°9
Cade löffelte unsicher in seiner Suppe herum, während er immer wieder flüchtige Blicke zu seiner Mutter warf. Er schluckte schwer, fragte sich, ob es ein guter Moment war, über das Thema zu reden - ob er es einfach lassen sollte; oder sie ihm keine Chance geben würde zu fragen, wenn sie bald mit Essen fertig war.
Er wollte auf jeden Fall direkte Konfrontation vermeiden, doch musste er es erstmal hinbekommen, das Thema nebensächlich zu nennen. Wahrscheinlich würde das aber nur nach hinten losgehen.
Doch was sollte es auch?
Er hatte keine Wahl. Es musste passieren. Er brauchte das.
Seufzend legte er seinen Löffel ab und trank einen Schluck Wasser.
Bedienstete unterhielten sich im Hintergrund, gut.
Also jetzt oder nie.
Er nahm den Löffel wieder und tauchte ihn in die helle Brühe.
"Woran erkennt man, dass man jemanden liebt?"
Es war wie ein Schuss, der an allen Ohren gleichzeitig vorbei ging - und plötzlich lag nun die gesamte Aufmerksamkeit auf Cade. Die Stimmen waren verstummt und der Alpha sah schnell beschämt weg. Genau das hatte er eigentlich versucht zu vermeiden.
Seine Mutter stoppte ebenfalls sofort mit dem Essen und wischte sich über den Mund, als ihr fast alles wieder rauskam.
"Liebe!? Mein Baby! Ist es endlich soweit? Du hast jemanden gefunden?"
Cade fuhr sich durchs Haar. "Ich.. naja.. wie war es mit.. dir und.. ?", fragte er unsicher über seine eigenen Worte. Er durfte nicht unaufmerksam werden.
Die Alphadame legte die Hände an ihre Kaffeetasse, strich davor kurz über ihren Nacken.
"Er hat es mir gesagt. Und mich dann markiert. Bindung." Sie starrte ins nichts, bis sie Cade lächelnd ansah. "Es wäre unglaublich schlimm gewesen, hätte ich nicht so empfunden wie dein Vater."
Ihre Miene wurde ernst und mahnend.
So etwas könnte er Nao nicht antun, er Verstand jedoch, dass dieses Bedürfnis selbst bei ihm da war.
Er musste sich zusammenreißen.
"Deshalb musst du aufpassen. Es ist okay, wenn du erstmal mit ihr experimentieren, sie kennenlernen willst. Aber deine Hormone könnten die komplette Kontrolle übernehmen, vor allem hattest du erst vor kurzem eine Spritze. Du bist jung, aber du solltest bald-"
"Spritze?" Cade konnte sich nicht mehr erinnern. Als Nao seine Heat und er selbst die Kontrolle verloren hatte? Er dachte, Tabletten hatten gereicht.
Seine Mutter strich ihm kopfschüttelnd durchs Haar.
"Alles gut."
Sie lenkte vom Thema ab.
"Wann lerne ich die Glückliche denn kennen? Soll ich etwas planen?", fragte sie lächelnd.
Cade schüttelte den Kopf.
Seine Frage war immer noch nicht beantwortet. Zudem hatten sich nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Er musste zu Nao und es also selbst rausfinden.
Er sah seine Mutter kurz an. Sie verheimlichte etwas.
Aber im Moment war dieses Geheimnis nicht wichtig genug, um sich jetzt darum zu kümmern.
Schnell erhob er sich vom Tisch und verschwand, bevor seine Mutter oder einer der schaulustigen Bediensteten ihm folgen konnten. Er stand also alleine da.
"Nao?"
Seine Beine trugen ihn geradewegs in sein Zimmer, indem Nao gerade den Boden auf den Knien wischte. Der Geruch des Omegas war noch nie so prominent in Cades Sinn erschienen. Aber er hatte nichts dagegen, es beruhigte ihn irgendwie.
Der Alpha schloss die Tür hinter sich und nahm einfach die Hand des kleinen Omegas, um ihn daran auf die Beine zu ziehen.
Nao sah ihn mit großen Augen an. Sein Herzschlag verschnellerte sich, Panik breitete sich aus, die er gekonnt unterdrückte. Trotzdem machte Cades Festhalten an seiner Hand ihn unglaublich nervös.
Doch alles ging schnell, sodass er schließlich wenige Sekunden später neben Cade auf dem Bett saß und gar benommen zu Boden starrte. Es war nicht die gleiche Atmosphäre, wie bei ihrem Umarmungen. Nao schluckte schwer.
Der Alpha ließ seine Hand nicht los.
Ja, er mochte Cades Wärme, Cades Berührung, besonders seine Umarmung, aber seine Hand zu halten schien in diesem Moment viel viel schlimmer und... aufgeregter.
Cade dagegen verhielt sich ruhig, legte seine Finger vorsichtig an Naos Kinn und hob es leicht, damit der Kleinere gezwungen war, in seine strahlend grünen Augen zu sehen.
Hypnotisierend.
Nao schüttelte sich und kniff die Augen zu, während Cade nur ein leises Lachen von sich gab.
"Nur weil du mich nicht siehst, heißt das nicht, dass ich nicht mehr da bin."
Er legte die Hand an Naos weiche Wange und strich vorsichtig über Naos Lippen.
Wie gerne er ihn küssen wollte..
Doch brauchte er jetzt Naos volle Aufmerksamkeit, ob er damit zu weit ging beachtete er gar nicht.
Der Omega schreckte bei der unewohnten Geste panisch auf und öffnete ein Auge wieder, um Cades Tat mit bösen Blicken zu strafen, welche für den Alpha jedoch nur mehr als putzig aussahen.
Nao war nicht wütend über die kleine Geste, er hatte Angst. Zitternde Angst. Trotzdem versuchte er mutig zu sein.
Cade schwieg jedoch nur, strich sanft mit einer Hand über Naos Arm um ihn zu beruhigen - was nicht gerade gut funktionierte - und sammelte sich, bis er die Worte fassen konnte, die er sagen wollte;
"Nao. Ich muss dir etwas gestehen", begann er zögerlich und versuchte ein Lächeln aufzusetzen, "Und selbst wenn du das nicht willst, nicht genauso fühlst... Es ist okay. Ich will nur dass du es weißt. Und wenn du danach willst, dass ich nicht mehr in deine Nähe komme, lasse ich das auch - ja?"
Machte er das Richtige? Waren das seine wahren Gefühle?
Er sah den Kleinen an. War es Lust oder Liebe due ihn so anzog?
Nao öffnete das andere Augen ebenfalls wieder und starrte ihn ein paar Sekunden einfach nur an. Sein Magen drehte sich um. Er hatte keine guten Erfahrungen davon, wenn man ihm etwas vertrauliches erzählte. Und die Inzwischen unangenehme Nähe, machte es ihm keinesfalls leichter.
Trotzdem nickte er, zögernd, aber er tat es. Er war neugierig genug, um hören zu wollen, was Cade ihm sagen wollte. Auch weil er sich dann wohl endlich von ihm entfernen würde.
Wo war das Vertrauen hin?
"Nao. Ich glaube... Ich glaube ich.. i-ich..",
begann der Alpha und stotterte immer mehr. Er schüttelte sich.
Dann sah er in Naos Augen, versuchte die Worte zu ordnen.
Ja, wirklich.
Er tat es.
Cade konnte diesem Gefühl nur des Omegas Namen zuordnen.
"Ich glaube ich liebe dich."
Die Zeit blieb stehen.
Sowohl für Cade, der sich auf seine Unterlippe beißend auf eine Antwort vorbereitete; und für Nao, der keine Antwort hatte.
Zumindest keine, die er wenn es möglich wäre, hätte vokal zum Ausdruck bringen können.
Liebe.
Was war für Nao Liebe?
Mehr als das, was ihm seine Mutter gar jeden Tag gab und dem, was während der Heat mit ihm passierte, kannte er nicht.
Seinen Körper zu benutzen, war das Liebe? Konnte man überhaupt einen wertlosen Omega, wie ihn, lieben?
Er schüttelte sich, geriet nun eindeutig immer mehr in Panik, während Cade nur hilflos auf seine Antwort warten wollte.
Nao war frustriert, ängstlich, er wollte vom Boden verschluckt werden und nie wieder hochkommen.
„Nao."
Er wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken.
„Nao."
Am liebsten würde er einfach sterben, um niemals wieder ein Problem für andere zu sein. Und sein Leben nicht noch schlimmer zu machen.
„Nao, bitte.."
Der Omega sah auf, bemerkte endlich, wie Tränen über seine Wangen strömten und wie jedes einatmen, seinen gesamten Körper erbeben ließen. Er hatte großen Abstand zu Cade genommen. Aus Angst.
So große Angst.
Cade rutschte wieder zu ihm und strich vorsichtig Naos Tränen mit den Fingern weg.
„Alles ist okay. Ich tue dir nichts. Du musst jetzt auch noch nicht antworten, alles ist gut."
Der Alpha schloss das zitternde und nun auch wimmernde Bündel in eine feste Umarmung und wiederholte, seine für gut Erklärungen immer wieder.
Er würde Nao nichts tun. Und vor allem würde er ihm nicht weh tun wollen. Niemals. Jemals. Das war wohl nun etwas schief gelaufen, doch hoffte er, die Umarmung würde den Kleinen beruhigen.
Nao brauchte einige Sekunden, um mit der neuen, für ihn bis jetzt unbekannten Situation erstmal klar zu kommen.
Cade liebte ihn.
Cade liebte IHN.
Cade liebte einen stummen Omega, der sogar Angst vor ihm hatte.
Was für eine Art von Liebe war das?
„Sh, Nao, bitte hör auf zu weinen..", summte Cade ihm sanft zu und streichelte im immer gleichen Rythmus Naos Rücken auf und ab, bis sich dieser letztendlich vollkommen in Cades Armen entspannt hatte.
Cade strich zufrieden durch Naos Haar. Das er ihn wenigstens so halten durfte, sollte doch heißen, dass Nao ihn nicht komplett ablehnte oder? Er malte sich eine Zukunft mit Nao aus, die so zwar nie stattfinden würde, doch war er allein schon glücklich darüber, dass die geringe Wahrscheinlichkeit bestand, mit welcher Nao seine Gefühle vielleicht erwidern würde.
Vielleicht, vielleicht.
Es sollte kein vielleicht geben, er liebte ihn!
Der Alpha sah auf den Omega herab und bemerkte, wie sich sein Atmen verlangsamt hatte. Ungläubig legte er die Hand an Naos Kinn, um ihn ansehen zu können. Er war eingeschlafen.
Cade konnte sich gar nicht vorstellen, ob es daran lag, dass der Kleine nicht genug Schlaf hatte oder er schlichtweg so gestresst von ihm war, dass sein Körper es nicht länger aushalten konnte.
Irgendwie überkam Cade eine Welle von Freude, als er darüber nachdachte, wie Nao sich bei ihm entspannen konnte, obwohl er ihn anscheinend etwas überfordert hatte. Auch, weil er es gestanden hatte. Und in seinem tiefsten Innersten fühlte er, dass das das Richtige gewesen war.
Doch dann fühlte er sich auch wieder schlecht darüber, durch was für unangenehme Situationen er ihn bringen musste.
Er liebte ihn doch nur.
Vorsichtig legte er den kleinen Omega auf dem Bett ab und deckte ihn behutsam zu. Er strich sanft sein Haar zurück und sah ihn eine Weile einfach nur an.
"Tut mir Leid", murmelte er ihm zu.
Seine Hand strich Naos Wange herab und über dessen Hals.
Er wollte nichts anderes mehr, als Nao zu markieren. Aber es war falsch. Er durfte sich nicht auf seine Instinkte einlassen.
Und im Moment reichte es auch, den Kleinen in seinem Bett, eingehüllt in seinen Geruch, zu haben.
Ob Nao seinen Geruch mochte?
Er dachte an Naos vergangene Heat. Irgendwas musste sein Geruch wohl bedeuten, wenn Nao zu seinem T-shirt griff oder?
Cade lächelte breit, als Nao sich weiter ins Bett schmiegte. Er sah zufrieden aus. Putzig.
Der Alpha hätte ewig dasitzen können und einfach nur zugucken, wie Nao schlief - doch hatte er noch andere Sachen zu erledigen.
Zögernd lehnte er sich also runter und drückte dem Omega einen Kuss auf die Stirn. Seine Lippen kribbelten und ein angenehmer Schauer blitzte durch seinen Körper.
Nun war er sich nur noch sicherer: Nao musste ihm gehören. Es musste einfach passieren. Irgendwie würde er es hinkriegen, dass er sich Hals über Kopf in ihn, einen Alpha, verliebte. War das überhaupt möglich?
Natürlich würde er ihn zu nichts zwingen, doch musste er endlich an Naos Gefühle kommen.
Doch seine Familie würde eher weniger Begeisterung dafür zeigen. Würden sie ihn verstoßen?
Cade stand auf und dachte nach. Er war sich nicht einmal 100%ig sicher, ob Nao genauso fühlte. Also kam dieses "Problem" zuerst.
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