18. Stalking
You can always trust your inner feelings
'Cause they always tell the truth
Where did it get you, then your analyzing
Just do what feels right for youIf you take life as a crazy gamble
Throw your dice take your chance
You will see it from the different angle
And you too can join the danceMake it real not fantasy
Fantasy
Make it real not fantasy
Fantasy oh yeah
Scorpions - Make It Real
< R O B Y N >
Am Samstagmorgen stand ich früh auf und quetschte mich in meine Sportklamotten.
Eine Runde joggen im Central Park tat mir gut, denn es zerstreute meine Gedanken ein wenig. Allerdings kehrten diese zurück, als ich nach der sportlichen Betätigung unter der Dusche stand.
Niall.
Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.
Leute, die in Riverdale wohnten, besaßen Geld. Zumindest so viel, dass sie ihre Häuser dort unterhalten und sich einiges leisten konnten. Eine neue Gitarre zum Beispiel. Ich hatte extra im Internet nachgeschaut, was neue Akustikgitarren kosteten, die Studenten im ersten Semester verwendeten und kam zu dem Entschluss, dass Niall sich diese eigentlich locker hätte kaufen können.
Auch wenn sein Vater nicht da war und vielleicht auch keinen Unterhalt bezahlte, so war seine Mutter beim Staat angestellt. Das bedeutete in vielen Bereichen Vergünstigungen.
Für das Stipendium musste er nichts zurückbezahlen und da er zuhause wohnte, auch keinen Kredit für Unterkunftszahlungen aufnehmen. Selbst die Tatsache, dass er hin und wieder als Platzanweiser im Yankee Stadion arbeitete, fand ich merkwürdig. Harry hätte das niemals getan und er kam auch aus Riverdale. Lieber schaute er sich das Spiel zuhause vor dem Fernseher an, als sich dort die Beine in den Bauch zu stehen und Leuten ihre Plätze zu zeigen.
Vielleicht sollte ich Niall heute beim Lernen noch ein wenig auf den Zahn fühlen. Ich fand ihn sehr nett und das gemeinsame Pauken machte Spaß. Kani nervte mich ständig wegen einem Foto, aber bisher gab es noch keine Gelegenheit, ihn abzulichten, ohne dass er es merkte.
Ohne Zweifel sah Niall gut aus, aber er bildete sich nichts darauf ein und das machte ihn sehr sympathisch. Nur blieb er in manchen Dingen ein Rätsel für mich. Eines, dass ich unbedingt lösen wollte.
„Robyn, wo bleibst du denn?" Die Stimme meiner Mutter tönte mir entgegen, als ich fix und fertig angekleidet in meinem Schlafzimmer stand. Sie war nach oben gekommen, um zum Aufbruch zu drängen. An ihrem Arm baumelte das neueste Modell einer Louis Vuitton Handtasche und sie trug ein klassisches Kostüm von Coco Chanel.
Sie musterte mich von oben bis unten: „Schatz, warum ziehst du nicht dein neues Kleid von Versace an?"
„Weil ich im Moment auf dem Gucci Trip bin", erwiderte ich gelassen. Das war ich schon seit über einem Jahr, außer ich ging zur Uni. Dort musste man sich nicht auftakeln und das kam mir sehr entgegen.
„Also gut, dann bleibt es bei Gucci."
Meine Mutter warf mir einen Blick zu, der mich zum Seufzen brachte: „Was ist denn jetzt noch?"
„Du hast vergessen, deine Schuhe anzuziehen, Robyn."
„Stimmt."
Schnell eilte ich ins Schlafzimmer zurück, öffnete den Schuhschrank, der bis zur Decke reichte und angelte ein schwarzes Paar von Gucci heraus. Wenn schon, denn schon.
„So sieht es besser aus", kommentierte meine Mutter meine Aufmachung und gemeinsam bestiegen wir den Aufzug.
„Dein Vater wartet bereits mit Raymond im Restaurant."
„Echt? Ich dachte, er holt ihn vom Flughafen ab."
„Das hat Ronald schon getan. Er ist gut durchgekommen", ließ meine Mutter mich wissen.
Anlässlich des Geburtstages meines Vaters kam die Familie zum Mittagessen zusammen, wobei mein Bruder extra aus Nashville anreiste. Dort studierte er auf der Tennessee State University das Bauingenieurwesen, um später in die Firma meines Vaters einzusteigen.
Ich hatte Ray zum letzten Mal kurz zu Anfang seiner Semesterferien gesehen. Er hatte drei Tage zuhause verbracht und reiste anschließend umher. Kanada, die Westküste Amerikas sowie Hawaii hatte er besucht und mir zahlreiche Bilder geschickt.
Sicher würden wir uns viel zu erzählen haben, wobei er dazu mehr beitragen konnte als ich. Mein Leben war nicht aufregend, den täglichen Trott in der Uni kannte er selbst und musikalisch war mein Bruder eine Null.
Während sich die Limousine durch die vollen Straßen New Yorks quälte, blickte ich aus dem Fenster und dachte an Niall. Einiges in seinem Leben passte nicht zusammen und ich war entschlossen, herauszufinden, um was es sich dabei handelte.
Nach vierzig endlosen Minuten parkte der Wagen vor dem Fitzgeralds. Das Restaurant gehörte dem Bruder meines Vaters, der auch eine Hotelkette führte. Arbeiten tat mein Onkel im Restaurant nicht, dafür hatte er seine Angestellten, die den Laden am Laufen hielten.
Die Speisen bewegten sich im gehobenen Segment und das taten auch die Preise. Allerdings brauchten wir als Familie nie etwas zu bezahlen. Es ging immer alles aufs Haus, auch der Champagner, der zu solchen Gelegenheiten wie Geburtstage ausgeschenkt wurde.
Meine Mutter stieg als erste aus dem Wagen und ich lief hinter ihr her. Sebastian, einer der Angestellten, hielt uns die Tür auf: „Willkommen Mrs Fitzgerald, hallo Robyn. Wir haben wie immer den besten Tisch für euch reserviert."
Sebastian ging voran und führte uns zu einem der hinteren Tische, der in einer Nische stand. Das Tolle an diesem Platz waren die großen Fenster, die jedoch nicht zur Straße hinausgingen, sondern zu einem kleinen Garten.
Zuerst begrüßte Ray unsere Mutter, dann wandte er sich mir zu.
„Hey, Robyn! Wie geht es dir, Schwesterherz?"
„Danke, ich kann nicht klagen", erwiderte ich und setzte mich neben ihn. Ray und ich waren nie besonders eng gewesen. Er hatte einfach andere Interessen und ich war die lästige kleine Schwester, wenn seine Schulkameraden früher zum Spielen zu uns nach Hause kamen. Mein Bruder war das komplette Gegenteil von mir. Beliebt, viele Freunde, erfolgreich bei den Mädchen und er würde seinen Abschluss an der Uni ganz sicher mit Auszeichnung bestehen. Ich war nicht neidisch auf ihn, im Gegenteil. Ich gönnte ihm all die Dinge, die ihm nur so zuflogen, hatte mir aber früher gewünscht, er möge mich mehr in sein Leben miteinbeziehen. Heute sah ich das anders. Musik war nicht sein Ding, es sei denn, er feierte wilde Partys. Ich hingegen konnte nichts mit der Baubranche anfangen. Es interessierte mich einfach null.
Kurz blickte ich auf mein Handy und sah, dass Kani mir geschrieben hatte: „Ich warte noch immer auf das Foto."
Meine Antwort erfolgte prompt: „Ich kann dir eins von Ray schicken. Wir sitzen alle im Fitzgeralds."
Schnell ließ ich das Handy wieder in meiner Handtasche verschwinden, denn mein Vater schenkte mir einen leicht vorwurfsvollen Blick. Er konnte es nicht leiden, wenn man beim Essen auf seinem Handy tippte und ich konnte das auch nachvollziehen.
Mein Vater nickte dem Kellner zu, als Zeichen, dass er den Champagner servieren könnte. Wenigstens störte sich hier niemand daran, dass ich noch nicht einundzwanzig war. Meine Eltern erlaubten mir, in ihrer Gegenwart Wein oder Champagner zu trinken und mehr als ein Glas schaffte ich sowieso nicht. Das Zeug stieg einem schnell zu Kopf, vor allem, wenn man es nicht gewöhnt war.
Die Flasche Dom Perignon lag in einem riesigen mit Eis gefüllten Kübel, der auf einem Rollwagen herangekarrt wurde. Kaum hatte der Kellner die Gläser gefüllt, stießen wir an.
„Auf dich, Dad", sprach Ray und ich nippte vorsichtig am Alkohol.
Als ich das Glas abstellte, bemerkte ich im Augenwinkel eine junge Frau, die auf unseren Tisch zukam. Sie war die Vertretung des Managers und ich mochte sie von allen am liebsten.
Zuerst gratulierte sie meinem Vater zum Geburtstag und begrüßte uns dann alle einzeln.
„Robyn, dein Kleid ist toll", sprach sie, als ich an die Reihe kam.
„Danke, Eleanor", erwiderte ich und errötete ein wenig. Wenn Eleanor Komplimente verteilte, meinte sie diese absolut ehrlich.
Eleanor brachte uns die Speisekarten und wir wählten das Essen aus. Wie immer fiel es mir schwer, denn es gab so viele Dinge, die ich im Fitzgeralds gerne aß.
„Ich glaube ich nehme das Steak", meinte ich.
„Im Ernst?" Ray schaute mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Warum nimmst du nicht den Seeteufel? Und als Vorspeise Austern?"
„Ich hatte vorgestern Sushi und vermutlich heute Abend auch", ließ ich ihn wissen. „Ich möchte nicht jeden Tag oder mehrmals am Tag Fisch essen. Aber zieh du dir ruhig den Teufel der Meere rein."
„Robyn, was ist denn das für eine Sprache?", maßregelte mich mein Vater, worauf ich konterte: „Die Einzige, die Ray versteht."
Mein Bruder hatte sie Gabe, den Leuten alles Mögliche aufzuschwatzen, selbst das Essen im Restaurant. Aber da spielte ich nicht mit. Das Schmunzeln meiner Mutter ließ mich wissen, dass sie meine Aussage billigte und ihre Worte waren unterstützend: „Robyn kann selbst entscheiden, was sie essen möchte. So wie ihr beiden auch."
Für mich blieb es bei dem himmlischen Steak, einem Vorspeisensalat und als Nachtisch Crème Brulée. Das Essen zog sich, man reichte noch Kaffee und Gebäck, wobei ich das Gefühl hatte zu platzen.
Als wir das Fitzgeralds verließen, verabschiedeten wir uns von Ray, denn er fuhr direkt zum Flughafen zurück, um wieder nach Nashville zu fliegen.
Gegen vier Uhr nachmittags trafen wir zuhause ein und ich tauschte mein Gucci Kleid gegen eine Gucci Jogginghose und ein passendes T-Shirt. Anschließend holte ich meine Violine und begann darauf zu spielen. Die Musik beruhigte mich und als Niall pünktlich um sechs eintraf, war ich die Ruhe in Person.
Niall hingegen wirkte ein wenig nervös, aber das gab sich, sobald wir tief in die Musikgeschichte eintauchten. Mühelos filterte er die essenziellen Dinge heraus und schrieb sie auf dem Laptop nieder. Ich brauchte immer ein wenig länger, aber Niall war sehr geduldig, was das anging. Er passte sich meinem Tempo an und wir tauschten uns zwischendurch immer aus.
Gegen acht beendeten wir die Paukerei und als ich ihn fragte, was er heute noch machen würde, antwortete er: „Ich treffe mich mit einem Kumpel."
„In Riverdale?"
„Ähm, ja."
Da war es wieder, das kurze Zögern, diese Unsicherheit, die mich stutzig machte. In diesem Augenblick fasste ich einen Entschluss und wartete nur darauf, dass Niall endlich ging.
„Bis Montag, Robyn", verabschiedete er sich und ich wartete, bis er in den Aufzug einstieg und die Türen sich schlossen.
Hastig stürzte ich ins Schlafzimmer, zog meine Sneakers an und schlüpfte in das Oberteil des Jogginganzugs. Anschließend schnappte ich meine Handtasche und lief über die Treppe nach unten. Dabei handelte es sich um Notausgang, denn man besaß einen direkten Zugang zur Feuerleiter im Außenbereich. Diese endete an der Rückseite des Hauses und ich brauchte praktisch nur um die Ecke zu gehen, um an Niall dranzubleiben. Da der Aufzug relativ langsam war, gelang mir dies ohne Probleme.
In sicherer Entfernung verfolgte ich meinen Lernpartner, der gemächlich in Richtung Subway Station lief. Ich sah, wie er sich etwas in die Ohren steckte, vermutlich In Ears, da er gerne Musik hörte.
Niall nahm die Treppe, die zur Subway Linie sechs führte und ich blieb gespannt an ihm dran. An diesem Abend waren viele Menschen unterwegs, sodass ich gut in der Menge untertauchen konnte, falls er sich plötzlich umdrehte. Der Zug fuhr ein und sein Weg führte zum Pelham Bay Park. Von wegen Riverdale, das lag zwar auch im Norden der Bronx, aber nicht neben diesem Park. Ich hatte ihn nämlich gründlich gegoogelt, nachdem Niall mich aufklärte, dass dies der größte Park New Yorks sei.
Mit klopfendem Herzen stand ich in der Subway, ein großer Farbiger gab mir dabei unwissentlich Deckung und ich hatte trotzdem noch gute Sicht auf Niall, wenn ich an dem Hünen vorbeischaute.
Je weiter wir uns von der Upper East Side entfernten, desto deutlicher wurde, dass man in einen ärmeren Stadtteil gelangte. Das Publikum wechselte von immer mehr Farbigen zu immer weniger Weißen. Zum Glück stand der Hüne noch vor mir, sodass meine Deckung erhalten blieb.
Als wir die Station 125. Straße erreichten, wurde mir bewusst, dass ich mich mitten in Harlem befand. Niall stieg noch immer nicht aus, sondern saß mittlerweile und hörte mit geschlossenen Augen Musik. Hoffentlich verpasste er seine Haltestelle nicht.
Meine Hände fühlten sich schwitzig an vor Aufregung, aber auch, weil die Leute mich musterten, als sei ich ein Marsmensch.
An der 138. Straße erhob Niall sich von seinem Sitz und ich machte mich ebenfalls bereit, die Subway zu verlassen. Ich nahm die hinteren Türen des Wagons, er die vorderen. Beim Aussteigen fiel mir auf, dass die Wände der Station mit Grafiti verziert waren und überall komische Gestalten abhingen.
Ich beschleunigte meine Schritte, um an Niall dranzubleiben, aber auch, um mich möglichst schnell von den merkwürdigen Leuten zu entfernen. Auf die Pfiffe reagierte ich nicht und war froh, als ich endlich die Stufen hinter mir gelassen hatte.
Gemächlich schlenderte Niall auf dem Gehsteig und mir wurde bewusst, dass ich mich in der South Bronx befand.
Wohnte Niall etwa hier? Oder besuchte er jemanden? Unbedingt wollte ich das herausfinden und keine zehn Pferde brachten mich jetzt zum Umkehren. Total fixiert auf Niall bemerkte ich nicht, dass jemand hinter mir herging. Sekunden später wurde ich mit einem starken Ruck zur Seite gedrückt und blickte in das Gesicht eines Typen mit Rastalocken.
„Na, Süße, so einsam unterwegs?"
Sie waren zu zweit und ich allein.
„Was hast du denn da in deiner schönen Handtasche versteckt?", fragte der andere, dessen schwarzes Haar fettig am Kopf klebte. Beide trugen zerschlissene Kleidung und ein undefinierbarer Geruch ging von ihnen aus.
„Lass mich los", forderte ich, doch der Typ dachte gar nicht daran, sondern drückte an meinem Oberarm, als sie dieser aus Stahl. Das gab mindestens einen blauen Fleck, sollte ich hier jemals heil herauskommen.
Die Sicht auf Niall war mir versperrt, mein Herz raste und meine Kehle wurde trocken. Was sollte ich nur tun? Selbst wenn ich laut schrie, er würde mich nicht hören, weil diese Scheiß Stöpsel seine Gehörgänge mit Musik volldröhnten.
„Los, rück deine Kohle raus", blaffte mich Rastalocke an und ich begann zu zittern. Ich hatte kein Bargeld dabei, nur Kreditkarten.
„Ich...ich habe keine Kohle."
„Belüge mich bloß nicht, sonst setzt es was."
Fetthaar griff nach meiner Handtasche und das war der Moment, in dem ich laut schrie: „Lasst mich los! Hilfe! Hilft mir denn niemand?!"
In dem Gerangel, das startete, bekam ich nur am Rande mit, wie jemand mich von den Typen wegzog.
„Was fällt euch eigentlich ein? Lasst sie los, verdammt!"
Niall stand direkt neben mir, legte besitzergreifend seinen Arm um meine Schultern, während ich leise keuchte. Himmel, wo kam er denn jetzt her? Und wieso hatte er mich gehört?
„Ach so ist das. Sie ist deine Chicka. Dann sorg das nächste Mal dafür, dass sie nicht hundert Meter hinter dir herläuft", sprach Rastalocke und Niall blaffte zurück: „Das ist immer noch meine Sache, kapiert?"
So böse hatte ich ihn noch nie erlebt, aber ich war in diesem Moment so dankbar, dass ich ihm vermutlich alles versprochen hätte. Niall zog mich fest in seine Arme und als die Typen endlich verschwanden, zischte er leise: „Bist du vollkommen verrückt, abends im Dunkeln mutterseelenallein durch die South Bronx zu marschieren? Du musst echt lebensmüde sein."
Kein Wort kam über meine Lippen, ich war noch immer viel zu geschockt. Wir bogen in eine Straße ein und ich sah, wie Niall einen Schlüsselbund aus der Bauchtasche seines Hoodies herausfummelte. Er zog mich mit sich, zu einem der einfachen Häuser, schloss die Tür auf und drängte mich in den Flur.
„Ach, du bist schon da." Eine ältere, freundlich wirkende Frau beäugte mich neugierig.
„Das ist meine Nan, Nan, das ist Robyn, meine Lernpartnerin."
„Oh, es freut mich sehr, dich endlich einmal kennenzulernen", sprach seine Nan und Niall erwiderte: „Ich habe mit Robyn noch etwas zu besprechen, Nan. Wir gehen in mein Zimmer."
Am Ende des spärlich beleuchteten Ganges stieß Niall die Tür auf und ließ mir den Vortritt. Neugierig schaute ich mich um. Das Zimmer war klein, aber aufgeräumt und sauber. Ein Bett, ein Einbauschrank, ein Schreibtisch mit Stuhl, spartanischer ging es nicht. Aber das war mir egal. Prunk hatte ich zuhause genug. Plötzlich fand ich es aufregend, mitten in der South Bronx zu sein, aber mir fiel gleichzeitig ein, was dies bedeutete.
„Du hast mich angelogen!", warf ich Niall an den Kopf.
„Du hast mich gestalkt!", wehrte er sich und kreuzte demonstrativ die Arme vor seiner Brust.
„Was ist denn nun schlimmer?", erwiderte ich bissig und bekam prompt eine Antwort: „Lügen kann man nicht zur Anzeige bringen, Stalking schon."
Empört schnappte ich nach Luft: „Wieso hast du das getan? Es gab keinen Grund dazu."
Für einen Moment blieb Niall still, schaute mich an, als hätte ich etwas total Unpassendes gesagt und ich nagte nervös an meiner Unterlippe. Und dann ließ er mich wissen, was in ihm vorging.
„Robyn, das hier ist kein Spiel für mich. Die Julliard ist mein Leben und wenn mir das irgendwer versaut, führe ich hier in der South Bronx zukünftig ein Dasein als Krimineller."
Er drehte sich um, ging zum Fenster und stellte dieses auf Kipp.
„Aber...ich versaue dir das doch nicht", wisperte ich leise. „Ich werde niemandem etwas sagen, es kann und wird unser Geheimnis bleiben."
Seine blauen Augen schauten zu mir: „Darum möchte ich dich auch bitten." Mit einer fahrigen Handbewegung fuhr er sich durch das unordentliche Haar und seufzte: „Ich kann verstehen, wenn du nicht mehr mit mir zusammen lernen möchtest. Ich..." Seine Stimme geriet ins Stocken: „Ich habe gleich am ersten Tag erfahren, wie man über Leute denkt, die aus der Bronx kommen."
Angespannt hörte ich zu, wie Niall über das Gespräch am Mittagstisch mit Joe, Griffin und Harry erzählte und spürte blanke Wut in mir hochkommen. Wie konnte man bloß so voreingenommen sein?
Mein Herz blutete, denn ich spürte wie einsam sich Niall an der Julliard vermutlich fühlte. Niemand wusste, wer er wirklich war, ausgenommen Harry. Und nun war ich auch mit im Boot.
Der Kloß in meinem Hals wuchs stetig heran und ich schluckte diesen verzweifelt hinunter. Niall verdiente Gutes. Er verdiente Verständnis und nicht verurteilt zu werden. Niemand war für seine Herkunft verantwortlich.
Langsam trat ich auf ihn zu und als wir so dicht voreinander standen, dass unsere Arme sich fast berührten, verbanden sich unsere Blicke.
Die Worte, die ich sprach, kamen aus meinem tiefsten Herzen, aus meiner inneren Überzeugung und ich hoffte, dass sie bei Niall ankamen.
„Es ist nicht wichtig,woher ein Mensch kommt, sondern wohin er geht."
_____
Uff, ein Kapitel in dem viel passiert ist.
Gewichtige Worte von Robyn am Schluss.
Ob diese wohl bei Niall ankommen?
Sie sind aus zwei unterschiedlichen Welten, und ich hoffe, das wurde in diesem Kapitel nochmal sehr deutlich.
Neugier und Aufgeschlossenheit können viel bewirken. Wird Robyn in Nialls Welt eintauchen können?
Was sagt ihr zu Eleanors Job?
Ich habe es sehr genossen, dieses Kapitel zu schreiben und ich hoffe, dass ging euch beim Lesen genauso.
Danke an all die lieben Leser, die fleißig kommentieren und voten. Schickt mir bitte weiterhin Motivation, das ist so wichtig.
LG, Ambi xxx
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