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Kapitel 20 - Dean

Dean fuhr vom Parkplatz und musste sich in der Dunkelheit erst einmal neu orientieren. Kurz vor Vinton dann tauchte eine neue Baustelle auf, die bei seiner Ankunft sicher noch nicht da gewesen war. Er reihte sich hinter einem roten Toyota ein und versuchte etwas zu erkennen. Ein Bereich war abgesperrt worden, die gelben Lichter eines großen Transporters oder Lasters erhellten flatterndes rot-weißes Band. Dann bemerkte Dean einen Arbeiter, der die Reihe der wartenden Autos entlangging und an die Fenster der Fahrerseite klopfte. Dean stöhnte, stellte den Motor ab und zog seine Handschuhe wieder an. Ohne die Heizung drang die Kälte durch jede Ritze des Autos.

Dean war so beschäftigt damit, sich über die Verzögerung zu ärgern, dass er die Uniform des Mannes, den er für einen Arbeiter gehalten hatte, erst erkannte, als er an Deans Fenster klopfte.

Dean ließ die Scheibe herunter. „Hallo, Officer.“

Der Polizist beugte sich zu Dean hinunter. „Wie du siehst, verzögert sich die Weiterfahrt hier etwas.“

Dean nickte. „Ist was passiert?“

„Ein Unfall. Schon vor Stunden, aber die Fahrzeuge werden jetzt beide abgeschleppt. Es dauert noch etwa zehn Minuten, weil noch Glas aufgesammelt werden muss und Öl ausgelaufen ist.“

Der Polizist klopfte zweimal auf Deans Dach, ging weiter und widmete sich dem nächsten Wartenden.

Ein Unfall also, keine Baustelle. Während Dean wartete und in die Stille in seinem Kopf lauschte, breitete sich Anspannung in ihm aus, aber er hätte nicht direkt sagen können, warum. Und dann traf ihn die Erkenntnis mit der Wucht einer Abrissbirne. Er war aus dem Auto ausgestiegen und auf das Absperrband zugestolpert, ehe er sich überhaupt dazu entschieden hatte.

„Hey, Junge!“, rief ihm jemand nach, aber es drang wie durch eine dicke Schicht Watte an Deans Ohren.

Er musste nicht erst das verbeulte Auto mit dem Kennzeichen aus Missouri sehen oder den Wagen, der es seitlich gerammt hatte. Überall auf dem schwarzen Asphalt lagen herzförmige Kekse herum und inmitten von ihnen etwas leuchtend Blaues, das niemand aufgehoben hatte.

Dean kniete sich hin, seine Knie schlugen auf den harten Boden auf, ohne dass er etwas davon spürte. Es war Wills Mütze.

Will!, brüllte er so laut er konnte. Es nützte nichts, Will konnte ihn nicht hören. Die Verbindung blieb still, der Fluss aus Gefühlen und Empfindungen, der beruhigenderweise immer da gewesen war, war verdorrt.

Will …

„He!“ Da war eine Hand auf einer Schulter. „Steh auf, du kannst nicht hier sein.“

Er ließ sich aufhelfen und sah sich verschwommen demselben Polizisten wie eben gegenüber. Dean murmelte irgendetwas, er wusste selber nicht, was. Sein Blick fiel auf den blauen Wagen, Wills Wagen, der an der Fahrerseite tief eingedellt war. Wo hatten sie Will hingebracht?

Der Polizist versuchte Dean aus der Absperrung hinaus zu lotsen. Auf dem kurzen Weg stürzte Dean einmal, er wusste nicht genau, wieso. Er wurde in seinen Wagen bugsiert, der Polizist blieb bei ihm.

„Kennst du den Fahrer des VW?“

Dean nickte und wieder liefen ihm Tränen über die Wangen. Der Gedanke, den er bekämpft hatte, seit er Wills Mütze auf dem Boden hatte liegen sehen, durchbrach gewaltsam jede Schutzmauer: Will, tot, auf irgendeinem Metalltisch in einem Krankenhaus. Das durfte einfach nicht passiert sein, es durfte nicht passiert sein. Waren sie vom Universum dazu bestimmt, einander zu finden und einander zu lieben aber sich niemals zu begegnen?

Dean klammerte sich an die Mütze wie an eine Rettungsleine. Will hatte vorgehabt, zu kommen. Er hatte ihn nicht im Stich gelassen, wie hatte Dean das nur je von ihm denken können?

„Können Sie –“ Deans Stimme versagte und er musste sich räuspern. „Können Sie mir sagen, was passiert ist?“

Der Polizist beugte sich ein Stück weiter herunter. „Der Fahrer des Volvo ist zu schnell über die Kreuzung gefahren – vermutlich über Rot – und direkt in die Fahrerseite von deinem Freund. Wir waren schnell vor Ort aber den Volvofahrer konnten wir nicht retten.“

Innerhalb der Absperrung wurde der schwarze Volvo gerade auf den Abschleppwagen gezogen. Es dauerte eine Minute, bis Dean bemerkte, dass der Polizist kein Wort über Wills Zustand verloren hatte.

„Und Will?“, fragte er, als er sich endlich dazu überwunden hatte. Wenn er gleich die Antwort hören musste, wusste er nicht, wie er weitermachen sollte. Sich ans Steuer setzen und irgendwohin fahren? Ausgeschlossen, er konnte kaum geradeaus laufen.

„Hör zu.“ Der Polizist senkte die Stimme. „Ich darf darüber eigentlich keine Informationen rausgeben, aber weil heute Valentinstag ist, mache ich eine Ausnahme. William Fleming hat überlebt und ist im Rettungswagen abgeholt worden, das ist alles, was ich weiß.“

Da begann Deans Herz wieder zu schlagen, als hätte es das die letzten paar Minuten nicht getan und wollte die verlorene Zeit aufholen. „Er lebt?“

„Er hat gelebt, als sie ihn abgeholt haben. Mehr weiß ich nicht.“

Das Leben kehrte mit jedem Atemzug in Deans Brust zurück, die Hoffnung suchte sich ihren Weg durch seine Adern wie kochendes Wasser. „Wohin haben sie ihn gebracht?“

Der Polizist richtete sich wieder auf und blickte in Richtung Absperrung. Dean konnte vage erkennen, wie jemand das Band aufrollte.

„Das weiß ich nicht. Das nächste Krankenhaus ist in Cedar Rapids, versuch es mal dort.“ Der Polizist entfernte sich ein paar Schritte, drehte sich dann aber noch mal zu Dean um. „Und viel Glück.“

Dean nickte, ehe er das Fenster wieder hochkurbelte und Motor und Heizung laufen ließ. Mit klammen Fingern suchte er mit seinem Navi nach dem Krankenhaus in Cedar Rapids und ließ eine Route berechnen. Eine halbe Stunde Fahrt. Dean fuhr viel zu schnell, sobald er die Unfallstelle hinter sich gelassen hatte, und brauchte nur zwanzig Minuten, bis er auf den Parkplatz fuhr.

Er rannte den ganzen Weg bis zum Eingang, zwang sich dann zu einem sehr schnellen Gehen und war komplett außer Atem, als er das Infopult erreichte.

„Ich muss zu William Fleming.“

„Einen Moment bitte.“ Die Frau tippte etwas in ihren Computer. „Über einen William Fleming finde ich hier nichts.“ Sie blickte hoch und entdeckte Deans komplette Verzweiflung. „Können Sie mir etwas mehr über ihn sagen?“

„Er hatte einen Autounfall.“ Dean keuchte und musste schlucken. „Man hat mir gesagt, das nächste Krankenhaus ist in Cedar Rapids.“

Die Frau nickte, dass ihre roten Locken wippten. „Cedar Rapids hat noch ein anderes Krankenhaus, das St. Luke’s. Wahrscheinlich ist er dort hingebracht worden.“

„Danke!“, rief Dean und sprintete den Weg zurück zum Auto. Schwer atmend ließ er eine Route zum St. Luke’s Hospital berechnen. Binnen zehn Minuten hatte er es erreicht und das Spiel wiederholte sich. Hier saß ein junger Typ an der Information, der aber eine enorm ruhige Ausstrahlung hatte.

„Keine Panik, ich schau sofort nach. William Fleming…“ Er murmelte den Namen vor sich hin, während er ihn eintippte. „Mhmh, ja, der ist hier.“

„Wo?!“, schrie Dean und entschuldigte sich sofort.

„Sind Sie ein Angehöriger?“, fragte der Typ. „Weil, wenn nicht, darf ich das nicht sagen, tut mir leid.“ Er schaute Dean vielsagend an.

„Ich bin … sein Bruder?“, sagte Dean probehalber und der Typ nickte und schickte Dean in den dritten Stock, wo er im Schwesternzimmer nachfragen sollte. Eine Krankenschwester schaute nach und lotste ihn dann in ein Wartezimmer für Angehörige. Ihr Namensschild wies sie als Mildred aus.

„Dein Bruder wird momentan noch operiert, deswegen kann die Ärztin dir gerade keine Auskunft geben“, erklärte sie. „Eure Eltern sind von der Polizei informiert und bereits auf dem Weg hierher.“

Dean ließ sich auf einen Stuhl fallen, völlig fertig. „Wie sieht es denn aus? Wird er überleben?“

Mildreds Gesicht nahm einen teilnahmsvollen Gesichtsausdruck an. „Das kann man zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht sagen. Ich melde mich bei dir, sobald es Neuigkeiten gibt.“

Dean nickte schwach und ließ Mildred gehen. Er lauschte dem Pochen seines Herzens, aber auch das vertrieb die Stille in seinem Kopf nicht. Also rief er Lemon an.

„WAS?! Ein Unfall? Er hatte einen – wo bist du jetzt?“

„Ich hab im Krankenhaus gelogen, dass ich sein Bruder bin, damit sie mir Auskunft geben“, erklärte Dean kleinlaut. „Und warte auf Neuigkeiten.“

„Welches Krankenhaus?“

Dean stutzte. „Wieso?“

„Ich sitze im Auto, hole jetzt Kyara von ihrem Date und dann kommen wir zu dir“, sagte Lemon, als wäre das vollkommen klar.

„Lemon, das ist Wahnsinn, selbst wenn ihr sofort losfahrt, seid ihr frühestens um, was, zwei Uhr nachts hier?“

Dean hörte, wie Lemon die Freisprechanlage einschaltete und seinen Wagen startete. „Na und?“

„Du brauchst nicht zu kommen, ich – mir geht’s – “

„Wag es nicht, mir zu sagen, dass es dir gut geht!“, unterbrach Lemon ihn laut. „Wir kommen. Ob du willst oder nicht.“

Dean seufzte. „Fahr vorsichtig.“

Lemon davon abzubringen, herzufahren, war ein Ding der Unmöglichkeit, außerdem wollte Dean das auch eigentlich gar nicht. Die Angst saß ihm so tief im Nacken, dass er nicht stillsitzen konnte. Er lief die Wände des quadratischen Raums entlang wie ein Tiger im Käfig, aber es half nichts. Die Ungewissheit nagte an ihm und er schien von Minute zu Minute kleiner zu werden, weniger.

Irgendwann setzte er sich auf den Boden, den Rücken an die Wand gelehnt und schlang die Arme um sich. Wenige Minuten später rief Kyara ihn an.

„Wir sind gerade durch Bloomington“, verkündete sie. „Bist du okay? Trink Kaffee. Hast du Kaffee?“

Dean kniff die Augen zusammen. „Wie seid ihr so schnell nach Bloomington gekommen?“

„Lemon fährt erstens wie ein Irrer, zweitens ist niemand mehr unterwegs.“ Sie machte eine Pause. „Sag, wie geht’s dir?“

Dean schniefte, er konnte es nicht unterdrücken. „Ich weiß nicht, wie ich es überstehen soll, wenn … wenn er – “

„Denk gar nicht daran! Will hat dich monatelang ertragen, jeden Tag, da ist ein Autounfall nichts, was ihn kleinkriegt.“

Er musste schlucken, mehrmals, um überhaupt sprechen zu können. „Danke.“

Sie versuchte ihn abzulenken, erzählte von ihrem Date und davon wie Lemon sich weigerte, anzuhalten und sich Kaffee zu holen, weil das angeblich wertvolle Zeit vergeuden würde.

„Sag Lemon, er soll Kaffee trinken“, unterbrach Dean sie. „Wenn er auch noch einen Unfall hat, überlebe ich das nicht.“

Sie summte mitfühlend und richtete sich an Lemon. „Dean sagt, du sollst Kaffee trinken.“ Schweigen in der Leitung, während Lemon antwortete. „Er sagt, wir fahren noch bis Burnsville, dann kaufen wir Kaffee. Ich ruf dich später noch mal an. Halt durch, ja, Schätzchen?“

Er stimmte zu und ließ kraftlos das Handy sinken, als sie auflegte. Begann wieder durch den Raum zu tigern. Nach jeder zwanzigsten Runde füllte er am Wasserspender in der Ecke einen kleinen Becher und trank ihn. Bald musste er aufs Klo. Unterwegs begegnete ihm Schwester Mildred und lächelte mitfühlend. Er musste fast so schrecklich aussehen, wie er sich fühlte.

Als er vom Klo zurück in sein Wartezimmer-Gefängnis kam, pingte sein Handy.

<Sind durch Burnsville durch, haben Kaffee. Update dich immer mal wieder, lieb dich :***

Normalerweise hätte er gelächelt. Heute nicht. Obwohl er eine Welle der Zuneigung für Kyara spürte, die ihr Valentinstagsdate links liegen ließ, um bei ihm zu sein, brachte er es nicht fertig sich tatsächlich gut deswegen zu fühlen. Er brauchte sich nichts vormachen: Wenn irgendetwas Unvorhergesehenes im OP passierte, würde er sich sehr, sehr lange Zeit nicht gut fühlen. Will war seinetwegen hierhergefahren. Wäre Dean nicht gewesen, würde es Will jetzt gut gehen. Hätte Dean einfach darauf bestanden, Will besuchen zu kommen, ginge es Will jetzt gut. Aber nein, Dean war so angetan gewesen von der Idee, Will an einem romantischen See irgendwo in Iowa zu treffen, dass Will jetzt im Krankenhaus war.

<Sind gerade an Albert Lea vorbei! Halt durch, wir kommen :***

Endlich schaffte es Dean eine Weile still zu sitzen. Ihm fiel auf, dass er immer noch seine Jacke anhatte und er hängte sie über eine Stuhllehne. Besser. Dann setzte er sich und lehnte den Hinterkopf an die Wand. Auf der anderen Seite hing eines dieser typischen Krankenhausbilder, das zwei Kinder auf einer Schaukel zeigte. Glücklich, im Sonnenschein. Er musste an die Rosen denken, die er auf der Schaukel am See zurückgelassen hatte. Jetzt wünschte er sich, er hätte sie mitgenommen.

<Haben gerade die Staatsgrenze überquert, dauert nicht mehr lang bis wir in Clear Lake den Highway wechseln! Bald sind wir da!

Dean musste zwischendurch eingenickt sein, denn er hatte zwei neue Nachrichten von Kyara, als er hochschreckte, weil er glaubte Wills Stimme gehört zu haben. Aber in seinem Kopf war nichts, als er nach ihm rief, nur entsetzliche Stille. Dean rieb sich die Augen und hielt sich sein Handy vors Gesicht.

<Sind in Nashua! Noch anderthalb Stunden, wenn Lemon sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält! Alles wird gut, Schätzchen! :***

<Gerade Waterloo erreicht, weniger als eine Stunde bis zum Krankenhaus!

Deans Kopf schwirrte und seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es inzwischen kurz nach ein Uhr nachts war. Eine Ewigkeit später, die in Wahrheit eine Dreiviertelstunde war, klingelte sein Handy mit Kyaras Klingelton.

„Wir sind auf dem Parkplatz. Wo finden wir dich?“
Dean beschrieb ihr knapp den Weg vom Fahrstuhl im dritten Stock aus bis zu seinem Warteraum und es dauerte nur ein paar Minuten, bis sie die Tür öffnete und sich ihm in die Arme warf. Sie duftete nach blumigem Parfum und war warm und unendlich tröstlich. Dean hielt sich eine ganze Zeit einfach an ihr fest, bis er sich räusperte und sie losließ. Sie wirkte ziemlich erschüttert und ihre Hände zitterten, als sie sie nach Lemon ausstreckte.

„Wir haben dir Kaffee mitgebracht. Und was zu essen.“

Deans Blick fiel auf Lemon. „Danke“, sagte er und meinte damit nicht den Kaffee und das Essen, sondern alles andere. Wer hatte schon solche Freunde?

Erst jetzt fiel Dean auf, dass Kyara und Lemon nicht die einzigen hier waren, unerklärlicherweise war Alessandro bei ihnen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Alessandro ist mein Date“, klärte Kyara ihn auf. „Er wollte mitkommen, also haben wir ihn gelassen.“

„Hey, Kumpel.“ Alessandro umarmte ihn kurz und ungeschickt. „Ich bin sicher, das wird alles wieder.“

Dean mochte Alessandro wirklich gern, aber jetzt hätte er ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, woher er das bitte wissen wollte. Aber natürlich war das unfair, das wusste Dean. Er sagte gar nichts und ließ sich wieder auf einen Stuhl sinken. Lemon drückte ihm einen großen Becher Kaffee in die Hand und setzte sich neben ihn. „Wir haben Muffins und Bagels, genug für die ganze Nacht plus Frühstück. Du solltest echt was essen, Mann.“

„Ich will nichts essen.“ Dean trank einen Schluck. Der heiße Kaffee rann ihm durch die Kehle und es fühlte sich so gut an wie noch nie. Als wäre er innerlich so kalt wie äußerlich und wurde endlich ein bisschen gewärmt. „Wo habt ihr um diese Zeit Kaffee herbekommen?“

„Bei so einem 24-Stunden Tankstellending“, erklärte Kyara und setzte sich ebenfalls. „Also, was ist eigentlich genau passiert?“

Dean trank noch zwei Schlückchen, ehe er sich überwand zu antworten. Er erzählte, wie er zurückgefahren war und dachte, in eine Baustelle geraten zu sein, wie ihm dann die Wahrheit bewusst geworden war.

Lemon war am Ende seiner Schilderung leichenblass. „Was ist mit seinen Eltern?“, fragte er rau. „Müssten die nicht schon längst hier aufgetaucht sein?“

Dean nickte langsam. „Stimmt. Es sei denn –sie waren nicht in St. Louis. Kann ja sein, oder?“

„Was anderes fällt mir auch nicht ein“, meinte Kyara.

Eine neue Sorte Angst mischte sich zu den bereits versammelten. Wills Eltern zum ersten Mal zu treffen hatte er sich anders vorgestellt. Ein Bild blitzte vor seinem inneren Auge auf, wie er mit einem Strauß Rosen auf Wills Türschwelle stand, nervös von einem Bein aufs andere tretend. Wills Mum würde die Tür öffnen und ihn warm anlächeln. So hätte es sein sollen, nicht hier, im Wartezimmer eines Krankenhauses.

Dean wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Niemand hatte seit einer gefühlten Ewigkeit ein Wort gesagt. Kyara war mit dem Kopf auf Alessandros Brust eingeschlafen und er streichelte ihr gedankenverloren übers Haar.

Deans Augen brannten vor Müdigkeit und vom Weinen, aber er konnte sich nicht dazu bringen, sie für länger als einen Wimpernschlag zu schließen.

Lemon räusperte sich und beugte sich vor. „Würdest du es denn nicht merken, wenn er stirbt?“

Beim letzten Wort zuckte Dean zusammen.

„Sorry. Aber – würdest du? Mit dem ganzen Kopfding?“

Dean zuckte gleichzeitig die Achseln und schüttelte den Kopf. „Ich fühle gar nichts mehr. Als wäre er nie da gewesen.“

Lemon machte ein undefinierbares Geräusch und wollte gerade etwas erwidern, als die Tür aufging.

„Oh.“ Eine blonde Frau blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihr armseliges Grüppchen erblickte. Es gab überhaupt keinen Zweifel daran, wer sie war – sie sah genauso aus wie Will, sogar die unfassbar blauen Augen. Hinter ihr stand ein großgewachsener Mann, der völlig übernächtigt wirkte mit den Augenringen und den Bartstoppeln. Und hinter ihm stand Schwester Mildred.

„Ja, Wills Bruder ist schon seit ein paar Stunden hier und wartet auf Sie.“

Wills Mutter drehte sich um und warf den beiden anderen einen Blick zu, ehe sie sich wieder umdrehte. „Will hat keinen Bruder“, sagte sie. „Wer seid ihr?“

Kyara schreckte aus dem Schlaf hoch. „Was ist passiert?“, fragte sie verwirrt, dann bemerkte sie die neuen Besucher. „Ähm. Hallo.“

Dean quälte sich auf die Beine und überwand sich dazu, ein paar Schritte auf Wills Mum zuzugehen und seine Hand auszustrecken. „Ich bin Dean Sawyer, Will und ich wollten uns hier treffen und es tut mir leid, dass ich gelogen habe, aber sonst hätten sie mich nicht reingelassen – “

„Du? Du bist Dean? Der Will das Weihnachtsgeschenk geschickt hat?“ Wills Vater war vorgetreten und sein Blick fiel auf die blaue Mütze in Deans Händen.

„Bitte schicken Sie mich nicht weg“, flehte Dean.

„Nun, der Raum ist nur für Angehörige gedacht“, meldete sich Schwester Mildred zu Wort. Sie klang allerdings sanft, als hätte sie nicht ernsthaft vor, die Regeln durchzusetzen, bei jemandem, der so offenkundig litt.

„Schon gut“, sagte Wills Mum. „Sie können bleiben.“

Seufzend ließ sie sich auf einen Stuhl nahe des Wasserspenders nieder. „Seid ihr Deans Freunde?“

Alessandro, Lemon und Kyara nickten und Kyara gähnte herzhaft. „Wir konnten Dean nicht alleine lassen, er wäre durchgedreht“, meinte sie mit einem liebevollen Blick auf Dean.

Wills Dad holte sich einen Becher Wasser. „Und woher kennt Will und du euch?“, fragte er dann an Dean gerichtet.

„Aus dem Internet“, sagte Dean und gab sich Mühe, es nicht wie eine Frage klingen zu lassen.

„Ah.“ Wills Dad setzte sich neben seine Frau. „Also kennt ihr euch nicht richtig.“

„Das würde ich nicht sagen“, murmelte Lemon verhalten.

„Wie bitte?“

„Ich kenne ihn ziemlich gut, würde ich behaupten“, sprang Dean ein, mit einem warnenden Blick in Lemons Richtung. „Ich weiß, dass er Sie im Schach spielend schlägt, dass er eine GSA gegründet hat. Ich weiß, dass er keine Kunstmuseen mag, kein Fleisch isst, am liebsten Apfeltee trinkt und dass sein Lieblingsgedicht aus zwei Wörtern besteht.“ Tränen sammelten sich in Deans Augen und er wandte das Gesicht ab.

„Man kann sehen, wie viel er dir bedeutet“, sagte Wills Mum und auch ihre Stimme klang brüchig. „Du weißt auch nicht, wie es um ihn steht?“

Die Verzweiflung in der Frage war herzzerreißend, und Dean konnte nur den Kopf schütteln. „Sie operieren“, erklärte er und die Tränen flossen wieder. „Mehr hat man mir nicht gesagt.“
Das Bedürfnis, sich zu entschuldigen, wurde plötzlich übermächtig. Will hatte den Unfall seinetwegen gehabt. Er konnte nicht anders, auch wenn sie ihn rauswerfen würden. „Es – tut mir – leid“, sagte er abgehackt und zitternd. Kyara wechselte von Alessandro zu ihm und gab ihm dringend benötigten Körperkontakt. „Das alles wäre nicht passiert, wenn Will nicht wegen mir hergekommen wäre, ich … es tut mir so leid.“

Andrea Fleming schüttelte den Kopf. „Du bist ihm nicht ins Auto gefahren, weil du nicht aufgepasst hast. Es ist nicht deine Schuld.“

Auch wenn es gut tat, das zu hören, so richtig glauben konnte Dean es nicht. Er ließ sich von Lemon eine Packung Taschentücher zuwerfen und verfiel wieder in Schweigen. Wills Eltern hielten sich an den Händen und tauschten gelegentlich geflüsterte Worte aus, ansonsten blieb es still.

Deans Blick fiel wieder auf das Bild an der Wand und auf den weißen Schmetterling, der auf einer gelben Blume auf der Wiese saß. Vielleicht gibt es doch Todesomen, dachte er bitter und hätte sich im nächsten Moment ohrfeigen mögen. Die Hoffnung jetzt aufzugeben war verlockend. Es wäre einfacher, vom Schlimmsten auszugehen und sich in den schwarzen Ozean fallen zu lassen, der langsam und stetig wie die Flut zu ihm aufschloss. Hoffen war schwerer. Hoffen und dann doch enttäuscht werden, erfahren, dass es nichts genützt hatte, wäre sein Ende.

Aber das war nur fair. Es hatte eine Art schicksalhafter Gerechtigkeit, wenn Wills Ende gleichzeitig sein eigenes wäre.

Will, sagte er, obwohl Will ihn nicht hören konnte, ich vermisse dich so sehr. Deine Eltern sind hier. Du musst zurückkommen, Will. Ich liebe dich zu sehr, um dich einfach gehen zu lassen.

Als Dean gerade darüber nachdachte, ob er doch schlafen sollte, öffnete sich erneut die Tür und eine sehr gestresst wirkende Ärztin betrat das Zimmer. Sie war kurz überrascht, so viele Leute vorzufinden, pickte sich dann aber Wills Eltern heraus und schüttelte ihnen kurz die Hände. „Ich bin Dr. Prescott, ich habe Ihren Sohn operiert.“

Wills Mum setzte sich vorsichtshalber wieder hin.

„Er hatte schwere innere Blutungen und einige Knochenbrüche auf der linken Seite, aber der Airbag hat das Schlimmste abgewendet. Die Operation hat er gut überstanden und er ist im Augenblick stabil, wenn auch noch nicht ansprechbar.“

Einige Sekunden lang herrschte Schweigen, dann redeten Wills Eltern, Dean, Kyara, und Lemon alle durcheinander.

„Wie ist die Prognose?“ „Wird er es schaffen?“ „Wann wacht er wieder auf?“ „Wird es Folgeschäden geben?“ „Können wir ihn sehen?“

Die Ärztin hob beschwichtigend die Hände und strich sich eine verirrte rote Haarsträhne aus der Stirn. „Es sieht bisher gut aus, auch wenn momentan noch eine etwa zwanzigprozentige Chance besteht, dass Will in ein Koma abrutscht statt aufzuwachen. Daran glaube ich allerdings nicht. Er hat einen Oberschenkelbruch auf der linken Seite, wird also eine Zeitlang nicht gehen können und braucht dann möglicherweise Physiotherapie.“

Dean bemerkte, dass er sich in Kyaras Arm verkrallt hatte und lockerte seinen Griff. Ihr schien nichts aufgefallen zu sein, sie hing an den Lippen der Ärztin wie alle anderen auch.

„Können wir ihn sehen?“, fragte Dean erneut.

„Das wäre im Augenblick noch etwas viel, befürchte ich.“

„Nicht wir alle“, beeilte sich Kyara zu erklären. „Nur Dean und Wills Eltern.“

Dazu ließ Dr. Prescott sich breitschlagen und führte die drei durch eine abgesperrte Flügeltür auf die Intensivstation. Sie mussten sich Kittel, Häubchen und Mundschutz anziehen, ehe sie Wills Zimmer betreten durften. Dean biss die Zähne zusammen, als Dr. Prescott die Tür öffnete und er Will in seinem Krankenbett liegen sah. Es bereitete ihm selbst Schmerzen. Das war ihre erste Begegnung? Will war an eine piepsende Maschine angeschlossen, die seine Herzfrequenz maß, er war an der Stirn genäht worden und sein halbes Gesicht war bedeckt von lila-schwarzen Hämatomen. Sein linkes Bein steckte in einer dicken Schaumstoffschiene, aus der ein Schlauch heraus zu einem Beutel führte, der neben einem weiteren Beutel an einem Metallgestell neben dem Bett hing. Mehr war unter der Decke nicht zu erkennen und das war vermutlich gut so.

„Er hatte Glück im Unglück“, sagte Dr. Prescott leise. „Wir konnten die Femurfraktur gut behandeln ohne dass zu viel Knochenmark ins Blut gelangt ist. Es wird also keine Fettembolie auftreten, das ist gut. Morgen oder übermorgen entfernen wir die Wunddrainage und dann fangen wir bald mit der CPM Motorschiene an und röntgen regelmäßig das Bein und die gebrochenen Rippen.“

Sie öffnete die Tür und winkte sie wieder heraus. Dean warf einen letzten langen Blick auf Will und wäre am allerliebsten hier geblieben, bis Will endlich aufwachte. Aber er sah ein, dass das nicht ging.

Am Fahrstuhl verabschiedeten Andrea und James sich, um sich in der Cafeteria Frühstück und Kaffee zu besorgen. Andrea gab Dean ihre Handynummer, damit er sich melden konnte, wenn sich etwas tat. Dean kehrte zu den anderen zurück, die in der Zwischenzeit ebenfalls frischen Kaffee besorgt hatten. Obwohl Will schrecklich aussah, so klein und zerbrechlich mit all den Schläuchen und der piepsenden Maschine, schöpfte Dean Hoffnung.

Er hatte Will gesehen! Und Dr. Prescott meinte, die Chancen stünden gut für ihn. Dean nahm sich also einen Muffin und seinen Kaffeebecher und stellte fest, dass sein Magen es ihm schon beim ersten Bissen dankte. Er wusste gar nicht mehr, wann er zuletzt etwas gegessen hatte.

Zum Glück hatten die anderen genug Essen gekauft, um die ganze Nacht plus den Morgen zu überstehen und niemand hatte die Nacht über etwas angerührt. Dean konnte also guten Gewissens zwei Muffins und einen Frischkäsebagel in sich hineinstopfen.

Draußen ging bereits die Sonne auf und Cedar Rapids erwachte langsam zum Leben. Dean stand gerade am Fenster und beobachtete ein Eichhörnchen auf dem Parkplatz, während er seinen Kaffee austrank, als es passierte.

Dean?

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Nehmt es mir nicht übel, ich musste die beiden (und euch) ein bisschen quälen. Der Weg wahrer Liebe ist niemals leicht.

Außerdem: Soulmate Voices ist auf Rang 7 in der Kategorie Fernbeziehung! Danke an alle, die fleißig gelesen, gevotet, und kommentiert haben, ihr haltet mich am Leben und macht großartige Dinge möglich :)

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