Sechzehn
„War wirklich schön mit dir, Lilly."
„Fand ich auch. Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast." Wir stehen vor meiner Wohnungstür, Swan hält noch immer meine Hand. Seit wir im Park waren, hat sie mich noch nicht wieder losgelassen.
„Gerne doch. Darf ich noch mit reinkommen?", fragt sie und wirkt auf einmal total schüchtern. Ich mag diese Seite von ihr, finde sie echt süß. Sie erinnert mich so noch mehr an Maya.
„Klar", antworte ich, schließe mit meiner freien Hand die Tür auf und ziehe Swan mit mir, als ich hineingehe. Ausnahmsweise schäme ich mich nicht für meine Wohnung, die im letzten Jahr ziemlich heruntergekommen aussah. Ich habe mich nämlich durch Swans Liebe zu der Motivation durchgerungen, endlich meine Wohnung aufzuräumen.
Sie lässt meine Hand endlich los und sieht sich im Flur um. Ich wische meine leicht schwitzige Hand an meiner Jeans ab und sehe ihr grinsend dabei zu, wie sie sich umsieht. Dann ziehe ich mir meine Schuhe aus und höre, wie sie fragt: „Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass ich das bin."
„Was?", frage ich, richte mich wieder auf und sehe zu ihr hinüber. Sie hat das Bild von Maya und mir entdeckt, das direkt neben dem Spiegel hängt.
„Wer ist das?" Sie klingt neugierig und beginnt, ihre eigenen Tattoos mit denen von Maya zu vergleichen. „Ist das deine Schwester? Ähm... Clara?"
Ich schüttele den Kopf, schlendere zu ihr hinüber, umarme sie und lasse den Kopf an ihre Schulter sinken. „Nein. Das ist Maya."
„Oh." Überrascht lässt Swan ihre Arme sinken und sieht auf einmal gar nicht mehr so freudig aus. Vorsichtig schlinge ich die Arme um sie und küsse sie auf die Wange. Sie schlingt ihre Arme um mich und legt das Kinn auf meine Schulter.
„Ist nicht so schlimm, ich bin über sie hinweg", lüge ich. Mir fällt auf, dass ich ständig irgendwelche Lügen erzähle, besonders dann, wenn ich Swan nicht beunruhigen will. Habe ich das schon immer gemacht? Habe ich schon immer Leute belogen, auch bevor ich Swan überhaupt kennengelernt habe?
Ich beginne, meine Beziehung, die ich mit Maya hatte, zu hinterfragen. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihr jemals solche schwerwiegenden Dinge verschwiegen zu haben. Und dann kommen auch noch Zweifel in mir auf, ob Swan denn immer ehrlich zu mir ist. Vielleicht lügt sie mich ja genau so sehr an wie ich sie.
Swan hat gemerkt, dass ich wieder in meine eigene Welt abgetaucht bin. Vorsichtig löst sie sich aus meiner Umarmung, ich hatte gar nicht gemerkt, wie fest ich sie umklammert hatte. Aber in ihren Armen fühle ich mich immer so sicher, sie gibt mir irgendwie Halt.
„Lilly, bitte. Sag mir doch einfach, was los ist. Du kannst mir vertrauen." Sanft nimmt sie mein Gesicht in die Hände und küsst mich behutsam. Der Geschmack ihrer Lippen beruhigt mich immer noch, der Geschmack von Kirschen.
„Und du kannst mir vertrauen, wenn ich dir sage, dass es nichts wichtiges ist. Und es hat auch nichts mit dir zu tun, es ist bloß wegen der Arbeit." Seufzend und kopfschüttelnd lässt Swan von mir ab und wendet sich der Tür zu.
„Ich muss jetzt los", sagt sie und schafft es dabei nicht, den enttäuschten Unterton in ihrer Stimme zu verbergen. Am liebsten hätte ich sie festgehalten und ihr gesagt, dass ich es nicht so meine, aber dann müsste ich ihr wahrscheinlich auch gestehen, dass ich noch nicht hundertprozentig über Maya hinweg bin, und ich müsste ihr wahrscheinlich auch sagen, dass ich diese seltsamen Nachrichten von der unbekannten Nummer bekommen habe.
„Aber bitte... können wir uns wiedersehen?", frage ich flehentlich.
„Vielleicht. Ich muss los." Sie schiebt ihre Hände in die Jackentaschen und geht zur Tür, öffnet sie und läuft ins Treppenhaus.
„Ich liebe dich, Swan!", rufe ich ihr noch hinterher, doch erhalte keine Antwort.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro