39 - Verhör
Elins POV
Wut.
Die einzige Emotion, die mich gerade leitet, ist Wut. Ich bin wütend auf Romy. Wütend auf Raiden. Wütend auf mich.
Ich war mal wieder viel zu naiv und habe Romy vertraut. Die Braunhaarige hat mein Vertrauen jedoch schamlos ausgenutzt und sich an meinem Ex Freund vergriffen. Es tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber nur Schlampen ohne Niveau machen so etwas!
Sie hat ihn einfach geküsst. Direkt vor meinen Augen. Und dann - dann hat sie ihn wie eine heiße Kartoffel fallengelassen und zu allem Überfluss noch beschimpft. „Sorry, aber du bist ein miserabler Küsser. Keine Ahnung, wie du damit deine Ex Freundin glücklich machen konntest", hallen ihre Worte in meinem Kopf wider.
Romy hat doch gar keinen blassen Schimmer, wie gut Raiden küssen kann. Wahrscheinlich ist sie diejenige, die nicht gut küsst.
Obwohl mich ihre Aussage eigentlich nur provozieren sollte, verletzt sie mich auch ein bisschen, denn mit einem Punkt hat sie Recht: Raiden konnte mich nicht immer glücklich machen. Ich wünschte, es wäre so gewesen, aber seine Gewaltausbrüche und sein Fremdgehen haben einfach nur unglücklich und traurig gemacht.
Ich seufze und lasse meinen Blick zum Meer wandern. Überall tummeln sich Menschen, die sich in dem kalten Nass abkühlen. Zwischen den ganzen Leuten kann ich Sarina und Dawson ausfindig machen. Die beiden rennen über den neu eröffneten Aquapark und versuchen, sich gegenseitig ins Wasser zu schubsen. Sie sehen so glücklich aus.
Vielleicht ist es manchmal wirklich besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen und stattdessen einen Schritt in die Zukunft zu wagen. Ich weiß, dass ich Raiden verloren habe, kann ihn aber trotzdem nicht loslassen. Mein Herz kann und will einfach nicht begreifen, was mein Gehirn schon längst zur Kenntnis genommen hat.
Raiden liebt mich nicht mehr.
Ich bin ihm egal.
„Hey Blondie!" Ich zucke zusammen und drehe meinen Kopf zur Seite. Sofort muss ich schwer schlucken. Royce, Asher und Cade kommen auf mich zu und sehen alles andere als glücklich aus. Die drei Jungs sind gerade die letzten, mit denen ich eine Konversation führen möchte. Da wäre mir selbst Romys Anwesenheit lieber.
„Was wollt ihr?", frage ich die Fußballer und verschränke die Arme vor der Brust. Ich darf mir meine Nervosität auf gar keinen Fall anmerken lassen. „Wo ist Elayna?"
„Wer?", stelle ich mich dumm und runzele die Stirn. Ashers Blick verdunkelt sich. „Elayna", wiederholt er ihren Namen, während er vor mir in die Hocke geht. Seine Augen verankern sich mit meinen und starren mich prüfend an. „Du weißt schon - das Mädchen, das ihr gestern aus Royce' Zimmer verschwinden lassen habt."
„Denkst du wirklich, dass ich eine Zauberin bin? Ich kann keine Mädchen verschwinden lassen."
„Wir sind nicht blöd", mischt sich nun Cade ein. „Wir wissen genau, dass du etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hast." Ich hebe unschuldig die Hände und schüttele den Kopf. Wenn ich die Jungs wieder loswerden möchte, muss ich alles abstreiten. „Euer Zimmer war leer. Da war kein Mädchen."
„Hör auf, uns anzulügen!"
„Hör du erstmal auf, mich anzuschreien!", zische ich gereizt und schubse Asher von mir. Er landet rücklings im Sand und knurrt böse: „Sag mir jetzt sofort, wo Elayna ist!"
„Ich kenne keine Elayna, verdammt!", erhebe ich meine Stimme. „Checkst du das nicht?! Ich habe keine Ahnung, wovon du redest!" Der Braunäugige fährt sich gestresst durch die Haare, ehe er sein Handy aus der Hosentasche zieht und mir ein Bild von Elayna zeigt. Ich bemühe mich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck und zucke mit den Schultern. „Noch nie gesehen", gebe ich von mir und betrachte meine Fingernägel.
Eine Maniküre ist schon längst überfällig. Kein Wunder, dass sich Raiden von mir abgewandt hat, wenn ich wie der letzte Bauerntrottel herumlaufe.
„Kennst du denn dann vielleicht dieses Mädchen?", lenkt Cade meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hebe den Kopf und begegne direkt Romys eisblauen Augen. Ich dachte, sie wäre meine Freundin, aber das ist sie nicht. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so verlogen und hinterhältig ist, wie sie.
„Sie muss hier irgendwo in der Nähe sein", fügt Cade hinzu und mustert mich. Sein durchdringlicher Blick lässt mich verkrampfen. Ich bin wirklich verdammt wütend auf Romy, aber reicht diese Wut aus, um sie an ihren Ex Freund zu verraten? Verdient hätte sie es auf jeden Fall!
Kurz bevor ich Cade die Wahrheit sagen möchte, rudere ich doch noch zurück. Wenn ich Romy verrate, wird sie bestimmt direkt zu Raiden rennen und mich an ihn ausliefern. Das ist auch der Grund, weshalb ich verächtlich sage: „Ich bin froh, dieses komische Weib noch nie gesehen zu haben. Die sieht echt wie 'ne Schlampe aus - hinterhältig, verlogen, falsch, rachsüchtig, arro-"
„Es reicht! Urteile nicht über sie, wenn du sie gar nicht kennst!"
„Sie sieht aber so aus, als hätte sie dich bereits zweimal betrogen. Ich erkenne Schlampen, wenn ich sie sehe."
„Was?"
„Ich sagte, dass sie so aussieht, als-"
„Ich habe dich schon verstanden", raunt Cade wütend und ballt seine Hände zu Fäusten. Dass er zornig ist, ist nicht zu übersehen. „Aber woher weißt du das?"
„Ich bin anscheinend einfach nur gut im Raten", grinse ich triumphierend und verschränke die Hände hinter dem Kopf. Ich kann die Verwirrung auf den Gesichtern der Jungs sehen und genieße meine Überlegenheit. Sie sind wie meine Marionetten und ich habe die Fäden in der Hand - ich alleine.
„Du willst uns also weißmachen, dass du weder Elayna noch Romy kennst?", schlussfolgert Royce und fängt meinen Blick auf. Ich nicke und präsentiere ihm mein schönstes Grinsen. „Meine Güte, ich sehe doch ganz genau, dass du lügst!" Ich hebe meine Brauen und neige den Kopf nach rechts. Asher rauft sich die Haare und spannt seinen Unterkiefer an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich täusche, aber sein Verhalten erweckt den Anschein, als würde er Elayna immer noch abgöttisch lieben.
Ich wünschte, Raiden würde es genauso ergehen.
„Ich lüge nicht", erwidere ich schließlich mit fester Stimme und erhebe mich. Ich bin zum Strand gekommen, damit ich nachdenken kann und nicht, um sinnlose Gespräche mit testosterongesteuerten Jungs zu führen - erst recht nicht mit den Ex Freunden meiner Freundinnen.
„Wo willst du hin?", hält mich Royce' fragende Stimme vom Gehen ab. Ich verharre kurz in meiner Position, ehe ich ihm einen flüchtigen Blick über die Schulter zuwerfe. „Irgendwo hin, wo ich meine Ruhe habe und nicht genervt werden kann." Mit diesen Worten wende ich mich von den Fußballern ab und stapfe durch den warmen Sand.
Ich hätte Romy verraten können, habe es aber nicht getan. Sie ist bereits ganz unten angekommen, weshalb ich mich auf gar keinen Fall auf ihr niedriges Niveau hinablassen möchte. Früher oder später wird ihr Karma sowieso zurückschlagen und ich hoffe, dass es dann richtig wehtut.
Ich bin so sehr in meinen Gedanken vertieft, dass ich nicht rechtzeitig bemerke, dass sich mir jemand in den Weg stellt. Ich pralle gegen die fremde Person und taumele einen Schritt nach hinten. „Pass mal besser auf!", keife ich direkt und hebe den Kopf. Vor mir steht niemand geringeres als der Teufel höchstpersönlich. In diesem Fall ist der Teufel jedoch weiblich.
„Was willst du?", fahre ich Romy wütend an und werfe ihr vernichtende Blicke zu. Sie soll ruhig spüren, wie sehr ich sie momentan verachte. Das, was sie getan hat, ist nicht zu verzeihen. „Nichts", entgegnet sie trocken. „Du bist schließlich in mich reingelaufen und nicht andersherum."
„Dann solltest du mal lieber aufpassen, dass du nicht gleich in die Arme von deinem Ex reinläufst." Romys Augen weiten sich. „Was?!", krächzt sie und schaut sich panisch um. Ihre derzeitige Angst lässt mich ein Gefühl der Befriedigung verspüren. Ich bin ihr haushoch überlegen und das weiß sie auch.
„Ja, du hast richtig gehört", lache ich. „Dein Ex Freund läuft hier am Strand herum und sucht dich. Er scheut auch nicht davor zurück, andere Leute auszufragen."
„Hast du ihm gesagt, dass ich hier bin?"
„Wer weiß?", zucke ich mit den Schultern und setze ein unschuldiges Lächeln auf. Romy hat es verdient, zu leiden. Wie konnte ich mich nur so sehr in ihr täuschen? Am besten hole ich Cade hierher und stecke ihm direkt vor Romys Augen die Zunge in den Hals. Mal gucken, wie sie das so findet.
„Elin", haucht die Brünette meinen Namen. „Was hast du ihm gesagt?" Ich seufze und rolle mit den Augen. „Nichts", gebe ich schließlich zu. „Ich habe ihm gesagt, dass ich dich nicht kenne." Erleichterung breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Danke."
Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, schlingt Romy ihre Arme um meinen Hals und zieht mich somit in eine Umarmung. Normalerweise hätte ich diese Geste sofort erwidert, aber in Anbetracht auf die vergangenen Stunden ist das unmöglich. Die Wut und die Enttäuschung sind einfach noch zu groß.
„Lass das, Romy!", schiebe ich sie also von mir. „Es ist besser, wenn wir von nun an getrennte Wege gehen." Mit diesen Worten lasse ich sie im Sand stehen und beeile mich, zurück zum Hotel zu kommen. Der Tag ist sowieso gelaufen.
Die anderen Mädels sind bestimmt sauer auf mich, obwohl sie Romy verachten sollten. Dieser ganze Streit hat doch bloß wegen ihrer Pingelichkeit angefangen. Was ist so schlimm daran, dass Sarina und ich sie gestern Abend kurz verfolgt haben? Wir hatten keine bösen Absichten, aber das glaubt sie uns ja nicht. Na ja, selber schuld.
Kurz bevor ich endlich das Hotel erreicht habe, begegne ich Alica und Elayna. Erstere hat sich einen Fußball unter den Arm geklemmt, wohingegen Letztere in eine Trillerpfeife pustet. „Hey", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Was habt ihr vor? Wollt ihr jetzt selber Fußballstars werden oder was?" Die beiden Mädchen halten in ihrer Bewegung inne und tauschen einen geheimnisvollen Blick aus.
„Wir werden die Jungs vom Fußball spielen abhalten - was auch sonst?!", erklärt Elayna und pustet erneut in ihre Pfeife. Ich bin wirklich neugierig, was die zwei geplant haben, wage es aber nicht, nachzufragen. Es ist besser, vorerst Abstand zu den anderen zu halten und mich auf mich selber zu konzentrieren.
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