10. Nebula Umbra (I)
„Ich habe mir mein Herz herausgerissen und ein mechanisches an seine Stelle gesetzt, und es schlägt im Gleichtakt mit den Maschinen."
Der Mann hatte recht gehabt. Die Nebula Umbra wartatsächlich das größte und seltsamste Schiff, das Az je gesehen hatte.
Es war gigantisch groß, mehrere Kilometer lang, und so breit, dass mehr als fünfzig Fighter von dem Typ, den Danja flog, darauf Platz hatten. Es war geformt wie ein Segelschiff der Alten Erde, mit hohen Masten, gekreuzt von ebensolchen Rahen, und einem riesigen Bugspriet, der in den schwarzen Himmel hinausragte. Sensoren blinkten an den Spitzen. Silbern schimmernde Segel, nutzlos, doch dennoch vorhanden, waberten träge um die stählernen Pfähle. Am Heck und am Bug erhoben sich hohe Aufbauten, hinter hohen, schmalen Fenstern glimmte dämmriges Licht. Goldene Lettern verkündeten stolz den Namen des Schiffes, Leinen mit gelben Lichtern daran schwebten hinter ihm her. Az zählte acht Triebwerke allein am Heck, so groß, dass sie den Fighter zu Staub verbrannt hätten, hätte er die orangefarbenglühenden Ströme gekreuzt. Rauch stieg aus Schloten auf, gelblich glühend im Schein der Sonnen von Scurm, doch bei dieser Bestie schien es so, als wäre dies normal und keine fatale Fehlfunktion. Stabilisatoren flammten am Rumpf auf, in einem ständigen Rhythmus, als schien das Schiff zu atmen. Die Außenhülle war dunkelkupferfarben, strahlend golden im Sonnenlicht, beinahe wie Holz, mit stahlgrauen und goldenen Verzierungen. Gelber Staub aus der Atmosphäre von Scurm kräuselte sich um den Rumpf. An den Seiten des Schiffes starrten ihnen unzählige Mündungen von Kanonen entgegen, und trotz des archaischen Aussehens der Nebula Umbra schien es, als könnten sie ohne weiteres einen imperialen Destroyer besiegen.
Az bemerkte, dass ihm, dem erfahrenen Helden des Empire, der Mund offen stand, und schloss ihn rasch. Mit einem schnellen Seitenblick auf die anderen entdeckte er jedoch, dass es ihnen nicht anders ging.
„Darauf sollen wir landen?", vergewisserte Danja sich zweifelnd.
Ghost nickte. „Er hat es gesagt. Das muss die Nebula Umbra sein."
Danja atmete tief durch. „Ich hoffe, er hat recht, und wir finden dort einen Unterschlupf." Besorgt sah er auf die Schirme, die, seit sie aufgebrochen waren, rot blinkten. Die Jäger des Empire waren im Anflug. „Setzt euch. Ich lande."
Az ließ sich auf einer Sitzreihe nieder und bohrte die Krallen in die Zwischenräume. Anschnallen konnte er sich kaum. Im Stillen verfluchte er den Verlust seines Schiffes. Alles wäre so viel einfacher...
Eine Gestalt erschien auf den Holoscreen, das Gesicht unter einem grauen Helm verborgen. Eine mattschwarz glänzende Jacke umhüllte seinen Oberkörper. Abzeichen an seinen Schultern wiesen ihn als einen Offizier aus. „Was ist euer Begehr?", grollte er.
Az verkniff sich ein Lachen. Selbst wenn diese altmodische Sprache zu dem Schiff und der Uniform passte, so war sie dennoch nicht weniger lächerlich.
„Wir suchen Schutz vor dem Empire", sagte Danja.
Der Soldat nickte. „Das Tragen von Waffen ist erlaubt, doch seine Nutzung nicht. Körperliche Gewalt ist strengstens verboten. Sollte die Nebula Umbra während eures Aufenthalts angegriffen werden, so ist es eure Pflicht, sie zu verteidigen, selbst wenn es sich bei den Angreifern um die Organisation handelt, in deren Sold ihr momentan steht. Sollten diese Regeln gebrochen werden, werdet ihr bestraft. Akzeptiert ihr die Bedingungen?"
Danja nickte, und Az sah, wie eingeschüchtert er war, selbst wenn er es zu verbergen versuchte. „Aye, Sir."
Der Maskierte nahm Haltung an. „Seid willkommen auf der Nebula Umbra." Sein Abbild verschwand.
Je näher sie der Nebula Umbra kamen, desto mehr Schiffe konnte Az auf den Decks erkennen. Er sah imperiale Fighter, Schmugglerschiffe, Jäger der Union, und hunderte andere unterschiedliche Gefährte, die nicht einmal er benennen konnte.
Lemeska reckte den Hals, um besser sehen zu können. „Die Union und das Empire, friedlich auf einem Deck. Wie kann das sein?"
Ghost zuckte mit den Schultern. „Manche der Schiffe dort unten sind noch ärger verfeindet als Union und Empire. Und dennoch liegen sie friedlich beieinander." Ein grellrot lackierter Jäger stieg von einem der Decks auf und verschwand in der Nacht. „Die Strafen für das Brechen der Gesetze müssen wirklich... grausam sein."
Lemeska antwortete nicht, ihre Augen glänzten fasziniert.
Das Schiff erzitterte, als sie durch die blass orangefarben glimmende künstliche Schutzatmosphäre stießen, die das Deck der Nebula Umbra umgab, und Danja steuerte einen freien Platz zwischen einem schlanken, blau schimmernden Diplomatenschiff und einem rostigen, verdreckten Frachter an, der den Anschein machte, als hätte er das Schiff seit sehr langer Zeit nicht verlassen.
Sie verließen den Fighter, und der Lärm des Schiffes schlug über ihnen zusammen. Fliegende Händler mit Bauchläden drängten sich zwischen Soldaten, Schmugglern, Piloten und Huren hindurch und boten Essen, zweifelhafte Getränke, bunte Pulver, nutzlose Kleinigkeiten, Kleidung und sogar Waffen und Munition an. Tausende Rassen, Spezies und Kreaturen redeten wirr durcheinander und verschwanden in Strömen unter Deck, durchsetzt von den schwarzgrau gekleideten Maskierten, die das Schiff zu bewachen schienen. Von irgendwoher erklang Musik, zu alt und fremdartig klingend, um elektronisch zu sein. Schiffe starteten und landeten. Laute, betrunkene Gruppen taumelten über die Decks. Über all dem Treiben lag das ferne Grollen der Triebwerke wie ein ewiges Donnern.
Az warf einen Blick nach oben, und blickte in die gähnende Schwärze des Universums, gespickt mit silbernen Sternen. Nichts außer einem feinen Netz aus Energie und Elektrizität trennte ihn von dem erstickenden Vakuum, erkannte er plötzlich, und er spürte, wie seine Eingeweide einen Sprung machten. Vor Aufregung oder vor Unwohlsein, konnte er nicht sagen. Er wandte den Blick ab. „Gehen wir euren Freund suchen", sagte er zu Ghost und Danja.
Gemeinsam drängten sie sich durch das Gewühl, ein Chaos aus Leibern aus Fleisch und Metall. Niemand schien sie zu beachten, eine gefesselte Frau, ein sechsbeiniger Vraguar und zwei Männer, denen ihr Beruf auf die Stirn geschrieben schien. Doch Az erkannte bald, dass sie mitnichten die größten Verbrecher waren. Er sah einen gesuchten Mörder in der Menge, trinkend und scherzend mit ein paar anderen, die Az von Fahndungsplakaten kannte, und einen der bekanntesten Drogendealer, nach dem das Empire schon seit Jahren suchte. In der Nähe sah er einige imperiale Soldaten, die ebenfalls Getränke in der Hand hielten. Einer von ihnen warf der Gruppe Verbrecher seltsame Blicke zu, doch niemand versuchte, jemanden in Gewahrsam zu nehmen.
Die Macht der Nebula Umbra war beachtlich.
Ghosts Freund winkte ihnen freudlos zu, als sie eine der steilen Treppen zu den Achterdecks hinauf erreichten. „Ihr habt mich also gefunden. Leider." Mürrisch kratzte er sich am Bart. Eine haarlose weiße Kobaltkatze saß auf seiner Schulter und bohrte die messerscharfen Krallen in die Lederweste des Mannes. Blaue Streifen schimmerten an ihrem Körper.
Az sah zu, wie Ghost ein Lächeln versuchte und scheiterte. „Danke für deine Hilfe. Ich bin dir was schuldig."
Der Fremde spuckte auf den Boden. „Du bist mir eine ganze Menge schuldig, Ghost. Wer sind deine Freunde?" Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang, voller Ironie, als wüsste er bereits, wer sie waren.
Lemeska winkte mit beiden Händen. „Ich bin Lemeska Jean Bantwell."
Der Fremde bedachte sie mit einem amüsierten Blick. „Schön für dich."
Sie blickte ihn empört an, doch bevor sie etwas sagen konnte, trat Az ihr auf den Fuß. „Sei still."
„Ich mag ihn doch nicht", murmelte sie pikiert.
„Die anderen beiden sind Danja und Azurian", stellte Ghost sie vor.
Er nickte. „Ich bin Fae", sagte er mit deutlichem Widerwillen. „Und ich bedanke mich bei dir, Ghost, dass du mir das Empire und Croons auf den Hals gehetzt hast, und ich mein Versteck verlassen musste."
Danja schnappte nach Luft und starrte Ghost an. Seine Hand fuhr in seinen Mantel, doch Ghost hielt ihn auf. „Lass es", flüsterte er, beinahe flehend. Danja starrte ihn an, doch schwieg.
„Vor was musst ein großer Mann wie du", Lemeskas Stimme klang abfällig, „sich denn verstecken?"
„Vor Croons und dem Empire und einer ganzen Menge anderer Leute", antwortete Fae schnippisch.
Erneut musste Az Lemeskas unhöfliche Antwort unterbrechen. „Reiß dich zusammen, Mädchen", zischte er ihr zu. „Wir haben ganz andere Probleme."
„Was denn für welche?", wollte Fae wissen.
„Das geht dich beim besten Willen nichts an", antwortete Az so freundlich wie möglich.
Fae warf einen skeptischen Blick zu Ghost.
„Wir haben sie auch gefragt, und auch nicht mehr erfahren", sagte Danja etwas niedergeschlagen. Er schien nervös, seine Hände zuckten.
Fae strich seiner Katze über den Kopf, die mit seinen fettigen Haarsträhnen spielte und verschränkte die Arme. „Da wir nun alle in einem Boot sitzen, und wir alle so schnell wie möglich wieder unserer Wege gehen wollen, vor allem ich, der euch alle wieder loswerden will, würde ich nun vorschlagen, dass wir aufhören, uns anzulügen und sagen, was wir wollen." Er grinste, als hätte er etwas unfassbar Witziges gesagt.
„Was geht dich das bitte alles an?", fragte Az. Er wusste nicht, warum, doch Fae war ihm zuwider.
Fae lächelte falsch. „Bevor ihr alle paar Minuten bei mir aufkreuzt und etwas von mir wissen wollt, will ich nun helfen, eure und somit auch meine Probleme zu lösen. Also, sprecht nun. Was wollt ihr?"
„Was willst du?", schoss Lemeska zurück.
„Sicherheit, ein berauschendes Getränk, eine willige Frau und meine Ruhe. Der nächste, bitte."
Danja warf Ghost einen schnellen Blick zu.
Az sah zu ihnen. „Ihr habt uns geholfen. Warum?"
Danja grinste frech. „Weil ihr so offensichtlich in der Scheiße steckt, dass man euch einfach helfen musste. Und sehet da, es hat geholfen. Ihr seid in Sicherheit."
Az verdrehte die Augen. „Hör auf, dich so dumm zu stellen, Danja. Was willst du erreichen? Du bist Kopfgeldjäger und tötest Meriegos. Warum gibst du dich dann mit uns ab?"
Danja zuckte mit den Schultern. „Ich habe beim besten Willen keine Ahnung. Ich habe auf Scurm nach Croons gesucht..."
„Ich hoffe, du findest ihn auch, dann hätte ich eine Sorge weniger", bemerkte Fae.
„...und habe dann euch geholfen. Jetzt bin ich hier und suche ihn einfach weiter, bis ich ihn gefunden habe."
Az sah seinen hohläugigen Begleiter an. „Und du?"
Ghost schien zu überlegen, was er ihm erzählen wollte und was nicht. Ironisch, nach Faes Vorschlag, sie sollten ehrlich zueinander sein. „Ich gehe dorthin, wo Danja ist", sagte er schließlich.
Fae kicherte, doch niemand beachtete ihn.
„Was wollt ihr?", fragte Danja schließlich.
Az bemerkte den schnellen Blick, den Lemeska ihm zuwarf, und wog seine Worte ab. Er könnte lügen. Doch vielleicht konnten diese Männer ihm tatsächlich helfen, und auf diesem Schiff war er sicher. Das Empire konnte ihm hier nichts anhaben. Coarys Worte kamen ihm in den Sinn. Wahrscheinlich würde er es bereuen, egal was er tat. „Wir müssen nach Vetorius. Ich muss sie", er wies auf Lemeska, „ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben." Lemeska schnaubte empört, doch Az überging sie. „Also werde ich wohl oder übel ein Schiff hier auftreiben müssen, mit dem ich dorthin fahre."
„Wir können euch dorthin bringen", schlug Danja vor.
Az sah ihn skeptisch an. „Ich dachte, du musst diesen Croons verfolgen."
„Dachte ich auch", warf Fae ein.
„Croons ist unsterblich", sagte Danja, „und nur ich kann ihn töten. Er wird uns kaum weglaufen. Und falls doch, haben wir einen hilfsbereiten Techniker, der uns mit Freuden zu ihm führen wird."
Fae sah nicht begeistert aus, doch er widersprach nicht. „Und ich dachte schon, ich sei euch tatsächlich los."
„Ich glaube kaum, dass es einfach wird, nach Vetorius zu kommen", warf Lemeska ein. „Wir haben das Empire im Nacken, und nur, weil wir nun hier sind, werden sie kaum die Verfolgung abbrechen. Sobald wir die Nebula Umbra verlassen, schießen sie uns in Fetzen."
„Dann nehmt dieses Schiff", schlug Fae vor.
„Welches Schiff?", hakte Az nach.
Faetippte mit der Stiefelspitze auf den Boden. „Dieses."
„Glaubst du, die Nebula Umbra fährt zufällig an Vetorius vorbei?" Fae war verrückt, dessen war Az sich sicher.
„Bringt sie dazu, an Vetorius vorbeizufahren. Geht zum Kapitän und fragt ihn."
„Wie sollen wir zum Kapitän kommen? Und warum zur Hölle sollte er uns helfen? Wir sind nur eine winzige Gruppe von den Hunderttausenden, die auf diesem Schiff sind. Er wird kaum seinen Kurs ändern, nur weil wir es wollen." Lemeska warf hilflos die Hände in die Luft. „Und könnte mich jemand befreien, bitte?"
„Nein", sagte Az.
Fae lächelte humorlos. „Ich kenne den Kapitän. Er ist nicht mein Freund, aber ich kenne ihn."
„Scheint eine Menge derartiger Bekanntschaften zu geben", murmelte Danja.
Fae überging ihn. „Wenn ihr ihn überzeugen könnt, hilft er euch. Mir fällt jedoch kein Grund ein, warum er es nicht tun sollte, denn wenn er noch derjenige ist, den ich kennengelernt habe, langweilt er sich stets."
„Und wenn er ablehnt?"
„Dann habt ihr wenigstens gefragt. Schaden tut es nie." Fae sah sich um. „Ihr müsst nur einen der Soldaten nach einer Audienz fragen. Sagt ihnen, wer euch schickt."
„Und dein Name soll tatsächlich Türen öffnen?", fragte Lemeskazweifelnd.
„Das tut er, du würdest dich wundern. Vor allem jene zu den Häusern der Weiber." Fae grinste hässlich. „Und nun entschuldigt mich. Ich muss vergessen, was heute passiert ist." Er stieß sich von der Wand ab und verschwand in der Menge.
~ ~ ~
Aus Gründen wie Länge des Kapitels, meiner mangelnden Zeit und meines schwindenden Kapitelvorsprungs wird Nebula Umbra zweigeteilt. Ich bitte förmlichst um Entschuldigung für die entstandenen Schwierigkeiten.
Hochachtungsvoll
TheFlayingNorthman
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