Kapitel 13
Zu Hause angekommen, verschwand ich ohne ein Wort zu verlieren in meinem Zimmer. Dort saß, zu meiner Überraschung Tristan auf meinem Bett.
„Hey, Biene. Ich hatte mit dir erst in einer Stunde gerechnet? Wie kommt's dass du schon wieder da bist?", er zog mich neben sich aufs Bett.
„Es ist aus. Zwischen Sam und mir. Und auch zwischen Aria und mir. Sie hat mich hintergangen!", Tränen flossen mein Gesicht runter, wurden von Tristans Pullover aufgefangen, als er mich an sich zog.
„Meine arme kleine Biene", flüsterte er an meinem Scheitel. „Das tut mir so Leid. Aber vergiss nie, du bist nicht alleine. Es gibt immer Leute, die die helfen können."
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war Tristan weg. Nur ein kleiner Zettel lag neben mir.
Hör auf dein Herz, T.
Ich schlürfte genüsslich an meinem Kaffe und beobachtete Mark über den Rand meiner Tasse hinweg, wie er sich mit einem Stift Notizen auf einer Servierte machte.
„Uns fehlen jetzt noch zwei, wenn alles glatt läuft", er blickte auf und schenkte mir ein kleines schelmisches Lächeln. „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend feiern? Immerhin haben wir in den letzten Monaten so viel geschafft", über den Tisch hinweg griff er nach meiner Hand und drückte sie leicht. Er hatte Recht, wir hatten uns wirklich eine Pause verdient. In den letzten paar Montan waren wir quer durch die Welt gereist und hatten alle Spione, die wir finden konnten, informiert. Das viele Reisen kam vor allem Mark zu Gute. Er sah weniger blass aus und hatte ein wenig zugenommen. Auch hatte er sein strenges Sportprogramm mit mir durchgezogen, wodurch wir beide kräftiger und gesünder aussahen.
Die Idee, letztendlich die Spione, die wir fanden, auf weitere anzusetzen, kam uns erst beim vierten Fall, als wir auf einen Berg mussten, doch sie war brillant. Jetzt suchten die Spione sich untereinander, während wir die Fäden in der Hand hielten. Na ja, eher Mark hielt die Fäden in der Hand. Mir traute er es nicht wirklich zu. Seit fünf Wochen ging es mir miserabel. Da ich nie krank wurde, versetze es mich ein bisschen in Panik, als ich eines Morgens mit Übelkeit aufgewacht bin. Ich wünschte mir immer wieder, meine Cousine Louise an meine Seite, die schon so viel Erfahrung hatte und bereit war, sie zu teilen.
„An was hattest du denn gedacht?", ich trank in Ruhe meinen Kaffe aus, und ließ mir nicht anmerken, wie angespannt ich war. Es wurde auch nicht besser, als mein Handy piepte.
„Das ist eine Überraschung", Mark legte ein paar Scheine auf den Tisch und stand auf, während ich meine Nachrichten checkte. Es war Lucie, die mir von ihrer Woche berichtete. Auch wenn ich mich nicht wohl fühlte, hatte ich ihnen doch erzählen müssen, dass ich noch für einige Monate nicht kommen würde, sie mich aber gerne auf dem Laufen halten können, was sie auch regelmäßig machten. Gemeinsam verließen Mark und Ich jetzt das Café und trauten uns wieder nach draußen, in die arabische Kälte. Meine Finger froren zwar ab, doch ich schickte Lucie einen erfunden Lagebericht und ließ sie wissen, dass es nicht mehr lange war, bis ich wieder da sei. Trotz des vielen Verkehrs am späten Nachmittag, brauchten wir keine zehn Minuten zu Fuß, um zu unserem Hotel zu kommen. Unterwegs wich Mark keine einzige Sekunde von meiner Seite, als hätte er Angst, ich könnte wieder zusammen brechen, wie in Chile, wo mir beim Kochen schwarz geworden war und ich umgekippt bin.
„Guten Tag", wünschte ich dem jungen Mann hinter der Rezeption. Wie immer, musste ich an meinen Cousin Tristan denken, sobald ich ihn sah. Die beiden hatten die gleichen schwarzen Locken, doch war der Mann hinter der Rezeption braun gebrannt und hatte braune Augen, während mein Cousin blaue Augen hatte, und nie braun wurde.
„Ihnen auch", winkte er grüßend zurück.
„Komischer Kauz", meinte Mark spöttisch, als wir im Aufzug standen.
„Nein", meinte ich bestimmt und dreht mich zu ihm. „Netter und höflicher Vogel", entgegnete ich bissig. Ich wusste selber nicht, warum ich ihn immer wieder verteidigte.
„Schon gut", er küsste mich auf die Wange, um mich zu besänftigen. Das Gemeine daran: es funktionierte sogar.
In unserem Flur angekommen, schaute ich unauffällig in jede Nische, an der wir vorbei kamen. Alte Angewohnheit. Erst in unserem Zimmer, atmete ich auf und entspannte mich.
„Komm her", sanft zog Mark mich an sich und dirigierte uns zusammen ins Schlafzimmer. Ich schaffte es gerade noch, meinen Mantel abzustreifen, da lag ich schon auf der weichen Matratze, er über mir.
„Wir sollten da aufhören, wo wir gestern angefangen haben", flüsterte er verführerisch an meinem Ohr.
„Vielleicht könnten Sie das ja auf nachher verschieben?", fragte eine hohe nasale Stimme auf Arabisch.
Mark zuckte heftig zusammen und sprang auf, bereit mich zu schützen wenn es sein sollte.
„Ich will keinen Ärger", eine zierliche Frau trat aus dem Schatten der Gardinen. „Ich habe Sie gesucht." Sie war eine Schönheit, mit dunklem Haar, großen grünen Augen und leicht rosa Lippen, die im Schein der Straßenbeleuchtung leicht glänzten. Doch trotzdem erkannte man sofort, dass sie nicht von hier war.
„Ich habe gehört, Sie suchen nach Drakon-Spionen?", sie wechselte mühelos ins Englische. Nicht das ich mit Arabisch ein Problem hätte, doch Mark tat sich immer noch sehr schwer in Sprachen, wobei er fleißig lernte.
„Woher wissen Sie das?", ohne sie aus den Augen zu lassen, verdeckte er mich jetzt noch mehr und schirmte mich somit ganz ab.
„Ich bin selber in dem Geschäft tätig", die Fremde trat näher, ohne auf Marks warnendes Fauchen einzugehen. „Mein Name ist Faraelle. Ich bin erst vor kurzem untergetaucht." Freundlich hielt sie meinem Freund die Hand hin, doch er ergriff sie nicht.
„Und?", seine Stimme war pures Eis.
Ich spürte wie mein Mageninhalt wieder hoch kam. Mühsam unterdrückte ich den Reflex loszurennen, und richtete mich bloß vorsichtig und langsam auf. Eine Hand auf den Bauch gepresst, eine vor den Mund.
„Es kursieren Gerüchte unter den Spionen, dass das Netzwerk nicht mehr sicher ist. Ich will aussteigen!", trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Doch bevor Mark etwas erwidern konnte, sprang ich auf und flüchtete aus dem Zimmer in Richtung Bad. Dort erbrach ich mein habseliges Mittagessen. Dann stütze mich haltsuchend an der kalten Wand ab und holte ein paar Mal tief Luft, bevor ich mich auf den flauschigen Teppich setzte und den Kopf verzweifelt nach hinten gegen die Wand sinken ließ. Es war nicht das erste Mal gewesen, doch erklären konnte ich es mir nicht. Oder wollte es auch nicht.
„Ich weiß, wer vermutlich die undichte Stelle ist", vernahm ich jetzt Faraelles warme Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Und wer soll das bitte sein?", trotz seiner unterdrückten Neugier, hörte ich sie dennoch raus.
„Wenn ich Ihnen den Namen verrate, möchte ich dafür im Gegensatz, auch etwas."
„Und was?", der Boden knackte, ein Zeichen, das Mark unruhig auf und ab wanderte.
„Ich will bei Ihnen mitmachen."
Meine Atmung stockte kurz. Marks anscheinend auch, denn er verschluckte sich und hustete fürchterlich.
„Sie wollen wo mitmachen?", fragte er röchelnd.
„Ich will bei Ihnen mitmachen. Im Untergrund erzählt man sich, dass Sie eine eigene Organisation hochziehen. Ich will Teil davon sein."
Ich rappelte mich auf und kam schwungvoll aus dem Bad gestürmt.
„Es gibt keine Organisation", mit verschränkten Armen und blitzenden Augen baute ich mich neben Mark auf.
„Aber man erzählt sich das", die Augen von Faraelle schimmerten gefährlich. Sie war den Tränen nah.
„Was genau erzählt man sich denn?", Mark bedeutete ihr, es sich auf einem der Stühle gemütlich zu machen. Er selbst lehnte sich an die Theke und zog mich mit sich.
„Man erzählt sich vieles", sie holte Luft. „Sie sollen ein fairerer Boss sein, als die von Drakon. Ein junges Pärchen, das die Leute schützt und ihnen hilft, wenn sie Hilfe brauchen. Es soll eine familiäre Stimmung sein, und nicht so politisch veranlagt, wie Drakon. Mit anderen Worten, ein Paradies für Leute, die untertauchen um zu fliehen und keine richtige Familie mehr haben."
Ich wechselte einen geschockten Blick mit Mark. Wir hatten nie vor, eine Organisation zu gründen, wir wollten den Leuten, die ihn Gefahr waren einfach nur helfen und ihnen ermöglichen, ein Leben ohne Angst und Kontrolle zu führen.
„Wenn Sie mitmachen dürften, werden Sie uns dann den Namen verraten?", ich konnte nichts aus seiner Miene ablesen.
„Ja."
Ein weiterer kurze Blickaustausch, bei dem ich leicht nickte, dann wendete Mark sich wieder der Frau zu.
„Ok, wir werden Sie schützen. Aber im Gegenzug erwarten wir den Namen."
„Sein Name ist Thomas McGlouf.", damit stand Faraelle auf und ging. Wir hielten sie nicht auf.
„Wer ist das?", fragte ich, kaum das die Tür ins Schloss gefallen war.
„Nicht so wichtig", meinte Mark gepresst, holte sein Telefon heraus und ging in Richtung Balkon.
„Du gehst morgen auf jeden Fall zum Arzt!", wechselte Mark abrupt das Thema. „Keine Widerrede. Dir geht es nicht gut, das muss untersucht werden!" Damit zog er die Tür zu und ließ mich alleine. Ich nickte, auch wenn er nicht sehen konnte. Es wurde langsam Zeit, dass wir wussten, was ich hatte.
Ich wusste nicht, wen Mark anrief, doch es konnte Stunden dauern, bis er fertig war. Deshalb machte ich mich fertig und legte mich ins Bett. Ungläubig nahm ich das Kinderbuch auf meinem Nachtisch in die Hand. Es war das Märchen von Frau Holle. Heute Morgen, da war ich mir ganz sicher, hatte es da noch nicht gelegen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, und der Gewissheit, dass Tristan über mich wachte, schlief ich ein. Wann Mark genau kam, konnte ich nicht sagen, doch am Morgen lag er friedlich schlafend neben mir, das Kinderbuch auf seinem Bauch.
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