Zwei
„Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich hingehen", sagt Adrian, lässt seine Kippe in den Aschenbecher fallen und sieht dabei zu, wie die verbleibende Glut langsam erlischt.
„Ach, wirklich? Leider bist du nicht an meiner Stelle. Tut mir leid, aber ich werde da niemals hingehen!", fauche ich. Eigentlich hatte ich auf Unterstützung seitens meines besten und einzigen Freundes gehofft, und jetzt fällt er mir auch noch in den Rücken? Ich fühle mich von ihm genauso hintergangen wie von meiner Schwester.
„Clara meint es nur gut mit dir, Süße. Und mit Maya hatte sie recht, denn wenn Maya hier wäre, hätte sie dir einen Arschtritt verpasst und verlangt, dass du auf der Stelle glücklich wirst."
„Nenn mich nicht Süße!", gifte ich, auch wenn er das schon immer getan hat.
Er zuckt mit den Schultern. „Du stimmst mir also zu", stellt er trocken fest. Erschöpft vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Ich kann es nicht mehr ertragen, dass er einfach recht hat. „Hey, sei froh, dass es ein Speed-Dating nur für Frauen ist."
„Andernfalls hätte ich ihr wahrscheinlich den Kopf abgehackt", knurre ich. Alle meine Bekannten, Clara und Adrian eingeschlossen, wissen, dass ich mich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühle. Wenn sich Clara auch noch erlaubt hätte, mich dazu anzumelden, einen Mann kennenzulernen, hätte ich wahrscheinlich schon meine Selbstkontrolle verloren.
„Hör auf mit deinen verdammten Mordfantasien, Süße. Weißt du eigentlich, dass man dir ansehen kann, wenn du an solche Dinge denkst?" Seine Stimme ist immer noch ruhig und neutral.
„Und du sollst damit aufhören, mich Süße zu nennen", entgegne ich. Ich bin erschöpft, alleine das Wissen, dass ich von meiner Schwester und meinem besten Freund so belogen wurde, nimmt mir die Kraft. In meinem Kopf habe ich bereits beschlossen, nicht zu der Veranstaltung zu gehen.
Adrian dreht sein Feuerzeug zwischen den Fingern und sieht auf die Zigarettenschachtel hinab, die neben dem Aschenbecher auf seinem Schreibtisch liegt. Ich nehme ihm das Feuerzeug aus der Hand und lasse es auf die Tischplatte fallen. Soviel dazu, er wolle mit dem Rauchen aufhören.
„Okay, Lilly, ich weiß, dass du es nicht mehr hören willst, aber Maya würde wollen, dass du hingehst. Einfach nur für Clara." Genervt raufe ich mir die Haare und sehe ihn an. Wenn er Mayas Namen ausspricht, macht es mich wütend. Nicht ganz so wütend wie dann, wenn Clara sie als Ausrede vorschiebt, aber immer noch genug, dass ich meine Hände zu Fäusten balle.
„Leck mich, Adrian. Ich gehe da nicht hin, mir egal, was du sagst."
„Oh doch, und ob du da hingehst. Selbst wenn ich dich da eigenhändig hinschleppen muss." Er klingt gar nicht mehr so ruhig. „Ich habe es satt, dich ständig so hier rumhocken zu sehen. Du musst aufhören, das alles in dich reinzufressen. Ich bringe dich zu diesem Speed-Dating. Selbst wenn du keine neue Beziehung willst, vielleicht findest du ja eine Freundin. Nicht im Sinne von Geliebte, sondern einfach als..." Er gestikuliert ratlos mit den Händen.
„Ich weiß, was du meinst", antworte ich harsch. Die Wahrheit ist, dass ich mich dagegen wehren werde, bei dieser Veranstaltung zu erscheinen. Und zwar aus allen Kräften.
„Übrigens, herzlichen Glückwunsch nachträglich", sagt Adrian und legt einen Zettel vor mir auf den Tisch. Mir ist der abrupte Themenwechsel sofort unangenehm. Ich funkele ihn wütend an, bevor ich nach dem Zettel greife. Wehe, er zieht jetzt auch so etwas ab wie Clara.
„Ein Tattoo. Ist nicht dein Ernst." Es ist lange nicht so schlecht wie Claras Geschenk, aber irgendwie finde ich es immer noch blöd von ihm.
„Doch. Du kannst dir eines aussuchen. Irgendeines. Ich werde es dir stechen." Ich erinnere mich daran, wie ich einmal mit Maya genau hier gesessen habe und Adrian ihr genau dieses Angebot gemacht hat. Und daran, was sie geantwortet hat.
„Ich will eine Rose", sage ich mit zitternder Stimme. Ich hatte immer Angst vor Tattoos, vor dem Schmerz beim Stechen und davor, dass es ewig auf der Haut bleibt. Aber alleine der Gedanke an Maya bringt mich dazu, eines haben zu wollen.
„Auf den Knöchel?", fragt er. Ich antworte ihm bloß mit einem Nicken.
„Genau wie Maya", sagen wir beide gleichzeitig.
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