Ich schloss die Augen und ließ das beruhigende Gerede im Fernsehen auf mich einprasseln. Sam lag neben mir, oder besser gesagt, unter mir. Wir sahen uns zusammen den Film „Plötzlich Prinzessin" an, als mein Vater auf einmal ins Zimmer rauschte.
„Wir haben ein Problem, Schatz. Sofort nach unten! Alle beide!", meine Mutter legte in Ruhe ihr Buch weg und stand dann von dem Sessel auf, wo sie es sich die letzten Minuten bequem gemacht hatte.
„Was ist passiert?"
Doch mein Vater antwortete nicht. Ich erhob mich ebenfalls und machte mich mit ihr auf den Weg in Richtung Keller.
„Was soll ich machen?", Sam stand hinter mir und sah fragend meinen Vater an.
„Du kommst mit mir", ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwanden die beiden durch die Haustür. Sam blickte nicht einmal zurück, vergewisserte sich nicht einmal, dass ich in Sicherheit war.
Ich schluckte schwer, als all die Erinnerungen wieder aufkamen, die ich in den letzten Monaten unterdrückt hatte.
Mark nahm mich schweigend in den Arm. Mühsam hielt ich die Tränen zurück, doch ich schaffte es. Er streichelte mir über den Rücken. Versuchte mich zu beruhigen.
„Ich habe viel in diese Zeit gelernt", brachte ich schließlich heraus, und wimmelte seine Arme ab. „Manchmal vermisse ich die Leute, die ich kennengelernt habe. Ich würde sie am liebsten, alle noch mal sehen. Doch das geht nicht." Ich starrte traurig vor mich hin.
„Weißt du, warum wir dich suchen? Also Drakon?", erkundigte Mark sich leise, nach einer Pause.
Ich schüttelte den Kopf. Außer bei dem Typen in Indien, bin ich nie auffällig geworden. Ab und zu hab ich ein bisschen mehr Druck gemacht, doch nie mehr. Bin immer unter dem Radar geblieben.
„Bei Drakon gibt es verschiedene Abteilungen, die allgemein für mehr Sicherheit und Gerechtigkeit auf der Welt sind. Ich bin bei dem Schutz der Zivilbevölkerung, in dem ausführenden Teil, den man auch die zweiten Teil des Zivilschutzes nennt. Vor ein paar Jahren fielen dem ersten Teil unserer Partei außergewöhnlich viele Morde in der Bevölkerung auf, doch unsere Vorgesetzen wollten davon nicht wissen. Es war immer in verschiedenen Ländern. Immer auf die gleiche Weise. Immer dieselbe Handschrift. Die Opfer hatten nichts miteinander gemeinsam, waren zum Beispiel, Schüler und Bankier. Die Einzige Gemeinsamkeit, die der erste Teil aber auch erst nach monatelanger mühsamer Arbeit gefunden hatten, war eine Frau. Sie alle kannten eine Frau oder waren mit ihr befreundet gewesen. Das Problem, diese Frau gab es nur auf dem Papier. Es dauerte wohl noch mal ein, zwei Jahre bis wir dir dann auf die Spur gekommen sind", Mark sah mich an, doch ich starrte ungläubig auf den Sitz vor mir.
„Es gab wirklich keine Gemeinsamkeiten?", eine plötzliche Idee schoss mir durch den Kopf... konnte er...? War Sam wirklich so grausam? Erst der Schmuck, dann die Drohungen und dann die Morde?
„Nein, wir sind alles durchgegangen. Doch außer dir gab es nichts."
Mark wollte noch was hinzufügen, doch ich schnitt ihm die Worte mit der Hand ab.
„Hast du die Namen der Leute? Oder ihr Aussehen?", aufgeregt wedelt ich mit den Händen in der Luft rum. Mein ungutes Gefühl verstärkte sich.
„Es liegt alles bei mir in der Wohnung. Ich kann versuchen über unser Netzwerk dran zu kommen, doch die Chancen stehen nicht hoch, wo ich vermutlich für tot gehalten werde", Mark zuckte entschuldigend mit den Schultern. Schon gut, es wäre ja auch zu einfach geworden. Den Rest des Flugs saßen wir schweigend nebeneinander und hingen unseren Gedanken nach. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu den Morden. Ich konnte mir nicht vorstellen, das Sam das gewesen war. Doch ich hatte auch nie angenommen, das er mich betrügen würde.
Kaum betrat ich schwedischen Boden hob sich meine Laune merklich. Ich wusste nicht warum, doch Schweden war wie eine verwandte Seele von mir. Die Sprache hatte ich innerhalb kürzester Zeit gelernt und beherrschte sie so gut, dass man nicht merkte, das ich eigentlich aus Estland stammte.
„Wo müssen wir jetzt hin?", erkundigte sich Mark und sah den vielen Leuten hinterher, die alle zielstrebig aus der Halle strömten.
„Komm", ich hakte mich lächelnd unter und zog ihn mit dem Strom nach draußen. Die Sonne schien und es war angenehm war. Sofort zog ich mir meine Perücke vom Kopf und stopfte sie in meine Handtasche.
„Es ist nicht mehr so weit."
Vor dem Gebäude standen nur wenige Fahrzeuge, sodass ich Benjamins altes grünes Auto schon von weitem sah.
„Hey hey", begrüßte ich ihn stürmisch.
Sein mürrisches „Hey", zeigte mir, dass er mich vermisst hatte, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Ich schmiss meine Taschen in den Kofferraum, bedeutete Mark das Gleiche zu machen und stieg dann vorne zu Benjamin ins Auto. Auf der Fahrt raus aus Stockholm erzählte er mir, was in den letzten Monaten, in denen ich nicht da war, alles passiert ist. Anscheinend war eine Jugendgruppe aus Deutschland da gewesen, die die Umgebung ganz schön auf den Kopf gestellt hat. Auch einige Stammcamper waren wieder da gewesen, unter anderem eine alte Freundin von uns. Mit jedem Stück, das wir uns von Stockholm entfernten und somit meinem Zuhause näher kamen, wurde ich ruhiger und gelassener. Ich sah aus dem Fenster, ließ die Bäume an mir vorbei fliegen und betrachtete die Landschaft. Für einen Moment gab es nur mich, die Bäume und die Seen. Alle Sorgen, die bis dahin noch in meinem Kopf waren, verschwanden.
Als das Auto langsamer wurde, öffnete ich die Augen. Wir hatten es fast geschafft. Rechts schimmerte ein See durch die Bäume und links tauchte jetzt die alte Schule, Klotenlägret auf. Im Sommer kamen oft Gruppen hierher um in der Umgebung abzuschalten. Drei Häuser noch! Ich sah das gelbe Haus mit dem wunderschönen Garten, das rote Haus, wo auf dem Grundstück immer wieder angebaut wurde und ein Hotel mit anschließendem Kiosk. Kaum ließen wir es hinter uns richtete ich mich in meinem Sitz auf. Das nächste war meins. Benjamin lachte und scherzte, wie aufregend ich es immer wieder fand, nach Hause zu kommen. Ich ignorierte ihn und sah weiter auf die Straße. Rechts tauchte jetzt ein Schild auf, das auf ein Haus in zwei Kilometern hinwies. Ich grinste. Ben bog in die Einfahrt ein und fuhr die restlichen paar Meter bis zum Haus. Es war ein langer von Bäumen gesäumter Kiesweg, an dem immer wieder kleinere Wege in den angrenzenden Wald führten. Sobald ich die ersten Ziegel ausmachen konnte, begann ich unkontrolliert auf und ab zu hüpfen.
„Ich hab noch nie erlebt, wie sich jemanden so doll freut, nach Hause zu kommen", kommentierte Mark spöttisch von der Rückbank.
Ich drehte mich um und grinste ihn an. „Sobald du es siehst, kannst du mich verstehen."
Bevor er etwas erwidern konnte, schnallte ich mich ab und sprang raus. Benjamin parkte den Wagen in der Einfahrt, dann stiegen Mark und er ebenfalls aus. Während ich die Stufen zu meinem Haus hoch hüpfte, nahm er meine Tasche und folgte mir zusammen mit Mark, der sich nun staunend umsah.
Das Haus war aus vielen kleinen Steinen gebaut, und ziemlich untypisch für schwedische Verhältnisse, doch ich liebte es. Vorne eher auf der linken Seite führte eine kleine Treppe aus großen Steinplatten zur dunkelgrünen Haustür. Links und rechts neben der Treppe wuchsen viele verschiedene Pflanzen so wie sie wollten. An den unteren Fensterrahmen hingen Blumenkästen, in denen ich im Sommer Gemüse anbaute. Bog man am Ende um die Ecke, erstreckte sich vor einem eine große grüne Rasenfläche, die bis zum Ufer des angrenzenden Sees reichte. Dort hatte ich vor ein paar Jahren mit den Dorfbewohnern einen Steg gebaut, sodass man super ins Wasser kam, sich aber auch mal in Ruhe sonnen konnte. Eine Ecke weiter war ein Wintergarten mit riesigen Glasfenstern. Im Winter stellte ich, oder wenn ich nicht da war, Benjamin, die Blumen, die den Sommer über in Garten verteilt standen, hinein. Im Moment müsste es aussehen, wie ein kleiner Urwald, mit einigen bunten Flecken von den Orangenbäumen.
Glücklich schloss ich meine Haustür auf. Sofort umfing ich der Duft von Melisse. Ich liebte diesen Duft! Langsam durchquerte ich in den Flur, der durch das Wohnzimmer zum Wintergarten führte, und öffnete gleich die erste Tür auf der linken Seite. Es war mein kleines Gästebadezimmer. Alles stand sauber und ordentlich auf der Anrichte und wartete nur auf neuen Besuch. Zufrieden schloss ich die Tür wieder.
Weiter geradeaus gelangte man ins Wohnzimmer und von dort um eine leichte Biegung ins angrenzende Esszimmer. Beide Räume waren in einem Dunkelrot gestrichen, mit wunderschönen detailreichen Verzierungen an den Wänden. Es war die Arbeit von fast einem Jahr. Hinter mir vernahm ich die Schritte von Mark und Ben.
„Wow", staunte Mark, als er durch die Glastüren in den Wintergarten sah. Ja, es sah wirklich fantastisch aus, da musste ich ihm insgeheim zustimmen.
Geräuschvoll stellte Benjamin jetzt die Taschen aufs Parkett, drehte sich um und ging wieder. Ohne etwas zu sagen. Doch ich wusste, dass auch er sich freute, dass ich wieder da war.
Von dem Esszimmer zeigten zwei Fenster nach draußen auf den Garten, der um diese Jahreszeit schon mit leichtem Frost überzogen war. Wenn man sich ganz nah an die Scheibe stellte, konnte man sogar den Steg sehen, der sich zwischen den Bäumen in Richtung Wasser erstreckte. Ich ließ Mark allein weiter staunen, und ging wieder zurück zum Flur. Links von mir, in einer kleinen dunklen Nische war eine alte Holztreppe ins obere Stockwerk. Doch bevor ich sie hochstieg, folgte ich meinen Beinen in Richtung Küche. Die befand sich ein bisschen weiter in Richtung Tür, ebenfalls auf der linken Seite. Ihre Tür war blau gestrichen und fiel in den Wellenmustern auf den Wänden nicht weiter groß auf. Ich stieß sie schwungvoll auf und betrat den Raum über eine kleine Stufe. Hier roch es besonders stark nach Melisse, weshalb ich trotz meiner, nicht wirklich guten Kochkünste, diesen Raum liebte. In einer U-Form folgte die Anrichte den Gemäuern auf der rechten Seite. Genau in der Mitte des Us stand ein roter robuster Holztisch mit vier unterschiedlich gestrichenen Holzstühlen. Am anderen Ende des Raumes, die Arbeitsplatte unterteilend, befand sich eine kleine schon sehr alte Holztür, hinter der meine Vorratskammer war. Falls ich doch mal Lust hatte zu kochen.
„Auf einmal warst du weg", meinte Mark, und trat ebenfalls durch die Tür. „Ich hätte nicht gedacht, dass dein Unterschlupf so...", er stockte kurz. „Wow ist. Mir fehlen einfach die Worte. Am liebsten würde ich hier bleiben und den Rest der Welt vergessen." Er errötete leicht, als ihm bewusst wurde, was er gerade angedeutet hatte.
„Ich hab mir mit diesem Haus einen Lebenstraum erfüllt", meine Hand strich über das Holz der Arbeitsplatte. Es war schon abgenutzt und hatte an einigen Stellen tiefe Furchen.
„Ich hab da vorne eine Treppe gesehen. Darf ich hoch gucken?", fast schüchtern stand er neben mir.
„Klar", ich nahm, wie selbstverständlich, seine Hand und zog ihn mit mir. Die Treppe war schon älter und knarrte bei jedem Schritt. An den Wänden hatte ich Fotos aufgehängt, die ich während meiner Reisen aufgenommen hatte. Sie zeigten viele bunte Menschen, aber auch berühmte Gebäude und Naturschauspiele, die ich besichtigt hatte. Der obere Flur war in Orangetönen gehalten, aber ebenso in Wellen gestrichen, wie der untere. An der Treppe überschnitten sich die Farben und brachten einen wunderschönen grünen Übergang zustande. Die Grundrisse der Stockwerke entsprachen einander, wobei ich aus dem Zimmer, was unten Wohn- und Esszimmer darstellte, zwei gemacht habe, die über einen kleinen Flur erreichbar waren. Links den Gang runter gelangte man zu einem Gästezimmer.
„Hier kannst du schlafen", ich öffnete die Tür und ließ Mark das Innere betrachten. Die Wände waren in Grün gestrichen, das Bett, der Schrank und die Kommode aus hellem Holz und die Vorhänge weiß. Es harmonierte perfekt miteinander, ohne langweilig zu wirken. An den Wänden hatte ich überall in liebevoller Kleinarbeit Blumenranken gemalt.
Vorsichtig fuhr er mit den Fingern die Ranken nach.
„Du kannst echt super malen. Ist dir das eigentlich klar?", er drehte sich nicht zu mir um, sondern musterte weiter fasziniert die Blumen.
„Das ist gar nichts", winkte ich bescheiden ab. „Möchtest du auch noch den Rest des Hauses sehen?"
Ein Nicken zeigte mir, dass er zuhörte. Ich ließ ihm noch ein paar Minuten um die Blumen zu betrachten, bevor ich aus dem Raum ging. Auf dem Flur öffnete ich die Tür zum Bad. Es war größer, als das untere, wodurch der Flur an der Stelle kleiner war. Eine Dusche, Toilette und Waschbecken teilten sich den wenigen Platz. Ich hatte vor ein paar Jahren ein Regal reingestellt, nachdem meine Zahnbürste jede Stunde dreimal vom Waschbecken gefallen war. Jetzt stand sie fein säuberlich neben der Zahnpasta und der Haarbürste auf dem Regalbrett.
„Ah, das Bad", Mark war hinter mich getreten. „Gibt es Zeiten?"
„Nein, wenn du drin bist, schließ einfach ab." Ich schloss die Tür und wandte mich nach rechts den Gang weiter runter. Die erste Tür stand einen Spalt auf.
„An dem Zimmer arbeite ich noch. Wäre schön, wenn du nicht reingehen würdest. Nicht, dass nachher alles durcheinander ist", mein Plan war, Stück für Stück alle Wände in den Zimmern zu bemalen und ihnen somit ein bisschen Einzigartigkeit zu verleihen. Den größten Teil hatte ich auch schon fertig.
„Darf ich trotzdem einen Blick reinwerfen?", neugierig huschte Marks Blick von der Tür zu mir.
„Wenn du unbedingt willst", etwas widerwillig öffnete ich die Tür weiter und ließ ihn den Raum betrachten. Auf allen Wänden zogen sich feine Bleistiftspuren über die weiße Tapete. Auf dem Boden lagen mehrere Skizzen verteilt, dessen Motive ich mit einbringen wollte.
„Du hast so ein Talent", beeindruckt durchdrang sein Blick mich. „Warum studierst du Theater und nicht Kunst?", erkundigte er sich.
„Von Kunst kann man nicht leben", ich verschloss nachdrücklich die Tür und wanderte den Flur runter. Hinter der letzten Tür auf der linken Seite lag mein Schlafzimmer.
„Mein Schlafzimmer", ich deutete einfach nur auf die dunkelrote Tür, machte aber keine Anstalten sie zu öffnen.
„Okay." Er verstand. „Was hältst du von Essen?"
„Gute Idee", wir liefen um die Wette die Treppe runter. „Am besten bringst du deine Tasche hoch und ich suche was Essbares", schlug ich vor und verschwand in der Küche.
Etwas verdattert stand ich vor dem leeren Kühlschrank. Normalerweise war er voll, wenn ich nach Hause kam. Benjamin hatte einen Schlüssel und eine Liste, der er immer abarbeitete. Nun, diesmal musste ich wohl selbst los. Nach einigem Suchen fand ich in einer Schublade ganz unten zum Glück noch Nudeln, die man sogar noch essen konnte. In der Vorratskammer entdeckte ich ein Glas mit Tomatensoße, die noch bis nächstes Jahr haltbar war. Gleich neben schon ziemlich schlecht aussehenden Oliven.
„Und?", fragte Mark aus der Küche.
„Einen Moment!", ich entdeckte ein Päckchen Puddingpulver, wenn ich jetzt noch Milch fand, hatten wir sogar einen Nachtisch. Doch leider gehörte Milch zu den Dingen, die man nicht lange lagern konnte. Enttäuscht kam ich wieder aus der Kammer.
Mark hatte in der Zeit Töpfe gesucht und sie mit Wasser gefüllt.
„Haben wir auch-", er drehte sich um und sah das Glas in meiner Hand. „Die hab ich gesucht", grinsend nahm er mir das Glas ab und kippte es in einen der Töpfe. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus, als ich jetzt Teller, Brettchen und Besteck holte und auf dem Tisch verteilte. Außerdem schaltete ich das Radio ein.
„Wie spät ist es eigentlich und welchen Tag haben wir?", erkundigte sich Mark beiläufig, ließ den Herd aber nicht aus den Augen.
„Es ist Samstag, der 27 November, ungefähr kurz nach zwei", ich lauschte dem Radiosprecher.
„Du kannst Schwedisch?"
„Klar", ich lachte. „Wie sollte ich sonst hier wohnen?"
„Keine Ahnung", gestand er grinsend. „Ich hatte nur gedacht, mit Englisch kommt man hier auch weit." Er schreckte die Nudeln ab.
„Natürlich kommt man Englisch weit", ich wollte nach dem Holzlöffel in der Tomatensoße greifen, bekam aber einen Klapps auf die Finger.
„Ich koche", bestimmend nahm Mark mir den Löffel weg und rührte. Seufzend, aber durchaus zufrieden, ließ ich mich auf einen der Stühle fallen.
„Man kommt mit Englisch weit", nahm ich den Faden nach einer Weile wieder auf. „Doch manche Sachen sind schöner in der Landessprache. Außerdem gehen die Menschen mit einem anders um, wenn sie merken, dass man nicht von hier ist."
Schwungvoll setzte Mark beide Töpfe auf dem Tisch ab, zog sich einen Stuhl raus und setzte sich.
„Guten Appetit!"
Wir langten beide kräftig zu. Seit mehr als 24 Stunden hatte ich keine warme Mahlzeit mehr gehabt. Und ihm ging es vermutlich ebenso. Genießerisch schloss ich die Augen. Es war so köstlich!
„Es ist schon erstaunlich", meinte ich, kaum das ich aufgekaut hatte. „Es ist exakt die gleiche Soße, doch bei dir schmeckt sie irgendwie besser."
„Danke für das Kompliment", er grinste. „Das ist eins der wenigen Dinge, die ich richtig gut kann."
„Aber du kannst doch mehr als nur kochen!", protestierte ich sofort. „Du bist aufmerksam, hörst gut zu, kennst dich mit Kunst aus! Du bist entschlossen, auch wenn du keine Ahnung hast, was auf dich zukommt. Du kannst dich verteidigen, und-"
„Danke", unterbrach er mich leise und starrte angestrengt auf seinen Teller.
„Was ist los?", ich spürte den Stimmungsbruch.
„Nichts", er schob seinen Stuhl zurück, stand auf und machte Anstalten zu gehen.
„Mark, bitte rede mit mir", bat ich ihn.
Unentschlossen stand er da, den Rücken zu mir. Ich dachte schon, er würde einfach gehen, doch dann er drehte sich wieder um und suchte stumm meinen Blick.
„Ich weiß nur einfach nicht, wo ran ich bei dir bin. Mal bist du so, wie in England, und mal ganz anders. Es ist, als kenne ich dich gar nicht. Und das, obwohl wir zusammen sind."
Ich legte mein Besteck beiseite und erhob mich ebenfalls. Langsam machte ich einen Schritt auf ihn zu. Und noch einen. Er blieb stehen, bewegte keinen Muskel. Ehe ich mich versah, stand ich vor ihm. Jetzt musste ich gut überlegen, bevor ich etwas Dummes tat. Ich wollte ihn nicht erschrecken, doch er musste auch die richtige Leyla kennen lernen. Die, die geflohen ist, die das malen liebt und die sich in ihn verliebt hat. Ich streckte meine Arme aus, legte sie um seine Schultern und verschränkte die Hände im Nacken. Immer noch keine Reaktion seinerseits. Ich hob mein Gesicht seinem entgegen, stellte mich sogar auf Zehenspitzen, damit wir auf Augenhöhe waren. Was auf Dauer anstrengend werden würde.
„Es ist schwierig für uns beide, doch wir schaffen das. Wir müssen uns einfach vertrauen und über alles reden. Nichts verschweigen", flüsterte ich, bevor ich ihn küsste. Entgegen zum letzten Mal, spürte ich keinen Widerstand. Ja, er erwiderte den Kuss mit der gleichen Leidenschaft wie ich. Gierig fuhren seine Hände meinen Rücken rauf, bevor sie sich auf meine Hüften legten und mich fester zogen. Ich ließ meine Hände da wo sie waren, und fing an, mit seinen Haaren im Nacken zu spielen. Mühelos hob er mich hoch. Erschrocken quiekte ich auf, doch er besiegelte meinen Mund sofort mit seinem. Auf einmal spürte ich die Arbeitsplatte unter mir. Ich löste mich und sah ihn forsch an.
„Was wird das, wenn es fertig ist?", erkundigte ich mich, leicht aus der Puste.
„Keine Ahnung", er grinste schelmisch. „Ich dachte, dass finden wir raus, wenn es soweit ist." Sein Mund lag wieder auf meinem und erstickte so, jede Entgegnung. Wie wir am Ende aufs Sofa kamen, wusste ich nicht mehr, nur, dass er niemals aufhören sollte.
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