°6
Während Cades Mutter Gäste am Empfang begrüßte, sammelten sich nach und nach immer mehr hübsch aufgemachte Mädchen um Cade - genau wie seine Mutter es geplant hatte.
Nao hatte also früh schon Abstand genommen und beobachtete den Haufen an Alphas nur mit erhöhter vorsicht von Weitem. Seine Hände schwitzten und zitterten, doch hatten zum Glück immer wieder Zeit sich zu beruhigen, wenn Nao ein Tablett oder dergleichen bringen sollte und somit auch kurz den Raum verlassen durfte.
Er brauchte unbedingt sein Bett, in dem er sich verstecken - schließlich auch entspannen - konnte. Auf nichts freute er sich heute mehr.
Trotzdem stand er tapfer da und tat was Cade ihm befohlen hatte. Halbwegs. Sein Kopf war eigentlich ganz woanders.
Doch Nao konnte sich auch selbst wohl kaum zumuten, noch näher zu kommen, als diese 7 Meter Abstand, die er bewusst, zentimetergenau, einhielt. Am liebsten würde er zwar weiter weg gehen, aber er hatte es versprochen. Zumindest war es seine Interpretation von Cades Worten.
Bei ihm zu bleiben. Ihm zu vertrauen.
Er wusste nicht genau, ob Cade das wirklich damit meinte. Aber wie dem auch sei;
er war hier. Und das musste wohl am meisten zählen. Vor allem durch den Bonusgeld-Betrag mit einer möglichen Lohnerhöhung in Aussicht.
Der kleine Omega atmete schwer auf, als er doch wieder zu den Alphas sah.
Ein Versehen.
Alles war gut.
Er wand den Blick aus dem Fenster. Ablenkung.
Gute Ablenkung.
Immerhin war es ein schöner Abend - wenigstens das konnte er genießen; ein aufgehender Mond und funkelnde Sterne, die den Himmel erleuchteten.
Nao beruhigte sich dadurch langsam wieder. Verträumt starrte er weiterhin nach draußen.
Cade dagegen konnte nicht den Sternen nachsehen; war bis zum überlaufen gefüllt mit Stress, Verwirrung, Wut auf seine Mutter.
Fragen nach Fragen, nach Fragen - die Stimmen der jungen Alpha-Mädchen hallten sich verschwommen in seinem Kopf wieder, als er zum sechsten Mal gefragt wurde, ob ihm auch ihr neues Kleid gefiel. Oberflächliche, leichtzuhabende Frauen, war das letzte was er wollte.
Cade sah runter in den endlos-scheinenden Pool der roten Flüssigkeit in seinem Glas. Er wollte solche Frauen nicht. Doch was wollte er eigentlich?
Er hatte, immer, wenn er sich seine Zukunft vorstellte, an Kinder gedacht - Familie gründen, so wie seine Mutter es immer beteuerte - doch nie hatte er sich einen Partner vorstellen können.
Ginge es nach seiner der Frau, die sein Leben bestimmt, müsste es eine dieser rein-blutigen Alpha-Mädchen sein, doch was er eigentlich wollte; darüber hatte er nie nachgedacht.
Zwar wusste er, dass er garantiert nicht dem Wunsch seiner Mutter folgen würde - auch wenn es wohl die beste Option war, wenn er an Kinder dachte - doch wusste er nicht, ob es überhaupt jemanden für ihn gab. Jemanden, der ihn so verstand, wie er war; kein stumpfes Gerede, sondern eine Person, mit der er auf einer Wellenlänge war.
Jemanden, der sein Mate sein wollte, nicht wegen seinem Aussehen, seinem Status; jemand, der sein Mate sein wollte, weil Cade es war, wegen seiner Persönlichkeit, seinem tiefsten Inneren. Weil Cade eben Cade war.
Seufzend exte er die bittere Flüssigkeit hinab und brachte das ganze Mädchen-Kränzchen zum unangenehmen, schrillen kichern. Er wollte sie alle rauswerfen. Sie waren absolut unerträglich.
Ein nachschenken erfolgte durch den Hausdiener, welchem Cade lächelnd dankte. Der Rest nahm den Service jedoch wortlos und ohne jegliche Anerkennung hin. Er seufzte.
Innerlich zerbrach Cades Wunsch nach einer Zukunft mit jemandem, der ihn verstand, immer weiter. Was war diese Gesellschaft?
Während sie sich hier als Alphas am Alkohol ergötzten, als würde dieser wie Bächer und Quellen der Welt entspringen, schufteten Omegas ihr Leben lang für sie. Alles was sie, als hohe Gesellschaft, nicht machen wollten, ging an die Hilflosen, die Unterdrückten. Selbst Betas verloren langsam ihren Stand und rutschten langsam über die Jahre, auf das Level der Omegas. War das noch moralisch gut?
Cade schüttelte sich bei dem widerlichen Gedanken, so weiter zu leben. Doch das war sein Leben. Und er konnte nichts dagegen tun, außer sich weg zu denken oder es bis zum Ende zu leben.
Die Natur hatte bestimmt, wer über allen stand. Und das waren die Alphas. Egal wie dumm oder was für ein Nichtsnutz der Alpha war, er war immer noch zehnmal so viel Wert wie ein Omega.
Und Cade hasste diese Bestimmung, in der er vergebens lebte.
Ein weiteres Glas wurde geext. Durch die Gedanken, an den niedersten Stand dieser Gesellschaft, viel sein Blick quer durch den Raum, bis er auf Nao traf.
Der kleine Omega fügte sich robotisch seinem Schicksal. Kein Wille, den er aussprechen konnte - hätte er überhaupt die Fähigkeit dazu. Er machte alles für ihn.
Dem Alpha war schlecht, noch nicht vom Alkohol, er fühlte sich unwohl in dieser Situation. Er hatte Nao gebeten, die ganze Nacht lang bei ihm zu bleiben, doch konnte er ihn hier einfach festhalten? Er fühlte sich schrecklich, schuldig.
Ein weiteres Glas. Die Mädchen kicherten ihr dümmliches Lachen. Cade rieb sich die Schläfen.
Er fühlte sich, als steckte er in einer Zeitschleife fest. Die Welt hatte gestoppt und jemand drückte den 30-Sekunden-zurück-Schalter immer wieder. Und genauso ging es weiter;
Mädchen. Trinken. Lachen. Nao.
Mädchen. Trinken. Kichern. Nao.
Dumme, verzogene Mädchen. Trinken. Schrilles Kichern. Naos Blick.
Kichern. Schrill. Trinken. Naos große Augen.
Lachen. Leise. Leeres Glas. Warum sah Nao ihn so an?
Dumpfe Geräusche. Kein nachschenken. Naos weite Augen.
Tonlos. Leer. Dunkelheit. Schlaf.
"Cade!"
Die Stimme seiner Mutter hallte dumpf, selbst als er langsam zu sich kam, immer noch in Cades Hinterkopf. Er erwachte jedoch erst Stunden später, mit dem Anbruch des Morgengrauens, als das Licht sein Gesicht striff.
Unwillkürlich schreckte er auf und warf sich sofort murrend zurück, als ein starker Schmerz seinen Kopf durchzog und er zusammen zuckte.
Seufzend rieb er sich über die Stirn und setzte sich jedoch erneut ruckartig auf, als er einen zu bekannten, süßen, gar blumigen, Geruch vernahm.
Und da war er.
Schlafend, erschöpft, halb auf einem Stuhl sitzend, halb an das Bett gelehnt.
Nao, welchen Cade zum ersten Mal schlafend sah und dabei ein unbeschreibbares Kribbeln in seinem Bauch fühlte.
Der Schmerz in seinem Kopf wurde schwächer und dumpfer, je länger er Nao anstarrte.
Cade wusste zwar nicht was passiert war, doch würde er es allein für diesen Anblick sehr gerne nochmals tun.
Vorsichtig strich er Strähnen aus Naos Gesicht und schmunzelte sanft über seinen Ausdruck. Wie ein Baby schlief der Omega - und Cade hatte auch nicht vor, ihn dabei zu stören oder ihn zu unterbrechen.
Während der Alpha sich nun entschieden hatte, selbst aufzustehen, da ihn seine Kopfschmerzen langsam umbrachten, schob er Nao aufs Bett und deckte ihn zu. Wenn Nao wirklich die ganze Zeit bei ihm gewesen war, war er ihm es mehr als schuldig, ihn richtig schlafen zu lassen. Nicht nur, dass er den Schlaf ohnehin schon verdient hatte.
Und das tat er dann auch: ihn schlafen lassen, wobei er selbst Tabletten aus dem Schrank zückte um dem Kater entgegen zu wirken und langsam wieder zu Sinnen zu kommen. Zumindest ein wenig.
Nur langsam kamen Brüchstücke von Erinnerungen zurück; doch wusste er immer noch nicht, durch was oder wie er wirklich letzten Endes im Bett gelandet war - nicht, dass er etwas dagegen hatte, so anscheinend auch den Mädchen entkommen zu sein.
Wie spät war es überhaupt?
Cade streckte sich und sah aus dem Fenster. Es war womöglich gerade Morgen geworden, dachte er, als er keine andere Wahl hatte, dies durch die Sonne zu bestätigen, da ihm sein Handy irgendwo abhanden gekommen war.
Seufzend fuhr sich der Alpha übers Gesicht und sah ein letztes Mal zum friedlich schlafenden Nao, ehe er erst ins Bad und dann Richtung Küche verschwand. Cade musste jetzt erstmal wach werden und richtig zu Sinnen kommen.
Nao, auf der anderen Seite, erwachte jedoch erst Stunden später, mit einem komischen Gefühl in seinem Magen, als er einen starken Atemzug nahm.
Er fühlte sich irgendwie leicht, trotz dem Kribbeln, dem Herzklopfen... der Aufregung, die ihn plötzlich umgab.
Huh?
Er hob den Kopf, als er die unfamiliäre Decke erblickte und sah sich erst verwirrt im Zimmer um und erschrack erneut, als er merkte, in welchem Bett er lag.
Er wagte es gar nicht erst, sich zu bewegen; er erstarrte.
Und langsam, trotzdem, fühlte er sich etwas sicherer - wenn man erstmal nicht in Betracht zog, dass er wahrscheinlich, eigentlich, schon länger oder gar die ganze Nacht hier lag - im Bett des Alphas - und sein Körper ihn nicht eher davor geweckt hatte, um ihn vor mutmaßlicher Gewalt oder dergleichen zu schützen. Der kleine Omega schüttelte sich.
Ihm ging es gut. Zu gut.
Was war los mit ihm? Er fühlte sich gar nicht schlecht hier zu liegen.
Cades Geruch umschloss ihn wärmer, als die Decke - und er ließ es zu.
Er hatte keine Angst, hier zu sein.
Obwohl seine inneren Alarmglocken, zwar erschwert und langsam, aber immer schneller in Bewegung kamen, wollte er fast gar nicht aufstehen.
Tatsächlich; er fühlte sich wohl. Somit war nun der Grund klar, warum sein Körper so ruhig geblieben war. Cade war einfach keine Bedrohung mehr. Eher ein schützender Freund, Nao kannte ihn zwar nur flüchtig, doch verspürte er ihm gegenüber ein unglaubliches Vertrauen, auf dass sogar seine Mutter neidisch werden könnte.
Doch als er nun unbedacht das Gesicht in Cades Kissen vergrub, merkte er, dass dieses Gefühl eindeutig von Cades Geruch kam - und nicht von ihm aus.
Er beeinflusste ihn.
Der Geruch eines Alphas.
Ihn zu begehren.
Cades Geruch.
Verführerisch.
Der Geruch umschloss Nao in eine riesige Wolke von Hormonen und brachte den Kleinen dazu, sich noch unterwürfiger und ruhiger zu verhalten, als er so wieso schon war. Er sog gar gierig weitere Atemzüge aus dem Stoff und presste seinen Körper wollend in die Decke.
Das war der natürliche Effekt des Alpha-Gens. Und Nao bemerkte es gerade noch rechtzeitig, um schnell aus dem Bett zu stolpern.
Er wollte diese Gedanken nicht.
Dieses Gefühl nicht.
Das Kribbeln zwischen seinen Beinen.
Nebliger Kopf.
Nao wischte sich völlig fertig über das Gesicht. Seine Beine brachen ein. Ihm war heiß.
Er sank zu Boden.
Cades Geruch war nun überall.
Im Zimmer, an seinem Körper, in seinem Gesicht.
Überall.
Jeder Atemzug war von Cade erfüllt.
Er nahm das T-Shirt, dass neben ihm auf dem Boden lag. Cades T-Shirt.
Er wusste nicht wieso.
Vielleicht wollte er diesem Geruch auch gar nicht entkommen.
Vielleicht wollte er Cade nah sein?
Er presste die Beine zusammen.
Es war viel zu früh, um seine Heat zu haben - doch wusste er ganz genau, dass es sich um das selbe Gefühl handelte. Er bekam nur schwer einen klaren Gedanken zusammen.
Und so keuchte er dann, als er den Stoff, der so stark nach Cade roch, an sich drückte und schwer nach Luft rang. Die Lust sammelte sich in ihm. Er spürte wie er langsam immer erregter wurde. Lautlos keuchend presste er die Beine enger zusammen; Sein Atem ging immer schneller, als das Kribbeln stärker wurde; Wärme überkam ihn, gefolgt von schwitziger Haut.
Warum gerade jetzt?!
Mehr brachte er nicht zusammen, als in seinem Kopf langsam alles verschwamm.
Und kaum zwei Minuten später stand Cade vor der Tür. Er schluckte. Er hatte noch nie so etwas gerochen. Und er konnte nichts dagegen tun, als an einen nackten Nao zu denken, der sich auf seinem Bett räkelte.
Woher kamen diese Gedanken?
Cade fuhr sich unwlkürlich über das Gesicht. Obwohl er gerade Tabletten genommen hatte, wurde ihm schwindelig. Sein Blick hing am Türgriff.
Er zögerte. Er wusste nicht, was ihn dort drinnen erwartete; doch es kam ganz eindeutig von Nao.
Und wenn es um Nao ging, sagte er sich selbst, durfte er nicht zögern, dem Kleinen zu helfen - oder ihn gar zu retten.
Heute war es wohl seine Aufgabe, sich einmal um Nao zu kümmern
Der Alpha atmete also tief ein und öffnete vorsichtig die Tür.
"Nao?"
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