25 - Ablenkung
Romys POV
„Wie bist du an die Schlüssel gekommen?" Ich kneife meine Augenbrauen zusammen und bedenke Dawson mit einem skeptischen Blick. Er erwidert meine Unsicherheit bloß mit einem Grinsen und öffnet den Schrank vor uns. Überall liegen Leibchen, große und kleine Hütchen und Koordinationsleitern. Doch so richtig interessant sind erst die drei Ballsäcke.
Ich zögere, aber ziehe dann doch den ersten Sack aus dem Schrank und öffne ihn. Es sollte mir egal sein, wie Dawson an die Schlüssel gekommen ist. Die Hauptsache ich nämlich, dass wir uns jetzt austoben können.
„Bedient euch, Mädels", raune ich verschwörerisch und mache eine einladende Geste zu den Bällen. „Sicher, dass hier keine Überwachungskameras sind?", hakt Alica nach und schaut sich panisch um. „Ich bin viel zu jung, um hinter Gitter zu wandern." Ich verkneife mir einen frechen Kommentar und nicke stattdessen. „Entspann dich. Hier sind keine Kameras." Hoffe ich jedenfalls.
Die Grünäugige wirkt zwar immer noch nicht zu hundert Prozent überzeugt, aber sie schnappt sich trotzdem einen Ball und mustert dann argwöhnisch das Taschenmesser in ihrer Hand. „Noch nie ein Messer gesehen?", scherze ich, wofür ich mit einem bösen Blick gestraft werde.
Natürlich ist unser Vorhaben alles andere als akzeptabel, aber unsere Ex Freunde haben es verdient, zu leiden. Erst recht, nachdem Cade Leslie geküsst hat. Bei dem Gedanken an die beiden wird mir kotzübel.
„Stell dich nicht so an, Ally", verdreht nun Elin ihre Augen und sticht mit ihrem eigenen Messer in den Fußball. Sofort ertönt ein zischendes Geräusch, was mich lächeln lässt. Die Jungs können sich schon mal auf eine schöne Laufeinheit freuen, denn Bälle wird es heute leider nicht für sie geben.
„Los geht's!", klatsche ich motiviert in die Hände und drücke Elayna einen Ball gegen die Brust. „Wir haben schließlich nicht ewig Zeit." Ich fische mir ebenfalls einen Ball aus dem Sack und schlitze das Leder mit meinem Messer auf. Ich kann hören, wie die Luft aus dem Ball weicht und lege die platte Kugel zurück auf den Boden.
Irgendwie macht es mich glücklich, zu wissen, dass Cade enttäuscht sein wird, wenn er die kaputten Bälle findet.
Meine Fingerspitzen erhaschen gerade den nächsten Ball, da ertönt auch schon Dawsons Stimme. „Achtung! Da kommt jemand!" Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stecken wir die Bälle zurück in die Säcke und sperren diese in Rekordgeschwindigkeit in den Schrank. „Scheiße! Wo sollen wir uns verstecken?" Ich ziehe Sarina am Handgelenk mit mir unter die Treppe. Elayna quetscht sich ebenfalls zu uns. Elin versteckt sich hinter einem Stapel Yogamatten und Alica zwängt sich in einen der großen Schränke.
Ich wage es nicht, mich zu bewegen und halte mir vorsichtshalber die Hand vor den Mund, um meine Atemzüge zu dämpfen. Wenn wir hier erwischt werden, kann das mächtig Ärger geben. Vor allem wenn dann auch noch herauskommt, dass wir die Fußbälle zerstört haben.
Sachbeschädigung. Ob man dafür wohl ins Gefängnis kommen kann?
Ich verwerfe meine Gedanken, konzentriere mich auf die schweren Schritte, die die Treppe hinabpoltern und ehe ich mich versehe, leuchtet uns ein Taschenlampenstrahl ins Gesicht. Sarina, Elayna und ich stoßen einen Schrei aus und versuchen zu flüchten, doch die Person versperrt uns den Weg.
Verdammt! Hoffentlich sind das keine Fußballer oder noch schlimmer der Bundestrainer! Ich kneife meine Augen zusammen und warte darauf, angeschrien zu werden, doch es bleibt mucksmäuschenstill. Für meinen Geschmack zu still.
„Schön euch wiederzusehen."
Diese Stimme kenne ich doch! Ich lasse meine Lider aufflattern und mustere die Person vor uns. Groß, sportlich, blonde verwuschelte Haare. „Casper!", schreie ich wütend seinen Namen und boxe ihm gegen den Oberarm. Vor lauter Überraschung lässt er sein Handy fallen, fängt es jedoch kurz vor dem Boden wieder auf. Das nenne ich mal gute Reflexe.
„Romy", erwidert der Grünäugige schließlich und zieht mich gegen meinen Willen in seine Arme. „Fangen spielen liegt dir anscheinend besser als Verstecken spielen." Für diesen Kommentar fängt er sich einen weiteren Hieb gegen den Oberarm ein.
Ist ihm überhaupt bewusst, dass ich beinahe vor Angst gestorben wäre?
„Warum bist du bloß immer so gewalttätig?", schaltet sich Dawson ein und zwinkert mir zu. Meine Rache für ihn wird fürchterlich sein - so wahr ich Romy Elizabeth Fisher heiße! „Sei froh, dass du noch nicht dein Fett wegbekommen hast", knurre ich und drängele mich an den Jungs vorbei. Da wir nun wertvolle Zeit verloren haben, öffne ich schnell wieder den Sportschrank und fahre unbeirrt damit fort, Fußbälle aufzuschlitzen. Nach einigen Sekunden gesellen sich auch Sarina und Elayna zu mir.
„Wir sollten die Jungs ignorieren", schlägt Elayna vor und wechselt einen Blick mit uns. „Das wird sie am meisten provozieren." Ich nicke sofort zustimmend, ehe ich zu Sarina schaue. So weit ich das beurteilen kann, hat Dawson ihr Interesse geweckt. Sicherlich hängt sie noch an ihrem Ex Freund Clay, aber der Leichtathlet scheint immer weiter in ihrem Ansehen zu steigen. Ob es ihr da so leichtfällt, ihn zu ignorieren?
„Okay", gibt sich Sarina schließlich geschlagen, während sie mit ihrem Messer in den Ball sticht. Ich grinse zufrieden und hole dann Elin und Alica aus ihren Verstecken. Anstatt wütend auf die Jungs zuzustürmen - da sie uns mal wieder auf den Arm genommen haben - lächeln sie nur und helfen uns mit den Fußbällen.
„Seid nicht sauer, Mädels", säuselt Dawson und schlingt seine Arme von hinten um Sarinas Bauch. „Ein bisschen Spaß musste sein. Es war echt witzig, eure schockierten Gesichter zu sehen." Ich beiße mir auf die Zunge, um keinen Kommentar von mir zu geben und sehe, dass es Elin ähnlich wie mir geht. Ihre rechte Hand ist zu einer Faust geballt, wohingegen sie mit der linken Hand immer und immer wieder auf den Fußball einsticht.
„Genau, seid nicht sauer", wiederholt Casper die Worte seines Freundes und umarmt mich von hinten. Direkt versteife ich mich und ramme ihm meinen Ellenbogen in die Rippen. Der Blondhaarige lässt von mir ab und grummelt unverständliche Worte vor sich hin.
Was macht er überhaupt hier? Ich habe ihn gestern zum ersten Mal gesehen und ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, ihn von nun an öfter anzutreffen. Casper ist schwer zu durchschauen und das gefällt mir nicht.
„Das war der letzte Ball", seufzt Alica nach einer Weile und klappt ihr Taschenmesser zusammen. Ich tue es ihr gleich und schmunzele über unser Meisterwerk. Den Fußballern und ihrem Trainer wird das Lachen vergehen. Ich freue mich schon, ihre Reaktionen zu sehen.
Mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen werfe ich einen Blick auf mein Handy und stelle fest, dass wir bereits halb vier am Nachmittag haben. Dank Caspers unnötigem Auftritt hat es länger gedauert, als geplant. „Wir sollten uns beeilen", murmele ich und räume den ersten Ballsack zurück in den Schrank. „Das Training der Jungs beginnt in einer halben Stunde." Elin und Sarina quetschen die anderen Säcke in den Schrank, sodass Dawson diesen abschließen kann.
„Höre ich etwa ein Danke?", fragt er uns mit gehobenen Augenbrauen und setzt ein Grinsen auf. Eigentlich wollten wir den Sportler ja ignorieren, aber ich kann es mir nicht nehmen lassen, ihm meinen Mittelfinger zu zeigen. Dawson hat einen Krieg angefangen, den er nicht gewinnen wird.
„Nett wie eh und je", lacht er und schüttelt den Kopf. „Sicher, dass du mit ihr die richtige Entscheidung getroffen hast, Casper?" Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke und stoße ein gekrächztes „Wie bitte?!" hervor. Welche Entscheidung hat Casper getroffen und was hat das mit mir zu tun? Anstatt mir eine Antwort zu geben, grinsen sich die Jungs an und klatschen dann ab. „Du kannst ja doch noch reden, Romy", schmunzelt Dawson und kneift mir in die Wange.
„Fass sie nicht an, du Idiot!", meckert Elin sogleich los und verpasst dem Sportler einen Schubser nach vorne. „Du musst uns nicht alle antatschen, nur weil du extrem notgeil bist." Daraufhin zieht Dawson scharf die Luft ein und setzt eine emotionslose Miene auf. Elins Worte scheinen ihn getroffen zu haben.
Das bemerkt auch Elayna, denn sie sagt: „Es reicht, Leute! Lasst uns einfach zu unserem Versteck gehen und das Training der Fußballer beobachten." Ich stimme ihr zu, doch bleibe kurz darauf abrupt stehen.
Nein! Bitte nicht, lieber Gott! Lass das nicht wahr sein!
Sarina läuft fluchend in mich hinein, sodass ich einen Schritt nach vorne stolpere. Sofort drehe ich mich zur Seite und bete inständig, dass er mich nicht gesehen hat. Cade betritt nämlich gerade mit seinen Fußballkollegen den Sportplatz und hat somit freien Blick auf mich. „Oh shit", nehme ich Elins Worte wie durch Watte gedämpft wahr. „Da ist Romys Ex Freund." Ich spüre Finger an meinem Handgelenk, die an mir ziehen, doch ich kann mich nicht bewegen.
Cade ist hier. Wenn er mich sieht, ist alles vorbei. Ich weiß, dass ich wegrennen sollte, aber ich kann nicht. Irgendetwas hält mich davon ab, wegzulaufen.
„Romy?" Das ist eindeutig Cades Stimme. „Romy!"
Ehe ich überhaupt realisieren kann, was hier gerade geschieht, stiehlt sich Casper in mein Blickfeld und schirmt mich von Cade ab. Er schenkt mir einen entschuldigenden Blick, den ich nicht deuten kann, und platziert seine Hände an meinen Wangen.
„Romy! Romy, bist du das?" Cades Stimme wird von Unsicherheit und Zweifeln gesäumt. Es zerreißt mich, ihn so hoffnungsvoll und traurig zugleich zu hören. Kann er nicht einfach weitergehen?
Meine Gedanken bleiben stehen, denn im nächsten Moment spüre ich weiche Lippen auf meinen. Ich reiße schockiert die Augen auf und möchte Casper von mir stoßen, doch er reagiert schneller und hält mich an der Hüfte fest. „Spiel einfach mit", knurrt er gegen meine Lippen und schließt erneut den Abstand zwischen uns.
Das, was wir hier machen, fühlt sich falsch an.
„Cade, komm schon. Das ist nicht deine Ex Freundin. Du siehst doch, dass das Mädchen da gerade hemmungslos mit einem anderen Typen herumknutscht. Gönn den beiden mal Privatsphäre." Ich spüre Cades messerscharfen Blick in meinem Rücken und erwidere deshalb Caspers Kuss.
Unsere Lippen bewegen sich erst langsam und sanft aufeinander, bis der Kuss immer fordernder und feuriger wird. Caspers Zunge dringt in meinen Mund und sucht sofort den Tanz mit meiner eigenen Zunge. Ich keuche und ziehe an seinen Haaren. So einen intensiven Kuss hatte ich schon lange nicht mehr.
„Sie sind weg. Ihr könnt euren Live Porno beenden." Augenblicklich löse ich mich von dem Grünäugigen und starre peinlich berührt zu Boden. Das war alles, aber kein harmloser Kuss. Meine Gefühle fahren Achterbahn und meine Gedanken schlagen Saltos.
„Äh", kratze ich mich nach einer Weile verlegen am Nacken. „Danke. Ohne dich hätte mich Cade sicherlich erkannt."
„Kein Problem", winkt Casper mit roten Wangen ab und wirft einen Blick auf seine Uhr. „Ähm, also ich muss dann auch mal los. Wir äh, wir sehen uns bestimmt nochmal." Mit diesen Worten eilt er davon und lässt ein riesiges Chaos in meinem Kopf zurück.
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