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Kapitel 4

Es klingelte an der Tür. Irritiert legte ich mein Buch weg, bevor ich nach unten lief. Mein Vater stand schon vor der Haustür und hatte diese geöffnet. Hinter ihm konnte ich Sam erkennen.

„Das hat vorher noch niemand geschafft", meinte mein Vater gerade und warf stolz die Brust vor. Garantiert sprach er wieder über Football. Aus irgendeinem Grund war er süchtig danach und zwang uns, seine Familie, regelmäßig zum Gucken, was wir nur taten, damit er glücklich war.

„Ach, Engelchen. Guck mal wer uns kurzfristig besuchen gekommen ist", er drehte sich um und strahlte mich an.

„Hey, Sam", meinte ich schüchtern. Es war mir nicht ganz geheuer, dass er unangekündigt bei uns auftauchte.

„Ich war gerade unterwegs und dachte ich sag mal hallo", nervös zwirbelte er an seiner Jacke herum.

„Komm doch rein. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen", mein Vater trat zur Seite und führt Sam dann in die offene Wohnküche. Er überließ es mir, die Tür zu schließen und den Fernseher auszuschalten.

„Ach, hallo Sam", hörte ich meine Mutter aus der Küche. „Wir essen gleich, setz dich doch zu uns."

In England gelandet zog ich erstmal meinen dicken Wintermantel an. Es regnete zwar nicht wie befürchtet, doch so warm wie in Costa Rica war es bei weitem nicht. Entschlossen hängte ich mir meine Handtasche um und zog dann meinen Koffer durch die große überfüllte Halle, bevor ich wieder nach draußen in die Kälte trat. England, das hieß für mich, keine neue Sprache lernen müssen, viel Tee, Regenschirme und vornehme Frauen. Würde nicht leicht werden hier. Außerdem brauchte ich keine Perücken und Kontaktlinsen, was ich beides schon auf dem Weg abgenommen und in den Tiefen meiner Tasche verstaut hatte. Später kam es in den Koffer und zusammen mit den anderen Sachen unters Bett. Niemand durfte das je finden, sonst war ich geliefert. Plötzlich rannte jemand in mich rein und brachte mich gefährlich ins Wanken. Auch wenn meine Reflexe nicht schlecht waren, war ich doch machtlos gegen die Schwerkraft. Verdattert saß ich auf den Boden, bis ich die Sache endlich realisieren konnte.

„Can I Help you?", ein Hand erschien in meinem Blickfeld. Vorsichtig wanderte mein Blick an ihr hoch, bis ich in zwei wunderschön grün funkelnde Augen sah. Sie schlugen mich förmlich in ihren Bann und ließen mich nicht mehr frei. Unfähig zu sprechen, ergriff ich die ausgestreckte Hand. Sie war warm und ein wenig rau. Sofort wurde ich hochgezogen und stand wieder auf meinen eigenen Beinen. Wenn auch sehr wacklig.

„Hi", meinte ich und fuhr mir nervös durch die langen Haare. Bestimmt sahen sie fürchterlich verwuschelt aus, nach dem langen Flug. Beim Sprechen sah ich seine Brust an. Ihm in die Augen zu schauen, traute ich mir in meinem jetzigem Zustand nicht zu.

„Alles Ok?", erkundigte er sich besorgt.

Ich nickte nur dämlich. Wie ein Gentleman, bückte er sich jetzt nach meiner Handtasche und reichte sie mir.

„Danke", würgte ich hervor.

„Kein Ding. Immerhin bin ich ja in dich hinein gerannt. Was sehr unhöflich war. Tut mir übrigens noch mal sehr Leid. Das wollte ich nicht. Ich hab nicht wirklich auf den Weg geachtet. Was man ganz klar machen sollte. Und ich war am Handy, was man auch nicht machen sollte und-"

„Ich hab schon verstanden", unterbrach ich ihn lächelnd.

„-tschuldigung. Ich rede sehr viel wenn ich nervös bin." Er fuhr sich durch die kurzen blonden Haare, bis sie in alle Richtungen abstanden und schenkte mir dann ein supersüßes Lächeln.

„Vielleicht können wir uns ja bei einem Kaffe weiter unterhalten", schlug ich vor, nachdem peinliche Stille zwischen uns herrschte.

„Gerne", nahm er das Angebot an. „Würde es auch morgen bei dir gehen?" Sein Blick huschte immer wieder zur Uhr über dem Eingang.

„Klar", meinte ich. „Allerdings kenne ich mich hier noch nicht so aus. Dass heißt, du müsstest was vorschlagen."

„Mach ich", versprach er. „Ich hab es leider nur gerade eilig. Am besten wir tauschen Nummern aus. Dann schreibe ich dir heute Abend."

Schnell suchte er einen Zettel und einen Kugelschreiber und schrieb mir seine Nummer auf.

„Ich ruf dich heute Abend an", rief ich ihm hinterher, als er im Gebäude verschwand. Ein Blick auf den Zettel, dann versenkte ich ihn in meiner Manteltasche.

Leicht beschwingt überquerte ich die breite Straße und machte mich auf in Richtung Uni. Im Internet hatte ich rausbekommen, dass es extra Programme für Studenten gab, die es sich nicht leisten konnten, jede Ferien nach Hause zu fahren. Ihnen wurde eine Wohnung bereitgestellt, sowie eine warme Mahlzeit am Tag. Im Park, am Ende der Straße hielt ich an und suchte mir eine abgelegene rote Parkbank. Ich brauchte erstmal einen Lageplan, bevor ich weiter lief. Aus einem Seitenfach im Koffer holte ich meine ganzen Papiere, die ich vorsichtshalber schon vor Wochen ausgedruckt hatte. Ich blättere in dem dicken Stapel, auf der Suche nach der Karte, die ich mit ausgedruckt hatte. Immerhin kannte ich mich schon ein wenige länger, und wusste von meinem nicht wirklich gutem Orientierungssinn. Als ich sie endlich hatte versuchte ich rauszubekommen, wo genau ich mich im Moment aufhielt. Es dauerte ganze zehn Minuten bis ich bemerkte, dass ich die Karte falsch rum hielt. Ich schalt mich selbst dafür, bevor ich mich wieder ans Suchen machte. Triumphierend quiekte ich auf. Ich hatte meinen Aufenthaltsort gefunden! Bis zur Uni waren es nur noch zehn Minuten zu Fuß. Mit neuem Mut und Tatendrang ging ich weiter.

In England war vieles anders als in Costa Rica. Vor allem die Lebensfreude der Menschen fehlte mir. Hier hastete jeder von A nach B. Es wurde zwar gegrüßt und auch Rücksicht auf andere Menschen genommen, doch mir fehlte die Heiterkeit der Menschen. Mehrmals wurde ich angerempelt, bis ich verstand, dass es besser war mit seinem Koffer an der Ladenseite zu gehen. Das gab mir gleich auch die Gelegenheit die Schaufenster zu betrachten. Voller Freude blieb ich an einer der Bäckerein stehen. Trotz Studium würde ich mir wieder einen Nebenjob suchen müssen, und ganz nebenbei vielleicht auch noch illegale Handel sabotieren. Mehrere Minuten starrte ich einfach das Schaufenster und die dahinter dargebotenen Speisen an. Große Brotleibe, kleine Törtchen mit Sahne und vor allem Plätzchen. Viele verschiedene Sorten, Dekorationen und Formen. Alles sah so köstlich aus! Ich könnte gleich hier und jetzt etwas davon essen. Ein schneller Blick auf meine Armbanduhr. Viel Zeit um mich an der Uni zu melden blieb mir nicht. Traurig wandte ich mich ab und setzte meinen Weg fort. Später, schwor ich mir, würde ich zurückgehen und nach einer Stelle fragen.

Die Uni war ein altes Backsteingebäude, lag mitten in der Stadt und wurde von gepflegten Grünflächen umschlossen. Allgemein machte es einen sehr freundlichen Eindruck, wenn auch sehr strengen. Ich folgte den bunten Schildern bis zur Anmeldestelle im Hauptgebäude.

„Hallo", begrüßte ich lächelnd die grauhaarige Frau hinter dem Fenster.

„Was kann ich für dich tun?", ihr Blick huschte über mein Gesicht, meinen Körper und blieb dann an dem Koffer hängen. „Touristeninformation ist eine Straße weiter."

„Äh, nein", ich war etwas aus dem Konzept gebracht. „Ich bin hier um zu studieren."

Wieder sah sie mich prüfend an.

„'n bisschen früh, oder nicht?", spöttisch zog sie die Augenbrauen hoch.

„Ich hab im Internet gelesen, dass es ein Programm gibt für Studenten, die es sich nicht leisten können nach Hause zu fahren", begann ich. „Leider wurde ich vor ein paar Tagen aus meiner Wohnung geworfen. Deshalb dachte ich, ich könnte vielleicht ein Zimmer hier beziehen und mir solange für die Zeit einen Job suchen."

„Name?"

Shit, ich überlegte fieberhaft welchen Namen ich bei der Anmeldung genannt hatte.

„Name?", wiederholte sie ungeduldig.

Ich griff, einer plötzlichen Eingebung folgend, in meine Manteltasche und holte die Anmeldeformulare hervor. Ganz oben prangte der Name „Alycya Greay". Ich musste mir einen Seufzer verkneifen, als ich ihr die Zettel hinhielt.

„Kannst du deinen Namen nicht buchstabieren?", fragte sie höhnisch und suchte ihre Zettel danach ab.

„Nein, aber die meisten haben Schwierigkeiten meine Buchstabierung umzusetzen", antwortete ich bissig. Ohne sie aus den Augen zu lassen, versenkte ich die Papiere wieder in der Jackentasche.

„Alycya Greay, Theaterkunst", las sie jetzt vom Blatt ab. „Du wohnst im Streep Hause, Zimmer 24. Deine Nachbarin kommt erst zum Schulbeginn. Frühstück gibt's um neun, Mittag musst du dir selbst besorgen, Abendbrot um sechs. Beide Mahlzeiten werden im Haupthaus eingenommen. Hier einfach den Gang runter, dann links und dann die letzte Tür auf der rechten Seite. Mit dir sind schon 28 andere hier. Um 11 Uhr ist Nachtruhe, dass heißt danach kommst du nicht mehr ins Haus", sie sah mich scharf an. „Auch wenn noch keine Schule ist, wird die Anwesenheit kontrolliert. Einfach zur Sicherheit. Wenn du drei Tage lang nicht beim Essen erscheinst, werden wir dich suchen." Sie schob mir eine kleine Karte zu, auf der mein Name, Alter und Aussehen vermerkt war.

„Deine Studentenkarte. Verlier sie auf keinen Fall!", anscheinend hielt sie mich für eine unorganisierte, regelbrechende Schlampe. Vielen Dank auch.

„Hier ist noch eine Karte vom Campus. Wenn keine Fragen mehr sind, sehen wir uns beim Abendessen." Sie schob das Glas zu, stand auf und verließ den Raum durch eine Hintertür. Meine Künste im Kartenlesen waren mal wieder gefragt. In einer, für mich Rekordzeit, schaffte ich es, mein Haus zu finden. Es war in einem hellorange gestrichen, hatte hellgrüne Fensterrahmen und einen Vorgarten, der aussah als hätte sich ein Kleinkind mit Blumen ausgetobt. Die hellgrüne Eingangstür ließ sich problemlos öffnen. Schnell schob ich meinen Koffer durch, dann zog ich die Tür wieder zu. Und keine Sekunde zu spät, denn draußen ging ein Regenschauer los, wie ich ihn seit Monaten nicht mehr erlebt habe. Ich fand mich in einem schlichten weißem Flur wieder, dessen Wände von vielen Fotos gesäumt waren. Staunend betrachtete ich die vielen Promis darauf. Mir war nicht klar gewesen, an was für einer berühmten Uni ich mich einschreiben würde. Links und rechts gingen mehrer Türen ab. Alle waren in bunten Farben gestrichen, hatten eine Nummer drauf und waren geschlossen. Am Ende des Flurs war eine Biegung. Rechts führte der Flur weiter, wobei auf es auf der einen Seite jetzt einige Nischen mit Sesseln und Tischen gab, während auf der anderen Seite die Türen weiter führten. Geradeaus erstreckte sich eine leicht gewundene Treppe nach oben. Auf Augenhöhe waren in die Wand Schilder mit Nummern und Pfeilen angebracht. 1-8 lag in Richtung Tür, aus der ich kam, 9-11 lag rechts den Gang runter, 12-16 lag links am Ende des rechten Gangs um die Ecke und 17-35 lag oben. Vorsichtig hievte ich meinen schweren Koffer die glatten Stufen rauf. Dem altmodischen Geländer traute ich nicht ganz, weshalb ich mich an der Wand abstützte. Oben angekommen, bot sich mir ein ähnliches Bild wie unten. Vor und links von mir gab es wieder einen Gang, wobei es hier oben keine Nischen gab. Dafür war der Flur breiter und die eine Seite mit Fenstern ausgestattet. Die Schilder lotsten mich zu meinem Zimmer. Es lag gleich den Gang vor mir runter. Die erste Tür auf der rechten Seite trug zum Glück schon die Nummer 24. Ein tiefer Atemzug, dann machte ich auf. Es war ein niedliches kleines Zimmer, mit jeweils einem Bett auf jeder Seite. Gleich rechts war ein kleines Waschbecken, was mit einem Regal vom Bett abgetrennt war. Links standen ein großer Schrank und ein kleines Regal für Schuhe. Zwischen den Betten stand ein quadratischer Tisch mit drei Stühlen, hinter dem sich ein Fenster erstreckte. Ich zog meinen Koffer ganz ins Zimmer, dann schloss ich die Tür. Prüfend ließ ich mich auf eines der Betten fallen. Sie waren genau richtig, nicht zu weich und nicht zu hart. Danach untersuchte ich den Wasserhahn und den Schrank. Auf beiden Seiten waren jeweils Bretter als Regale eingelassen. Hoffentlich bekam ich eine nette Nachbarin, sonst würde das mit den Klamotten im Schrank schwierig werden. Meinen Koffer stellte ich erstmal an die Seite. Ich würde heute Abend noch genug Zeit zum Auspacken haben. Zum Glück hatte ich schon vor Wochen angefangen, meine Klamotten neu zu sortieren. Statt einfachen Jeans, wie man sie im Laden kaufen konnte, besaß ich nun ausgefallene Stücke, die ich Secondhandläden gefunden hatte. Auch hatten die Frauen in Costa Rica mir ein paar traditionelle Kleider genäht, die ich natürlich alle mitgenommen hatte. Mein Plan war, mich hier so zu geben, wie ich in Wirklichkeit war, also eher ein bisschen ruhiger, trotzdem kontaktfreudig und für jeden Spaß zu haben. Ich machte mich kurz frisch, wechselte meine Sachen, schnappte mir meine Handtasche und meinen Mantel und machte mich auf den Weg in die Stadt. Wenn alles so klappte wie ich wollte, hatte ich heute Abend ein neues Handy und einen Job. Beschwingt hüpfte ich die Treppe runter. Unten im Flur stand ein junges Mädchen in Jeans und Pullover. Ihre braunen Haare fielen in lang über den Rücken. Als sie jetzt den Kopf drehte flogen sie ihr über die Schulter.

„Hey", begrüßte sie mich. „Du bist neu hier, oder?"

Ich nickte. „Alycya Greay", stellte ich mich vor. Fast hätte ich ihr die Hand gereicht, konnte mich aber gerade noch beherrschen und ließ sie da wo sie war, nämlich in der Handtasche über meinen Verkleidungssachen.

„Lucie Hale", meinte sie und grinste mich schelmisch an. „Wenn du willst zeige ich dir alles", bot sie an.

„Gerne", ich lächelte zurückhaltend. „Ich hab nur leider noch was vor. Können wir das sonst nach dem Essen machen?"

„Klar. Weißt du denn wo der Essensaal ist?"

Ich nickte.

„Ok, dann treffen wir uns da nachher", sie öffnete die Zimmertür. „Man sieht sich Aly", dann fiel die Tür ins Schloss.

Ich setzte beschwingt meinen Weg fort.

Draußen hatte es zum Glück aufgehört zu regen, trotzdem schlug ich die Kapuze hoch. Sehnlichst wünschte ich mir das sommerliche Wetter aus Costa Rica wieder oder aus Brasilien. Dort war es elf Monate im Jahr warm und einen Monat richtig heiß. Zwar regnete es, aber das war schöner Regen und nicht so ein Scheißzeug wie hier. Die Leute ließen sich anscheinend nicht vom Wetter beeinflussen, wenn nicht sogar mehr Menschen unterwegs waren als vorhin. Ziemlich schnell fand ich einen Telefonladen, bei dem die Handys nicht allzu teuer waren. Ziemlich offensichtlich flirtete der Mann hinter dem Tresen mit mir. Ich versuchte nicht darauf einzugehen als ich bezahlte, doch ganz kalt ließ es mich nicht.

„Komm bald wieder", rief er mir zum Schluss hinterher. Ich nickte nur. Auf jeden Fall würde ich in Zukunft einen großen Bogen um diesen Laden machen. Als nächstes stand die Bäckerei auf meinem Plan. Ich brauchte ein bisschen um den Weg zurück zu finden, doch es klappte. Diesmal sah ich mir nicht nur das Schaufenster an, sondern betrat auch den Laden. Sofort umfing mich ein warmer Duft nach frischen Leckerein. Ich holte tief Luft und genoss den Geruch. Im Unterbewusstsein bestimmte ich ein paar Zutaten. Auf jeden Fall war Zimt enthalten. Auch eine Spur Vanille erkannte ich, ebenso wie Schokolade.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?", eine schon etwas leicht ergraute Frau sprach mich an. Sie trug eine Schürze und arbeitete offensichtlich als Verkäuferin. Offen lächelte sie mich an.

„Hallo", begrüßte ich sie. „Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht noch eine Aushilfe brauchen? Ich hätte Interesse."

„Eine Aushilfe? Ich frag mal nach. Die Chefin ist gerade hinten", damit verschwand sie hinter einem Vorhang aus hellen Schnüren. Es dauerte ein wenig bis sie wieder da war. In der Zeit sah ich mich im Café um. Von der Straße hatte ich nur den vorderen Bereich gesehen, doch durch eine Tür gelangte man nach hinten in eine Art Saal, wie ich annahm. Ein Schild neben der Tür wies auf eine Terrasse hin. Der ganze Raum wurde in hellen Orangetönen gehalten, was mit dem dunklen Holz der Tische perfekt harmonierte. Ein paar Gäste saßen auf den gut gepolsterten Stühlen und genossen ihre Desserts.

Hinter dem Vorhang aus Perlenschnüren hörte man nun leise Stimmen. Neugierig drehte ich mich um. Eine junge Frau, mit streng zurück gekämmten schwarzen Haaren trat durch den Vorhang. Ihre Hände wischte sie an ihrem weißen Kittel ab, ehe sie mir die Rechte hinstreckte.

„Hallo, ich bin Mona Walles, die Leiterin dieses Cafés. Wie kann ich dir helfen?" Mit einem freundlichen Lächeln entschärfte sie ihr strenges Auftreten.

„Mein Name ist Alycya Greay, ich bin Studentin und würde mir gerne ein bisschen was nebenbei dazu verdienen. Wenn Sie also noch eine Kellnerin brauchen, würde ich gerne diesen Job übernehmen." Hoffentlich klang das nicht zu...hohl. Mona tauschte einen Blick mit der älteren Frau, dann führte sie mich zu einem der Tische an der Wand, weit weg von den Kunden. Während wir beide Platz nahmen, verschwand die andere Frau wieder hinter der Theke und bediente Kunden, die den Laden betraten.

„Du möchtest also gerne als Kellnerin arbeiten, Alycya?", fragend sah sie mich an.

Ich nickte. „Ich hab auch schon Erfahrung. Außerdem liebe ich Cafés und Bäckerein."

„Ach ja", sie hob die Augenbrauen. „Wo denn?"

„Ich hab da, wo ich vorher gewohnt habe, in einem Café gejobbt. Nebenbei hab ich auch auf Hochzeiten oder Geburtstagen ausgeholfen. Ich würde das hier gerne weiter machen."

„Hast du eine Bewerbung mit?"

Mist, die hab ich natürlich vergessen. Ich schüttelte zerknirscht den Kopf.

Sie seufzte. „Was hältst du davon, du zeigst uns was du kannst. Wenn es uns gefällt, kannst du hier arbeiten. Die Bewerbung reichst du dann einfach nach."

„Gerne", ich lächelte zurückhaltend. Doch innerlich jubelte ich. Yeah!!

Sie führte mich hinter die Theke.

„Hier hast du eine Schürze. Dein Haar fasst du am besten zusammen", sie reichte mir ein weißes Tuch. Schnell band ich es mir um die Hüften, dann machte ich mir einen Pferdeschwanz.

„Hier sind die Tüten, dort das Papier. Die Schilder sind alle doppelt beschriftet. Zange und so was befindet sich neben der Kasse", sie zeigte mir alles im Schnelldurchlauf. Dann heftete sie ein Schild mit „Trainee" an meine Brust. Danke, jetzt war ich noch eine Azubi.

„Die Preise stehen alle auf der Liste neben der Kasse. Ich hoffe du kannst so eine bedienen?"

Es war eine ganz einfach Kassierkasse, wie sie auch Carla gehabt hatte.

„Du hast eine Stunde Zeit. Maryse wird dir helfen und die Kaffeemaschine bedienen. Viel Glück." Mona nahm sich eine weiße Tasse, die etwas abseits gestanden hatte und setzte sich an den nächsten Tisch. Sie wollte mir wohl zuschauen. Konnte sie haben. Ein junges Pärchen betrat den Laden. Sofort nahm ich die Bestellung auf. Zuerst fiel es mir schwer die Teilchen auseinander zu halten, doch mit der Zeit lernte ich dazu. Am Ende hatte ich nur noch mit den verschieden Akzenten zu kämpfen. Doch meistens waren die Leute so nett, ihre Bestellung zu wiederholen, wenn ich meinte, dass ich nicht von hier war und sie leider nicht so gut verstehen würde.

Wie ich die Stunde überstanden hatte, konnte ich danach nicht mehr sagen. Ich wusste nur, dass es viele Leute mit noch mehr Wünschen gewesen waren. Mona winkt mich zu sich an den Tisch.

„Du hast mich überrascht", meinte sie. „Ich hatte am Anfang so meine Zweifel. Du musst wissen, viele Leute wollen hier arbeiten, aus verschiedenen Gründen. Doch meistens können sie noch nicht mal kellnern", sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Tasse. „Wie gesagt, du hast mich überrascht. Wenn du willst, kannst du hier arbeiten."

Ich grinste.

„Über die genauen Zeiten würde ich mich gerne mit dir noch mal in Ruhe unterhalten", fuhr sie fort.

Das kam mir gut. Wo ich eh noch keine Ahnung von meinem Stundenplan hatte.

„Aber bevor wir das machen, erzähl mir ein bisschen über dich", bat sie mich.

„Ja", fing ich zögernd an. „Mein Name ist Alycya Greay. Ich komme aus Dänemark, bin 25 Jahre alt und habe das letzte halbe Jahr in Costa Rica gewohnt. Ich studiere nach den Ferien Theaterkunst an der hiesigen Uni, wo ich auch wohne. Noch was?"

„Warum warst du in Costa Rica?", Mona sah mich neugierig an.

„Ich hab da so ne Art FSJ gemacht", meinte ich ausweichend.

„Willst du Schauspielerin werden?", hakte sie nach.

„Das weiß ich noch nicht. Meine Eltern sind beide Schauspieler, deshalb war für sie klar, das ich Theaterkunst studiere."

„Das war nicht meine Frage", meinte Mona leicht verstimmt. „Meine Frage war ob du Schauspielerin werden willst."

Oha, da würde ich mir schnell eine wasserdichte Identität zulegen müssen.

„Eine Zeit würde ich gerne als Darstellerin arbeiten. Am liebsten in einem richtigen Theaterhaus. Aber mein Leben lang, nein. Ich weiß noch nicht was ich danach machen werde, aber ich möchte nicht für immer Schauspielerin sein."

Zufrieden nickte sie. „Wann musst du wieder in der Uni sein?"

„Um halb sechs", antwortete ich und klopfte mir im Geiste auf die Schulter, dass ich ihr exakt auf die Frage geantwortet habe.

„Okay, es ist jetzt halb fünf. Was hältst du davon, du arbeitest bis viertel nach fünf und machst dann Schluss?", sie sah erst auf die Uhr, dann huschte ihr Blick zu mir. „Morgen und am Sonntag haben wir geschlossen. Am Besten kommst du einfach Montag in den Laden, dann können wir uns in Ruhe über die Arbeitszeiten und das Gehalt unterhalten. Wann kannst du kommen?"

Da machte jemand Nägel mit Köpfen. „Um elf, wenn das geht." Dann hatte ich vorher noch genug Zeit meine Sachen auszuräumen, das Haus zu erkunden und an meiner Person zu arbeiten.

„Okay dann sehen wir uns Montag", sie war schon fast hinter dem Vorhang verschwunden, als sie sich noch mal umdrehte.

„Ach ja, wir duzen uns hier, Alycya. Ich hoffe, dass ist kein Problem für dich."

Ich schüttelte den Kopf. Dann war sie wieder hinterm Vorhang. Leicht hüpfend lief ich zu Maryse und half ihr die Kunden zu bedienen. Pünktlich um viertel nach fünf machte ich Schluss, genau wie Mona gesagt hatte.

„Bis Montag. Und schönes Wochenende", ich winkte Maryse lächelnd zu. Dann öffnete ich die Tür und lief zurück zur Uni.

Aus dem Laufen wurde ein Sprint. Ich hatte mich ein bisschen in der Entfernung verschätz, sodass ich außer Atem ins Haupthaus hastete, meinen Mantel neben die Tür hängte und in den Saal stürmte. Zum Glück herrschte dort trotz der wenigen Leute ein Chaos, unter das ich mich jetzt mischte. Ein paar Schüler warfen mir neugierige Blicke zu, doch niemand sprach mich an. Zum Essen gab es Fischstäbchen, mit Kartoffeln, Soße und Gemüse. Für mich, die seit einigen Monaten nicht mehr richtig kochte, war es herrlich. Nachdem ich mir meine Portion abgeholt hatte, hielt ich Ausschau nach einem freien Platz. An einem Tisch, relativ in der Mitte, war noch ein Stuhl frei. Ich steuerte drauf zu.

„Hey, ist hier noch frei?", fragend sah ich in die Runde. Zwei Mädchen und drei Jungen sahen von ihrem Essen auf. Es folgte ein schneller Blickaustausch, dann meinte einer:

„Sorry, wir warten auf jemanden. Aber vielleicht nächstes Mal", er schenkte mir ein halbes Lächeln.

„Okay", ich verbarg meine Enttäuschung und ging zum nächsten Tisch. Dort saß nur ein schlaksiger Junge mit blonden Dreadlocks. „Ist hier zufällig noch frei?"

Erstaunt sah er auf. „Klar", meinte er.

„Danke", zufrieden ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. „Ich bin Alycya", ich streckte dem Fremden meine Hand hin.

„Justus-Alexander, aber bitte sag Sander zu mir. Das machen fast alle", er ergriff meine Hand und schüttelte sie. Dabei fiel mir auf, dass er krass graue Augen und sehr raue Finger hatte. Vielleicht Musiker?

„Du bist neu hier, oder?" er betrachtete eingehend sein Essen.

„Ja, merkt man es doll?" ich fing an mein Essen in mich reinzuschaufeln.

„Nein", versicherte er mir schnell. „Na ja..., doch man merkt es." Seine Wangen färbten sich rot, wodurch er echt jung aussah. Ich schätze ihn auf etwa Anfang 20. „Niemand sonst fragt bei der Elite, ob noch ein Platz frei ist." Erklärend deutete er mit dem Kopf auf den Nachbartisch.

„Sander!", rief in dem Augenblick eine helle Stimme durch den ganzen Raum und schon fegte ein bunter Wirbelwind durch die Tischreihen. An unserem blieb er stehen und brachte eine Parfumwolke mit. Endlich konnte ich Lucie ausmachen, das Mädchen aus dem Wohnheim. Sie trug jetzt eine schwarze Bluse und eine helle Jeans.

„Weißt du, wen ich heute getroffen habe?", geheimnisvoll beugte sie sich zu ihm herab, wodurch ihre langen braunen Haare fast in meinem Essen landeten. Zum Glück konnte ich meinen Teller noch schnell genug wegziehen. Davon bekam sie allerdings nichts mit.

„Wir haben eine Neue bei uns im Wohnheim. Ihr Name ist Alycya Greay und sie sieht aus wie-", den Rest des Satzes konnte ich nicht verstehen, da Sander sich verschluckt hatte und anfing laut zu husten. Freundschaftlich klopfte Lucie ihm auf den Rücken. Endlich bemerkte sie, dass Sander nicht alleine am Tisch saß. Ihre braunen Augen weiteten sich erschrocken, als sie mich sah.

„Hoppla", flüsterte sie.

Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, knallte nun ein gut gebauter schwarzhaariger Junge sein Tablett auf den Tisch. Irgendwie kam er mir bekannt vor.

„Habt ihr schon die Neue gesehen? Man erzählt sich, dass sie richtig heiß sein soll." Er schnappte sich einen Stuhl vom Nachbartisch und ließ drauf fallen.

Lucie machte undeutliche Handbewegungen und versuchte ihn auf mich aufmerksam zu machen, was er aber gekonnt ignorierte.

„Anscheinend arbeitet sie bei Mona im Laden. Stellt euch das mal vor." Er strahlte, holte mit den Armen weit aus und bemerkte mich endlich. Wie erstarrt bohrte sich sein eisblauer Blick in meine grau-blauen Augen.

„Freut mich auch dich kennen zulernen", meinte ich ungerührt und aß weiter.

„Ähm", brachte er nur heraus und wurde ebenfalls rot. Jetzt gingen er und dieser Sander im Partnerlock.

„Vielleicht fangen wir noch mal ganz von vorne an", Sander versuchte die Situation zu retten und bedeutete Lucie sich hinzusetzen.

„Das hier ist Lucie. Wir kennen uns schon seit der Grundschule", er deutete auf sie, während sie mir ein perfektes Lächeln schenkte. „Als sie beschloss hier zu studieren, kam ich einfach mit." Er zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts.

„Lass dich von ihn nicht täuschen", Lucie legte mir die Hand auf den Arm. „Er ist ein kleines Kunstgenie. Niemals hätte er sich das Stipendium entgehen lassen."

Staunend betrachtete ich Sander nun mit neuen Augen. Eigentlich hätte ich auch von selber drauf kommen können. An seinen Finger fanden sich verschiedene Farbkleckse, sein Haar war zu einem Zopf zusammen gefasst und seine Klamotten sahen sehr alt und mitgenommen aus.

„Und das hier ist Rafael", fuhr Lucie fort. „Er ist Sanders Freund."

Ich stockte beim Kauen. Sie hatte sein Freund und nicht ein Freund gesagt. Mein Blick huschte von Sander, der aussah als käme er direkt von einem Selbstfindungstrip, zu Rafael, der eher sportlich wirkte, in seinem schwarzen engen T-Shirt, und wieder zurück.

„Genau", Lucie deutete meine Blicke richtig. „Die beiden sind ein Paar. Allerdings hängen sie es nicht so an die große Glocke. Wenn du weißt was ich meine", verschwörerisch beugte sie sich zu mir und umfasste meinen Arm. „In der Künstlerszene ist es zwar normal, aber Rafaels Eltern sind streng katholisch. Sie würde der Schlag treffen, wenn sie es erfahren würden."

Ich nickte sprachlos.

„Also, was studierst du?", erkundigte sich Sander und rettete mich aus meiner Lage und Lucies Klammergriff.

„Theaterkunst", gab ich freiwillig Auskunft und versuchte unauffällig meinen Arm auszuschütteln.

„Sie wohnt bei uns", steuerte Lucie bei. „Das heißt Pyjamapartys!" sie grinste schelmisch.

„Du hast Sara vergessen. Die verpetz uns garantiert", bremste Rafael sie und betrachtete missmutig seinen Salat.

„Ach, die alte Zicke. Mit der kommen wir klar", schnaubte Lucie. Ich merkte schnell, sie ließ sich von nichts die Laune verderben.

„Komm, wir zeigen dir jetzt erstmal das Haus und danach können wir die Partys planen", Sander war anscheinend der vernünftige Kopf dieses Dreiergespann. Zusammen brachten wir die Tabletts weg.

Über einige Plätze und Flächen die ich noch nicht kannte, steuerten wir auf das Meryl Streep Haus zu. Und natürlich, es regnete. Ich hasste England schon jetzt. Auf dem Weg redeten die drei ohne Punkt und Komma. Ich hörte einfach zu und genoss das Gefühl von Freunden umgeben zu sein. Das Gespräch drehte sich um die letzten Ferien und die darin stattgefundenen Partys. Im Haus angekommen, wandte Lucie ihre Aufmerksamkeit jetzt mir zu.

„In diesem Haus gibt es 35 Zimmer, von denen nur sechs während der Ferien bewohnt sind. Wir haben auch eine Waschküche, zwei Aufenthaltsräume, eine kleine Küche und natürlich Badezimmer. Ich zeige dir eben alles und dann treffen wir uns oben wieder. Okay?", sie wartete keine Antwort ab und zog mich mit sich.

Es ging rechts an der Treppe den Gang runter. Wie schon erwartet bog der Gang nach links ab. Vor zwei rot gestrichenen Türen mit weißen Streifen blieb sie schließlich stehen.

„Hier sind die Duschen, sowie drei Klos für die Mädchen. Oben findest du noch mal drei Klos, aber keine Duschen. Mein Tipp:", sie kam näher. „Am Besten spät nachmittags, wenn man Freizeit hat duschen gehen. Morgens und abends ist es immer voll."

Ich nickte.

„Komm, hier geht es runter zur Waschküche", sie stieß eine schlichte weiße Tür auf und lief beschwingt die Treppe runter. Unten war ein kleiner runder Flur.

„Links, die Waschküche. Bedienungsanleitungen hängen an der Wand. Falls du Hilfe brauchst, sag Bescheid. Daneben unser Sofaraum. Am besten meidest du den. Dort hängen immer nur Pärchen ab, die nicht so nette Sachen miteinander machen." Sie verzog das Gesicht. „Das ist echt eklig!"

Ich lachte. „Will ich wissen, warum du das weißt?"

„Bäh!!", sie schüttelte sich. „Du bist gemein." Lachend knuffte sie mich in die Seite, das ich kurz Mühe hatte, mein Gleichgewicht wieder zu finden. „Komm weiter."

Sie zog mich zur nächsten Tür.

„Das ist der Aufenthaltsraum für die normalen Leute. Manchmal ist auch 'ne Tischtennisplatte aufgebaut. Sonst gibt's nur Kissen und Stühle. In anderen Häusern werden dort auch AG Treffen abgehalten. Bei uns nicht." Sie grinste und fuhr sich durch die langen Haare. „Wir sind so was wie das Loser Haus des Campus. Keine AGs, keine Spieleabende, keine Partys. Jedenfalls nicht für Leute aus andere Häusern." Sie zog mich zur letzten Tür. „Das ist unsere 'Gemeinschaftsküche'" sie malte Anführungszeichen in die Luft. „Es gibt nur ein paar Kühlschränke und einen Tisch. Wenn du was rein stellst, schreib auf jeden Fall deinen Namen drauf. Und mach es am besten in den nächsten Tagen leer. Wir haben hier ein paar Leute, die sich gerne an den Sachen anderer Leute bedienen."

Das kannte ich nur zu gut. In Indien hatte ich in so einer Art Zwecks-WG gewohnt. Dort hatte sich immer jeder an den Sachen anderer bedient ohne zu fragen. Ich hatte es knapp einen Monat ausgehalten, dann hatte ich mir eine neue eigene Wohnung gesucht.

„Komm, die Jungs warten sicher schon auf uns", sie zog mich die Treppe hoch. Auf dem Weg ins erste Obergeschoss plapperte sie ununterbrochen.

„Sobald hier alle wieder eingezogen sind, stehen meistens Schuhe vor der Tür. Ab und zu hängen auch Poster oder Namensschilder an den Türen. Und es ist laut. Wir sind das lauteste Haus ohne Partys. Schrecklicher Ruf. Aber man gewöhnt sich dran." Sie deutete auf die Nischen rechts von uns.

„Egal was du machst, setzte dich niemals darein. Du weißt nie, was vor dir in diesen Nischen passiert ist."

Prompt sprang mein Kopfkino an und zeigte mir viele kleine bunte Bildchen die ich gern sofort wieder vergessen würde. Wir stiegen die Treppe hoch.

„Eigentlich wollten sie die Stockwerke nach Geschlechtern trennen. Aber das hat nicht funktioniert, da wir bei uns im Haus eindeutig mehr Mädchen als Jungen sind", sie zuckte mit den Schultern und führt mich links den Gang runter. „Sander und Rafael haben sich im ersten Jahr ein Zimmer geteilt. Doch sobald raus kam, dass sie miteinander gehen, kamen sie in zwei getrennte Zimmer." Sie schüttelte den Kopf. „Was soll da denn schon passieren?!", murmelte sie leise vor sich hin und sprach damit meinen Gedanken laut aus.

„Raf schläft übrigens in Zimmer 26 und Sander in 29. Ich bin unten in 4. Falls du was brauchst, klopf einfach an. Die Zimmernachbarn der Jungs sind eigentlich ganz in Ordnung." Sie blieb vor der Nummer 29 stehen. „Meistens treffen wir uns immer bei Sander. Sein Zimmernachbar ist Mitglied in so 'ner Freak-AG wo sie irgendwelche Spiele erfinden, was für uns heißt, sturmfrei!" ohne anzuklopfen öffnete sie schwungvoll die Tür.

„Da sind wir!", kichernd hüpfte sie rein und schmiss sich auf das freie Bett. Auf dem anderen saßen eng aneinander gekuschelt Rafael und Sander. Sobald sie mich sahen, rückten sie voneinander ab und sahen betreten zu Boden.

„Keine Angst", beruhigte ich sie. „Ich hab keine Probleme damit." Sofort rutschen sie wieder enger zusammen. Mir fiel auf, dass Rafs enges Hemd einem sehr weitem und gemütlichem T-Shirt gewichen war.

„Also", Lucie fuhr sich durch die langen Haare und band sie zu einem unordentlichen Knoten zusammen. „Was haltet ihr von einem Film Abend? So, zum Kennenlernen?" Fragend sah sie in die Runde.

„Ich nicht", winkte ich ab, als mir einfiel, dass ich ja dem Typen vom Flughafen schreiben wollte. „Ich bin ziemlich müde. Zeitverschiebung und so. Außerdem hab ich auch noch ein paar Sachen, die sich nicht von alleine auspacken werden."

Lucie zog einen Schmollmund. „Und ihr?", sie wandte sich an Sander und Rafael. „Macht ihr mit?"

Die beiden tauschten einen schnellen Blick.

„Eigentlich wollten wir es uns ein bisschen gemütlich machen", meinte Rafael schließlich vorsichtig.

„Hab schon verstanden", Lucie stand auf und lief an mir vorbei nach draußen. Erstaunt sah ich ihr nach. Ich hatte gedacht, sie ließe sich von nichts die Laune verderben.

„Muss ich ihr jetzt hinter laufen und mich entschuldigen?", ich wandte mich den Jungs zu.

„Nein", Rafael schüttelte den Kopf. „Morgen hat sie das schon längst vergessen."

Ich zuckte mit den Schultern. „Bis morgen", meinte ich noch, dann zog ich die Tür hinter mir zu und ging zu meinem Zimmer zurück. Dort war noch alles wie ich es zurück gelassen hatte. Hätte mich auch stark gewundert, wenn nicht. Mit einem Seufzer fiel ich aufs Bett und legte meinen Mantel und meine Handtasche auf dem Tisch. So viel war passiert. Und ich war noch nicht mal ganze 24 Stunden von Costa Rica weg. Wie jedes Mal vermisste ich das vorherige Land und die Leute, die ich dort kennengelernt hatte. Ich holte mein neues Handy aus der Tasche hervor. Mit ein paar schnellen Griffen war es eingeschaltet. Aus den Tiefen meines Mantels holte ich nun den Zettel mit der Nummer. Ich tippte sie ein und fing sofort an eine SMS zu schreiben.

Hi

Ich starrte das Wort an. Es war das erste Mal seit langem, dass ich einem Mann schrieb, der vermutlich mehr war, als nur ein Kumpel.

Hi, wie geht es dir?

Ich drückte die Löschtaste. Das ging gar nicht.

Hi, hoffe du hast mich nicht vergessen.

Oh Mann, ich war ein hoffnungsloser Fall in so was. Ich überlegte mehrere Minuten. Normalerweise fasste ich mich immer so kurz wie es nur ging. Doch war das ein erster guter Eindruck? Immerhin war er in mich hineingelaufen. Ich hatte bestimmt nicht elegant ausgesehen, wie ich da so auf dem Boden gelegen hatte. Entschlossen tippte ich los. Mehrmals löschte ich Zeilen wieder. Am Ende schrieb ich schließlich:

Hi, wollte fragen wie es mit dem versprochenen Kaffee aussieht? Morgen Nachmittag würde bei mir gehen, bei dir auch?

Lg Alycya,

deine Unfallbekanntschaft vom Flughafen

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, drückte ich auf senden. Danach betrachtete ich nachdenklich die Decke. Ich wusste, ich sollte eigentlich meinen Koffer auspacken, und die Sachen einräumen, damit niemand Fragen stellen würde, doch ich hatte keine Lust. Ich wollte einfach nur diesen Moment genießen, ein ganz normales Mädchen sein, das Theater und Schokolade liebt. Ein Mädchen, dass mit einem Mann ausging, ohne die Absicht zu hegen, ihn hinterher umzubringen. Plötzlich erschien vor meinem Auge ein Bild von meinem älteren Bruder Nico. Er hatte die schwarzen Haare unserer Mutter und die blauen Augen unseres Vaters geerbt. Wir hatten früher, als ich gerade so laufen konnte, immer so getan, als würden wir miteinander ausgehen. Einer hatte immer den Kindertisch im Garten gedeckt, Sandkuchen- und -plätzchen gebacken und Regenwasser aus der großen Tonne geholt. Der andere hatte sich in der Zeit verkleidet und war dann zum Tee erschienen. Wir hatten uns unterhalten, wie zwei vornehme Leute, die sich ganz normal zu Kuchen und Tee trafen.

Eine Träne rollte über meine Wange. Gefolgt von einer zweiten. Ich vermisste ihn. Ihn, meinen Cousin Tristan und dessen Schwester Louise. Sie waren für mich eine richtige Familie geworden. Nur leider würde Tristan nie wieder kommen, dafür war es zu spät.

Mein Handy meldete mit einem PING das Eintreffen einer neuen Nachricht. Ich wischte mir über die Augen, bevor ich mich aufsetze und die Nachricht las.

Hey, hatte schon angst, du hättest mich vergessen;) morgen nachmittag klappt was hältst du von HUMAINS ?? das liegt gleich neben der bibliothek, kurz bevor man die stadt verlässt auf der linken seite. es ist grün-rot gestrichen, du kannst es also nicht verfehlen.

mark

Grinsend antwortete ich ihm.

Ich versuche es zu finden. Was hältst du von halb drei? Du kannst mir ja danach noch die Stadt zeigen:) 

LG Alycya

Ich versuchte meine Nervosität wegen der Antwort zu verbergen, indem ich meinen Koffer öffnete und meine kleine Tasche rausholte. Während ich auf eine Antwort wartete, lief ich mit der Zahnbürste im Mund durchs Zimmer und hielt Ausschau nach geeigneten Verstecken, für meine Perücken- und Kontaktlinsen-Sammlung. In den nächsten Tagen würde ich mir Verstecke außerhalb des Zimmers suchen müssen, doch solange ich noch alleine war, konnte ich es alles hier lassen. Ein PING meldete eine neue Nachricht. Ich hüpfte vor Freude einmal hoch, bevor ich mich an meiner Zahnpaste verschluckte und fürchterlich anfing zu husten. Eilige rannte ich zum Waschbecken und spuckte alles aus. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich meine Atmung wieder halbwegs unter Kotrolle hatte. Und was lernt man daraus?, fragte ich mich im Geiste. Niemals Zähne putzen, wenn man auf eine wichtige Nachricht wartete. Gespannt schnappte ich mein Telefon und fing an zu lesen:

halb drei klingt gut. die stadtbesichtigung müssen wir leider nach hinten verschieben. ich hab um vier einen termin, den ich nicht ausfallen lassen kann tut mir echt Leid

Enttäuscht schmiss ich das Handy zurück aufs Bett. Warum musste er ausgerechnet morgen einen Termin haben? Hätte er den nicht auch schon heute haben können? Ich knipste meine kleine Lampe am Bett an, löschte das große Licht und kuschelte mich in meine-

„Shit", fluchte ich laut. Ich hatte vergessen, mein Bett zu beziehen. Frustriert stand ich wieder auf. „Wo ist die-?" ich suchte im Zimmer, doch fand nichts. Am Ende beschloss ich, dass das Bett es aushalten würde, wenn ich eine Nacht ohne Bettbezug schlafen würde. Wütend kuschelte ich mich wieder ein und war auch kurz darauf schon eingeschlafen.

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