Kapitel 11 - ,,Alles okay?"
,,Hey.", sagt jemand direkt neben mir und erschrocken sehe ich von meinem Schulbuch auf.
Emma steht direkt vor mir. Ich wusste gar nicht, dass ich mit ihr zusammen Bio habe. Sie ist eine von der ruhigeren Sorte, deren Anwesenheit man im Unterricht auch schnell mal vergisst.
,,Hey?", frage ich unsicher, denn ich habe keine Ahnung, warum sie mich so plötzlich vor so vielen Menschen anspricht.
,,Wann beginnen wir mit dem Projekt? Ich habe schon ganz viele Ideen."
,,Ich... uhm... wie wäre es heute nach der Schule?", schlage ich vor, damit die Zeit bis heute Abend, wo ich mich mit Jason treffe, schneller vorbei geht.
,,Ja, das wäre super.", stimmt sie mir zu, ,,Hast du ein Auto?"
,,Nein. Und du?"
,,Nein, normalerweise fahre ich immer mit dem Bus."
,,Wir können zu mir laufen und ich kann meine Tante fragen, ob sie dich dann nach Hause fährt.", biete ich ihr freundlich an.
,,Okay.", sagt sie und nickt mir zu, ,,Treffen wir uns nach dem Unterricht vor dem Eingang?"
,,Ja."
,,Okay."
Dann dreht Emma sich um und geht zurück zu ihrem Platz und ich widme mich wieder den Unterschieden zwischen Mitose und Meiose.
***
Emma und ich sitzen in peinliches Schweigen gehüllt in meinem Zimmer und starren jeweils in unser Schulbuch.
Nach einer Weile, als sie immernoch keinen Ton von sich gegeben hat, unterbreche ich einfach die Stille.
,,1692."
Für einen kurzen Moment schaut das Mädchen neben mir nach oben, bevor sie wieder beharrlich auf die Seite starrt und hastig etwas an den Rand kritzelt.
Frustriert seufze ich und setze mich dann an meinen Schreibtisch und fahre meinen Computer hoch.
,,Wollen wir eine PowerPoint oder so machen?"
,,Okay."
,,Aber wir müssen es auch in Papierform abgeben, oder?"
,,Ja."
,,Gibst du mir auch mal Antworten, die länger als eine Silbe sind?"
Sofort lässt Emma ihren Stift sinken und verkreuzt die Arme vor ihrem Körper, während sie überall hinschaut, aber nur nicht zu mir.
,,Tut mir leid. Ich spreche nicht viel, wenn ich mich unwohl fühle.", flüstert sie.
Sie fühlt sich unwohl in meiner Nähe?
,,Ist es, weil ich schwul bin?", frage ich sie direkt.
,,Nein.", antwortet sie mit ihrer piepsigen Stimme.
,,Und warum dann?", frage ich neugierig.
Plötzlich dreht sie ihren Kopf und schaut mir direkt in die Augen, während sie an dem Saum ihres Pullovers herumfummelt.
,,Es ist, weil du andere nur zum Spaß ärgerst."
Schmerzhaft zieht sich mein Herz zusammen und beteten schaue ich auf den Boden. Ich hasse mich selbst dafür, aber ich bin ein Feigling sodass ich nicht aufhören konnte, als wir einmal angefangen haben.
,,Das wollte ich aber nie."
,,Das macht es aber nicht ungeschehen."
,,Ich weiß."
,,1692?", wechselt sie schließlich das Thema.
,,Da hat in Amerika die Hexenverfolgung begonnen."
,,Bei mir steht, dass das alles mit einer mysteriösen Krankheit angefangen hat, an der einige Kinder in Salem gelitten haben. Sie war so ähnlich wie die Grippe, hatte aber andere Syptome, die die Ärzte nicht so recht deuten konnten. Außerdem hat es so seht weh getan, dass sie sogar geschrien haben und ihre Körper haben sich extrem verkrampft. Die einzige Erklärung, die die Ärzte liefern konnten, war, dass die Krankheit durch einen Hexenzauber ausgelöst wurde."
,,Und deshalb haben sie all die unschuldigen Mädchen umgebracht.", schlussfolgere ich.
,,Ja nachdem sie gefoltert wurden. Sie haben sie zum Beispiel lebendig in Tücher gewickelt und in den Fluss geworfen oder auch gesteinigt. Nur um die häufigsten zu nennen.", wirft sie ein.
,,Sie haben deswegen auch mal einen Hund getötet."
,,Wer kann schon ahnen, wie grausam Menschen sein können?", murmelt sie plötzlich wieder ganz leise.
Ich schon.
,,Manche Menschen bekommen Angst, wenn sie etwas Unbekanntes nicht nachvollziehen können und einige können dadurch ziemlich ausrasten."
Emma sieht mir plötzlich wieder direkt in die Augen und beißt sich auf dir Lippe.
Keiner sagt ein Wort, aber wir beide wissen, dass wir schon längst nicht mehr über die Hexenverfolgung sprechen.
,,Ich denke, für den Anfang reicht es erst einmal.", sagt sie dann, klappt ihr Buch zu und packt ihre Sachen zusammen, ,,Ich würde sagen, ich beginne schon mal mit den Papierkram, während du die PowerPoint vorbereitest?"
,,Klingt gut.", stimme ich zu und begleite sie zur Haustür, ,,Schreib mir, wenn du Hilfe brauchst."
,,Okay."
Und dann schlüpft sie zur Tür hinaus und läuft nach Hause, weil sie nicht von meiner Tante gefahren werden wollte.
***
Glücklicherweise befindet sich genau unter dem Fenster meines Zimmers ein kleines Dach, welches mein Gewicht hält und direkt davor steht ein Baum, der dicke Äste zum Klettern hat.
Ich trage einen Wintermantel und eine dicke Mütze, obwohl der Wetterbericht gesagt hat, dass die Nächte langsam immer wärmer werden.
Er hat recht behalten, denn als ich draußen bin, schlägt mir eine im Vergleich zu den letzten Tagen angenehme Luft entgegen und der Himmel ist sternenklar. Selbst der Mond leuchtet heute so hell, dass die Straßenlaternen eigentlich überflüssig sind.
Am Park angekommen schaue ich auf mein Handy, um die Zeit zu checken, denn ich möchte auf gar keinen Fall zu spät zu unserem Treffen kommen.
Und außerdem möchte ich Jason nicht warten lassen.
Das einzige, was ich höre, sind meine leisen Schritte und ich bin so darauf konzentriert, dass ich erst wieder in der Realität lande, als ich auf dem Hügel stehe und ich in zwei wunderschöne blaue Augen schaue.
,,Hi.", hauche ich atemlos in die Nacht und Jason lächelt mich erfreut an.
,,Hey."
Der hübsche Junge lässt sich im Gras nieder und ohne zu zögern setze ich mich neben ihm.
In angenehmen Schweigen gehüllt sitzen wir nebeneinander und starren unter uns auf die Stadt beziehungsweise auf den Horizont, wo die Sterne hell und klar funkeln.
Nach einer Weile legt sich Jason auf den Rücken und starrt hinauf in den Himmel und wieder tue ich es ihm gleich.
Gedankenverloren starre ich hinauf in die unendliche Weite über uns und erkenne den Orion, den großen und den kleinen Wagen. Und ganz hinten sehe ich auch den Polarstern.
Aber auf alles, was ich mich konzentrieren kann, ist der gutaussehende Junge neben mir.
Zentimeterweise schiebe ich meine Hand hinüber und als sich unsere Finger berühren, macht er keine Anstalten seine Hand wezuziehen, was ich als Zeichen nehme, weiterzumachen.
Langsam berühre ich seinen Handrücken und fahre dort seine Adern nach, bevor ich unsere Finger ineinander verflechte, sodass wir nun händchenhaltend auf der Wiese liegen.
Und erneut zieht er seine Hand nicht weg.
Langsam schließe ich meine Augen und atme tief den Duft des herannahenden Frühlings ein, der sich mit dem Duft von Jasons Parfum mischt.
Wie schafft er es, dass ich mich immer in seiner Nähe wohlfühle?
,,Erinnerst du dich noch daran, als wir das gemacht haben?", unterbricht er dann die Stille und als er seine Finger leicht bewegt, fühlt sich mein Körper an, als würde er unter Strom stehen.
,,Wie könnte ich das jemals vergessen?"
,,Weil sich vieles verändert hat.", antwortet er mir sanft.
,,Nicht wirklich.", halte ich dagegen und drehe meinen Kopf so, dass ich ihn anschaue, nur um zu sehen, dass er mich ebenfalls anguckt, ,,Meine Liebe für dich hat sich nicht geändert."
Jason seufzt und schaut wieder in den Himmel. Auf mich wirkt er gerade so, als ob er sich gerade in einem inneren Konflikt befindet.
Ruhig beobachte ich jede Regung seiner Gesichtszüge, damit ich vielleicht ein paar Informationen bekomme, aber er alles andere als ein offenes Buch.
Plötzlich steht er auf und beugt sich zu mir herunter und im nächsten Moment liegen seine Lippen auch schon auf meinen und seine Zunge schiebt sich in meinen Mund.
Entspannt schließe ich die Augen und genieße das schöne Gefühl von Jasons Lippen auf meinen. Dann greife ich in sein rabenschwarzes, weiches Haar um ihn noch näher an mich zu ziehen, sodass kein Blatt mehr zwischen uns passt.
Plötzlich stöhnt Jason in den Kuss und das finde ich mehr als erregend, sodass ich ebenfalls ähnliche Laute von mir gebe.
Daraufhin drückt Jason mich nach hinten, sodass ich wieder mit dem Rücken im Gras liege und sein warmer Körper auf mir liegt. Seine Hände erkunden erst mein Haar und dann meine Seiten, bis er an meinem Hüftknochen ankommt und mich ein kleiner Hauch von Panik überkommt.
,,Jace.", hauche ich atemlos zwischen zwei Küssen und drücke ihn ein wenig von mir weg, damit ich ihn anschauen kann.
,,Alles okay?", fragt er mich besorgt und ich drehe uns herum, sodass ich nun oben liege und ein Stück Kontrolle wieder erlange.
,,Jetzt ja.", flüstere ich und dann küsse ich ihn erneut.
***
Wenn ihr überall hin reisen könntet, wo würdet ihr hinwollen und warum?
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