12. Warum man lebt
„Einen hervorragenden Sinn des Lebens hast du dir da gebaut, Spook."
„Du schon wieder. Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Nur wegen dir bin ich jetzt hier, auf diesem verdammten Schiff, und nicht gemütlich mit einem Getränk auf Scurm."
Spook senkte den Blick. „Ich wünschte, ich könnte dich in Ruhe lassen."
Lukas verschränkte die Arme. „Nichts und niemand hält dich davon ab. Du hast, was du wolltest. Das Mädchen und der Vraguar vergnügen sich irgendwo in den Eingeweiden dieses Schiffes, und sie glauben wenigstens ein bisschen, dass ihr ihnen helfen wollt. Was willst du mehr?"
„Du weißt, was ich will."
Lukas seufzte dramatisch. „Das letzte Mal, als ich dir mit Croons geholfen habe, hast du seine Helfershelfer und das Empire nach Scurm gebracht und mich ganz schön in die Scheiße geritten. Und früher... das Gleiche. Man könnte beinahe behaupten, dass du mit deinem Feldzug allen Schaden zufügst – nur nicht Croons."
Spook biss die Zähne zusammen. „Das wollte ich nie. Außerdem haben wir seine treuesten Anhänger getötet. Er steht nun allein da."
Lukas starrte auf die flimmernden Bildschirme seiner Computer. „Dachte ich es mir, dass Karakis es nicht lebend schafft, sobald er euch in die Finger fällt."
„Er hat Danja bedroht, und er musste sich verteidigen", rechtfertigte Spook seinen Freund.
Lukas zuckte mit den Schultern. „Wie die Welt eben läuft", murmelte er resigniert. „Ich mochte Karakis, aber nun, wer sich mit Croons einlässt, verdient auch nicht allzu viel der Gnade."
„Croons selbst am wenigsten." Spook sah seinen alten Freund an, der nun schon seit langen nicht mehr sein Freund war, doch er wandte seinen Blick nicht von den Bildschirmen ab, obwohl nichts darauf zu sehen war. Nur ein violett schimmernder Startbildschirm. „Lukas, hilf mir. Bitte. Ich kann nicht ruhen, ehe er tot ist."
Lukas schnaubte. „Einen hervorragenden Sinn des Lebens hast du dir da gebaut, Spook."
„Was ist schon der Sinn des Lebens? Der Tod, oder nicht? Und diesen Weg kann ich erst beschreiten, wenn der einzige Grund, warum ich noch lebe, tot ist."
„Du bist dir also sicher."
Spook wollte bejahen, doch das Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Er war sich sicher, so sicher, wie man sein konnte, doch er konnte es kaum aussprechen. Er nickte.
Lukas verengte die Augen und grinste hinterhältig. „Du bist dir nicht sicher. Wäre dein kleiner Freund nicht zutiefst enttäuscht, wenn du plötzlich tot bist?"
„Nicht, wenn er sieht, mit welcher Waffe ich mich getötet habe. Er hasst jene, die so sind wie wir."
Lukas sah ihn zweifelnd an. „Natürlich. Rede dir das nur weiter ein."
Spook wollte fragen, seit wann Lukas sich um sein Leben kümmerte, doch innerlich war er sich sicher, dass Lukas trotz seiner widerlichen Art an ihm hing. Vielleicht als eine letzte Erinnerung an jene Zeiten, in denen sie nicht auf einem Schiff voller Gesetzloser Schutz suchen mussten. „Was weißt du schon von einem Sinn des Weiterlebens", murmelte er.
„Ich will ehrlich sein", begann Lukas, und Spook bemerkte, wie absurd sich diese Worte aus seinem Mund anhörten. Lukas konnte lügen wie gedruckt. „Das Leben hat keinen Sinn, der sich durch alles hindurchzieht wie ein roter Faden, gültig für jeden. Zumindest nicht von Geburt an. Man findet etwas, in das man sich vertiefen kann, so wie Ezamkhias... Du hast ihn kennengelernt, nicht wahr? Seit er einen Stift halten kann, baut er dieses Schiff. Er lebt seit über sechshundert Jahren, und nie hat er etwas anderes getan, außer dieses Ungetüm aus Stahl und Technik zu bauen und zu erweitern. Es ist sein Sinn des Lebens, und wenn er will, kann er ewig leben, denn sein Sinn wird niemals verschwinden. Er kann seinen Sinn des Lebens so lange weiterbauen, bis das Universum zerspringt, und selbst dann kann er die Reste durchstreifen. Natürlich, so etwas geht nicht spurlos an einem vorbei. Er ist wahnsinnig... aber das sind wir Meriegos doch alle." Er zog eine Grimasse, und Spook erkannte die Wahrheit in seinen Worten.
„Was ist dann dein Sinn des Lebens?"
Lukas schnaubte. „Ich habe keinen", sagte er, die Grimasse verblassend auf seinem Gesicht.
„Warum lebst du dann noch? Wie lohnt sich das Leben, wenn es keinen Sinn hat?"
„Natürlich, ich habe es oft genug versucht. Kugel in den Kopf, Messer ins Herz, derartiges. Tötet mich nicht, und macht mich auch nicht stärker." Lukas schnaubte. „Du weißt, was ich tue."
Spook lachte leise auf. „Du spielst mit Computern und gaffst käuflichen Frauen hinterher?"
„Kennst mich erstaunlich gut. Nein, vor allem tue ich nichts. Und das ist entsetzlich langweilig, so sehr ich meine Ruhe schätze. Du wirst es kaum glauben, mir ging die Ewigkeit einst so auf die Nerven, dass ich kurz davor war, mich dem Syndikat zum Fraß vorzuwerfen. Aber dann kam mir der Gedanke, dass morgen vielleicht etwas Spannendes passiert, etwas, was ich mir immer gewünscht habe, und ich es im Jenseits oder wo auch immer man landet, ganz entsetzlich bereuen werde, dass ich mich umbringen habe lassen. Es ist am nächsten Tag nicht passiert, natürlich nicht, und auch am Tag danach nicht. Aber ich habe ja Zeit. Warten kann ich gut." Lukas grinste.
„Dann... Gern geschehen, dass wir dir das Empire auf den Hals gehetzt haben", sagte Spook.
„Ich habe nicht behauptet, dass ich mich in dem Moment, in dem etwas geschieht, auch darüber freue." Lukas spuckte aus und sah sinnierend auf die Bildschirme. Lilafarbenes Licht warf tiefe Schatten auf sein bärtiges Gesicht. „Tiefgründige Gedanken am frühen Morgen. Aber nun, du suchst Croons." Er begann zu tippen, rasend schnell, und Spook wandte den Blick ab. Die flackernden Lichter verursachten bei ihm Übelkeit.
„Ist dir", begann Lukas, ohne sein Tippen zu unterbrechen, „eigentlich nie der Gedanke gekommen, dass Danja Lexington, diese kleine Ratte, schon seit langem weiß, dass du unsterblich bist? Und dass er dich deswegen so von Adalbast Croons ferngehalten hat, damit du ihn nicht verlässt? Denn zu mir kommen und mich fragen, wo Croons ist, hättest du immer gekonnt. Er hat dich nur immer mit anderen Fällen abgelenkt, nicht wahr?"
Spook hob zu einer heftigen Antwort an, doch überlegte es sich anders. Dieser Gedanke war ihm durchaus gekommen, doch er konnte es sich kaum vorstellen, dass Danja in seinem Hass und seiner Gier auf Unsterbliche ihre Freundschaft mehr schätzen würde. Doch das Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt war, war verschwindend gering. Vielleicht war Spook ihm lebendig nützlicher als tot, schoss es ihm durch den Kopf. Dennoch. Danja hasste die Meriegos. Oft gab er damit an, dass noch nie ein Unsterblicher in sein Sichtfeld gekommen und am Leben geblieben war.
Nun waren bereits drei Unsterbliche, denen er begegnet war, noch nicht tot, und das innerhalb von kürzester Zeit.
Spook seufzte. „Ich denke nicht, dass er es weiß. Ich habe ihn zu lange belogen, als dass er darüber hinweg sehen würde."
Lukas zuckte mit den Schultern. „Nicht, dass ich etwas darüber wüsste, aber im Namen von starken, positiven Gefühlen einer anderen Person gegenüber kann man über eine ganze Menge hinwegsehen." Er schlug eine letzte Taste an, dann starrte er konzentriert auf den Bildschirm. „Mein geliebter Spook Asem, mit deinem kleinen Chaos auf Scurm hast du wohl ein paar ziemlich fette Ratten aufgescheucht."
Spook lehnte sich vor. „Wo ist er?"
„Wenn ich mich nicht ganz täusche, und in solchen Angelegenheiten täusche ich mich nie, dann ist er hier."
Spook schnappte nach Luft. Etwas schien ihm die Kehle zuzudrücken, und in seinem Kopf schwamm die Welt. „Bist du dir sicher?", hakte er nach, seine Stimme klang dumpf, fast unhörbar in seinen Ohren.
Lukas warf die Arme in die Luft. „So genau wie meine Ortungssysteme ist nichts. Nicht einmal das Empire. Leider gibt es hier keine Überwachungskameras, zumindest keine, in die ich mich einschleusen könnte. Ezamkhias achtet in der Hinsicht auf einiges. Aber ich kann sein Schiff orten, ich kann dessen Kameras und Systeme überprüfen, und ja, er ist einige Zeit nach euch hier gelandet. Also muss er hier sein."
Er war hier.
Croons war auf der Nebula Umbra, so nahe an Spook, und es war ihm unmöglich, zu entwischen.
So nahe. Und Spook müsste ihn nur noch besiegen, und dann könnte er endlich wieder mit Abby vereinigt sein. Dann hätte er seinen Sinn des Lebens erfüllt.
Ohne es wirklich wahrzunehmen, trat er einen Schritt von Lukas und den Bildschirmen zurück. Seine Gedanken rasten. Rache, Hass, Angst, und ein kleiner Funke des Zweifels tanzten einen wilden Reigen in seinem Kopf.
Lukas' Worte erinnerten ihn, wo er war. „Was hast du jetzt vor?", wollte er wissen. Seine Stimme klang warnend, und dennoch bemüht unbeteiligt.
„Was glaubst du, was ich vorhabe?", stellte Spook die Gegenfrage, ein humorloses, manisches Lachen unter den Worten.
„Ich weiß, was du tun willst. Aber erlaube mir, dich zu warnen. Du magst zwar unsterblich sein, aber du kannst immer noch Schmerzen empfinden. Und glaube mir, Adalbast Croons ist der Meister der Schmerzen."
Für einen Moment fragte Spook sich, was Croons Lukas angetan haben mochte, und seine Angst schrumpfte unter seinem anschwellenden Hass zusammen. „Ich werde es tun, Lukas, und du wirst mich nicht davon abhalten."
„Wer bin ich, dass ich dich abhalten wollen würde? Ich warne dich nur vor den Folgen. Adalbast hat zwar keine Anhänger mehr, aber ein paar Schläger wird er sicher aufgetrieben haben, die sich um ihn scharen wie gierige Kerle um ein hübsches Mädchen. Sie werden sich dir in den Weg stellen. Und bedenke, auf wessen Schiff du bist, und dass dein Vorhaben gegen seine Regeln verstößt." Lukas zog eine Augenbraue hoch. „Du bist unsterblich, ja, aber Ezamkhias ist es auch, und er kann dich auf ewig foltern, wenn ihm danach ist."
„Egal", flüsterte Spook, mehr sich überzeugend als Lukas. Croons' Tod war alles, was wichtig war. Das und die Ruhe danach.
Lukas erhob sich langsam, und Spook trat einen hastigen Schritt zurück. Lukas hob die Hände. „Ich weiß, dass dir das egal ist. Mir auch. Aber Danja nicht. Der braucht dich." Er verzog kurz das Gesicht, als hätte er einen wirklich unangenehmen Gedanken gehabt.
„Croons wird mir nichts antun können. Ich habe sein Messer. Er wird gegen mich verlieren." Spooks Stimme war nicht lauter als das leise Summen der Server.
„Croons, ja, das wird er. Aber Ezamkhias nicht. Und so sehr du dir das wünschst, auch töten wird er dich nicht, sondern bis in alle Ewigkeit in einem Käfig hinter seinem Schiff herziehen."
Spook wusste, dass er gegen den Kapitän nichts in der Hand hatte. Es würde so enden, wie Lukas es sagte. Doch Croons' Tod war wichtiger als sein Leben.
Sein Leben war so wertlos wie die leeren Bierdosen, die zerdrückt und mit Staub überzogen zwischen den Computern lagen.
Lukas sah ihn zweifelnd an, und Spook erwiderte seinen Blick leer. Dann wandte er sich um und rannte aus dem Schiff.
Auf dem Deck schlug ihm der Lärm der unzähligen Wesen entgegen, doch Spook bahnte sich mit Ellenbogen und Knien einen Weg hindurch. Hinter ihm brüllten ihm die Leute Beschimpfungen hinterher, manch einer drohte ihm mit seinen Waffen, jemand hielt ihn fest, doch er machte sich mit einem Tritt und einem gezielten Schlag los und setzte seinen Weg fort. Seine Gedanken sprangen von der Rache an Croons über den verzweifelten Versuch, sich in der Menge nicht zu verirren, zu einem Plan, wie er Danja das Messer abnehmen konnte. Ihn einweihen wollte er nicht. Danja würde ihn nur aufhalten wollen, dachte er mit der Erinnerung an das Gespräch mit Lukas. Vielleicht wusste er wirklich, was Spook war. Er hatte ihm stets nur erzählt, dass Croons seine Frau getötet hatte und dass er nun Rache wollte, dass er nur deswegen mit Danja durch das Universum zog, doch über seine eigenen Pläne mit sich selbst hatte er nie ein Wort verloren. So etwas hätte er niemandem anvertraut, und plötzlich fragte er sich, warum er es Lukas erzählt hatte. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass Lukas ihn kaum von seinen Plänen abhalten würde.
Doch er konnte es nicht riskieren, dass er Croons erneut nicht folgen konnte, nur weil Danja eine andere Vorstellung hatte, was zu tun war.
Sein Herz raste, als er in Danjas Schiff hineinschlich. Lemeska und Azurian waren nirgends zu sehen. Sie wollten die Nebula Umbra erkunden, hatte er mitbekommen, und waren seitdem verschwunden. Danja saß vor dem Holoscreen und sprach mit Jacery. Er wandte sich um, als er seine Schritte hörte, doch fuhr dann mit seinem Gespräch fort.
Spook lauschte ihnen für einen Moment, ohne ein einziges Wort zu verstehen. In seinen Ohren rauschte es. Wieder und wieder flüsterte er sich ein, nun zuzuschlagen, doch Sekunde für Sekunde zog vorbei, ohne dass er einen Finger rühren konnte. Ob Danja ihm verzeihen würde, zuvor nichtig, erschien ihm nun erstaunlich bedeutend.
Er musste, überzeugte er sich. Es war das Übel, das er ertragen musste, um zu erreichen, was er seit über hundert Jahren zu erreichen versuchte.
Danja unterbrach sein Gespräch. „Ghost", begann er, „Jacery wird zu uns auf die Nebula komm..."
Spook zuckte zusammen, und sein Zaudern verschwand. Schnell wie eine Schlange schlug er zu, seine Faust traf den jungen Kopfgeldjäger im Gesicht. Danja schrie überrascht auf und wollte ihn angreifen, doch Spook erstickte seinen überstürzten Angriffsversuch und zielte mit seinem Ellenbogen auf Danjas Nasenbein. Etwas knirschte, Blut floss Danja über den Mund, und er strauchelte einen Schritt rückwärts. Dennoch hob er tapfer die Fäuste, und plötzlich tat er Spook beinahe leid. Zwei letzte Schläge, und Danja fiel. Bevor er auf dem stählernen Boden aufschlagen konnte, griff Spook ihn an den Armen und legte ihn so vorsichtig ab, wie es die Eile erlaubte.
Mit fliegenden Fingern durchsuchte er den Mantel, überflog die Reihen der Messer. Dolche aus Silber, Skalpelle, Klingen, die an Kochmesser erinnerten, Stilette mit filigranen goldenen Verzierungen, ein grober Steindolch, samtige mattschwarze Eisenklingen, die sich stets anfühlten, als wären sie mit schmieriger, körniger Paste bestrichen, alle schimmerten im bläulichen Zwielicht des Holoscreens. Doch schließlich fand er es: Croons' Jagdmesser. Der dunkle Stahl glänzte matt. Mit den dunklen Malen darauf schien es ebenso barbarisch wie Croons selbst.
Jacerys Stimme riss ihn aus seiner blinden Suche. „Was, bitte, sollte das?", wollte sie wissen. Ihre Stimme klang wie Eis auf den Messern in Danjas Mantel.
Spook wirbelte herum, sein Puls hämmerte in seinen Schläfen. Die dunkelhäutige Pilotin starrte ihm entgegen. Ihr Droidenauge schien so glühend blau, dass es ihn beinahe blendete. „Ich hatte schon einen Auftrag", sagte er, seine Stimme klang hohl und tot.
„Der worin bestand? Ihn umzubringen?"
„Nicht ihn", wisperte Spook. „Nicht ihn. Er stand nur jetzt im Weg. Niemals hätte er mir das hier", er hob Croons' Klinge, „gegeben. Es bedeutet mein Verderben. Aber ich brauche es, genau jetzt, in diesem Moment." Wirre Worte, gesprochen, so wie sie ihm in den Kopf sprangen.
„Wofür?", hakte sie nach.
„Um den Auftrag auszuführen, den ich mir gegeben habe." Spook steckte sein Messer in seine Jacke und beendete den Anruf. Danja lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden, das Blut trocknend in seinem Gesicht. „Es tut mir leid", flüsterte Spook. „Leb wohl, Danja. Finde einen besseren Weg als nur Geld." Er hätte ihm helfen können, bemerkte er plötzlich, helfen, einen besseren Weg zu finden, doch nun war es zu spät. Einen anderen Weg als Rache kannte er schon seit langem nicht mehr, und dies war kaum etwas Höheres als Geld.
Die Leute gingen ihm aus dem Weg, als er das Schiff verließ, als hätte er eine Aura der Gewalt an sich. Selbst die Händler, die stets so aufdringlich gewesen waren, riefen ihm keine Angebote hinterher. Doch er nahm keinen von ihnen richtig war. Sie waren nur Gesichter, irgendwelche Flecken aus Farben, die nicht Croons darstellten, dessen Gesicht sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte, genauer als das von Abby, erkannte er in einer Sekunde der Panik.
Doch er schob es beiseite. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen.
Suchend durchstreifte er das Schiff, tausende Gesichter zogen an ihm vorbei, ohne, dass eines von ihnen ihm bekannt vorkam. Der Lärm war nur ein dumpfes Rauschen in seinen Ohren, mal lauter, mal leiser, doch er verstand kein einziges Wort. Er wusste kaum, wie lange er schon durch endlose Gänge und überfüllte Hallen, vorbei an verschlossenen Türen, an denen Schilder Warnungen verkündeten, und an Schlafzimmern, in denen manchmal nur einzelne Wesen saßen, während andere aus allen Nähten barsten. Droiden staksten an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten, während die Maskierten des Kapitäns ihn aufmerksam musterten. Doch egal, wie weit fortgeschritten die Technik war und wie sehr die Rubier daran arbeiteten, noch konnte niemand mit nur einem Blick Gedanken lesen.
Er betrat eine Halle, überfüllt und laut, stinkend nach jeglichen Getränken, die Lukas liebte. Irgendwo spielte Musik, archaisch klingend und schrill, kaum hörbar unter den mitsingenden Gästen. Sein Blick sprang von einem Gesicht zum nächsten, und plötzlich fand er ihn.
Er war ebenso gewaltig, wie Spook ihn in Erinnerung hatte, muskulös und fett zugleich, mit winzigen Augen, die beinahe unter seinen buschigen Augenbrauen verschwanden. Ein kurzer, borstiger Streifen Haar bedeckte die Mitte seines Kopfes, die Seiten waren rasiert. Sein fieses, schmieriges Grinsen enthüllte ekelhafte, gelblich-schwarze Zähne, durchsetzt von Silber, von dem er behauptete, es komme von den Waffen all jener, die er getötet hatte. Seine Stimme dröhnte laut durch die Halle, gab eine Geschichte zu besten, von der Spook wusste, dass sie so nie stattgefunden hatte, gefolgt von einem donnernden Lachen, untermalt von dem Grölen der Männer, die um ihn herum standen.
Spook drängte sich in seine Richtung, Stück für Stück. In diesen Tiefen, in den tiefsten Eingeweiden des Schiffes, wich niemand zurück, auch nicht vor einem Mann, dem seine Absichten auf die Stirn geschrieben schienen. Doch für ihn interessieren taten sie sich auch nicht.
„Adalbast Croons", wollte er rufen, doch kaum ein Flüstern kam über seine Lippen. Er atmete heftig ein, die Luft so dick und schmierig wie Croons selbst, als würde er den ganzen Raum verpesten, und brüllte seine Worte erneut. „Adalbast Croons!"
Croons trank einen Schluck aus seinem Krug, als er sich zu ihm umsah. Als er ihn erkannte, riss er die Augen auf, und die Flüssigkeit lief ihm über das feiste, mit schmierigen Bartstoppeln bedeckten Gesicht. „Du!", brüllte er, und die Männer um ihn herum sahen sich ebenfalls um.
„Ja, ich", sagte Spook kalt.
„Ich dachte, das Syndikat hat dich längst", sagte Croons milde verwundert und wandte sich an seine Kameraden. „Das, meine Freunde ist, nun, ich habe seinen Namen vergessen, aber wir hatten einst eine kleine Meinungsverschiedenheit. Ich denke kaum, dass er zufällig hier ist. Bist du zufällig hier, Junge?"
Spook schüttelte den Kopf. „Ich bin hier, um mich zu rächen."
Croons zog die Augenbrauen zusammen. „Ich glaube, unsere Meinungsverschiedenheit ging ihm etwas näher als mir. Und was möchtest du nun?" Er erhob sich von seinem Stuhl und breitete die Arme aus. Trotz seiner Leibesfülle war er nicht größer als Spook.
„Du hast Abby getötet, also werde ich das gleiche mit dir tun", sagte Spook regungslos. All die peitschenden Gefühle, die in den vergangenen Stunden getobt hatten wie die Sandstürme von Scurm, waren nun verstummt. Kalte Berechnung trat nun an ihre Stelle, ein Plan, wie er Croons töten könnte.
Croons hob die Augenbrauen. „Ach, dir ging es um das Mädchen? Ich hätte nie gedacht, dass es dir so viel bedeutet hat. Verdammt, du bist Spook Asem, nicht wahr? Heiliges Empire, weißt du, wie lange das schon her ist? Komm drüber weg, Mann!" Krachend ließ Croons sich auf seinen Stuhl fallen und leerte seinen Krug. „Mehr!", verlangte er laut, und ein Droide schenkte ihm nach.
Spook trat vier schnelle Schritte auf ihn zu und tastete nach dem Messer, doch einer der Männer um Croons hielt ihn auf. „Bleib stehen, Junge", grunzte er warnend. „Du wirst ihn nicht anrühren, oder du hast ein paar Reducer im Arsch."
Spook hob zu einer Antwort an, doch Croons kam ihm zuvor. „Ich bin nicht deine hässliche Mutter, dass du mich beschützen musst!", rief er. „Er kann mich so oder so nicht töten. Ich bin unsterblich, Mann!"
Spook drängte sich an dem Mann vorbei und zog das Messer. Er hielt es verborgen an seinem Ärmel, so lange, bis er zu Croons gelangt war. Niemand hielt ihn auf. Croons fühlte sich sicher, sicher durch die Gesetze des Kapitäns und die Zeichen auf seinem Rücken. Ein Meter, ein weiterer, dann stürzte er auf Croons zu und wollte ihm das Messer in den Hals rammen, genau über seiner Rüstung, als er sich umwandte. Das Messer traf seinen Oberarm und fraß sich bis zum Heft in sein Fleisch. Blut und Bier spritzten über den Tisch und die Umstehenden.
Der Unsterbliche brüllte vor Schmerz und sprang auf. „Spook Asem!", donnerte er. Sein Lachen ließ die klebrigen Planken erbeben. „Ich kann nicht sterben, und das weißt du!"
„Doch, das kannst du", erwiderte Spook ruhig.
„Oh nein." Croons lachte erneut und zog mit zusammengebissenen Zähnen das Messer aus dem Arm. „Nichts kann mich töten."
„Außer diesem Messer", berichtigte Spook ihn und beobachtete, wie Croons' Schadenfreude einem Funken Angst wich.
Die Male auf dem Messer waren mit Blut verschmiert, doch dennoch zu erkennen. Die Wunde öffnete sich wie ein grausiges Auge, als Croons den Arm beugte, um sie zu betrachten. Blut floss über seine Haut, tropfte auf den Boden und vermischte sich mit all dem Dreck, der dort bereits lag. „Es heilt nicht", bemerkte Croons ungläubig. Wie ein wütender Stier wirbelte er zu Spook herum. „Wo hast du das her?"
„Ich arbeite für das Syndikat", sagte Spook.
„Und wie viel bringe ich, du beschissener kleiner Verräter?", grollte Croons.
Spook sah ihn offen an. „Ich weiß es nicht. Aber vor allem, für mich persönlich, die Erfüllung meines Lebens."
„Sehr schön gesagt", fauchte Croons und zog einen Blaster hervor. Die Mündung flammte rot auf, ein Projektil nach dem anderen traf Spook in die Brust.
Er stolperte einen Schritt zurück, der Schmerz war schreiend rot, als würde Croons' Blaster ihm erneut das Herz entzwei reißen. Wie er es bereits zuvor getan hatte. Er hatte Abby mit der gleichen Waffe erschossen, und auch damals hatte es sich angefühlt, als wäre er derjenige, der die Schüsse bekam. „Ich bin", keuchte Spook, seine Stimme rau und verschwommen durch den Schmerz, „ebenso unsterblich wie du, Croons."
Croons brüllte, noch mehr Blut rann aus seinem Arm, und er hob das Messer. „Und wenn ich dich damit absteche wie die Sau, die du bist?"
„Wird es sehr, sehr weh tun. Aber schlimmer als das, was ich verspürte, als du mir Abby weggenommen hast, wird es kaum sein."
Croons stürzte sich auf ihn, und Spook duckte sich unter ihm weg. Er brauchte das Messer wieder. Croons würde zwar verbluten, wenn er die Wunde lange genug nicht behandeln ließ, doch er könnte auch wieder geheilt werden.
Und das würde Spook nicht zulassen.
Croons schlug nach ihm, seine Hände zu gigantischen Fäusten geballt, das Messer immer noch in einer von ihnen, doch Spook war schneller. Einem nach dem anderen wich er aus, die Augen wie gebannt auf das Messer gerichtet. Er brauchte es.
Dumpfe Schläge regneten auf Spooks Rücken nieder, gefolgt von dem beißenden Schmerz, den Laserfeuer verursachte, doch Spook beachtete sie nicht. Hinter ihm hörte er die klaren Stimmen der Droiden des Kapitäns, die ihm und Croons befahlen, ihren Streit abzubrechen, doch Spook wandte sich nicht um.
Croons dagegen warf einen Blick an Spook vorbei zu ihnen. „Nein, ihr hässlichen Blechdosen. Wir haben hier einen Streit, und wir werden ihn beilegen wie echte Männer. Oder zumindest wie ein echter Mann, der diesem kleinen Verräterschwein..."
Seine Unaufmerksamkeit war Spooks Chance. Er schnellte auf Croons zu, dessen Augen sich weiteten, rot aufblitzend im Licht der Waffen der Droiden. Hastig hob er das Messer und rammte es Spook in die Brust.
Spook stolperte zurück und fiel auf die Knie. Blut füllte seine Lunge, schnürte ihm die Kehle zu, sein Herz schlug so schnell, dass er es in seinem ganzen Körper pulsieren hörte. Ein Schuss traf ihm im Nacken, und der Schmerz schoss wie ein Peitschenschlag durch seinen ganzen Körper. Er hustete, und dunkles Blut floss über seine Lippen. Es schmerzte, so sehr, dass er aufgeben wollte, doch erkonnte nicht. Er musste stark sein und Croons töten. Für Abby, für Abby, für Abby. Er dachte an ihr Lächeln, an ihre Berührungen, wie sie seine unzähligen Narben geküsst hatte, und wie das Leben aus ihr wich, während um sie herum die Leute schrien und Croons höhnisch lachte. So, wie sie es jetzt um ihn taten.
Nur, dass er Schüsse und Messer überleben konnte.
Er grinste freudlos, und wusste, allein an den Reaktionen der Wesen um ihn, wie schrecklich er aussehen musste, mit seinen schwarzen Augen und dem blutigen Gesicht. Seine Haare fielen ihm über die Augen, als er langsam den Kopf schüttelte und sich auf die Füße kämpfte. Croons' triumphierender Ausdruck wich dem Entsetzen, als Spook das Heft des Messers ergriff und langsam aus seiner Brust zog. Schmatzend löste es sich aus dem Fleisch. Der Schmerz nahm zu, und Spook hustete erneut, keuchte auf, bleckte die Zähne und schmeckte Metall. Er spuckte Blut aus und umklammerte den Griff der Klinge. „Du kannst durch dieses Messer sterben, Adalbast Croons", zischte er, seine Stimme klang gurgelnd, die eines Ertrinkenden. „Aber ich nicht."
Er riss seine letzte Kraft an sich und stürzte sich auf Croons, zu schnell, als dass er zurückweichen konnte. Mit voller Wucht rammte er ihm das Messer in den Hals.
Croons wollte nach Luft schnappen und tastete fahrig nach dem Griff, doch nichts außer einem klagenden Wimmern drang über seine Lippen. Blut lief in seine Rüstung und über das beschlagene Leder, und tropfte auf den Boden. Er stolperte rückwärts, als Spook auf ihn zutrat, die Augen aufgerissen und voller Grauen, als wolle er dem Tod doch noch davonlaufen.
Spook riss Croons das Messer aus dem Hals und schnitt ihm mit einem einzigen, schnellen Streich die Kehle durch. Der riesige Mann fiel, sackte in sich zusammen, während ihn sein Leben mit seinem Blut verließ. Seine Augen wurden leer.
„Für Abigail", hustete Spook und spuckte erneut aus. Um ihn herum standen die Leute in einem weiten Kreis, in Schach gehalten von dutzenden Droiden, ihn anstarrend wie ein gefährliches Tier, voller panischer Ungläubigkeit. Er verzog das Gesicht zu einer humorlosen Grimasse voller Blut und Dreck, und fühlte sich plötzlich so leer und müde wie nie zuvor. Seit langem hatte er seine Heilkräfte nicht so sehr beanspruchen müssen, und das sich langsam schließende Loch in seiner Brust pumpte im Takt seines Herzschlages Schmerz durch seinen Körper.
Doch es war ihm gelungen, erkannte er, er hatte Croons getötet. Abby konnte in Frieden ruhen.
Und er nun auch.
Erleichterung flutete durch ihn hindurch, so süß, dass er beinahe zusammengebrochen wäre. Er war frei. Nichts stand mehr zwischen ihm und der Langen Stille. Dennoch fühlte er sich erstaunlich unbefriedigt, als gäbe es noch etwas, was er erledigen musste, bevor er sein eigenes Leben beendete. Immer hatte er geglaubt, dass Adalbast Croons' Tod das letzte war, das ihn noch von seinem eigenen Tod trennte, dass nur noch Croons sterben musste, damit er endlich ruhen konnte. Doch nun fühlte er sich so fern des Todes wie selten zuvor.
Als hätte er sich selbst eingeredet, dass nur sein Rachedurst ihn am Leben hielt. Als wäre er fern genug seines Wunsches gewesen, um Danja ein ums andere Mal auf einen anderen Auftrag zu folgen, anstatt ihm die Messer abzunehmen und allein auf Jagd zu gehen.
Als wäre dies der Grund, warum er nicht auch sein Messer mit sich genommen hatte, als Danja bewusstlos vor ihm lag, und nun sein Messer in die sich schließende Wunde neben seinem Herzen zu stechen.
Verwirrt ließ Spook das Jagdmesser fallen. Der Kreis der Droiden um ihn herum schloss sich langsam, gesichtslose Köpfe starrten ihn an.
Einer von ihnen trat auf ihn zu und legte seine Hände grob in Handschellen, und Spook ließ es geschehen, ohne Widerstand zu leisten. Gemeinsam führten sie ihn ab, durch die endlosen Gänge derNebula Umbra, vorbei an unzähligen Wesen, die ihn und das Blut mit großen Augen anstarrten.
Spook konnte in ihren Augen sehen, was sie dachten. Er hatte eindeutig die strengen Gesetze des Kapitäns gebrochen, er hatte es gewagt, sich den Regeln zu widersetzen. Die berühmten Strafen erwarteten ihn, auf ewig, so wie Schiff und Kapitän ewig waren. Er würde leiden, das wusste er, niemand konnte auf der Nebula Umbra die Gesetze brechen und ungestraft davonkommen. Dennoch hatte er keine Angst.
Was sollte schon geschehen? Der Tod würde ihn nicht erwarten.
~ ~ ~
Writer's Block, schrei vor Angst! Hier kommt die Inspiration! Und mit ihr Spook Asems pathetische Gedanken, oh yeah.
Kapitel 16 steht mittlerweile - ich verschaffe mir einen neuen Vorsprung. Fast fertig geplant ist dieses Buch nun. 25 Kapitel (Abwegig - eigentlich hatte ich von Anfang an 26 Kapitel im Kopf, aber nicht mehr. Warum 26? Frag nicht. Jetzt bin ich fast stolz, bei genau 25 gelandet zu sein). Dann war's das. Und dann mal wieder Hausarbeiten, ein Praktikumsbericht und dann der Bachelor des Todes. Vielleicht schaffe ich es ja, endlich das zweite der Quadrigaon Märchen fertig zu schreiben oder gar mit Solofar Darke zu beginnen oder vielleicht sogar mal Brotherhood zu überarbeiten, for fuck's sake.
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