XII. Entscheidungen
»Inakzeptabel!«
Er schlug mit seiner Faust auf seinen Schreibtisch, was alles, was darauf stand, wackeln ließ und die beiden anderen Anwesenden sahen unwohl in seinem Büro herum, um seinem schneidenden Blick zu entgehen.
»Ihre Aktion war absolut inakzeptabel!«, brüllte Frederick Abberline erneut und die Zornesfalte auf seiner Stirn wurde mit jeder Minute tiefer. »Haben Sie beide auch nur die leiseste Ahnung davon, was das für mich bedeutet? Brandstiftung ist eine höchst ernste Angelegenheit und nur weil Sie beide«, er richtete drohend seinen Zeigefinger auf die Beiden, »eine Ablenkung brauchten, können Sie nicht einfach ein ganzes Haus bis auf die Grundmauern niederbrennen!«
Lillian betrachtete die ausgetretenen Dielen, als wären sie die Krönung aller Bodenbeläge und Jacob sah, sich unauffällig räuspernd, an die Decke und schien die alte Lampe -die leicht schief hing- für eine unendliche Quelle an Interesse zu halten. Frederick starrte die Beiden wutverzerrt an, als wären sie seine Kinder, die etwas angestellt hätten - Und er musste sich selbst eingestehen, manchmal fühlte es sich auch -weiß Gott- so an.
Schließlich erhob Lilly etwas zaghaft ihre Stimme, da Abberline vor Wut beinahe überschäumte. »Es war keine Ablenkung, Frederick, es... war mehr etwas Persönliches.«
Jetzt lachte er zornig auf, schlug erneut auf den Tisch, sodass die kleine Lampe wackelte und fast vom Tisch gefallen wäre, hätte Jacob sie nicht aufgefangen. »Etwas Persönliches?! Das ist ja noch schöner! Sie haben ein Haus abgefackelt; einfach mal so, weil Ihnen danach war?«
»Freddy«, Frye stellte die Lampe wieder auf ihren Platz. »Ich versichere Ihnen wir hatten überaus gute Gründe für diese... Aktion.«
»Ach, hatten Sie die?« Abberline hob argwöhnisch eine Augenbraue und stützte sich auf seinem Schreibtisch auf. Jacob nickte, aber auf die Aufforderung hin, Frederick diese zu erläutern, schwieg er mit einem kurzen Blick zu Lillian hin. Er würde nichts sagen, nicht wenn sie es nicht wollte. Immerhin war es an Lillian gerichtet gewesen -die Szene im Thatcher-Haus- und damit auch ihre Entscheidung, wie sie damit verfuhr.
Der Polizeichef jedoch, hatte Jacob's Blick bemerkt und schielte nun ebenfalls zu der jungen Frau hinüber, die etwas abwesend vor ihm saß und sich höchst unwohl zu fühlen schien. »Miss Flores? Ich wüsste gern was Sie zu Ihrer Eskapade zu sagen haben.«
Lillian jedoch schüttelte ihren Kopf. »Wenn ich Ihnen die Details erzähle, Frederick, würden Sie nachts nicht mehr ruhig schlafen können; aber Sie haben Recht, mein Verhalten war unverantwortlich und vorschnell und genau deswegen, weil Sie nun die Folgen meines Handelns ausbaden müssen, haben Sie ein Recht darauf, zu wissen wieso ich so handelte.« Jacob dachte er hätte sich verhört. Kamen diese Worte eben wirklich von Lillian Flores? Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht...
Abberline jedoch, schien von ihrer Aussage angenehm beeinflusst; er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und deutete ihr -um einiges gelassener- fortzufahren. Sie hatte ihre Beine übereinander geschlagen und spielte mit einer Knallquecksilberbombe, die Aleck Bell ihr heute morgen stolz wie ein Vater präsentiert hatte; als sein Neuzugang im Punkte Ausrüstung.
»Der Ripper hat Patricia Thatcher so grauenvoll ermordet, wie sonst noch nie. Dazu, hat er mir offen gedroht und ich war... emotional aufgewühlt. Deswegen konnte ich keine vernünftige Entscheidung treffen und habe entschieden, dass kein Mensch diese Art von passionierter Grausamkeit jemals zu Gesicht bekommen sollte. Also fiel mir im Moment nichts Besseres ein, als es am Schnellsten zu beseitigen. Es tut mir aufrichtig leid, Frederick, wenn ich Ihnen mit meiner Attitude Probleme gemacht habe.« sie sah ihn mit großen Augen an und Jacob sah, wie Frederick Abberline, Polizeichef von London, förmlich dahinschmolz und Lillian's Charme willenlos unterlag. »Und noch etwas«, sie sah kurz zu Jacob, »Jacob hatte nichts damit zu tun, das versichere ich Ihnen, also sein Sie nicht wütend auf ihn, Frederick. Bitte.«
Nun war es endgültig um Abberline geschehen; seine Wut war wie verflogen und er seufzte geschlagen auf. »Nun ja... also wenn das so ist... ich hoffe Sie haben sich inzwischen von diesem Schock erholt, Miss Flores. Ich werde sehen was sich da machen lässt. Und jetzt verschwinden Sie und klären dieses verdammte Mysterium namens Jack the Ripper auf.«
»«
»Wie machst du das?« kaum hatten die Beiden das Police Department verlassen, machte Jacob seiner Verwunderung Luft. Lillian jedoch winkte lediglich geschmeichelt ab. »Ach, ist doch nichts Großes. Ein bisschen Charme hier, ein paar Lügen und unschuldige Augen da... die Nummer funktioniert bei Frederick immer.«
Er hielt sie an ihrer Hand fest, sodass sie sofort stehen blieb und zu ihm sah. »Du hättest nicht alles auf dich nehmen müssen, ich war da genauso dran beteiligt wie du auch Lil'.«
Ein leichtes Lächeln zierte ihre Lippen, als sie zu ihm sah. »Was tut man nicht alles für Menschen die man mag.«
Ein verschmitztes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Sieh an, du gibst also zu dass du mich immer noch magst... Interessant.«
Lillian rollte ihre Augen, hielt das Lächeln zurück, welches drohte Oberhand zu gewinnen. »Bilde dir bloß nicht zu viel darauf ein, Frye. Und jetzt komm, wir haben viel zu tun.«
Jacob jedoch, schien das nicht wirklich zu beeindrucken. »Du magst mich!«, rief er neckend, sodass einige der Passanten den Beiden schräge Blicke zuwarfen und Lillian rot anlief, als er sich immer wieder wiederholte und sie am Liebsten im Boden versunken wäre.
»«
»Hast du Maisie den Brief schon gegeben?«
»Sie hat ihn noch heute abgeschickt.«
»Und was ist wegen der Sache mit Patricia? Wie geht es jetzt weiter? Wir haben sonst nichts.« Jacob lag entspannt auf einem Sofa vor dem Kamin in Lillian's Wohnung, blätterte durch ihre Notizen, während sie auf einem wackeligen Stapel Bücher saß und nachdenklich in die Flammen starrte, während sie mit ihrem Jadekukri spielte. Ein Wunder, dass sie sich noch keinen einzigen Schnitt zugefügt hatte, so abgelenkt wie sie wirkte.
Trotz dass diese... Sache... mit Patricia Thatcher schon fast eine Woche zurück lag, ließ es Lillian noch immer nicht los; was jedoch normal war, wenn ein Mensch, der einem nicht völlig egal war, so übel zugerichtet wurde und es auch noch die eigene Schuld war. Aber sie kam damit zurecht, gerade genug. Sie war nie ein besonders emotionaler Mensch gewesen, aber dennoch hatte sie ihre Momente und bei bestimmten Menschen hatte sie ihre Achillesferse.
»Wir brauchen auch nicht mehr, als wir schon haben.« sie stand auf und ging zu der Wand hinüber, an der sie die ganzen wichtigen Notizen und Verbindungen, in einem Spinnennetzähnlichen Schema, an die Wand gehängt hatten. Sie deutete auf eine kleine Ansammlung an Papieren. »Patricia hat mir alles geliefert, was wir brauchen; wir haben Lady Owers, Lord Peacock und eine gewisse Nelly.«
Jacob verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. »Nelly?«
»Eine von Patricia's Freundinnen und eine Informantin der Assassinen - kennst du sie?«
Er schüttelte seinen Kopf und Lillian fuhr fort. »Also, von Nelly erfahren wir vielleicht mehr über Owers und Peacock und mit diesem Wissen -welches wir dann hoffentlich haben- können wir den Ripper dann aus seinem Loch locken.«
»Ahm, nur dass ich's richtig verstehe Lil'«, Jacob deutete mit dem Zeigefinger auf sie, »du willst einen von den Beiden umnieten um den Ripper so richtig schön sauer zu machen, damit er dann noch mehr hinter dir her ist?«
Sie seufzte resigniert auf und ließ sich neben ihn fallen, sodass er keine Sekunde später seinen Kopf in ihren Schoß legte. »Ich würde es nicht als umnieten bezeichnen... eher als umlegen. Er hat mir ein Geschenk da gelassen - ich schicke ihm eines zurück. Und er wird mir nichts tun.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?« er sah besorgt zu ihr, was sie in irgendeiner Weise vermisst hatte.
»Er ist besessen von mir, aus irgendeinem kranken Grund fasziniere ich ihn - bei so einem Menschen kann man ja nicht von Liebe sprechen- und er wird mich weder töten, noch mich irgendwie verletzten.«
Hoffe ich, fügte sie in Gedanken hinzu.
Er seufzte auf und legte eine Hand an ihre Wange. »Ich will nur nicht, dass dir irgendetwas zustößt, Lillian...«
Sie nahm seine Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Ich weiß.«
Lilly fühlte sich im hintersten Teil ihres Herzens grauenvoll. Nicht, dass sie ein schlechtes Gewissen wegen Jonathan hatte, sondern aus dem Grund, dass sie eben kein schlechtes Gewissen hatte. Und zum ersten Mal begann sie, ihre Liebe zu Jonathan McCroy in Frage zu stellen.
Es gab immer nur ihn für sie; aber auch wirklich deswegen, weil sie ihn auf ewig liebte und niemand anderen außer ihn brauchte? Oder deswegen, weil sie niemanden anders mehr hatte, der ihr so nahe stand. Und liebte sie ihn wirklich, wenn sie eben dies überhaupt in Frage stellte? Ihre Familie war tot. Ihre Schwester Maisie würde dies -so schrecklich der bloße Gedanke auch war- wahrscheinlich auch bald sein. Evie und Henry waren in Indien, meilenweit entfernt und Jacob war... mitunter das Problem.
Sie schob ihre Gedanken beiseite, dafür war im Moment kein Platz. Sie musste sich auf den Auftrag konzentrieren. Draußen regnete und stürmte es wie schon lang nicht mehr, die Nacht war erleuchtet von Blitzen und erfüllt von Pferdewiehren, die Tiere fürchteten sich genauso vor dem Wetter, wie einige Menschen, die sich jetzt, zu dieser späten Stunde kurz vor Mitternacht, alle in ihren warmen und trockenen Häusern verkrochen. Sie war aufgestanden und fuhr sich durch ihre Haare, die sich schon längst aus der Flechtfrisur gelöst hatten. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und war sich sicher, dass sie eben diese bitter bereuen würde. Doch das war ihr nicht wichtig.
Ohne Worte lief sie auf Jacob zu, der bis eben noch nachdenklich in die Flammen gestarrt hatte, beugte sich zu ihn herunter und küsste ihn so plötzlich, dass er für einen Moment lediglich mit geweiteten Augen dasitzen konnte.
Doch die anfängliche Verwunderung verflog genauso schnell wie sie gekommen war, als er sie mit einer Hand auf ihrer Hüfte zu sich zog und eine Hand in ihren Haaren vergrub; sie seufzte leise auf, nahm sein Gesicht in ihre Hände und vertiefte den innigen Kuss, sodass er sich nach hinten sinken ließ und Lillian unabsichtlich mit sich zog. Mit einem überraschten Laut zog sie kurz Luft ein, bevor Jacob sie wieder in einen leidenschaftlichen Kuss zog und sie sich darin verlor.
So sehr sie auch daran glaubte, dass sie ihre Entscheidung bereuen würde, sie konnte nicht daran festhalten; beachtete diese Tatsache nicht mehr. Sie hatte sich entschieden, das zwar nicht unbedingt gut, wenn man es rational betrachtete, aber es fühlte sich richtig an.
Lilly lächelte in einen langen Kuss hinein, als sie feststellte, dass die Liebe für Jacob Frye sie niemals verlassen hatte und nun nur noch mehr präsent war. Er unterbrach den Kuss lediglich für einige Sekunden, legte eine Hand auf ihre leicht gerötete Wange und sah in ihre Augen, die für ihn wie ein offenes Buch waren. Doch als er das Lächeln auf ihren Lippen bemerkte, konnte er nicht anders als es zu erwidern, denn er wusste dass sie ihn immer noch liebte. Keine Sekunde später lagen ihre Lippen wieder auf seinen, die Küsse rauer als vorher, fast schon verlangend.
»Du weißt noch dass ich dich liebe?«, fragte er atemlos.
Sie nickte viel zu schnell als gut für sie war.
»Ich hab's nie angezweifelt.«
Die Nachforschungen, Planungen für weiteres Vorgehen waren völlig vergessen, alles was für Jacob und Lillian im Moment wichtig war, war der Moment; der Moment, in dem sie ihm alles vergeben und er alles vergessen hatte.
»Wir sollten das nicht tun, was wenn-«, er unterbrach sie mit einem weiteren intensiven Kuss, »wenn der Ripper auf dem Weg ist um uns beide hier und jetzt zu töten?«
»Berufsrisiko«, erwiderte er schlicht.
»Oder wenn... wenn-« er rollte spielerisch seine Augen, als er ihren Gesichtsausdruck sah; sie sah irgendwie ziemlich durch den Wind aus und irgendwie erfüllte es Jacob mit einem gewissen Maß an Stolz, dass sie seinetwegen so aussah.
»Was soll schon passieren? Denkst du der Ripper wird vorher höflich anklopfen?«
Es klopfte.
Lillian setzte sich sofort gerade hin und starrte zur Tür, dann zu Jacob. »Was hast du eben gesagt?«
Er biss sich auf die Unterlippe und zuckte seine Schultern, als die Beiden leise aufsprangen, Lilly ihr Kukri und Jacob seinen Stockdolch zog und sich lautlos an der Tür postierten. »Instinkt.«
Sie hob lediglich eine Augenbraue, bevor sie langsam eine Hand an die Türklinke legte und diese, mit einem Blick zu Jacob, plötzlich aufriss.
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Ja es ist ein bisschen her aber hey, dafür ist dieses Kapitel ziemlich romantisch geworden😌 na ja, zumindest etwas...
Schreibt mir eure Meinung und sonst bis bald!
~May&Bae
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