Kapitel 1 Ankunft
„Mama, wann kommen sie endlich?", quengelte meine kleine Schwester Vivien und zog an Mamas Ärmel. Diese blickte genervt auf die Uhr.
„Sicher gleich, Vivi!", antwortete sie nur.
Wir waren schon seit eineinhalb Stunden am Flughafen, weil wir vergessen hatten, zu Hause nachzuschauen, ob der Flug von Boston nach Frankfurt Verspätung hatte. Leider war genau das passiert und wir standen uns schon seit einer Ewigkeit die Beine in den Bauch. Vor einer Viertelstunde war dann auf dem Bildschirm vor Gate 8 angezeigt worden, dass der Flieger endlich gelandet sei. Jetzt wartete die ganze Familie sehnsüchtig auf das Antreffen unserer Freunde aus den USA.
Ich seufzte. So langsam nervten mich die lauten Stimmen, die Geräusche der Koffer auf den Böden und die ständigen Durchsagen. Mama hatte zu Hause eine riesen Hektik gemacht. „Wir dürfen auf keinen Fall zu spät sein!" und „Kommt mir ja nicht auf die Idee in Reitklamotten aufzukreuzen!" Blablabla... Als ob ich auf die Idee kommen würde in Reithose und schmutzigem T-Shirt zum Flughafen zu kommen. Das wäre ja echt mehr als peinlich! Okay, bei Vivi hätte ich mir das schon vorstellen können. Sie war sowieso total stolz darauf, auf einem Reiterhof zu leben und versuchte das auch überall zu zeigen. Doof nur, dass sie mit ihren sieben Jahren noch nicht merkte, wie viel ihr Gerede mit Angeberei zu tun hatte.
Mein Bruder Luka war jedoch nicht so begeistert von der Tatsache, auf einem Hof mit lauter Pferden zu wohnen und fand es in der Öffentlichkeit eher peinlich. Zwar wussten seine Kumpels alle davon, aber er brachte seine Freunde eher ungern mit nach Hause.
„Mama, Mama, guck mal sie kommen!", rief Vivi und zerrte dabei noch mehr an ihrem Arm. Und tatsächlich kam in diesem Moment Familie Cortner durch die Drehtür. Vivi machte große Augen und wurde dann doch ein klein bisschen schüchtern, als Malin, ihre kleine Freundin, zusammen mit ihrer Mutter an der Hand auf sie zukam. Ich merkte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. So lange hatten wir alle auf diesen Moment gewartet.
„Hey, Vivi! How are you?", quatschte Malin sofort fröhlich los, als sie bei meiner kleinen Schwester ankam. Vivi, die natürlich kein Wort verstand, versteckte sich schnell hinter Mamas Rücken. „Malin Maus, denk dran, wir haben abgemacht, dass du hier in Deutschland bitte versuchst nur Deutsch zu reden!", wurde sie von ihrer Mutter ermahnt.
„Hey, Vivi! Wie geht's dir?", sagte Malin daraufhin und jetzt fing auch meine Schwester wieder an zu lächeln und kam zögernd hinter Mamas Rücken hervor.
„Hi!" Ich zuckte zusammen. Oh, ich hatte gar nicht gemerkt, dass der Rest der Familie auch schon neben uns stand und drehte mich um. Neben mir stand Julius, der wie ich vierzehn Jahre alt war, und lächelte mich an. „Hi", erwiderte ich so lässig wie möglich, um zu verstecken, dass er mich erschreckt hatte. Wir umarmten uns kurz und grinsend begann er mich zu mustern. Ich konnte nicht anders und musste das Gleiche tun. Wenn man sich zwei Jahre lang nicht gesehen hatte, musste man sich einfach erstmal ein neues Bild von der Person machen, die vor einem stand. Ich bemerkte, dass Julius längere Haare bekommen hatte und sich eine Schüttel- Justin- Bieber- Frisur zugelegt hatte, der gold- blonde Farbton aber geblieben war. Außerdem hatte er keine Brille mehr, ich vermutete, dass er, genauso wie ich, Kontaktlinsen trug. Zusätzlich war er aber immer noch schlank, groß und hatte auch sonst ein ganz hübsches Gesicht.
„Lasst uns am besten zum Auto gehen", meinte mein Papa, der sich mit Roger, dem Vater in der Familie wahrscheinlich schon zu Ende angestarrt hatte. „Gute Idee", stimmte meine Mutter zu und fing an, die Koffer der Cortners auf einen Gepäckwagen zu hieven. „Dann haben wir genug Zeit zum Quatschen!" Sie grinste. Ich war froh endlich aus dem lauten Flughafengebäude rauszukommen. Etwas verlegen wandte ich mich von Julius ab und folgte meinen Eltern zum Auto.
Das Problem war nur, dass unser normales Auto zu klein für neun Personen war und das andere Auto sich in der Werkstadt befand, weswegen wir mit dem riesigen Pferde-LKW hatten kommen müssen.
„Ich wusste ja gar nicht, dass am Flughafen auch ein Pferdeturnier stattfindet!", lachte Julius auch sofort los als er das den Transporter sah. „Ich dachte immer, der Lärm und die Abgase der Flugzeuge seien eher schädlich für die Gäule!" Sehr witzig! Ich fand es ja auch nicht unpeinlich, mit einem Pferde-Transporter auf dem Flughafenparkplatz zu stehen und einige der vorbeilaufenden Leute schauten auch ein wenig verwirrt, aber es war trotzdem mega lustig hinten im Verladeraum mitzufahren, da vorne nur zwei Plätze waren. Deshalb stiegen Roger und Steffi (Mamas Freundin) mit Malin, Vivi, Luka und seiner beste Freundin Georgie (auch Mitglied der Cortner Familie), Julius und ich hinten ein. Nur Mama und Papa durften vorne sitzen, da Papa fahren musste und Mama hinten kotzübel wurde.
Da wir nicht angeschnallt sein konnten und wir samt Koffern zu siebt auf einer dreckigen Ladefläche sitzen mussten, wurden wir ziemlich durcheinander geschleudert und bekamen bestimmt überall dunkelblaue Flecken am Hintern. Als Kinder hatten wir jedoch jede Gelegenheit genutzt hinten im Transporter zu fahren und wir mussten uns wieder tierisch kaputtlachen. Nur Roger und Steffi fanden es nicht so lustig, auch wenn sie sich später vor meinen Eltern nichts anmerken ließen.
„Wen dürfen wir eigentlich reiten?", fragte Georgie als sie einmal volle Kanne gegen mich knallte. Die Cortners hatten ihre Pferde jahrelang auf unserem Hof stehen gehabt, aber dann mussten sie auf Wunsch von Roger, wieder in seinem Heimatland zu leben, nach Amerika ziehen und haben natürlich ihre Pferde mitgenommen. Doch unsere Familien waren für immer Freunde geblieben, da Luka und Georgie zusammen im Kindergarten und Julius und ich in einer Grundschulklasse gewesen waren. Als dann auch noch Malin und Vivi am gleichen Tag im gleichen Krankenhauszimmer geboren wurden, waren wir alle unzertrennlich geworden. Auch meine Mutter hatte in Steffi eine Seelenverwandte getroffen und Papa mochte sowieso alle Leute, die englischer oder amerikanischer Herkunft waren.
„Ähm, also ich hatte gedacht Malin kann eins der Scheddis reiten. Vielleicht Bubbelgum, der ist total brav und liebt kleine Kinder über alles. Und, Julius kann Kalimbo haben, weißt du noch der schicke dunkelbraune Holsteiner. Seine Besitzerin ist gerade im Urlaub und sonst müsste ich ihn jeden Tag reiten." Ich blickte zu ihm und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Und ich?", unterbrach Georgie mich aufgeregt. „Hmm. Du bist doch so ein Haflinger-Fan, oder? Deswegen hatte ich bei dir an Rainbow gedacht", sagte ich. Rainbow war noch eine ganz junge Haflingerstute und Georgies Ein und Alles. Sie hatte als einzige damals auf der Koppel, mit ungefähr fünf Jahren beobachtet, wie die kleine Rainbow geboren worden war. Deshalb war das Fohlen für sie immer etwas ganz besonderes gewesen!
„Echt? Oh Sally, das ist echt mega cool!", rief sie und viel mir um den Hals, um gleich danach mit mir in die nächste Ecke geschleudert zu werden.
Zu Hause angekommen, war auch mir ein bisschen übel. Als wir ausstiegen, wurden wir gleich von unserem wuscheligen Schäferhund-Mix Wim begrüßt, für den es eine komische Tatsache war, wenn die ganze Familie ohne jedes Pferd im Gepäck einfach mit dem LKW davonfuhr.
„Ist das immer noch Wiliam?", fragte Julius und streichelte ihn, als der aufgeregt zu schnuppern begann. „Ja", antwortete ich. „Aber er hat von den Reitschülern den Spitznamen Wim bekommen. Seitdem nennt ihn keiner mehr anders.
Als Steffis Blick auf den Hof fiel, trat in ihre Augen ein schwärmerischer aber auch trauriger Ausdruck. „Ach, ist das schön wieder hier zu sein!"
Papa und Roger hievten Koffer aus dem Transporter. „Come on Steffi! We're just going to our bedrooms. I'm pretty tired, you know it's just nine o'clock in the morning and I didn't sleep very much on the airplane. You can look around later. We're here now for two weeks!", sagte Roger, der es immer noch vorzug, sich in seiner Muttersprache zu unterhalten.
„Was hat er gesagt", fragte Vivi mit einem großen Fragezeichen im Gesicht.
„Wir müssen jetzt hochgehen", erklärte ihr Malin. „In Amerika ist es jetzt eigentlich erst neun Uhr und Daddy hat im Flugzeug kaum geschlafen, deshalb ist er noch etwas müde."
„Och, schade!", seufzte Vivi.
„Sally, kannst du gerade mal hochgehen und denCortners ihre Zimmer zeigen. Ich muss endlich mal etwas zu Mittagessen machen",bat meine Mutter mich.
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