„Und? Weist du schon mit wem du auf den Homecoming-Ball gehen wirst?"

Durch Zufall bin ich heute Morgen Frieda über den Weg gelaufen, da wir ohnehin gemeinsam in den ersten beiden Stunden Geschichte hatten, liefen wir nebeneinander her als wir uns versuchten durch die vollen Flure zu schieben. Erst als sie den Ball erwähnte fielen mir die vielen Plakate auf, mit denen die Wände wie auch die Spinde regelrecht zu tapeziert waren.

„Bis gerade eben wusste ich nicht einmal dass es diesen Ball gibt."

Im vorbeigehen riss sie einfach eines der Plakate von einem Spind und hielt es mir unter die Nase.

„Dein ernst? Smilla das ist das Ereignis im letzten Schuljahr! Wie kann das nur an dir vorbei gegangen sein?"

Ich schielte auf das bunte Plakat und entnahm der Information, dass es sich hierbei um eine Mottoparty handelte – Best of 80's-.

„Freitag in einer Woche schon?"

„Ja! Und jetzt rate mal wer für die Dekoration verantwortlich ist!"

Sie quiekte wie ein kleines Kind und verschränkte ihre Hände in einer Schurken haften Geste miteinander.

„Doch nicht etwa Mr. Clark! Das können die nicht machen!"

Spielerisch geschockt riss ich die Augen auf und sah sie mit offenem Mund an.

„Smilla!"

Beleidigt schlug sie mir auf die Schulter und kniff sich bissig auf die Lippen.

„Ich natürlich!"

Als wäre dass nicht schon offensichtlich genug, wedelte sie mit den Händen auf sich,

„Was du nicht sagst!" Lachend bogen wir in unser Klassenzimmer ab und trennten uns erst als wir uns zu den Plätzen begaben.

Ich kramte das Geschichtsbuch aus meiner Tasche und als ich aufsah begegnete mein Blick den von Zac, lächelnd winkte er mir zu, doch dann sah ich auch mit wem er sich gerade unterhielt.

Stacy, sie schlug überschwänglich mit der Hand auf seine Schulter und tat als hätte sie gerade den Witz ihres Lebens gerissen. Verlegen kratze Zac sich am Hinterkopf und zeigte in meine Richtung ehe er sie stehen lies und sich neben mich an seinen Platz setze.

Zum erste mal in meinem Leben sah ich Stacy unsicher in einem Raum voller Menschen stehen, doch als hätte es diese drei Sekunden der Unsicherheit nie gegeben, schwang sie ihr schulterlanges, blondes Haar nach hinten und stolzierte mit ihren High-Heels auf ihren Platz zu.

Und überhaupt?

Wer trägt so überflüssig, hohe und vor allem offensichtlich unbequemen Dinger in der Schule?
„Hey."

„Hey."
Zac lehnte sich wie auch in den vergangenen Tagen über den schmalen Flur rüber zu mir.

„Na? Alles klar bei dir?"

Wie auch in den Tagen zuvor war meine Antwort die gleiche.
„Alles klar. Und bei dir?"

„Alles klar."
Er lehnte sich zurück auf seinen Stuhl, als hätte er vorher sehen können, dass sein Vater in diesem Moment durch die Türe ins Klassenzimmer kam.

Wie jeden Morgen schlugen wir die Bücher auf und ich zog eine tiefe Brise des Geruchs von neuen Büchern ein, als ein gefalteter Zettel auf meinem Platz landete.

Verwundert sah ich mich um, konnte aber niemanden ausfindig machen, dem ich die >Flüsterpost< zuweisen konnte. Vorsichtig drehte ich den Zettel um und las, was in einer geschwungenen Druckschrift mit Herzen darauf gekritzelt wurde.

Für Zac

Die Handschrift war ohne zu zweifeln die eines Mädchens.

Ich sah zu ihm, er bemerkte es und lächelte mich an ehe er dem Unterricht seines Vaters folgte, der gerade etwas an die Tafel schrieb. Ein letztes Mal checkte ich die Lage, niemand schien Notiz von mir zu nehmen, dennoch raste mein Herz vor Aufregung. Mr. Clark war noch immer in den Satz vertieft, den er gerade an die Tafel schrieb.

Mit einer schnellen Handbewegung übermittelte ich den Zettel an Zac, er sah mich verwundert an und in dem Moment als ich meine Hand zurück zog drehte Mr. Clark sich zu uns um und erwischte mich quasi auf frischer Tat.

Das war mein Untergang.

„Miss Hastings?" Wie auf Knopfdruck drehte sich jeder einzelne in dem Raum zu mir um und wenn ich könnte, würde ich an Ort und Stelle im Boden versinken.

Was natürlich nicht funktionierte, weshalb ich nichts anderes tun konnte, außer auf meinem Stuhl zu sitzen und die Blicke und das Getuschel über mich ergehen zu lassen.

„Kommen Sie bitte vor an die Tafel!" Herrschte Mr. Clark mich an, als wäre das nicht auch so schon schlimm genug, soll ich denen auch noch vorgeführt werden?

Zögernd schob ich meinen Stuhl nach hinten und kam seiner Aufforderung nach.

„Ah Ah! Ich glaube Sie haben etwas vergessen!"

Er zeigte zu Zac und forderte mich auf den Zettel mit nach vorne zu bringen, also drehte ich mich noch einmal zu Zac um, dieser zögerte ehe er mir den Zettel überließ.

Ich wusste ganz genau, dass er mich mitleidig ansah, doch ich schaffte es nicht ihm in die Augen zu sehen. Es war eine Demütigung vor der ganzen Klasse zu stehen und in ihre Gesichter sehen zu müssen. Ich konzentrierte mich darauf Frieda anzusehen, sie war die einzige die meinen Blick erwiderte und mich ansah, als wüsste sie genau wie es in meinem Inneren aussah.

„Na los, lesen Sie vor!"

Ich sah zu Mr. Clark, der an der Türe unseres Klassenzimmers lehnte.

Es bestand ohnehin keine Möglichkeit für mich aus dieser Situation zu entkommen, also faltete ich den Zettel auseinander und begann den Inhalt vor versammelter Klasse vor zu lesen.

„Hey Zac,"
Kurz schnallte mein Blick zu ihm und auch die anderen Schüler drehten sich nach ihm um.

„Ich würde dich sehr gerne fragen, ob du mit mir auf den Homecoming-Ball gehen würdest."
Ich ließ den Zettel in meinen Händen sinken und schloss die Augen.

Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen?

„Und das konnte nicht bis zum Ende des Unterrichts warten?"
Mr. Clark nahm mir den Zettel aus der Hand und prüfte offensichtlich, dass ich auch ja nichts ausgelassen hatte.

„Ich habe diesen Brief nicht geschrieben!"

„Sie haben den Zettel doch gerade eben an Zachory weitergegeben oder nicht?"

Ich verdrehte die Augen und wollte protestieren.
„Ja, aber ich habe ihn nicht.."

„Der Zettel kam von Ihnen Miss Hastings. Warum sollte dann nicht auch die Nachricht von Ihnen gewesen sein?"
Ich hatte das Gefühl vor Gericht zu stehen oder in einem Verhör festgehalten zu werden, so wie Mr. Clark sich mir gegenüber verhielt.

„Das mag sein, dennoch ist der Z.."
Und wieder wurde ich unterbrochen.

„Offensichtlich liegt Ihnen sehr viel an diesem Ball, was halten Sie davon das Organisationsteam mit ein wenig ehrenamtlicher Arbeit zu unterstützen?"

Bis vor ein paar Stunden hatte ich nicht einmal etwas von diesem Ball gehört?
„Das halte ich für eine ganz schlechte Idee!"
Widersprach ich meinem Lehrer.

„Und für diese freche Antwort trage ich Sie am besten gleich jeden Nachmittag in der Woche zum Helfen ein! Und jetzt setzen Sie sich!"

Ohne Widersprüche ging ich zurück auf meinen Platz und spürte jeden einzelnen der giftigen Blicke in meinem Rücken. Mr. Clark führte den Unterricht fort, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben.

„Sst!" Ich tat als hätte ich nichts gehört, doch Zac blieb hartnäckig.

„Smilla!"
Böse funkelte ich ihn an und auch er versicherte sich ob sein Vater sich weiterhin auf die Tafel konzentrierte.

„Smilla?"

„Was?"
Kaum bemerkbar zischte ich die Worte zwischen meinen Zähnen hervor, ich wollte nicht noch ein weiteres mal ermahnt werden müssen.

Auch Zac flüsterte das selbst ich ihn kaum verstehen konnte.
„Ich wollte nicht dass du.."

„Zac lass es einfach!"

„Smilla hör mir doch zu."
Sein Vater drehte sich zur Klasse um und erklärte wann das Industrielle Zeitalter seinen Lauf nahm ehe er sich wieder der Zeichnung auf der Tafel widmete.

„Also wenn du möchtest," Kaum hatte sein Vater uns den Rücken zugewandt tuschelte Zac weiter.
„Können wir gerne gemeinsam auf den Ball gehen."

Er grinste als stände er wieder einmal vor der Kamera für den Werbespot einer Zahnpaste die das strahlendste Lächeln im Umkreis von fünfhundert Kilometern versprach.

„Halt die Klappe Zac!"
Wütend bekam er meinen Mittelfinger zu Gesicht ehe ich ihn und alle anderen für den Rest des Unterrichts ignorierte und versuchte einfach irgendwie den Geschichtsunterricht zu überleben ohne anderweitig aufzufallen.