch länger. Ist schon okay", meint er und steht auf.
"Wir helfen dir, Denny. Du musst uns nur lassen."
Aiden sieht seinen Freund an. "Ich weiß. Danke."
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