Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

9 | Mondlicht

Ravi hörte die Bauarbeiten in der eigentlich weit entfernten Mittelstadt, obwohl er sie nicht sah. Kalte, erstaunlich frische Luft blies ihm ins Gesicht, und obwohl er seine Decke fest um sich geschlungen hatte, zitterte er leicht. Nachdenklich sah er auf die vielen Lichter unterhalb des Balkons.

In Unterstadt hatte er sich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie viele Menschen eigentlich in Casria lebten. Natürlich, in der Schule hatte er gelernt, dass sein Teil der Stadt in 10 Bezirke eingeteilt war, in denen jeweils fast 10.000 Arbeiter lebten, und das es dann auch noch Mittelstadt und das Schloss gab - doch das waren nur Zahlen. Damals hatte er sich nicht vorstellen können, was das überhaupt bedeutet.

Doch jetzt, wo er das ganze Ausmaß der Stadt aus der Perspektive eines Adeligen sah, drohte es, ihn zu ersticken. 100.000 Menschen in Unterstadt, 50.000 in Mittelstadt und dann noch ungefähr 1000 im Schloss. Das waren unfassbar viele Gesichter, unfassbar viele Seelen, um die man sich kümmern musste.

Kein Wunder, dass das Königshaus Unterstadt schon lange aufgegeben hatte.

Seufzend ließ er sich auf den klapprigen Holzstuhl fallen und umschlag seinen eigenen Körper mit den Armen. Er hatte nie viel von der Todesstrafe gehalten. Schließlich war es doch irgendwie dumm, einen Mörder fürs Töten zu bestrafen, indem man selber tötete.

Doch jetzt erkannte er auf einmal, dass adelig zu sein vielleicht auch bedeutete, seinen Moral zum Wohl der Bevölkerung zu vergessen. Es war keine Option, einen Mörder frei zwischen diesen 150.000 Menschen herumlaufen zu lassen, denn dann würden Unschuldige leiden. Und lebenslängliches Einsperren war doch eigentlich noch schlimmer als der Tod, oder?

Aber was, wenn der Mörder vielleicht selber ein Unschuldiger war, der nur großes Pech gehabt hatte? Ravi war selber oft kurz davor gewesen, seine Hände in Blut zu tauchen. Menschliche Gefühle waren einfach zu manipulieren und unberechenbar, und wenn sie erstmal die Kontrolle übernahmen, gab es kaum eine Möglichkeit, sie zu stoppen.

Er tötete aus Neid und Hass, hatte Adrian ihm erklärt. Doch dass passte nicht zu dem, was Ravi über Caden gelernt hatte. Bei jedem seiner Anschläge schien er eher ängstlich zu sein, beinah schon panisch. Und, vor allem, wieso sollte Caden neidisch auf ihn sein? Er war ein wertloses Kind aus Unterstadt, mit einem Leben, das nicht annähernd mit dem eines Prinzen vergleichbar war. Wenn jemand neidisch war, dann wohl eher er selbst.

Doch vielleicht lag in genau diesen Gedanken der Fehler. Caden war ein hervorragender Schauspieler und Manipulator, so hatte Adrian es ihm erklärt. Vielleicht hatte der dritte Prinz das alles nur inszeniert, um Ravi in Sicherheit zu wiegen? Seine Drohungen hatten immerhin ziemlich ernst geklungen, und überhaupt nicht, als ob er vor irgendetwas Angst haben könnte.

Mit einem Stöhnen ließ Ravi seinen brummenden Kopf auf die Tischplatte fallen. Wenn die Sache mit Caden davor kompliziert gewesen war, dann war sie jetzt ein beinah unlösbares Problem. Adrians Angebot klang zwar verlockend, doch woher sollte er wissen, ob er dem Kornprinz überhaupt trauen konnte? Für einen kurzen Moment wünschte er sich die Einfachheit seines Lebens in Unterstadt zurück.

»Willst du einen Keks?«

Diesmal erschreckte Ravi sich nicht einmal mehr, als er plötzlich Yinans Stimme neben sich hörte. Und dass, obwohl er wirklich reichlich seltsam aussah, wie er da auf dem Balkongeländer saß und beide Beine über dem absolut tödlichem Abgrund baumeln ließ, während er einen der berühmten Honigkaramell-Kekse in sich rein stopfte.

»Nein. Von dir schon gar nicht«, gab er als Antwort und bemühte sich, den Boten wieder zu ignorieren. Vor lauter Nachdenken und Abwägen war ihm übel, und allein der Anblick dieser Zuckerklötze war bereits eine Qual. »Was willst du?« wiederholte er seine Frage von vor zwei Stunden, die Augen leicht zusammengekniffen. Seid er Yinan das erste Mal getroffen hatte, hatte dieser nichts besseres zu tun gehabt, als ihn zu nerven. Ständig tauchte er an komischen Orten auf, grinste vielsagend und verschwand dann wieder. Ravi hätte ihm am liebsten empfohlen, sich andere Hobbys zu suchen, doch er blieb leise. Als Adrians Vertrauter hatte er sicher ein paar nützliche Insider-Informationen.

Bevor Yinan antwortete, schob er sich noch ein Stück Keks in den Mund. Seine Mundwinkel verzogen sich wieder zu diesem belustigtem Grinsen, bevor er elegant von dem Geländer sprang und vor Ravi landete. 

»Ich habe eine weitere Nachricht von Prinz Adrian.«

Natürlich. Was auch sonst.

»Oh, und eine Teekanne!«

»Was?«, entwich es Ravi, als er das kleine, silberne Ding in Yinans Hand sah. Hatte Adrian sich spontan entschieden, ihm Tee zu schicken? Nein, das war eigentlich überhaupt nicht sein Stil. Noch misstrauischer als zuvor musterte er die Metallkanne. »Von wem stammt die?«

Noch während er Ravi einen kleinen, beschriebenen Zettel in die Hand drückte, antwortete Yinan. Seine herbstbraunen Augen glitzerten geheimnissvoll. »Das wirst du schon noch herausfinden. Aber du kannst dieser Person vertrauen, mach dir keine Sorgen.«

Mach dir keine Sorgen war mit Abstand der dümmste Spruch den er heute gehört hatte. Seit er im Schloss war, hatte er nichts anderes getan als sich Sorgen zu machen. Wie auch nicht? Alle zwei Stunden versuchte jemand, ihn umzubringen oder ihn dazu zu bringen, jemand anderes umzubringen.

Trotzdem riss er Yinan die Kanne aus der Hand und stellte sie genervt auf dem Tisch ab. Er hatte gerade noch verhindert, dass die Notiz des Kronprinzen davonflog.

»Schön. War das alles?«, murrte er leise. Yinan kicherte, nickte und schob sich dann an Ravi vorbei zur Balkontür. Schnaubend folgte er dem jungen Mann mit seinem Blick. »Das nächste Mal kannst du auch gerne gleich durch die Tür kommen. Die mag es eigentlich ganz gerne, auch verwendet zu werden!«

Erst, als er sich sicher war, dass Yinan verschwunden war, setzte er sich wieder hin und zog die Notiz vorsichtig unter der warmen Teekanne hervor. Adrians elegante Handschrift hatte vor ein paar Stunden noch Bewunderung in ihm ausgelöst, jetzt konnte er nicht anders als zu seufzen.

»Caden ist ein gefährliches Monster. Wenn du ihn tötest, wirst du ein Held sein. Der größte Held unserer Zeit«, hörte Adrians Stimme in seinem inneren Ohr. Ein Held mit Blut an den Händen, hörte er sein Gewissen leise flüstern.

Den kalten Nachtwind immer noch im Nacken, faltete Ravi die Notiz auf und überflog sie schnell. Überrascht laß er sie gleich noch einmal. Eigentlich war der Inhalt nichts besonderes - Adrian wollte sich am Freitag mit ihm treffen, bis dahin sollte er eine Entscheidung gefällt haben - doch der Name des Treffpunkts weckte sofort einige Erinnerungen.

Es war garantiert kein Zufall, dass Adrian genau die Taverne ausgewählt hatte, neben der er aufgewachsen war und in der seine zwei besten Freunde arbeiteten.

Ravi erschauderte, als er die Kanne öffnete und die warme Luft ihm ins Gesicht strömte. Was eine angenehme Abwechslung zur eiskalten Atmosphäre der Nacht. Immer noch leicht zitternd legte er beide Hände um das Metall und schmiegte sich an die Wärme. Wieso saß er überhaupt noch draußen? Bisher hatte die frische Luft ihm nicht dabei geholfen, nachzudenken, sondern eher noch mehr Fragen aufgeworfen.

Gerade als er hatte aufstehen wollen, um den Tee drinnen erst ausführlich zu analysieren und dann vielleicht sogar zu trinken, hörte er plötzlich ein Geräusch. Erschrocken drehte er sich um. Da war ein Schatten hinter dem Fenster, das zu Cadens Zimmer führte.

»Caden?«, fragte er, ohne weiter darüber nachzudenken, und biss sich sofort auf die Zunge. Wäre das ein Auftragsmörder oder ein Einbrecher, hätte er jetzt seine Position verraten. So spät nachts noch wach zu sein machte einen wirklich unvorsichtig.

Doch glücklicherweise erkannte er die dunklen Augen und schwarze Haare wieder, als die Gestalt sich dem Fenster näherte. Es war wirklich der dritte Prinz. Wo er wohl den ganzen Tag gesteckt hatte? 

Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht, als er sah, wie Caden ihn auf einmal verwirrt ansah. Anscheinend hatte er gerade das bemerkt, was Adrian und Ruelle ihm heute Abend noch gezeigt hatten: Seine Seele war endlich verschlossen und niemand konnte einfach so seine Gedanken lesen. Eine notwendige Maßnahme, wenn man einen Anschlag auf jemanden plante.

»Herzlichen Glückwunsch. Ich hatte schon gedacht du würdest es nie lernen, und ich müsste für immer deine nervigen Gedanken aushalten«, sagte Caden viel zu wenig wütend und viel zu zufrieden.

»Pff. So schwer war es nicht, als du nicht da warst.«

Caden verstummte, und obwohl Ravi es ignorieren wollte, drückte sich sein schlechtes Gewissen wieder an die Oberfläche. Schnell rauschte er zu seiner Balkontür, den Tee in der einen Hand, den in seinem Ärmel versteckten Zettel in der anderen. Jetzt mit seinem Seelenverwandten zu reden, als ob nichts passiert wäre, kam ihm irgendwie falsch vor.

Vor allem, nachdem er gerade am überlegen war, bei einem Anschlag auf eben diesen mitzuarbeiten.

»Und schon wieder rennst du vor mir davon. Bin ich wirklich so beängstigen?«

Er hielt noch einmal inne und drehte sich zu Caden um, der mit schiefgelegtem Kopf hinter der Glastür stand. Gerade sah er wirklich alles andere als beängstigend aus. Doch Ravi erinnerte sich noch viel zu gut an Adrians Worte und das Messer, das ihm fast die Kehle aufgeschnitten hätte. Er verschränkte die Arme.

»Ja. Du bist ein Mörder. Natürlich bist du beängstigend.«

Caden zuckte zurück, als ob jemand ihn geschlagen hatte. Erst da merkte Ravi, was er gerade eigentlich gesagt hatte. Am liebsten hätte er seine Worte zurückgenommen, doch es war zu spät. Und entschuldigen konnte er sich nicht, denn er wusste nicht wie.

Diesmal ging er wirklich zurück in sein Zimmer und sah nicht noch einmal zu Caden zurück.

Der Tee schmeckte erstaunlich gut, wie eine Mischung aus Heidelbeere und Honig. Süß, aber zugleich auch bitter-fruchtig. Und er schenkte Ravi die Wärme, die er draußen so vermisst hatte. In seine Decke eingerollt schloss er die Augen und atmete einmal tief durch.

Sollte er zu dem Treffen mit Adrian kommen oder nicht? Sollte er es riskieren, genau wie Cadens letzter Seelenverwandter zu enden, weil er irgend so ein Gefühl hatte? Oder sollte er lieber riskieren, das Blut eines Unschuldigen an den Händen zu haben, weil er eigentlich nicht in der Position war, abzulehnen?

Mit einem letzten Schluck leerte er seine Teetasse und sank in die weiche Matratze. Langsam flachte die Wirkung der kleinen Kugel ab, und seine Augenlider wurden wieder schwerer. Sein Kopf brummte immer noch.

Was Caden den ganzen Nachmittag wohl getan hatte? Hatte er sich aus dem Schloss geschlichen? Oder hatte er noch einen anderen geheimen Ort, von dem niemand wusste?

Ihm entwich ein leises Gähnen, und er öffnete noch ein letztes Mal die Augen, um die Kerzen neben sich zu löschen. So viele Frage. Vielleicht sollte er sie alle mal aufschreiben und dann eine nach dem anderen bearbeiten. Ja, das war doch eigentlich eine gute Idee. Blöd, dass er dafür wohl kaum Zeit hatte.

Morgen stand erstmal eine Tour in die renommierten Läden von Mittelstadt an, damit er 'ein paar anständige Klamotten' für die nächsten Wochen haben würde, so hatte es Lady Ruelle zumindest ausgedrückt. Am Mittwoch gab es dann ein großes Fest, bei dem seine Position offiziell angekündigt wurde, und am Donnerstag stand ein Besuch bei allen Adeligen dieser Stadt an. Allein bei dem Gedanken an den ganzen Stress hätte Ravi am liebsten den Kopf in die Erde gesteckt und einfach vergessen, dass Morgen auch noch ein Tag war.

Immerhin am Freitag hatte er frei, doch selbst dieser Tag war mittlerweile voll mit neuen Terminen. Er hatte Coco und Crell, seinen zwei besten und einzigen Freunden in Unterstadt, versprochen, mittags bei ihnen vorbeizuschauen, und wie es der Zufall wollte, war am gleichen Abend das Treffen mit Adrian. Die Zeit, in der tatsächlich frei hatte, wurde mit jedem Tag kleiner.

Das Mondlicht schien beinah sichtbar zu sein, als Ravi die Augen noch einmal öffnete. Es war beinah, als ob jemand vor der Balkontür stand und ihn beobachtete, so sahen zumindest die Schatten aus. Doch das bildete er sich sicher nur ein.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro