Kapitel 4 Das schönste Pferd der Welt
Die Reitstunde war eigentlich ganz gut verlaufen. Alle waren prima mit ihren Pferden zurechtgekommen, auch obwohl Vivi kein Bock auf Abteilungsritt hatte und deswegen komplett ihr eigenes Ding durchzog. Als sie dann einfach angefangen hatte Faye anzugaloppieren, während die anderen Schlangenlinien durch die Bahn geritten waren, war mir endgültig der Kragen geplatzt und ich hatte Vivi samt Pferd in der Mitte platziert. Sie war deswegen natürlich stink sauer geworden und hatte einen Wutanfall bekommen, aber das war mir in dem Fall egal gewesen.
Zum Abendessen hatten wir gegrillt und danach noch einen Film geschaut. Nach ewiglangem Betteln hatten unsere Eltern sogar erlaubt, dass wir die ganzen nächsten zwei Wochen (wenn nichts Schlimmes passierte) im Heuboden übernachten durften. Wir hatten unsere Schlafsäcke und andere Sachen zusammen-gesucht und lagen nun nebeneinander zwischen Heu- und Strohballen und unterhielten uns. Eigentlich hatten unsere Eltern uns eingeschärft, wegen der beiden Kleinen nicht mehr zu quatschen, aber das war uns ziemlich egal. Mama und Papa hatten sogar die Stalltür abschließen wollen, aber wir hatten mit den Argumenten, dass es ja brennen könnte und wir dann nicht rauskämen, dankend abgelehnt. So richtig beruhigt waren sie aber erst gewesen, als sie sich vergewissert hatten, dass unsere drei Hunde Wim, Lolly, und unsere Golden Retriever Hündin Queeny im gleichen Stall wie wir waren, um im Notfall Alarm zu schlagen.
„Wie ist es eigentlich so in Amerika?", fragte ich Julius.
„Na ja, wie soll es schon sein?", antwortete er. Okay ja, dumme Frage von mir.
„Es ist schon ein wenig anders als hier", fuhr er fort. „Aber es ist jetzt nicht wie der Unterschied zwischen Grönland und Südafrika. Es gibt halt Landschaft und Städte. Der größte Unterschied ist eigentlich das Essen und dass die Häuser nicht so nebeneinandergequetscht stehen, sondern ein Grundstück mit tausend Quadratmetern eigentlich ganz normal ist. Ach so! Aber der größte Unterschied ist, dass es in Amerika viel mehr coole Stars gibt!"
„Aha! Du meinst so welche wie Justin Bieber", sagte ich spöttisch.
„Okay. Den hatte ich jetzt nicht gemeint." Er lachte. „aber so Leute wie die Avengers-Darsteller oder richtig erfolgreiche Sänger habt ihr nicht." Das musste ich zugeben und nickte
Wir schliefen dann doch alle recht schnell ein. Es war ein anstrengender Tag gewesen und Julius, Georgie und Malin hatten ja nicht viel Schlaf bekommen. Ich war zwar erst einmal geflogen, aber ich konnte mich noch gut an das Rauschen und die Tatsache, wie schwer es mir gefallen war zu schlafen, erinnern.
Am nächsten Morgen wurde ich von Autogeräuschen geweckt. Ich blickte auf den kleinen Wecker neben mir und stellte fest, dass es neun Uhr war. Wow! Es war eine Ewigkeit her, dass ich so lange geschlafen hatte. Ich sah zu den anderen Matratzen rüber und bemerkte, dass alle anderen schon aufgestanden waren.
Ich schlüpfte aus meinem Schlafanzug und streifte mir ein frisches gelbes Top über, das ich mir gestern Abend rausgelegt hatte, zog wieder meine Shorts an und schnürte meine grauen Chucks zu. Ich kletterte die Leiter vom Heuboden herunter und band wir im Gehen die Haare zu einem unordentlichen Dutt, dass diese nicht ganz so verstrubbelt aussahen. Draußen stand ein riesiger LKW und Herr Werner, ein Pferde-händler, mit dem mein Vater manchmal Geschäfte machte, stieg aus. Julius, Georgie und Luka standen auch davor.
„Hi!", rief ich und gähnte noch einmal.
„Na, auch schon ausgeschlafen?", bemerkte Julius, aber ich ließ mich nicht provozieren.
„Hallo Seline", sagte Herr Werner und schüttelte meine Hand.
„Selina", korrigierte ich ihn und verdrehte die Augen.
„Entschuldigung Seline. Ich hab' hier ein neues Pferd und wollte euch fragen, ob ihr Interesse habt, es auf Probe aufzunehmen. Könntest du mir vielleicht sagen, wo ich deinen Vater finde?"
„Oh je, keine Ahnung." Ich drehte mich zu Luka um, vielleicht hatte er ihn gesehen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass er unten bei seinen Springpferden ist."
„Vielen Dank junger Mann!", sagte er und machte sich ohne ein weiteres Wort auf, um meinen Vater zu finden.
„Na Seline, was machen wir heute?", grinste Julius.
„Weiß nicht. Was ihr wollt", sagte ich ohne auf seine Stichelleien einzugehen. „Wir könnten mit unseren Schwimmsachen zum Liederbach ausreiten und dort ein kleines Picknick machen und schwimmen gehen", schlug ich vor.
„Gute Idee!", meinte er. „Nur können wir noch sehen, was das für ein Pferd ist, dass dieser Mr. Protz-LKW da dabeihat?"
„Klar!", antwortete ich. „Wir haben ja Zeit." Das war mir auch ganz recht, denn ich war wirklich noch ein bisschen verschlafen, obwohl ich so lange im Bett verbracht hatte, was ich sonst eigentlich nie tat.
Da kam Herr Werner auch schon mit meinem Vater zurück. Papa öffnete die Verladeklappe und Mr. Protz-LKW (Ich fand, dass der Name unwahrscheinlich gut passte, denn der LKW war in jeder Hinsicht protzig) holte das Pferd raus.
Es war ein wirklich schicker Rappe, mit wunderschön glänzendem Fell.
„Wow, der sieht aber toll aus!", konnte ich mir nicht verkneifen.
Das Pferd war wirklich hübsch. Ich vermutete, dass es noch ein recht junger Hengst war. Er hatte langes schwarzes Fell und am Kopf einen wunderschönen weißen Stern.
„Du siehst aus als wärest du gerade Elyas M'Barek begegnet!", sagte Luka zu mir.
Ich ging nicht darauf ein, aber wahrscheinlich war mir vor lauter Staunen fast die Sabber aus dem Mund gelaufen. „Wie heißt der?", fragte ich Mr. Protz-LKW.
„Er hat noch keinen Namen!", meinte er.
Was für eine Verschwendung! So ein tolles Pferd und keinen Namen!
Herr Werner führte ihn über den Hof in den Stall. Papa lief hinterher.
Wir anderen blieben nur stehen und schauten ihnen hinterher.
„Das Pferd ist echt der Hammer!", sagte Julius.
„Der reinste Wahnsinn", meinte auch Georgie.
„Okay sind wir jetzt alle fertig mit gaffen. Das ist auch nur ein Pferd", stellte mein Bruder klar.
Das stimmte zwar, aber in Gedanken stellte ich mir schon vor wie ich auf diesem Pferd über das Feld galoppierte oder wie er auf Turnieren über die Hindernisse fliegen würde und alle Leute staunend am Zaun standen.
„Dir läuft schon wieder die Sabber aus dem Mund!", wies mich mein Bruder zurecht und ich zuckte zusammen. „Können wir jetzt endlich los?"
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