m. meyer
„you give me purpose"
Max POV
25.01.21, Gelsenkirchen
Etwas verloren blickte ich um mich herum und suchte nach irgendetwas, irgendwem, der mir etwas Halt in diesem ganzen Chaos gab.
Die Menschen strömten an mir vorbei, hielten ihre Becher und Gläser in die Luft stießen an, auf das gewonnene Kartenspiel, den Zehner im Lotto und vermutlich auch auf den größten Rülpser der Gruppe.
Ich stand abseits in der Ecke, eingeschüchtert und noch immer mit meinem ersten Bier, dass ich noch nicht einmal probiert hatte. Man hatte mir nicht glauben wollen, als ich gesagt hatte, dass ich nichts trinken wollte.
Unerhört.
Ein Fußballer der nicht trank.
Man hatte mir nicht geglaubt und mir trotzdem einen Pappbecher in die Hand gedrückt.
Jetzt stand ich hier und wusste nicht so recht, wohin mit mir.
Das alles war nicht meine Welt.
Noch nie gewesen.
Ich war aus Deutschland mehr oder minder verbannt worden, noch bevor es meine Welt hätte werden können.
Und jetzt stand ich hier praktisch reingeworfen und eine Hausparty für die ich scheinbar wieder gut genug war und das einzige was ich denken konnte, war: ich will wieder nach Hause.
Wie viel hätte ich vor zwei Jahren noch dafür gegeben auf so einer Party sein zu dürfen?
England hatte mir wirklich die Jugend ausgetrieben.
Endlich.
„Jo Max, alles gut bei dir?", mein ehemals enger Kumpel Justus trat auf mich zu. Definitiv angeschwipst und vermutlich auch viel mehr als das.
Sein breiter Körper stemmte sich vor mir auf, er grinste mich dümmlich an und zog sich dann die Kappe zurück, dass er aussah wie ein kleiner Junge. Unbeeindruckt musterte ich ihn.
„Hier, wait, ich muss dir wen vorstellen.
Vermutlich hast du sie nach deiner Rückkehr noch gar nicht gesehen!"
Ohne, dass ich wirklich die Chance hatte dagegen etwas zu sagen, warf er mir seinen Arm um die Schultern und zerrte mich durch das gefüllte Wohnzimmer seiner Hausparty. Die Gäste tanzten mittlerweile auf den Tischen und Sofas, Fensterbänken und Regalen. Es war ein riesiges Chaos, in welchem ich mich absolut nicht wohl fühlte.
Ich wollte endlich nach Hause.
„Hier"
Justus schob mich voran in einen abgetrennten Raum, in welchem ein großer Tischtennis-Tisch stand, welcher von einigen Männern belagert wurde. Ich hatte eine leise Vorahnung in welche Gesellschaft Justus mich gebracht hatte und diese Vorahnung wurde nur bestätigt, als ich zögerlich meinen Kopf hob und Leon, Joshua und Serge entgegenblickte, die ich gerade beim Tischtennis spielen unterbrochen hatte.
Unsicher blieb ich im Türrahmen stehen und sah zu ihnen. Ich wartete auf die Reaktion meines Körpers auf unser Wiedersehen, aber sie blieb aus. Ich fühlte einfach nichts.
Gleichgültigkeit war das einzige Gefühl, was ich ausmachen konnte.
„H... hey", hörte ich Leon zögerlich wispern und er hob genauso unsicher seine Hand zu einem Winker. Innerlich lachte ich über diese jämmerliche Geste, nickte ihm dann aber grüßend zu.
„Hey"
Sofort trat wieder eine Stille ein, die ich nicht wusste zu überbrücken, da ich meinen ehemaligen Freunden nichts mehr zu sagen hatte.
„Joa", murmelte ich dann: „Ich geh dann mal!"
Wie ich es erwartet hatte, hielt mich keiner von ihnen auf, aber auch das störte mich, erstaunlicherweise, nicht sonderlich.
Wobei, vielleicht war es nicht so erstaunlich. Schließlich predigte ich so lange davon, dass ich Schalke und Deutschland endlich überwunden hatte.
Ich hatte plausible Gründe.
Andere Meilensteine....
München, 27.02.21 (FCBM vs. 1. FC Köln)
„Gutes Spiel, Max!", klopfte mir Jonas auf die Schulter, als ich gerade meine Sporttasche auf den Rücken warf. Ich blickte über meine Schulter und lächelte ihm dankend zu.
„Gleichfalls!", fügte ich noch bei und zauberte ihm dadurch auch ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen. Wir hatten zwar nicht gewonnen, aber uns war klar gewesen, dass es gegen Bayern schwer werden würde. Mit dem Unentschieden waren wir mehr als zufrieden. Dieser eine Punkt war wertvoll für uns.
Ich betrat die Mixzone der Allianz-Arena, alleine, da ich nicht mit der Mannschaft zurückfliegen würde. Ich hatte die kommenden zwei Tage frei und wollte sie anderweitig genießen.
„Max!", hörte ich dann auf einmal eine markante Stimme, die ich auch noch nach Jahren filtern konnte. Abrupt blieb ich stehen und sah interessiert über meine andere Schulter.
Aus dem Gang, der zur bayrischen Kabine führte, trat gerade Leon heraus, der sich noch den Pullover lang zog. Auf dem Fersen waren ihm Joshua, Serge und Leroy. Alle stierten mich an, als sei ich eine Attraktion in einem Museum, sodass ich mich recht schnell unwohl fühlte.
„Hey", ergriff Leroy dann das Wort.
„Hey", erwiderte ich kühl und distanziert, versuchte zeitgleich aber auch nicht beleidigt zu wirken.
Die Gruppe steuerte in meine Richtung und blieb dann einen knappen Meter vor mir stehen.
„Ähm, wie geht's so?", fragte Serge. Man merkte ihnen an, wie unangenehm ihnen die Situation war. Entweder rieben sie sich die Hände, wie Leon und Joshua oder sie kratzten sich am Kopf, wie Leroy und Serge.
Ich hingegen stand gelassen vor ihnen.
Die Reaktion meines Körpers blieb wieder einmal aus.
„Hast du... ufff, hast du vielleicht Zeit? Damit wir reden? Ich glaube, wir haben einiges zu besprechen?"
Haben wir das noch?
Joshuas Frage wiederholte sich wie ein Echo in meinem Ohr und am liebsten würde ich verneinen, nicht, weil ich keine Lust auf ein Gespräch mit ihnen hatte, sondern, weil ein viel schönerer Ort auf mich wartete. Aber ich wollte keinen unnötigen Streit provozieren. England hatte mich fußballerisch vielleicht nicht viel gelehrt, menschlich dafür umso mehr.
Ich war reifer. Reif genug, um zu wissen, dass man die Chance ergreifen musste, wenn man Streitereien klären konnte.
„Ähm...", ich blickte mich um, als würde um mich herum eine Aufgabe warten, überlegte kurz, dann nickte ich.
„Klar"
„Perfekt, wollen wir dann... ehem hoch? In die Lounge vielleicht? Da kriegen wir auch was zu trinken und Leon kann essen!", Leroy ließ ein verzweifeltes Lachen aus und boxte Leon in die Rippen, der daraufhin dramatisch aufkeuchte.
Ich beobachtete das Schauspiel vor mir eine Zeit lang, ehe ich meine Augenbraue hochzog und darauf wartete, dass wirklich etwas witziges geschah und nicht das Amateur Hollywood, um der unangenehmen Situation zu entgehen.
„Lasst uns dann hoch!", murmelte Serge und zeigte durch die Decke. Wieder nickte ich und folgte der Gruppe dann durch ihr Heimstadion, wahrte allerdings sicheren Abstand, dass jedem, der uns passierte, klar war, dass ich kein fester Bestandteil der Gruppe war.
Ich wollte kein fester Bestandteil der Gruppe sein.
Nicht mehr.
Wir betraten die luxuriöse Cafeteria im Loungebereich, in welcher sich einige Reporter sammelten und schon ihre kommenden Artikel besprachen, irgendwo sah ich einige Angestellte des FC Bayern München herumirren und vermutlich war hier auch jemand aus meinem Verein gestrandet.
Wir suchten uns ein ruhiges Fleckchen in einer Ecke, wurden direkt von einer sympathischen jungen Kellnerin belagert, die nervös die Bestellungen aufnahm. In der Tat war Leon der einzige, der sich schon jetzt etwas zu essen bestellte.
Manche Sachen änderten sich wohl nie.
Ich lehnte mich auf dem roten Sofa zurück und sah auffordernd zu Leroy, Joshua, Serge und Leon, die mir gegenüber saßen und sich allesamt auf eine Couch gequetscht hatten, als würden sie sich Sorgen machen, dass ich sie befallen würde.
Ein Drama um nichts.
„Also?", wollte ich dann wissen.
„Ich glaube, wir sind dir eine Entschuldigung schuldig!", begann Serge dann und raufte sich die Locken.
„Eine große sogar!", unterstrich Leroy.
Jetzt noch?
Ich zweifelte nicht an der Wahrheit in ihren Worten, sie leuchtete in ihren Augen, aber sie berührte mich nicht. Sie war mir so vollkommen egal, dass ich mich selbst überraschte. Kein Zucken entlockte sie mir, keine Emotion.
„Nicht mehr", murmelte ich dann nur gleichgültig.
„Wie... wie nicht mehr? Bist du denn gar nicht sauer?", stutzte Joshua, doch ich hatte lediglich die selbe Antwort für sie parat.
„Nicht mehr!"
Ich wollte gerade ausholen, um die Aussage auszuschmücken, als mein Handy auf einmal in meiner HoseTasche vibrierte.
Sofort flippte ich es heraus und entdeckte die Nummer meiner Mutter auf dem Display.
„Entschuldigt mich kurz", murmelte ich und merkte wieder einmal, wie erwachsenen ich dich geworden war.
Entschuldigt mich mal, der alte Max hätte sorry gesagt. Aber ich war eben nicht mehr der alte Max.
Ich stellte mich in eine Ecke und nahm den Anruf meiner Mutter an, achtete darauf genügend Abstand zu der kleinen Gruppe zu haben, denn es gab keinen Grund sie in mein Privatleben zu lassen. Sie hatten es einmal freiwillig verlassen und ich würde sie kein zweites Mal freiwillig hineinbitten.
„Mama?", fragte ich und hörte schwere Atemzüge an der anderen Seite.
„Ja Max hey", keuchte sie außer Atem....
„Alles geklärt?", fragte Leon mit einem freundschaftlichen Unterton, als sei ich noch immer sein bester Freund. Einen Titel, den ich ihm schon vor Ewigkeiten abgesprochen hatte und der ihm auch nie wieder zustehen würde.
„Naja ehem", ich biss mir auf die Unterlippe und überlegte, wie ich die Überraschung möglichst klein halten konnte, aber da hatte ich die Planung ohne meine Mutter gemacht.
Diese stürmte gerade durch die gläserne Doppeltür, mit Alba in ihrem Arm, die laut anfing zu quieken, als sie mich erblickte.
„Daddy, Daddy", jubelte sie und warf ihre Hände in die Luft, versuchte sich zeitgleich von ihrer Oma wegzudrücken, die Mühe hatte das kleine Biest zu halten.
„Sie wollte die ganze Zeit zu dir!", ließ mich meine Mutter wissen, als sie vor mir zum stehen kam und erst einmal durchschnaufte.
Albas grüne Augen funkelten mich verspielt an, zogen mich in ihren Bann und auf einmal war mir wieder alles egal. Es gab nur meine Tochter, das kleine Bündel in den Armen meiner Mutter, dass einst Licht in meine dunkle Welt brachte.
Sie hatte mit Leichtigkeit das Licht eingeschaltet, mir Hoffnung und Klarheit geschenkt, dass ich mich bis heute fragte, wie blind ich gewesen sein muss.
Sie hatte mir neue Prioritäten aufgezeigt und mir bewiesen, dass Fußball nicht alles war.
Streng genommen war es nichts.
Nur ein Hobby, nur ein Beruf.
Mein alles hob ich gerade in meine Arme.
„Wo ist denn Abby?", hakte ich bei meiner Mutter nach, die mir gerade den Schnuller meiner Tochter in die Hosentasche schob und mir die Babytasche reichte.
„Sie musste noch etwas wegen dem Hotel besprechen und hat mir Alba gegeben, aber mein Wagen wird abgeschleppt, dementsprechend habe ich keine Zeit!"
Meine Mutter knirschte mir den Zähnen, was Alba zum Lachen brachte und mir dementsprechend auch ein Grinsen entlockte.
Ich klopfte auf ihren schmalen Rücken.
„Okay alles gut, kümmere dich um den Wagen!", versicherte ich meiner Mutter und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Tschüss Oma!", rief Alba meiner Mutter noch nach und winkte überschwänglich, als diese wieder zurück durch die Tür stürmte.
Albas Kichern summte in meinem Ohr, Ich genoss es wie Musik, bevor mir meine Umgebung wieder bewusst wurde.
„Wer ist das Papa?", fragte Alba neugierig, schlug auf meine Brust und steckte sich dann zwei Finger in den Mund. Mit ihr in meinem Arm drehte ich mich wieder zum Tisch, wo ich von vier großen Augenpaaren in Empfang genommen wurde.
Sie schienen mir so im Moment gefangen, dass es ihnen unmöglich war zu reden. Kein Wunder, der alte Max hätte als Vater nicht viel getaugt.
„Das ist der Grund, warum ich euch nicht mehr böse bin!", erklärte ich und hauchte Alba einen Kuss auf die Stirn. Sie beachtete mich nicht weiter, sondern spielte aufgeregt mit den Schnüren meines Pullovers.
„Ich war sauer und verletzt. Ehrlich, an manchen Tagen hätte ich euch am liebsten den Hals umgedreht, an anderen plagten mich Selbstzweifel, ob ich überhaupt gut genug als Freund für euch war oder warum ihr einfach den Kontakt zu mir abgebrochen habt.
Ich war am Boden und noch tiefer. Auf mir hat jeder herumgestampft und es gab keinen Halt mehr"
Nur mit Mühe hielt ich meine Emotionen zurück, als ich die dunkelste Phase in meinem Leben erinnerte, aber ich schaffte es, da ich das Ende kannte.
Es gab ein Happy End.
„Aber dann habe ich Abby getroffen und dann ist Abby schwanger geworden und dann ist sie gekommen"
Ich strich Alba eine braune Locke hinters Ohr und lächelte verliebt.
„Und dann hat alles an Wert verloren.
All meine Probleme, der Fußball hat an Wert verloren.
Als hätte man mir endlich die Augen geöffnet, habe ich endlich verstanden, dass es nur Sport ist und kein Grund meine ganze Existenz zu hinterfragen.
Sie hat mir einen neuen Sinn gegeben, Abby und Alba gemeinsam und mir gezeigt, dass es einerseits wichtigeres als Fußball gibt und dass das Leben anderseits viel zu schön ist, um es mir Streitereien zu verbringen.
Also nein, ich bin euch wirklich nicht mehr böse. Ich habe mit meinem alten Leben abgeschlossen und alles hinter mir gelassen. Ich trauere weder dem hinterher, was war, noch verüble ich die Vergangenheit irgendwem."
„Also ist alles gut zwischen uns?", fragte Leon hoffnungsvoll.
Ich zuckte mit den Achseln.
„Bislang gibt es nichts zwischen uns.
Nur weil ich mit der Vergangenheit abgeschlossen habe, heißt es nicht, dass ich nicht aus ihr gelernt habe.
Das was zwischen uns war, ist nicht länger und ich sehe für mich momentan keinen Sinn mehr etwas aufzubauen."
Meine Worte mochten sich kühl anhören, aber ich wollte mich nicht wieder in diesem Freundeskreis wiederfinden, mit der ständigen Angst, dass sie mich wieder fallen lassen würden.
Vielleicht irgendwann.
Aber sicher nicht jetzt.
„Ich muss nach meiner Freundin schauen. Abby hat es mir Hotels nicht so drauf!", murmelte ich dann abschließend und nahm mein Wasserglas in die Hand. Ich trank es aus und blickte dann zu Alba, die versuchte Schleifen zu binden.
„Man sieht sich", murmelte ich.
Oder auch nicht, dachte ich mir hinzu und es war mir tatsächlich egal, welches davon jetzt wahr werden würde.
Sie spielten keine Rolle mehr in meinem Leben und dementsprechend war es mir egal, ob ich ihnen über den Weg lief oder nicht.
Sie waren mir schlicht und ergreifend egal.
———
Mal ein völlig anderer Os, aber ich musste Max's Rückkehr feiern 🥳
Ich bin so happy für ihn und ich finde, dass er einen Platz in der Bundesliga absolut verdient hat! Er hat Mist gebaut aber Herr Gott, der Typ ist ein Juwel wenn er wieder wie auf Schalke spielt!
Dementsprechend: ich kriege Aggressionen wenn sich alle darüber lustig machen, dass er noch immer bei keinem Weltklasseverein ist.
STEP BY STEP
Er war ganz unten und es freut mich, dass er sich (hoffentlich) nach Crystal Palace wieder aufrappelt
Step by Step
I guess manche verstehen sowas einfach nicht 🤷🏼♀️
Nichtsdestotrotz hoffe ich euch hat der OS gefallen.
Mit diesem OS starte ich auch in einen neuen Abteil in diesem Buch: Neustart 2021
Ein Wunschkapitel ist draußen, ihr könnt gerne euren Wunsch äußern. 💗
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