[4] marius wolf
Für evabsmn
[4]: „Ich bin bestimmt nicht dein Fake-Date!"
EVA
„Fuck alter, meine Familie veranstaltet wieder dieses öde, jährliche Essen", stöhnte ich und verdrehte emotionsgetreu meine Augen, während ich mich auf dem Sofa zurückwarf und zu Marius blickte.
„So ein Mist, dass Corona vorbei ist. Jetzt muss man wieder sozial sein!", lachte mein bester Freund, woraufhin ich ihm in den Oberarm boxte, da er meinen Frust wieder einmal nicht erst nehmen wollte. Er jaulte laut und rieb sich lachend die schmerzende Stelle.
„Und meine Mum lässt mich noch ganz lieb und unschuldig wissen, dass ich wen mitbringen darf", fügte ich hinzu, was wohl das nervigste an der ganzen Nachricht war. Wenn ich wen zum mitbringen hätte, dann würde ich ihn schon längst mitgebracht haben, immerhin beorderte mich meine Mutter jeden Sonntag nach Hause. Aber es gab nun einmal niemanden.
„Aber du hast niemanden zum Mitbringen", schlussfolgerte Marius aus meinem hilflosen Blick. Ich stimmte ihm mit einem Nicken zu.
„Und das wird für meine Mutter ein Grund sein, mir irgendwen für das kommende Wochenende auszukramen"
„Oh", lachte Marius: „Arrangierte Dates. Das hatte ich auch schon. Es ist einfach nur genial!"
„Es sei denn...", mir kam auf einmal eine Idee und ich wandte meinen Kopf zu Marius, funkelte ihn mit wilden Augen an und einem frechen Grinsen auf den Lippen.
„Nein!", antwortete er sofort scharf: „Nein, aus Eva. Aus! Ich bin bestimmt nicht dein Fake-Date!"
„Du sollst doch gar nicht mein Fake-Date sein. Du sollst nur der Typ sein, den ich für einen Tag als meinen Freund ausgebe"
„Definiere Fake-Date Anders", murmelte er und schüttelte entschlossen seinen Kopf. Ich warf mich an seinen Oberarm und zerrte am Stoff seines Shirts, während ich laut jammerte, welches Leid er mir damit ersparen würde.
„Ich backe dir dann auch eine Torte, nein zwei und ein Bananenbrot", bestach ich ihn und vor allen Dingen das letzte Angebot zeigte Wirkung, als Marius interessiert zu mir sah.
„Zwei!", forderte er: „Zwei Bananenbrote!"
„Zwei!"
***
„Als du gesagt hast Familienessen, habe ich nicht erwartet, dass du mich zu einem halben Hoftreffen mitschleppst!", ließ mich Marius wissen, während sein Blick über den Hof unseres Anwesen flog auf dem sich meine halbe Familie tummelte. Mein Onkel hatte ein sehr großes und jährlich prallte er damit, indem er unsere Familie zusammenkommen ließ und seinen Wohnort in einen Themenpark des Mittelalters verwandelte. Als kleines Kind fand ich es genial, weil es hier Ponys gab, einen Spielplatz und zudem hatte ich mit meinen Cousinen, Cousins jeden Grades auch viele Gleichaltrige um mich. Mit Mitte zwanzig fand ich es nun aber weit weniger amüsant, vor allen Dingen, weil die meisten meiner Cousinen oder Cousins im Ausland und dementsprechend freigestellt waren hier aufzutauchen, sodass es oft einfach nur ein Trauerspiel mit einem Seniorenheim wurde.
„Komm, lass sich uns hinsetzen", schlug ich vor und zupfte an Marius Hand, was sich zugegeben weit weniger komisch anfühlte, als ich es erwartet hatte, was vermutlich einfach daran lag, dass ich Marius so gut kannte, dass es schon mehr bedarf, um die Stimmung zwischen uns zu ruinieren.
„Ja Schätzchen!", grinste er verspielt, was ich nur mit einem Augenrollen kommentierte. Er fand es seit dem Abschluss unserer Abmachung unfassbar amüsant mich mit irgendwelchen kitschigen Kosenamen aufzuziehen, aber vermutlich durfte er das, immerhin tat er mir einen unheimlich großen Gefallen. Ich wusste zwar noch nicht, wie ich meinen Mutter erklären sollte, dass mein bester Freund auf einmal mein fester Freund, geschweige denn wie ich die Trennung erklären könnte, die schließlich folgen musste, aber für den Moment war ich einfach dankbar, dass sie mich dann nicht mit irgendwelchen Dates mit den Söhnen ihrer Arbeitskollegen nervte. Es war ja nicht, dass ich keinen Freund wollte, aber ich war wohl einfach nicht die Person in die sich ein Typ verliebte, zumindest war das die plausibelste Begründung, warum ich so wenig Beziehungen hinter mir hatte.
Marius und ich ließen uns auf zwei Seiten altertümlichen Holzstühle nieder, abseits von meiner Mutter. Sie sah mich traurig an und formte ein brechendes Herz mit ihren Lippen, aber ich vermittelte ihr die Lüge, dass neben ihr kein Platz war. Aber eigentlich wollte ich mich einfach nicht ihren Fragen stellen, denn meine Mutter hatte die äußerst nervige Angewohnheit in jeden Mist ihre Nase reinzustecken und so lieb ich sie auch hatte, das könnte sie sich wirklich abgewöhnen.
Marius und ich unterhielten uns über dies und das, wie wir es immer taten und wir unterhielten uns auch mit meiner Tante und meinen Großeltern. Eigentlich war alles, wie immer mit dem einzigen Unterschied, dass ich Marius als meinen Freund und nicht als meinen Kumpel vorstellte.
„Also, wenn das alles ist, dann darf es auch nur ein Bananenbrot sein", meinte Marius zwischen zwei Bissen von seinem Steak. Ich lachte leise.
„Darf es das?"
„Ja, ich habe Pärchenfotos erwartet oder irgendeinen anderen Kitsch", ließ er mich wissen.
Das kommt noch, dachte ich mir im Stillen, denn wir waren meiner Mutter noch nicht zum Opfer gefallen. Aber für den Moment ließ ich Marius in der Hoffnung weilen, dass das wirklich alles war.
Aber diese Hoffnung verblasste kurz nach dem Essen dann auch schon, als meine Mutter einen Stuhl vor uns ergatterte, da meine Tante mit ihren Kindern bei den Ponys war. Ein kleiner Teil von mir verfluchte sie dafür, denn das bot meiner Mutter nun die perfekte Möglichkeit uns auszuquetschen.
„Achtung", warnte ich Marius deswegen fort, der weiterhin damit beschäftigt war das Essen des Büffets auszuprobieren, wie eigentlich schon den ganzen Nachmittag über. Mit vollem Mund sah er auf und seine Augen weiteten sich kaum merklich, als er meine Mutter entdeckte. Aber weil ich ihn und seine Einstellung gegenüber meiner Mutter.
"Sagt mal ihr beiden Turteltäubchen. Wie lange ist da jetzt schon mehr zwischen euch?", meine Mutter funkelte mich neugierig an, bevor sie fortfuhr: "Wie lange hast du mir das verschwiegen?"
Ich presste meine Lippen zusammen, um ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken und warf einen Seitenblick zu Marius, der auch nicht wirklich erfreut über die Anwesenheit meiner Mutter war. Ich liebte meine Mutter, aber ihr Charakter hatte das ein oder andere Merkmal, das man durchaus als nervtötend beschreiben könnte und wenn man nicht Tag für Tag ihre guten Seiten erlebt, wie ich, als ich mit ihr zusammengelebt hatte, dann konnte man sie auch schnell allgemein als nervtötend abstempeln. Dabei war sie eigentlich wirklich lieb und fürsorglich und zeitgleich auch nach der Scheidung meiner Eltern einsam. Deswegen bohrte sie im Leben anderer rum, was zwar immer noch nicht legitim war, aber manchmal sollte man dann vielleicht auch auf ihre Einsamkeit Rücksicht nehmen, auch wenn das leichter gesagt, als getan war, denn mir fiel das auch unfassbar schwer, also konnte ich es unmöglich von Marius erwarten.
"Auf einer Party!", antwortete Marius trocken und stopfte sich den Mund mit der Baguettescheibe voll, vermutlich, damit er einen vernünftigen Grund hatte nicht mehr am Gespräch teilzunehmen. So blieb mir die ehrenhafte Aufgabe überlassen die duzend Fragen meiner Mutter zu beantworten. Ich strickte mir schnell irgendeine banale und vor allen Dingen auch einfache Geschichte von Marius und meiner bisherigen Geschichte zusammen, damit ich mich nicht in meinen Lügen verhedderte und hoffte inständig, dass Marius nicht ganz so sehr mit dem Essen beschäftigt war, wie es wirkte, denn sonst würde er unsere Lüge auffliegen lassen und dann hätte ich bei meiner Mutter ein riesiges Problem.
"Ach guckt mal, Titus und Tatjana machen ja Bilder!", klatschte meine Mutter in die Hände und deutete hinter Marius und mich. Ich warf einen Schulterblick in die Richtung und entdeckte Titus, der mein Cousin weiß nicht wievielten Grades war mit seiner Verlobten, wie sie im Schein der Sonne am Gipfel des Hügels standen und sich unter ihnen die Weinreben erstreckten, die meinem Onkel ein solches Vermögen eingebracht hatten.
"Ach kommt ihr beiden, so ein Foto möchte ich auch von euch!", fuhr meine Mutter fort.
"Mama!", stöhnte ich sofort und schüttelte resignierend meinen Kopf, aber dann trafen mich die traurigen Augen meiner Mutter und bohrten sich direkt in mein Herz, dass es höllisch brannte. Ich wusste, dass meine Mutter sich nur so für mein Liebeslebend faszinierte, weil sie einfach nicht wollte, dass ich so einsam wurde wie sie.
"Nur ein Foto!", flehte sie und holte schon ihr Handy aus ihrem Täschchen. Ich sah zu Marius, der wohl meine Gefühle gegenüber meiner Mutter gelesen hatte oder sogar selbst etwas Mitleid verspürte, denn er nickte kurzerhand. Wenn auch nicht wirklich begeistert.
Wir erhoben uns vom Stuhl und diesmal war es Marius, der meine Hand ergriff, um dieses Pärchengetue noch ein wenig authentischer wirken zu lassen. Wir warteten brav bis Titus und Tatjana ihr Photoshooting beendet hatten und stellten uns dann an ihren Platz.
"Naja, wenn das Foto schön wird, kann ich es auch bei mir hinstellen", murmelte ich.
"Du willst von deinem baldigen Ex ein Foto im Appartement stehen haben?", wunderte sich Marius mit einem frechen Grinsen. Ich verdrehte meine Augen, lachte aber: "Wir bleiben ja Freunde. Wir trennen uns, weil wir bemerkt haben, dass wir als Freunde besser dran sind!"
"Ach stimmt, so war es!", antwortete mir Marius und legte seine Hand auf meinen Rücken, stellte sich etwas näher zu mir und lächelte erzwungen in die Kamera, wie ich es auch tat, weil das nun der Startschuss war, ab wann der Nachmittag wirklich komisch wurde.
"Ein Kuss!", rief meine Mutter aus der Entfernung, wo sie im Knöchelhohen Grass kniete und versuchte die Fotografin in sich hervorzuholen, die sie nun wirklich nicht war.
"Ne Mama!", antwortete ich sofort entschlossen. Ich sah, wie sie ihre Arme in die Luft warf, irgendetwas Unverständliches zu uns herüber schrie und mich dann auf einmal die Stimme meiner Oma aus dem vergeblichen Versuch meine Mutter zu verstehen riss.
"Ach Eva, tu ihr doch den Gefallen. Sie braucht ihre Portion Liebe, ihre Liebesromane verspäten sich!", murmelte sie und sah mich bittend an. Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen und überlegte, ob es irgendwie eine Chance gab mich aus dem Kuss rauszureden, ohne wie die kälteste Tochter auf Erden zu wirken.
"Also für drei Kuchen tu ich das!", flüsterte mir Marius auf einmal ins Ohr. Überrascht sah ich zu ihm.
"Ehrlich?"
Er nickte und am liebsten wollte ich ihm euphorisch und dankend um den Hals fallen, aber das hob ich mir für später auf.
"Na gut!", schrie ich dann zu meiner Mutter, die wild in die Luft hüpfte, wie ein kleines Kind und ganz ehrlich, alleine dafür war es es wert.
"Nur ein kurze Küsschen. Verschling mich nicht!", warnte ich Marius sofort.
"Das Gleiche gilt für dich!"
Ich bereitete mich mental schon mal auf den komischsten Moment meines Lebens vor, als ich mich etwas zu Marius drehte, meine Hand in seinen Nacken legte und versuchte die Anspannung zwischen uns bestmöglich zu lockern.
"Steh da nicht, wie so ein Baum!", brummte ich warnend, da ich mir gar nicht vorstellen wollte, wie idiotisch wir gerad aussahen.
"Ja, was soll ich sonst machen?"
"Leg deine Hand an meine Wange und die andere an meine Hüfte und dann beug dich vor und küss mich!", wies ich ihn an und Marius tat genau das. Meine Wange begann sofort zu glühen und ich versuchte die Nervosität herunterzuschlucken, was mir allerdings kläglich misslang. Stattdessen wuchs sie bis ins Unendliche, als Marius sich vorbeugte ich seinen Atem auf meinen Lippen spürte und er seine schließlich auf meine legte und dann....
....dann war auf einmal alles anderes. Die Gefühle, die auf einmal in mir explodierten, waren mit Schmetterlingen gleichzusetzen, die aus ihrem Kokon schlüpften. Statt Unwohlsein nistete sich Verlangen in mir ein und statt Ekel Lust. Mein Griff um seinen Nacken wurde fester und ich ließ meine Fingerspitzen in seinem Haaransatz tänzeln, während er mich auch bestimmter an sich zog, als hätte er gerade die selbe Explosion erlebt wie ich.
Und wer weiß, vielleicht hatte er das auch.
———
Wieder mal ein etwas offeneres Ende, wobei ich's ehrlich gesagt dann wieder gar nicht SO offen finde, aber jeder stuft das anders ein.
Ich hoffe euch gefällt der OS
Lasst mir gerne Feedback da
❤️
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