Elf
Ich kann nicht anders, ich muss einfach jedes kleinste Detail des Abends lang und breit mit Adrian ausdiskutieren, wobei er jeden zweiten Satz von mir mit irgendeinem anstößigen Kommentar kontert. „Du bist einfach ein Arsch", sage ich irgendwann genervt, als er seine fünfte oder sechste Anspielung darauf gemacht hat, dass er an meiner Stelle wahrscheinlich bereits mit Swan im Bett gelandet wäre.
„Ich bin auch nur ein Mensch. Und dafür, dass Swan einfach total heiß aussieht, kann ich ebenfalls nichts." Seufzend sieht er auf die Uhr. „Hör mal, meine Mittagspause ist gleich vorbei. Solltest du nicht auch zurück zur Arbeit, Süße?"
Ich starre auf die Kippe, die im Aschenbecher vor sich hin raucht. Angeblich hat Adrian seine Dosis Nikotin auf drei Zigaretten am Tag reduziert. Wer's glaubt wird selig. Er raucht seit er vierzehn ist, und daran wird sich in näherer Zukunft auch nichts ändern.
„Hast du dich eigentlich endlich für einen Termin entschieden, wann ich dir dein Tattoo stechen soll?", erkundigt er sich, während er seine Thermoskanne mit Kaffee wieder irgendwo unter dem Schreibtisch verstaut.
„Nein." Zugegeben, ich habe Angst vor dem Stechen des Tattoos. Erinnerung an Maya hin oder her, die Angst ist viel zu groß. Was wäre, wenn eines Tages eine Wahrheit über sie bekannt werden würde, die sie in ein so schlechtes Licht rückt, dass ich das Tattoo dann bereue?
Adrian verdreht die Augen bei meinen ganzen Zweifeln. „Im Notfall kann man es immer noch weglasern oder was anderes drüberstechen."
„Lass mich doch in Ruhe", keife ich und verschränke die Arme vor der Brust.
Adrian will gerade etwas antworten, als man hört, wie jemand den Laden betritt. Er zuckt noch mit den Schultern und verlässt dann das nach kaltem Rauch stinkende Hinterzimmer, um sich um den Kunden zu kümmern. Um die Kundin, um genauer zu sein.
„Swan?", frage ich überrascht, als ich beim Verlassen von Adrians Studio am Tresen vorbeikomme.
„Hi, Lilly!", sagt sie freudig, wendet sich augenblicklich von Adrian ab und begrüßt mich mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange. Aus dem Augenwinkel sehe ich Adrian, der enttäuscht das Kinn auf seine Arme aufstützt. Er scheint wirklich Interesse an Swan zu haben.
„Was machst du denn hier?", frage ich, nachdem sie mich endlich losgelassen hat.
Sie hebt den rechten Arm und deutet auf eine untätowierte Stelle inmitten der anderen Tattoos. „Ich will unbedingt ein Drachentattoo!", sagt sie, sie klingt überaus begeistert. „Aber wie auch immer, wieso bist du denn hier? Du siehst nicht unbedingt aus, als ob du dich tätowieren lassen würdest."
„Mittagspause. Und der Vollidiot da", als ich ihn so nenne, wirft mir Adrian einen verärgerten Blick zu, „ist so ziemlich mein einziger Sozialkontakt." Ich weiß nicht einmal genau, warum ich mich so... selbstbewusst fühle, vor allem in Swans Nähe.
„Okay, und wo arbeitest du?", fragt Swan weiter. Adrian verdreht die Augen. Er will ganz klar Swans Aufmerksamkeit, sei es nun aus persönlichem Interesse oder weil sie seine Kundin ist.
„Bibliothek", sage ich und schiele auf meine Armbanduhr. Ich sollte mich beeilen, wenn ich pünktlich wieder dort auftauchen will. „Du, ich würde echt gerne noch weiter reden, aber ich muss zur Arbeit. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder."
Sie nickt unbestimmt, scheinbar in ihren Gedanken verloren, und greift dann nach meiner Hand, zieht mich zu sich und drückt mir kurzerhand einen Kuss auf die Lippen.
Adrian quittiert dies mit einem leisen Pfiff durch die Zähne, Swan grinst mich an und ich werde natürlich knallrot. Meine Knie werden weich. „Ähm... ja, auf Wiedersehen", sage ich und stolpere zur Tür.
Ich kann immer noch Swans Lippen auf meinen spüren, sie fühlten sich so weich an, und ihr Kuss schmeckte nach Kirschen. Wow, solche Gefühle hatte ich seit Maya nicht mehr gespürt. Allein diese Tatsache lässt Hoffnung in mir aufsteigen. Die Hoffnung, wieder jemanden lieben zu können.
Ein Kribbeln breitet sich in meinem ganzen Körper aus und ich beginne, wie dämlich zu grinsen. Gut, machen wir es offiziell: Ich habe mich in Swan verknallt.
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