5 - Verfolgungsjagd
Elaynas POV
Braune, funkelnde Augen, die mir Hoffnung spenden.
Schwarze Haare, die im Sonnenlicht goldbraun glänzen.
Ein süßes Lächeln, das mein Herz höherschlagen lässt.
„Asher", forme ich den Namen meines Ex Freundes mit den Lippen. Seit er sich von mir getrennt hat, sehe ich ihn überall. Ich muss nur die Augen schließen und schon sehe ich sein hinreißendes Gesicht vor mir.
Ich habe die Trennung immer noch nicht verarbeitet. Egal, wie oft ich mit meinen Freundinnen feiern war oder heiße Hollywood Schauspieler angehimmelt habe, Asher will einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden. Aus meinem Herzen erst recht nicht. Vermutlich gefällt es ihm dort so gut, dass er auch nicht in naher Zukunft seinen Platz abtreten möchte.
„Achtung!"
Wie vom Blitz getroffen schrecke ich hoch und reiße meine Augen auf. Dass das ein Fehler war, wird mir keine zwei Sekunden später bewusst. Eine Tasche trifft mich unsanft am Hinterkopf und Sand wird mir ins Gesicht gewirbelt. „Hey!", beschwere ich mich und springe auf.
Nachdem ich mir den Sand aus den Augen gerieben habe, halte ich nach den Übeltätern Ausschau. Drei Mädchen, die kaum älter als ich sein können, rennen lachend den Strand entlang und rempeln zwischendurch andere Menschen an.
Ich möchte mich gerade wieder zurücklehnen, da bekomme ich auch schon die nächste Ladung Sand ab.
Ernsthaft jetzt?!
Wütend richte ich mich auf und erdolche dabei einen Jungen, der den Mädchen hinterherrennt. Meinetwegen können die Vier überall fangen spielen, wo sie wollen, aber nicht hier am Strand, wo sich andere Leute sonnen und entspannen möchten. Nicht jeder hat so ein sorgloses Leben, wie sie es vielleicht haben.
Der Flug nach Spanien hat mich ausgelaugt. Ich bin müde, habe Kopfschmerzen und mir ist ein bisschen übel. Trotzdem weiß ich, dass es das Wert ist. Wenn Asher und ich als Paar von dieser Reise zurückkehren werden, hat sich jeder einzelne Schweißtropfen gelohnt.
„Das wird so Ärger geben", japst plötzlich eine atemlose Mädchenstimme hinter mir. Instinktiv greife ich nach meiner Sonnenbrille, um mich vor einer weiteren Sandladung zu schützen, und lasse erst dann meine Augenlider aufflattern. Sicher ist sicher.
Die drei Mädchen, die mich vor einigen Minuten umgelaufen haben, rennen erneut an mir vorbei. Sie sind völlig aus der Puste und dementsprechend schon viel langsamer geworden. Ihr Verfolger ist nur noch wenige Meter hinter ihnen.
„Sarina! Elin! Bleibt endlich stehen!", brüllt der Junge den ganzen Strand zusammen und beschleunigt sein Tempo. Das hat zur Folge, dass sich die Mädchen umdrehen und ebenfalls versuchen, einen Zahn zuzulegen, doch sie scheitern. Der Abstand zwischen ihnen und dem Jungen wird immer kleiner. „Verdammte Scheiße, bleibt stehen!"
Ich zucke zusammen, als er die Blondine einholt und am Handgelenk zurückhält. Natürlich tritt und schlägt das Mädchen um sich, jedoch ohne Erfolg. Der Junge ist einfach deutlich stärker. Bei seinen definierten Oberarmen ist das auch kein Wunder.
„Wo ist der Schlüssel?"
Auch wenn es sich nicht gehört, rutsche ich näher an die Beiden heran, um besser lauschen zu können. Meine Neugierde ist zu groß und ehrlich gesagt ist dieses Spektakel interessanter als jeder Kinofilm.
„Welcher Schlüssel?", stellt sich die Blondine dumm und legt den Kopf schief. Ich bin nah genug dran, um zu sehen, dass ihre Augen provokant funkeln. „Der Schlüssel für die Kabine, verdammt!", schreit der Junge aufgebracht und verschränkt die Arme vor der Brust. Ihre abweisenden Körperhaltungen lassen darauf schließen, dass sie nicht sehr gut aufeinander zu sprechen sind.
„Oh", murmelt das Mädchen schließlich kleinlaut. „Du bist uns nur wegen des Schlüssels nachgelaufen?"
„Ja! Warum denn sonst?" Das würde mich auch interessieren.
„Entwarnung, Mädels! Ihr könnt zurückkommen!" Die anderen beiden Mädchen trotten trotzdem noch misstrauisch zu ihrer Freundin hinüber und positionieren sich jeweils rechts und links neben ihr. Fast synchron verschränken sie die Arme und starren abwartend auf den Jungen.
„Bekomme ich jetzt endlich die Schlüssel? Der Trainer bringt mich sonst um!", fordert er und streckt die Hand aus. Die Größte von ihnen, ein Mädchen mit orangenen Haaren und grünen Augen, grinst und gibt dem Jungen daraufhin einen High Five. Ich muss ebenfalls schmunzeln.
Wie schon gesagt: Besser als Kino.
„Ich kenne zwar deinen Namen noch nicht, aber das war absolut unlustig. Und warum hast du mich überhaupt eben angelogen? Casper hat dich gar nicht zu mir geschickt."
„Notlüge", gibt die Grünäugige knapp von sich und zuckt mit den Schultern. Irgendwie ist es schade, dass ich nicht weiß, wie es überhaupt zu dieser bizarren Situation gekommen ist. Ein kurzer Rückblick, wie er immer bei Netflix Serien zu sehen ist, würde nicht schaden.
„Hier hast du deinen Schlüssel", seufzt die Blondine, um das Blickduell der beiden zu unterbrechen, und wirft dem Jungen ein Schlüsselbund zu. Mit Leichtigkeit fängt er ihn auf und wendet sich dann dem Mädchen mit den braunen Locken zu. „Du schuldest mir noch ein Date." Ich kann genau beobachten, wie sich ihr Mund einen Spalt öffnet und sich ihre Augen weiten. Mit diesen Worten hat sie wohl nicht gerechnet.
„Ähm, also", stottert sie und kratzt sich am Nacken. Dass sie überfordert ist, ist nicht zu übersehen. „Das kannst du dir abschminken, du Idiot", eilt ihr die Blondine zur Hilfe. „Wir haben die Tasche nicht gefunden und keine Tasche bedeutet auch kein Date." Um ihre Aussage zu unterstreichen, legt sie einen Arm um ihre Freundin und möchte sich zum Gehen abwenden, doch der Braunhaarige hält sie zurück.
„Ihr wolltet nur den Schlüssel haben und den habe ich euch gebracht. Von der Tasche war nie die Rede." Er klimpert auffällig laut mit dem Schlüsselbund. „Entweder geht Sarina mit mir auf ein Date oder ich erzähle dem Trainer, dass ihr heimlich in der Kabine wart und vielleicht sogar an den Unterhosen seiner Schützlinge geschnüffelt habt."
Soweit ich das beurteilen kann, geht dieser Punkt an den Jungen.
„Ach ja? Wenn du dem Trainer nicht gesagt hast, dass du den Schlüssel für die Kabine brauchst, was hast du ihm denn dann erzählt?", erkundigt sich das Mädchen mit den Locken – ich glaube, sie heißt Sarina – und legt ihre Stirn in Furchen. „Dass ich den Schlüssel für den Kraftraum brauche."
Es herrscht betretenes Schweigen, sodass ich meinen Blick von der Gruppe abwende. Trotz meiner Sonnenbrille könnten sie bemerken, dass ich sie beobachte.
Über welche Kabine und welchen Trainer sie wohl reden? Am liebsten würde ich nachhaken.
„Du bekommst dein Date, okay?", seufzt die Brünette nach einer Weile und reicht dem Jungen ihr Handy. Dieser tippt sichtlich zufrieden auf dem Display herum und verabschiedet sich kurz darauf von den Mädels. „Ich heiße übrigens Dawson. Nur damit du schon mal weißt, wie dein zukünftiger Freund heißen wird, Sarina!", ruft er über seine Schulter hinweg, ehe er davonjoggt.
Die Mädchen ärgern sich noch kurz über Dawson und verschwinden dann ebenfalls aus meinem Sichtfeld. Damit ist die Vorstellung beendet.
Ich lege mich also entspannt auf mein Handtuch zurück und schließe die Augen. Wie sollte es auch anders sein, sehe ich ihn direkt vor mir: Asher. Wie konnte er mich bloß verlassen? Der Braunäugige und ich waren über fünf Jahre zusammen. Was als Kindergartenbeziehung angefangen hat, wurde irgendwann zu aufrichtiger Liebe.
Es fällt mir mehr als nur schwer, mich damit abzufinden, dass es nun vorbei ist. Es gibt kein Wir mehr. Nur noch Asher und Elayna.
-
„So give me reason to prove me wrong, to wash this memory clean, let the floods cross the distance in your eyes", weckt mich plötzlich mein Lieblingslied New Divide von Linkin Park. Ich setze mich auf und taste verschlafen nach meinem Handy, das in meiner Strandtasche liegt. Dann nehme ich den Anruf entgegen und murmele ein „Ja?" in den Hörer.
„Elayna Schätzchen, wie geht es dir?", ertönt sogleich die Stimme meiner Mutter. „Du wolltest dich doch melden, wenn du angekommen bist." Ich reibe mir die letzten Überreste Schlafsand aus den Augen und klemme das Handy zwischen Schulter und Ohr. „Tut mir leid, Mum, ich war so müde, dass ich direkt schlafen gegangen bin und vergessen habe, dir zu schreiben", rechtfertige ich mich, während ich mein Handtuch zusammenfalte.
Der Strand ist fast leer und der Himmel hat sich schon verdunkelt. Wie lange habe ich geschlafen? „Aber ich bin gut angekommen", schiebe ich schnell hinterher.
„Das ist schön. Konntest du schon mit Asher reden? Richte ihm doch bitte ganz liebe Grüße von mir aus, ja?" Ein Seufzer verlässt meine Lippen. Ich wünschte, ich hätte schon alles mit Asher geklärt, aber das bleibt wohl vorerst Wunschdenken.
Meine Mum liebt diesen Jungen fast so sehr wie ich. Ich kann es ihr nicht verübeln, immerhin hat sie uns zusammen aufgewachsen gesehen und Asher deshalb immer zur Familie gezählt. Nachdem er sich so plötzlich von mir getrennt hat, brach auch für meine Mutter eine kleine Welt zusammen. Einen Nachmittag lagen wir sogar gemeinsam auf dem Sofa und haben uns die Augen ausgeweint.
„Ich werde ihn morgen vor dem Training besuchen, Mum", sage ich. Ob ich meine Worte dann aber in die Tat umsetzen werde, weiß ich noch nicht.
„Ich hoffe wirklich, dass ihr das klären könnt. Du weißt, dass du meine volle Unterstützung hast, Liebling."
„Das weiß ich sehr zu schätzen, Mum", lächele ich und betrete die Hotelanlage. „Ich muss jetzt auflegen. Das Buffet ist schon eröffnet und wenn ich mich nicht beeile, sind die leckersten Sachen gleich schon weg."
„Dann lass es dir schmecken und pass auf dich auf!"
„Mache ich. Tschüss Mum, hab dich lieb."
„Ich dich auch, Schatz."
Zufrieden beende ich das Telefonat, verstaue das Handy in meiner Strandtasche und stelle mich an dem Buffet an. Von Nudeln über Reis bis hin zu Fisch und Pizza gibt es wirklich alles. Mit knurrendem Magen schaufle ich meinen Teller voll und halte dann nach einem Tisch Ausschau. Wie es scheint, sind bereits alle Tische belegt.
Ich spiele schon mit dem Gedanken, im Stehen zu essen, als mein Blick auf einen Tisch mit drei mir bekannten Gesichtern fällt. Ich erkenne die Mädchen vom Nachmittag wieder und steuere auf sie zu. Mit Ausnahme ihrer Sandattacken wirken sie eigentlich relativ sympathisch.
„Hey", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Kann ich mich vielleicht zu euch setzen?" Ich deute auf den leeren Stuhl und zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. Hoffentlich stimmen sie zu. Nach einem kurzen Blickwechsel nicken sie zum Glück.
„Cool, danke", freue ich mich. „Ich bin Elayna."
„Elin." – Die Blondhaarige.
„Sarina." – Das Mädchen mit den Locken und dem Date.
„Alica." - Orangene Haare und grüne Augen.
Dieses Mal liegt es an mir, zu nicken. Ich setze mich neben Sarina und Elin und beginne mit dem Essen.
„Hast du zufällig einen Ex Freund?", fragt mich Elin nach einiger Zeit neugierig. Unsicher, wie ich auf diese Frage reagieren soll, antworte ich mit einem knappen „Mhm". Ich mag es nicht, über Asher zu reden. Nicht, weil ich nicht über ihn sprechen kann, sondern viel eher, weil dann der Schmerz in meiner Brust wieder parat wird.
„Spielt er Fußball und hat dich deswegen verlassen?" Ich bejahe die Frage erneut und lege mein Besteck zur Seite. Worauf möchte Elin hinaus?
„Ob du willst oder nicht, du hast gerade neue beste Freundinnen gefunden!"
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