24. Vier kurze Geschichten voll Schmerz und Ruhm (I)
„Du warst die letzte, schmerzliche Erinnerung an eine glorreiche Zeit, die längst vergangen ist."
Die Zigaretten schmeckten wie verdampfte Scheiße.
Trotzdem sog Lukas den Rauch in seine Lungen und genoss das Gefühl des Ekels, das sich mit dem Rauch in seiner Brust festsetzte. Mürrisch starrte er auf die gerollten Tabakblätter in seiner Hand, dann blickte er auf Spook, der regungslos auf der Sitzreihe von Danjas Fighter lag, die bleiche Haut beinahe schneeweiß, die Haare schweißnass. „Was soll ich noch zu dir sagen, Spook? Was ich von der Scheiße, die du abgezogen hast, halte, weißt du." Er hatte mit Spooks Tod gerechnet, seit er aus seinem Frachter gestürmt war. Niemals hätte er geglaubt, dass Spook lange lebte. Zu gut wusste er, dass Ezamkhias nicht verzieh. Sicher war Spooks Verletzung nicht nur auf Lemeskas Befehl geschehen.
Spook murmelte etwas, und Lukas brachte sein Ohr auf sie Höhe seines Mundes. „Und... du hattest Recht, Lukas. Wir sind alle wahnsinnig", murmelte er verwaschen.
Lukas schnaubte eine Rauchwolke aus und verbarg seine eigenartig milde Trauer unter seiner Verachtung. „Ich habe immer recht. Du warst dir nie sicher über deinen Tod, und wehrst dich immer noch gegen ihn, sonst hättest du zugelassen, dass ich das hier", er zog das blutige Messer aus dem Gürtel, „in dein Herz ramme. Dein geliebter Danja ist zu dir zurückgekommen und rettet dich, weil er dich braucht. Und doch war der Captain dein Verderben."
„Delnimes bekommt wohl immer das, was er möchte", hustete Spook schwach.
„Wenn jemand immer seinen Willen bekommt, dann er." Lukas sog erneut den widerlichen Rauch in seine Lungen und musterte mit verzogenem Gesicht die Zigarette. „Ekelhaft."
Spooks Mund verzog sich zu einem winzigen Lächeln. „Ich hoffe, ich habe erreicht, was ich wollte. Ich hoffe, Danja verzeiht mir. Ich hoffe, er findet etwas anderes außer dem Syndikat. Ich wollte ihm helfen, sich loszureißen, so oft schon, und doch habe ich es nie geschafft. Ein irrsinniger Sinn des Lebens, oder?"
„Ja. Aber frag ihn selbst. Ich glaube, dass er durch deinen Tod einen neuen Sinn hat. Nun muss er keine Unsterblichen mehr töten, sondern den Captain oder das Bantwell-Mädchen."
„Nein."
„Wie bitte?"
„Er soll sich nicht schon wieder der Rache hingeben. Er soll etwas rechtmäßiges tun. Etwas, mit dem er nicht auf die Welt der Schatten angewiesen ist." Spook hustete erneut. „Bring ihn auf den rechten Weg. Zeig ihm, dass es noch etwas anderes gibt als Morden für Geld."
Lukas blickte ihn lange an. „Nein", sagte er schließlich mit gesenkter Stimme. „Du magst hier verrecken, aber ich werde mich nicht mit deinem Kopfgeldjäger zusammentun. Scheiß auf die Wünsche der Sterbenden, die werden immer viel zu hoch gehalten. Deswegen, sag ihm selbst, was er tun und lassen soll. Ich mag nicht genug Ehre haben für derlei Sentimentalitäten, aber Lexington wird alles tun, was du ihm aufträgst."
Spook blickte ihn an, durch schmale Schlitze zwischen den Augenlidern, sein Atem klang rasselnd. „Ich werde sterben, nicht wahr?"
„Aye." Lukas sah keinen Sinn, es zu beschönigen. „Der nächste Arzt, der jemanden behandelt, der nicht der Union angehört, ist mehr als sechs Stunden entfernt, und bis dahin hat es dich längst erwischt. Nun sind wir im Schattenraum auf dem Weg nach... Was weiß ich, wohin dein Danja wollte. Aber immerhin stirbst du im Kreis jener, die du deine Freunde nennst oder nanntest."
„Du klingst nicht einmal... traurig deswegen." Spooks Stimme war frei von jedem Vorwurf.
„Kann man es mir verdenken?" Lukas zog an seiner Kippe und blies den Rauch in das Licht des Holoscreens. Blau schimmernd waberte er durch den Fighter. „Du warst die letzte, schmerzliche Erinnerung an eine glorreiche Zeit, die längst vergangen ist. Wir sind schon lange tot, gestorben, als die Union unsere Zentrale in die Luft gejagt hat. Ich verfaule mit Freuden, und du hast stets versucht, der Fäulnis des Lebens mit deinen merkwürdigen Rachegelüsten zu entrinnen. Das hat uns weit auseinander getrieben. Zu lange sind wir keine Freunde mehr, als dass ich dich vor dem Tod bewahren will, das habe ich dir schon oft genug gesagt. Es berührt mich, irgendwo in den vertrockneten Resten meines Herzens", Lukas schlug sich spöttisch die Hand auf die Brust, „und doch bin ich es dir nicht schuldig, jetzt über deinen vergehenden sterblichen Überresten zu lamentieren." Es war die Wahrheit. In seinem Unterbewusstsein schrie eine Stimme, dass einer seiner ältesten Freunde, der mit einer widerwärtigen Prozedur dem Tod zu entrinnen gesucht hatte, gerade starb, doch es kam ihm erstaunlich unwirklich vor. „Es sei nur gesagt, dass es verdammt schade um dich ist."
Spook hustete, es sollte wohl ein schwaches Lachen darstellen. „Warum das?"
Lukas schnippte etwas Asche auf den Boden. „Weil du zweifellos einer der Anständigsten unter den Meriegos bist. Keine Verbrechen, keine Eskapaden. Nur ein paar unschöne Rachegelüste, und selbst wenn diese eine der übelsten Sünden sind, kann man angesichts deiner davon abgesehen unbefleckten Weste über sie hinwegsehen", sagte er an die Zigarette in seinem Mundwinkel vorbei. „Leb wohl, Spook Asem. Mögest du in Frieden zu den Sternen wandern." Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und trat zu Danja, der am Cockpit saß und immer wieder nervöse Blicke zu ihnen warf. Mit einer nachlässigen Geste schickte er ihn fort, und der Kopfgeldjäger löste sich dankbar von den Schaltflächen.
Lukas ließ sich im Sitz des Copiloten nieder, rauchte die zwei letzten Zigaretten, die er in seinen Taschen fand, und starrte in die undurchdringliche Schwärze des Schattenraums. Über das Brummen der Triebwerke hörte er, wie Spook und Danja mit einander redeten, und er bemühte sich, nicht zu lauschen. Für einen Moment fragte er sich, warum er überhaupt mit ihnen gekommen war.
Irgendwann verstummte das Gemurmel, und Stille kehrte ein. Stunde für Stunde verging, während Lukas in die Schwärze starrte und überlegte, wie er jemals wieder zur Nebula Umbra zurückkommen würde. Doch es wäre kaum allzu schwer. Auf jedem Planeten gab es Schiffe, die zu der Goldenen aufbrachen.
Schließlich erhob er sich und beobachtete, wie Danja schweigend neben Spook auf den Sitzen saß. Den Kopf gesenkt starrte er ins Nichts. Spooks Brust bewegte sich nicht mehr.
Trotzdem fühlte Lukas sich so, als wäre nichts geschehen. Jahrelang hatte er zugesehen, wie jene, die er sympathisch fand, starben, wie der Tod ihn selbst immer verschonte und der Zynismus ihn stattdessen fand. Irgendwann war der Tod derer, die er kannte, nur noch ein unwichtiges Detail. Es erwischte jeden.
Nur ihn nicht. „Was hat er zu dir gesagt?", wollte Lukas wissen.
„Das geht sich nichts an", fuhr Lexington ihn mit bebender Stimme an. „Und mach die Kippe aus."
Lukas hob spöttisch die Augenbrauen, doch warf den Stummel auf den Boden und trat fest darauf.
Danja machte den Eindruck, als wollte er noch etwas einwenden, doch er schwieg.
„Hat er geschafft, was er erreichen wollte?", fragte Lukas.
Der Kopfgeldjäger starrte ihn unverwandt an und schien mit den Tränen zu kämpfen, und plötzlich fragte Lukas sich, ob er ihn, sollte er tatsächlich zu heulen anfangen, trösten oder auslachen sollte. „Was wollte er denn erreichen?", stellte er die Gegenfrage, die Stimme erstaunlich schwach für seine Verhältnisse.
„Er wollte, dass du ihm vergibst, dafür, dass er dich all die Jahre lang angelogen hat." Lukas spürte, wie sein Verlangen nach Nikotin in seiner Brust zog, und er klopfte geistesabwesend seine Hosentaschen nach der Schachtel ab. Zu seinem Ärger fand er keine. „Er wollte dir beweisen, dass er immer noch der ist, den du einst Ghost genannt hast. Dein Freund." Das Wort schmeckte ebenso ekelhaft wie die Zigaretten.
Danja nickte langsam und widerstrebend, ohne ihn anzusehen.
„Hat er dir auch gesagt, was er sich für dich wünscht?"
„Ja", murmelte Danja tonlos.
„Dann weißt du, was du zu tun hast. Setz mich auf einem Planeten deiner Wahl ab, verschaffe ihm ein gutes Begräbnis, und ziehe los, sein Schicksal zu erfüllen", sagte Lukas zynisch.
Angewidert wandte Danja sich um. „Wie konnte er jemals mit dir befreundet sein? Du bist schlichtweg der widerwärtigste Mann, der mir jemals untergekommen ist", zischte er, Trauer und Zorn in der Stimme.
Lukas widerstand dem Drang, auszuspucken. „Das sind wir Unsterblichen alle."
~ ~ ~
Warum so kurz, wird der geneigte Leser sich fragen...
Weil Vier kurze Geschichten voll Schmerz und Ruhm mehr oder weniger eine Art Epilog darstellen. And for the glory of Satan, of course.
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