4. Zeit der Jagd
„Unfälle passieren."
Sie hatte es immer gewusst.
Die Alarmtöne des Fighters heulten und jaulten, flackerndes rotes Licht warf tanzende Schatten an die kalte Stahlwände, springende Dämonen, die sie mit ihrem Sirenenlachen verspotten zu schienen. Unkontrolliert trudelte das Schiff auf den Asteroidengürtel von Belicha zu, und als Bella ihre Hände auf die grellen, nun rot leuchtenden Holoscreens legte, machte das Schiff nichts außer einem verstörten Sprung zur Seite. Immer noch hielt es auf die gigantischen, tödlich schimmernden Steine zu, die sich träge im Licht des fernen Sterns, der Belicha als Sonne diente, drehten. Frustriert und in Panik schrie Bella auf und überprüfte hektisch die Systeme. Die Asteroiden schienen auf sie zuzufliegen, so schnell schoss das Schiff auf sie zu.
Bella öffnete mit fliegenden Fingern die Kontrolleinheit des Notaggregates, während die Fliehkräfte sie in ihren Sitz drückten. Der Holoscreen blinkte und schrie ihr Warnungen ins Gesicht, während sie hektisch einen Code eintippte und erneut die Steuerung ergriff. Sie würde nicht hier, am Saum dieses elenden Chemikerplaneten, durch die Hände des verdammten Shahakazam sterben, nahm sie sich vor. Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten, schwaches blaues Licht spielte um ihre Finger. Die Asteroiden glimmten wie Kohlen, nun erschreckend groß. Scharfe, spitze Steinformationen bedeckten die Oberflächen.
Einen entsetzlichen Moment lang geschah gar nichts.
Dann keuchte das Schiff auf, der Antrieb hustete, und Bella hörte das klagende Kreischen von Stahl auf Stein, als die Flanke des Fighters einem der Asteroiden vorbeischrammte. Erneut bewegte Bella die Finger, das blaue Licht nun stabil und beinahe unmerklich vibrierend. Sie wusste, dass es summen würde, doch die Sirenen übertönten das Geräusch. Immer noch flackerte die Welt rot.
Bella riss das Schiff zur Seite, als ein gigantischer Asteroid in ihrem Weg erschien, flog einen engen Bogen um ihn herum, immer auf der Hut vor kleineren Steinen, und landete schließlich. Asteroidischer Sand wirbelte unter den Hoverfields, und Bella war dankbar, dass wenigstens die Landeinrichtungen des Schiffes noch funktionierten. Mit einem Tippen deaktivierte sie die Sirenen und atmete zitternd ein.
Die Stille war ohrenbetäubend, in ihren Ohren klingelte es. Überall um sie herum grollten die aufeinanderstoßenden Asteroiden, doch ihr Herzschlag donnerte so laut, als würden auch in ihrem Körper Steine aufeinander schlagen. Ihr Kopf pochte. Immer noch war das Licht rot, doch das Flackern hatte aufgehört. Irgendetwas stank verbrannt.
Etwas in ihr wollte sich zusammenrollen und schlafen, doch sie stieß es fort. Wütend tippte sie die Verbindung zu Shahakazam ein. „Shahakazam, du verfluchtes Arschloch, was soll der Unsinn?", brüllte sie, doch niemand antwortete. Keine Verbindung verfügbar, verkündete der Holoscreen.
Sie versuchte es erneut, diesmal mit dem Hauptquartier des Empire, doch auch dort antwortete nichts als Stille. Nicht einmal ein Rauschen, kein Knacken, nichts. Nur beengendes Schweigen.
„Status?", fragte sie den Bordcomputer schließlich. Stille war die einzige Antwort, und Bella fluchte resigniert. Mit bebenden Fingern startete sie den Computer neu, und schließlich spuckte er ihr hämisch die Informationen ins Gesicht.
Navigation und Ortung waren ausgefallen. Der Funk war tot, ebenso der Autopilot, die Waffensysteme teilweise zerstört, die Schildgeneratoren zu Staub zerschossen. Der Antrieb war ebenfalls beschädigt. Wenigstens die Außenhülle war nicht so stark zerschossen, dass sie im luftleeren All um ihr Leben fürchten musste. Shahakazam war wirklich gründlich gewesen. Einzig das Notaggregat hielt die Überlebenssysteme und den Computer am Leben.
Es hatte nur wenige Sekunden gebraucht, um sie außer Gefecht zu setzen. Sie hatten den Schattenraum verlassen, und kaum hatten sich die Nebelschwaden um sie gelöst, hatte Shahakazam das Feuer eröffnet. Bella hatte versucht, ihre Waffensysteme zu aktivieren, doch er hatte sie überrascht. Schneller, als sie hatte reagieren können, hatte er ihre Schilde zerstört, ihre Waffensystem beschossen und die Triebwerke außer Kraft gesetzt. Er war gezielt und präzise vorgegangen, und Bella gestand sich widerstrebend ein, dass sie ihn unterschätzt hatte. Er kannte seine Mittel, und wusste sie einzusetzen.
Sie fluchte erneut und programmierte die Selbstreparatur des Schiffes. Es würde nicht lange halten, der Fighter würde nicht die Geschwindigkeit oder die nötige Kraft für einen Flug in den Schattenraum aufbringen, doch es würde reichen, um halbwegs sicher auf einem zivilisierten Planeten zu landen. Dort könnte sie ihn reparieren lassen und Shahakazams Spur aufnehmen.
Und ihn in tausend Scherben zerschießen.
Stunden, so kam es ihr vor, tigerte sie in ihrem Schiff umher, während die Systeme des Schiffes summten und knirschten. Die Reparatur schritt schnell voran, doch zu langsam für ihren Geschmack. Auszusteigen und selbst zum Werkzeug zu greifen, kam nicht infrage. Zu gefährlich und unbekannt waren die Asteroiden um Belicha.
Das Wappen des Empire flammte auf dem Holoscreen auf, und die Kommunikationssysteme fuhren hoch. Bella stürzte zum Cockpit und tippte die Verbindung zu Zentrale ein, und Lexington starrte ihr entgegen. Nervös fuhr sie sich durch die Haare und verwünschte sich dafür, vorher nicht noch in den Spiegel gesehen zu haben.
„Jacery", zischte der General. „Was passiert da draußen? Wir können euch nicht orten, und Shahakazam ist nicht erreichbar."
„Das ist Belicha", meldete sich jemand im Hintergrund zu Wort. „Der Planet sendet eine Strahlung aus, die Ortung und Kommunikation stört." Das Bild flackerte, wie um seine Worte zu unterstreichen.
„Still, Ffoukes", befahl Lexington. „Orte Shahakazam." Er wandte sich wieder Bella zu. „Was ist geschehen?"
„Shahakazam ist abtrünnig", erklärte sie. „Wir hatten gerade den Schattenraum verlassen, da eröffnete er das Feuer auf mich. Ich habe mich auf einen Asteroiden gerettet. Wo Shahakazam ist, weiß ich nicht."
Lexingtons beherrschter Gesichtsausdruck veränderte sich unmerklich. „Alarmiert das Horotai. Shahakazam soll dort festgehalten werden. Er muss unter allen Umständen aufgehalten werden", befahl er jemandem hinter sich, den Bella nicht erkennen konnte. „Jacery, was könnte er vorhaben?"
Bella biss die Zähne zusammen und wählte sorgfältig ihre Worte. „Angesichts der Vergangenheit, die ich und er teilen, ist es möglich, dass er mich verschwinden lassen und es auf die Gefahr schieben wollte, die durch Belicha ausgeht. Es sollte wohl wie ein Unfall aussehen."
Lexington sah sie an, und Bella konnte die Enttäuschung in seinen Augen sehen, obwohl seine Miene sich nicht änderte. Doch er verlor kein Wort darüber. „Könnte es etwas mit dem Mädchen zu tun haben? Dass er sie an die Union verkaufen wollte?"
Bella bemühte sich, ebenso beherrscht zu bleiben wie der General, doch innerlich tanzte sie. Das war es, was sie immer gewusst hatte. Nein, es war etwas gewesen, was sie sich immer gewünscht hatte, doch es war ihr zu unrealistisch vorgekommen, als dass sie darauf gehofft hatte.
Dass Shahakazam mitnichten der strahlende Held mit der reinsten aller Westen war, sondern eine Verbindung zur Union hatte. Zu den Erzfeinden des Empire. Er war auf die Akademie gekommen, ohne dass etwas Klares über ihn bekannt war, nur Geflüster, Gemunkel, Gerüchte. Als er sich verdient machte, hatte es niemanden mehr gekümmert, und auch Bella hatte sich nicht damit befasst, doch nun schien es, als wäre es die Wahrheit. Shahakazam könnte ein Teil der Union sein.
Doch sie durfte nicht zu voreilig mit ihrer Zustimmung sein. Nicht ihr Hass auf Shahakazam durfte sie leiten, sondern kühle Überlegungen. Dass Lexington jedoch bereits die Hoffnung in seinen besten Piloten verlor, war merkwürdig. Plötzlich fragte Bella sich, was der General über den Vraguar wusste. „Gibt es denn Gründe, so etwas zu vermuten?", fragte sie vorsichtig.
„Es gibt Berichte, dass Shahakazam mit der Union, genauer mit den Bantwells von Vetorius, in Verbindung trat", erklärte Lexington. „Seine Hilfe gegen die Union hat uns gelehrt, dass seine Loyalität nicht mehr ihnen gehört. Doch wir haben uns wohl geirrt."
Bella straffte die Schultern. „Erlaubt mir, ihn zu stellen. Ich werde ihn zur Strecke bringen, und nach Condra bringen, wo er sich für seine Taten verantworten soll." Tot oder lebendig, fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr war es egal, was mit Shahakazam geschah, doch sie wollte, dass Lexington ihre Taten anerkannte. Wenn sie Shahakazam lebendig zurückbrachte, fand er sicher erneut einen Weg, sich als Helden darzustellen. Besser war es, wenn er starb.
In einem Unfall, in der Nähe eines Planeten, dessen Strahlung Ortung und Kommunikation störte. Sie verkniff sich ein Lächeln. Genau dies war ebenfalls ihr Plan gewesen. Auch sie hatte Belicha nutzen wollen, um ihren Erzfeind verschwinden zu lassen, nachdem er ihr dabei geholfen hatte, Lemeska Bantwell aus dem Horotai zu holen. Doch Shahakazam war ihr wieder einmal zuvorgekommen. So etwas würde nicht noch mal passieren, schwor sie sich.
Lexingtons Gesicht verzog sich zu dem Schatten eines zweifelnden Blickes. „Bist du in der Lage, ihn zu stellen? Dein Schiff ist stark beschädigt. Ich schicke einen Schwadron unserer Jäger los, um ihn zu fassen. Falls er das Horotai überhaupt verlässt." Er wandte sich um, um den Befehl zu geben, doch Bella hielt ihn zurück.
Er würde das Horotai verlassen, das wusste Bella. Nicht umsonst war er ein Held, bemerkte sie zynisch. „General, bei allem Respekt, ich bin in der Lage. Ich brauche keine Hilfe in dieser Angelegenheit." Zumindest nicht von offizieller Seite. „Mein Schiff ist beinahe vollständig repariert. Ich werde seine Spur aufnehmen." Bella spürte den Zorn in sich aufsteigen. Wenn sie zurück war, mit Shahakazam in ihren Händen, würde er keinen Grund mehr haben, an ihr zu zweifeln.
„In Ordnung." Er sah sie fest an. „In Shahakazam haben wir uns geirrt. Ich hoffe, in dich können wir unser Vertrauen setzen."
Bella dachte an die Union, an die Planeten und ihre Banden, die Familien, die strahlende Liga der einarmigen Banditen. Was geschehen war, und wie auch sie untrennbar mit der Union verbunden war, und sie wusste, dass Lexington ebenfalls daran dachte, und nun abwog, ob er auch sie vom Himmel schießen lassen sollte. „Ja, das kannst du." Sie meinte es ernst.
Lexington nickte ihr zu, dann erlosch sein Bild.
Bella lehnte sich mit klopfendem Herzen zurück und betrachtete den Status ihres Schiffes. Zwar waren Waffen, Raketen und Reducer immer noch unbrauchbar, doch die Laserkanonen waren wieder bereit. Die Triebwerke waren beinahe vollständig repariert, Ortung und Kommunikation waren zwar instabil, aber vorhanden. Die Schildgeneratoren waren immer noch zerstört, doch solange niemand sie angriff, würde dies nicht zu einem Problem werden. Auch der Autopilot zeigte keine Fehler mehr an.
Sie startete den Fighter und manövrierte sich durch die träge schwebenden Asteroiden. Bei jedem Husten, den die Maschine von sich gab, zuckte sie alarmiert zusammen, doch nach einer Weile flog er so, als hätte es Shahakazams Angriff nie gegeben. Nur die Option, den Schattenraum zu nutzen, stand ihr nicht offen.
Nur, um es getan zu haben, versuchte sie, Shahakazam über die imperialen Ortungssysteme aufzuspüren, doch wie erwartet war er nicht zu finden. Wahrscheinlich hatte er seine Systeme ausgeschaltet. Für einen Moment überlegte sie, Shahakazam sofort zu fassen, sobald er das Horotai wieder verließ, doch sie überlegte es sich anders. Mit ihrem lädierten Schiff hatte sie keine Chance gegen ihn. Nicht ohne Hilfe, und nicht, da sich nicht wusste, was er wollte, was sein Plan war, und wo er sich befand.
Doch sie wusste einen Ort, wo sie all dies herausfinden konnte.
Entschieden programmierte sie ihren Autopiloten, dann legte sie sich in die schmale, erstaunlich unbequeme Koje des Fighters und schloss die Augen. Sie würde bald dort sein, wo die Liga regierte, und hoffte still, dass Lexington keine voreiligen Schlüsse ziehen würde.
Das piepsende Signal des Autopiloten weckte sie, und als sie aus dem Fenster des Cockpits sah, schälten sich die Planeten des Carunischen Systems aus der Dunkelheit. Es waren acht an der Zahl, das wusste sie, doch mit dem bloßen Auge, dem normalen und dem wesentlichen stärkeren Droidenauge, das sie seit ihrer ersten Begegnung mit Lemeska Bantwell trug, konnte sie nur drei von ihnen erkennen: Casall in der Ferne, der gigantische Planet Emr direkt vor ihr, und, in seinem Schatten, bläulich leuchtend und von einer gräulichen Wolkenschicht umgeben, Neor.
Die Heimat der Liga der einarmigen Banditen. Einst ihre Heimat. Und nunihr Ziel.
Der Regen umfing ihr Schiff, kaum dass sie die Wolken durchstoßen hatte. Prasselnd klatschte er gegen Glas und Metall, und verwischte zusammen mit dem ständigen Zwielicht im Schatten von Emr die spitzen, buntglühenden Hochhäuser zu schillernden, glitzernden Flecken, die stets die Position zu wechseln schienen.
Bella flog ein paar Schleifen um die Wolkenkratzer, deren Spitzen bereits im Nebel verschwanden, und landete auf einem Deck in der Nähe des Viertels, in dem sie am häufigsten unterwegs gewesen war. Drei Jahre lang war sie dort durch die feuchtwarmen, dampfigen Straßen geschlichen, nachdem sie nach dem Vorfall auf Aiya aus den Klauen der Bantwells entkommen war, und hatte diejenigen getötet, von denen die Liga meinte, dass sie nicht mehr leben sollten. Stets hatte sie gehofft, die Liga würde die Bantwells als nicht mehr lebenswert erachten, doch das war nie geschehen.
Die Hoverfields fauchten, als sie auf dem Deck aufsetzte, und selbst durch die Ströme der Fields, das Metall und den Regen spürte sie die Bässe, die den Planeten durchdringen zu schienen wie Atemluft. Neor war ein Planet, bestehend aus denen, die niemals schliefen, Nachtschwärmer, jene, die süchtig waren nach der elektrisierenden Macht von lauter Musik, die den Boden vibrieren ließen, aufputschenden Drogen, buntem, blendendem Licht, das das ewige Zwielicht im Schatten von Emr erhellte, und tobenden Menschenmassen in der Trance von allem zusammen. Bella war oft mit anderen Killern der Liga dort gewesen, hatte getanzt und gefeiert, bis sie das Zeitgefühl verloren hatte, in einer Welt, in der nie der Morgen graute, in der jegliches Licht künstlich war. Sie war durch die Schluchten zwischen den aufragenden Häusern gelaufen, auf dem Weg in die exklusiven Clubs in den Penthouses jener, die der Liga nahestanden.
Mit einem Schaudern schüttelte sie die heimliche Vorfreude auf den Planeten ab. Sie hatte zu tun. Sie konnte nicht ihre alten Bekannten aufsuchen und in den Clubs das Geld mit vollen Händen ausgeben. Es war nicht einmal sicher, ob sie noch lebten, so, wie sie Pillen geschluckt, goldene, brennende Flüssigkeiten getrunken, und bunten Staub eingeatmet hatten. Sicher hatten die Gifte sie längst dahingerafft. Die Gifte oder Blaster, Kugeln oder Reducer.
Sie streifte ihre Uniformjacke ab und versteckte sie sorgfältig, dann nahm sie ihre Waffen an sich und zog sich einen langen Mantel mit Kapuze über. Schon jetzt wusste sie, dass sie sich in der schwülen Wärme Neors dafür verfluchen würde, doch nass werden wollte sie auch nicht.
Kaum hatte sie das Schiff verlassen, schlug ihr die Feuchtigkeit entgegen. Der Regen prasselte nun gegen ihre Kapuze, und die Gestalten, die in den hell erleuchteten Wachhütten der Decks saßen, beäugten sie skeptisch. Sie gab ihnen Anweisungen, wie sie das Schiff reparieren, auftanken und neu bewaffnen sollten, und machte sich auf den Weg hinab in die Stadt.
Am Boden war die Hitze noch stärker. Bella lief der Schweiß von der Stirn, während sie sich durch das feiernde Volk schlängelte. Das Wasser verdampfte über dem Beton des Straßenpflasters. Stark geschminkte Männer und Frauen in flatternder, bunter Kleidung und glitzernden Piercings boten Pillen, bunte Pülverchen und Pfeifen aus Plastik mit undefinierbaren Substanzen darin an. Andere standen in engen Hosen aus Lack und gefärbtem Leder und durchsichtigen Tops in Schlangen vor Clubs und Bars. Süßlicher Rauch drang aus manchen offenen Türen, und die Bässe ließen die Stadt erbeben. Die Menge verschluckte Bella wie ein gigantisches, gefräßiges, tobendes Tier, die bunten Lichter ließen die Fassaden aus Glas und Stahl schimmern. Über ihr, weit im dunklen, verregneten Himmel, schossen Fighter, Terraires und andere Schiffe vorbei, ganze Frachter voller hungriger Partygäste dockten an den Landedecks an.
Bella rang die Erinnerungen nieder, die Neor mit sich brachte. Die Erinnerungen an ihre Zeit als Auftragskillerin waren die Wohlhabendsten in ihrem Leben gewesen, die Liga hatte sie gut bezahlt. Es war eine Zeit gewesen, in der weder Pflichten noch Feindschaften ihren Tag geprägt hatten, nur endlose Partys, ab und an ein gut platzierter Schuss auf einen Feind der Liga, und so viel Geld, wie sie nie davor oder danach gesehen hatte. Nachdem ihr Vertrag mit der Liga ausgelaufen und sie sich zurück auf den Weg nach Condra gemacht hatte, um deren Mittel zu nutzen, um sich an den Bantwells zu rächen, hatte sie alles zurückgelassen. Sie hatte nicht gewollt, dass die Mafiagelder mit ihr in Verbindung gerieten. Zwar war sie sich sicher, dass Lexington alles über ihre Vergangenheit wusste, doch für die Öffentlichkeit war es ein besseres Bild, wenn jemand aus dem Exil zurückkehrte und nichts besaß außer einem gestohlenem Fighter, der eigentlich ein Geschenk der Liga war, und dem, was sie am Leibe trug.
Für einen Moment überlegte sie, ob sie sich direkt an die Führung der Liga wenden sollte. Sicher würden sie alles herausfinden können, was sie wollte. Doch sie würde ihr niemals helfen, den Bantwells zu schaden. Denn die Union stand vereint gegen ihre Feinde.
Sie drängte sich an einigen anstehenden Feiernden vorbei in eine der Bars. Der Türsteher streckte die Hand nach ihr aus, doch der Blick aus ihren ungleichen Augen schien ihn zu verunsichern, und er lockerte für einen verhängnisvollen Moment den Griff. Sie nutzte ihn aus und schlüpfte an ihm vorbei. Früher waren die Wachmänner besser und vor allem brutaler gewesen, erinnerte sie sich.
Früher war Bob und Larrys Bar auch nicht so groß gewesen, dass die Leute anstanden, um hinein zu gelangen.
Die Musik innen war ohrenbetäubend, der Bass ließ die Getränke auf den Tischen erzittern. Im Hellen würde wohl alles weiß sein, weiß und voller bunter Spiegel, doch nun schimmerte alles weißblau, pink und rötlich schwarz. Ein gigantisches Regal voller kunstvoll geschwungener Flaschen, gefüllt mit Alkohol in allen Farben, die Bella sich vorstellen konnte, bedeckte die Wand hinter der Theke. Kreaturen aller Arten, Schattierungen und Geschlechter tanzten eng aneinander gedrängt, ihre Bewegungen abgehakt und zackig im Stroboskoplicht, während andere sich auf flachen, gepolsterten Liegen fläzten und mit vernebelten Augen das Treiben beobachteten. Trockeneisnebel wallte über den Boden, ein Abbild des feuchtwarmen Nebels draußen auf der Straße. Bunte Getränke flossen in Strömen, in finsteren Ecken erkundeten Wesen einander und zusammen die Welt des glitzernden Staubs.
Bella konnte sich eines Funken der Verachtung nicht erwehren, ebenso wenig einem Hauch der Wehmut, und der zaghaften Frage, was wohl geschehen wäre, wenn sie niemals aus Neor fortgegangen wäre. Doch sie vertrieb beides und bahnte sich mit Ellenbogen und Knien einen Weg durch die Menge. Benebelte Blicke wurden klar, Wesen, die vorher tief in ihren eigenen Welten gefangen waren, stolperten aus ihrem Weg, bis sie schließlich die Bar erreicht hatte. Nur Droiden standen hinter der Theke, mischten und servierten Getränke in kristallenen Gläsern, Pülverchen in silbernen Schälchen und einzelne Pillen auf kleinen goldenen Tellern. Früher hatten lebendige Wesen die Gäste bedient, doch nun schienen Bob und Larry sich die Gehälter sparen zu können.
Allein der zweiköpfige Besitzer der Bar besaß keinen Körper aus Stahl, Plastik und Schaltkreisen. Er bestand aus echtem Fleisch und Blut.
Sie quetschte sich zwischen einem dürren Brassall mit langem, schmalem Gesicht und blitzenden blauen Augen und einem bewusstlosen Arkat, dessen Kopf auf der Theke neben einem Häufchen blau schimmernden Puder ruhte, hindurch, und winkte Bob und Larry zu. Der Rubier drehte sich einmal im Kreis, Blicke aus vier Augen taxierten sie aus seinen zwei Köpfen. Rücken an Rücken wuchsen zwei schwarz bekleidete Oberkörper aus einem einzigen Rumpf. Beide Gesichter, ohne jeden Hinweis auf ihr Alter, verzogen sich zu einem Lächeln – Bobs war freundlich und herzlich, Larrys war das Lächeln eines Mannes, dem beschrieben worden war, wie man sich über jemanden freut, und nun versucht, es zu imitieren, aber es nicht wirklich tut. Bella nahm es ihm nicht übel. Er war zu Gefühlen nicht fähig, das war die Aufgabe seines zweiten Gehirns.
Bob wandte sich Bella zu, während Larry hinter ihm nach den Flaschen griff und einen Drink mischte. „Bella. Lange nicht gesehen. Was treibst du zu diesen Tagen?", brüllte er fröhlich über die wummernde Musik hinweg.
Bella lächelte halbherzig. „Bob. Ich arbeite für jemanden, der dir nicht gefallen würde. Aber es sind nicht die Bantwells, keine Angst", beruhigte sie ihn.
Er sah sie amüsiert an. „Das Empire also. Du hast immer gesagt, dass du dorthin zurück wolltest, aber ich hätte nie gedacht, dass du es auch wirklich tust. Was verschlägt dich und dein Empire in diese Gegend?"
„Es ist nicht mein Empire, sondern einfach nur das Empire. Und ich bin in seinem Befehl hier."
Bob hob eine unsichtbare Augenbraue. Er war haarlos wie alle Vertreter seiner Rasse. „Bin ich in Schwierigkeiten?"
Sie schnaubte. „Nicht du. Ein Kollege von mir wurde abtrünnig. Ich vermute, dass er Captain Bantwell seine Tochter zurückbringen will. Mein Befehl lautet, ihn zu finden und vor die Gewalten des Empire zubringen."
Bob drehte sich um, und Larry reichte ihr wortlos ein Getränk. „Geht aufs Haus", sagte er ohne jede Emotion, die Stimme kalt wie das Eis in ihrem Drink.
Sie nahm einen Schluck. „Danke."
Ohne das Gesicht zu verziehen, wandte Larry sich ab und Bob sah sie belustigt an. „Larry, immer der wortgewandte Charmeur. Nun, zurück zu deinem Verräter. Ich kann hören, dass du nicht daran interessiert bist, ihm die Gerechtigkeit des Empire zuteil lassen zu wollen, denn du klingst jetzt genau so, wie wenn du über Lemeska Bantwell sprichst."
Bellas Lippen kräuselten sich verächtlich. „Unfälle passieren."
„Die Liga weiß so etwas besser als niemand sonst. Warum bist du überhaupt bei mir und nicht bei ihnen? Sie würden dir sicher eine Armee zur Seite stellen."
„Auch die Liga kämpft nicht für das Empire. Sie mögen zwar keine Ehre haben, aber ihren Kodex haben sie trotzdem." Ihr hätte es gefallen, die geballte Kraft der Liga auf Shahakazam zu hetzen. Doch Bella wusste, dass ihr Auftrag auch bedeutete, allzu großes Aufsehen zu vermeiden.
Und so etwas wie dezentes Vorgehen oder Unauffälligkeit kannte die Liga der einarmigen Banditen nicht. Nicht umsonst hatte sie die Herrschaft über einen Planeten, der aus jenen bestand, die süchtig nach flackernden Neonlichtern und donnernden Bässen waren.
„Bob, ich muss diesen Mann fangen, der Lemeska Bantwell befreien will. Und ich kann es selbst nicht tun, weil mein Schiff von ihm zu Schrott geschossen wurde. Die Reparaturen werden dauern." Bella unterdrückte den Drang, ihr Glas in der Hand zu zermalmen, als der Zorn in ihr hochkochte. „Deswegen brauche ich einen Kopfgeldjäger. Und deswegen bin ich bei dir."
Der Barkeeper nickte langsam. „Was ist mit deinen alten Kollegen?"
„Ich habe nicht die Zeit, sie alle einzeln zu fragen. Wahrscheinlich sind sie alle tot, so wie ich ihren Konsum von diversen illegalen Rauschmitteln kenne."
„Ich habe letztens noch Brick Warish hier gesehen."
„Brick ist ein Draufgänger, nicht mehr. Selbst zu meinen Zeiten hat die Liga ihm nur noch unwichtige Aufträge gegeben, die nicht so leicht fehlschlagen konnten. Und glaub mir, dieser Auftrag ist extrem wichtig, und es kann mehr schief gehen, als ich mir eingestehen will."
Bob legte grübelnd den Kopf schief, und Bella sah, dass er eine wortlose Rücksprache mit Larry hielt. Plötzlich hellte sich sein Gesichtsausdruck auf. „Geh zum Syndikat. Dort gibt es die besten Kopfgeldjäger des Universums."
Bella verzog das Gesicht. „Sie jagen nur Unsterbliche. Alles andere interessiert diese Verschwörungstheoretiker nicht."
„Sie suchen jeden, wenn das Geld stimmt. Gerade weil sie die Unsterblichen jagen und auch zur Strecke bringen, sind sie genau das, was du suchst. Sie sind effizient, schnell und genau, und sie tun alles, was man ihnen befiehlt. Viele von ihnen kehren hier ein und erzählen von ihren Heldentaten."
Noch ein Held war genau das, was Bella nicht gebrauchen konnte. „Ich habe keinen Nutzen für einen Angeber, der das alles nur für Geld und Ruhm tut. Ich brauche einen verdammten Killer! Jemand, der tötet, ohne dumme Fragen zu stellen, aber trotzdem clever genug ist, um nicht so voreilig zu sein, dass er den Abzug drückt, ohne nachzudenken. Hat das Syndikat so etwas? Wenn nicht, gib mir jemanden anders an die Hand. Mit diesen abergläubischen Unsterblichenfängern will ich mich nicht herumschlagen, wenn es nicht unbedingt sein muss." Sie merkte, wie sie langsam wütend wurde, noch wütender, als sie ohnehin schon war. Die Zeit lief. Je länger Shahakazam ohne Verfolger war, desto geringer war die Chance, ihn je wieder einzuholen. Er war nicht dumm, so sehr sie sie es sich wünschte, er wäre es.
Bob rieb sich das kantige Kinn. „Ich kenne jemanden, der genau das ist, was du suchst. Werde nicht gleich sauer, er gehört dem Syndikat an, aber die Tatsache, dass er und niemand anders den Titel Der Tod der Unsterblichen trägt, spricht für sich. Er ist der beste Killer des Syndikats."
„Und wie heißt dein Wunderknabe?", fragte Bella gereizt. Plötzlich gingen ihr die pochenden Bässe entsetzlich auf die Nerven.
„Sein Name ist Danja Lexington. Er ist in der Begleitung eines Mannes namens Ghost, und, heiliges Empire, ich habe selten einen Mann mit so furchterregenden Augen gesehen. Lass dich von seinem Aussehen nicht täuschen, Lexington mag zwar aussehen, als würde er höchstens schönen Weibern hinterher jagen, doch die Wahrheit ist, dass er mehr Unsterbliche getötet hat als Frauen gevögelt."
Lexington... Vor Bellas innerem Auge tauchte der General auf, und ihr Herz machte einen erschrockenen Sprung, doch sie verstärkte den Griff um ihre Gefühle. Sie hatte zu tun. Zum Träumen war keine Zeit. „Wenn Danja Lexington und Ghost so gut sind, wie kannst du dir dann sicher sein, dass sie im Moment nicht erneut auf Jagd nach Unsterblichen sind?"
„Gestern erst kamen sie zurück, sie haben schon wieder zwei Meriegos erwischt. Normalerweise machen sie danach ein paar Tage Urlaub, vor allem Danja, aber wenn du ihnen sagst, worum es geht, und dass sie in den Steuergeldern des Empire bezahlt werden, machen sie sich sofort auf den Weg. Ich weiß nicht, warum, aber Danja hat irgendeinen absurden Komplex mit dem Empire."
Bella konnte sich denken, worin dieser bestand. „Danja Lexington also?"
„Genau."
Bella stürzte ihren Drink hinunter und nickte Bob zu. „Danke." Sie verließ die Bar, trat in das Gewirr aus nassen Straßen, feuchtwarmem Nebel und berauschten Kreaturen aller Arten, auf der Suche nach dem Mann, der selbst die Unsterblichen zu Fall bringen konnte.
~ ~ ~
Nehmt es mir nicht krumm, wenn ein paar Leerzeichen verschwunden sind... das hat Wattpad so an sich, wenn man aus einem Word-Dokument kopiert.
Wer sich meine geliebten Charas ums Verrecken nicht vorstellen kann... folgt dem externen Link. Dort findet ihr ein paar (nicht perfekte, aber immerhin gute) Zeichnungen von mir, wie ich sie mir vorstelle, bzw. kommen sie an meine Vorstellungen heran. Trotzdem ist mir ab und an der Fineliner abgerutscht, und es wurde etwas verkackt. Naja.
Zum Titel dieses Kapis... Teheee!!
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