04/
Ich hatte Ally nicht angerufen oder gesprochen doch im Geiste dankte ich ihr, das sie so umsichtig war und einen Bleistiftrock und Bluse eingepackt hatte. Nun sah ich geschäftig aus, ernstzunehmend.
Mr. Porter's klare Worte waren es, die etwas in mir herauf provoziert hatten. Etwas, das nach mehr dürstete, nach Klarheit. Struktur. Ich wollte diesen Job so gut wie irgend möglich machen.
Es gelang mir sogar nicht an Chap zu denken, zumindest bis zu dem Moment als ich ihn mit Anita beim Mittagessen sah. Er wirkte ruhig und etwas abwesend, doch das hatte sie nicht einmal bemerkt, weil sie viel zu sehr von dem Trubel ihrer Person abgelenkt war und die ganze Zeit redete. Als ich mich nähern wollte, hielt mich einer der Security auf, schaute mich grimmig an - was ich, ganz zu meiner Überraschung erwiderte. Ich verwies auf den Ausweis der um meinen Hals baumelte.
Schließlich ließ er mich durch und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. Das hier war wichtig... Wichtiger als alles andere.
/
Ein Exklusiv Interview zu bekommen war als hätte man eine Einladung ins Königshaus und ihre privaten Gemächer erhalten. Aufgeregt aber äußerlich cool begrüßte ich Anita mit einem Händedruck, den ich bei Chap wiederholte. Länger als nötig sah ich ihn an, wie er mich. "Setzen sie sich." bat Anita und wischte sich einen Krümel am Mundwinkel ab. "Unser Zeitplan ist straff."
Ich begann mein Interview sehr professionell, befragte sie zu ihrer Single, ihrem Album und den Zukunftsplänen. Dabei spürte ich, wie Chap mich unentwegt ansah, beobachtete. Ich wusste die Leser würden auch alles über ihn erfahren wollen, ganz zu schweigen von mir, also widmete ich schließlich auch ihm. "Wie haben sie sich kennen gelernt?" fragte ich an beide gerichtet und blickte hin und her. Ich musste mich zu einem kleinen Lächeln zwingen.
Anita ergriff schließlich das Wort. Ihr Blick wurde weich, als würde sie in Erinnerungen schwelgen. "Chap bewarb sich bei meinem Vater. Dadurch sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Zuerst ist er mir gar nicht so ins Auge gestoßen, ehrlich gesagt... Aber mit der Zeit, als ich ihn öfters sah... Fand ich ihn hinreißend. Also bat ich um ein Date."
"Ich hatte gerade eine schwere Phase hinter mir." warf Chap ein. "Ich wollte Veränderung, einen Neuanfang für mein Leben. Im Unternehmen vorstellig zu werden öffnete mir Türen, von denen ich noch nicht einmal geahnt hatte."
Als er von der schweren Phase sprach sah er mich bedeutungsvoll an. Ich war mir sicher er hatte Anita nicht darüber aufgeklärt das er mich kannte und ich wollte diesen Fakt ebenso nicht einräumen. Aber damit begann ein Eiertanz, den ich gerne ausgelassen hätte. Bei den Dingen die er erzählte konnte ich manches mal fühlen, das es mehr mir galt als dem allgemeinen Interview. Es war unangenehm, fast schmerzhaft so zutun als würde all das nicht mich betreffen.
Nachdem ich genügend Stoff für den Artikel hatte, bat ich um ein Foto. Ich wusste das Mr. Porter darauf abzielte und ich war wie besessen seinen Wünschen zu entsprechen... Doch mir fiel etwas auf, das ich nicht einordnen konnte. Während des Fotos sah Anita ihren baldigen Ehemann verträumt an, doch dieser hatte seine Augen auf mich gerichtet. Als wäre er fasziniert und gleichzeitig angewidert bohrten sich seine Augen in meine.
Um das ganze nicht noch unangenehmer zu machen stand ich auf, verabschiedete mich und floh so schnell ich konnte...
/
Schwere Schritte hinter mir jagten eine Gänsehaut über meine Arme. Ich lief schneller, wohlwissend das die Schritte mir galten. "Selena." hörte ich Chap sagen und es klang schön, weil es das schon immer getan hatte. Gleichzeitig bohrte es aber auch einen Dolch der Vergangenheit und Erinnerungen in meine Innereien. Ich blieb nicht stehen, was ihn schlussendlich dazu ermutigte mich einzuholen. Als er nach meiner Hand griff schoss ein Stromschlag meine Wirbelsäule hinauf. "Warte."
Ich weigerte mich ihn anzusehen. Abseits der Interviews und Fotos die ich für meinen Job brauchte wollte ich so wenig wie nötig damit verbringen mich in seinen Augen zu verlieren. Hauptsächlich weil es mich daran erinnerte was passiert war und das er mich - auch wenn ich es teils verstehen konnte - im Stich gelassen hatte um seinen eigenen Weg zu gehen, aber auch weil es sich nicht richtig anfühlte. Trotzdem schüttelte ich seine Hand nicht ab. "Ich will es klären. Damit du weiter machen kannst." murrte er. Diesmal sah ich ihn an. "Ich habe bereits weiter gemacht. So wie du wenn ich mir ansehe wie weit du es gebracht hast." gab ich zurück. Es lag eine gewisse Schärfe in meinen Worten, die nicht wirklich beabsichtigt war.
Chap betrachtete mich, wie er es früher getan hatte. Das verletzte mich, denn früher legte er auch den Kopf etwas schief, mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht... Damals galt es nur mir, doch heute war alles anders. "Nachdem unser Kontakt abgebrochen war hab ich alles daran gesetzt mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Ich wollte nicht länger einen unbedeutenden Job machen. Also ging ich zur Abendschule um den begehrtesten Job des Landes zu bekommen. Und ich hatte Erfolg."
Er sprach mit mir als wäre das ein Interview über seine Person... Nicht, als würde er es einer alten 'Bekannten' erzählen.
"Anita's Vater war sofort von mir angetan, also lud er mich zu allen möglichen Feiern ein. Da kam ich Anita näher. Ihr Vater begrüßte das ganze und machte sogar deutlich das ich ein heißer Kandidat für seine Nachfolge sei."
"Also heiratest du sie nur deswegen?" schoss es aus mir heraus. Im Geiste ohrfeigte ich mich dafür. "Entschuldige, du musst das nicht beantworten. Es geht mich auch nichts an... Nicht mehr."
Endlich gelang es mir Kraft zu schöpfen und seine Hand ab zu schütteln. Ich wollte einfach nur weg und nicht weiter darüber nachdenken was er gesagt hatte. Als Chap nichts mehr erwiderte wandte ich mich zum gehen...
/
Tagelang brütete ich über dem Artikel ohne Unterlass. Die einzigsten Pausen die ich mir gönnte verbrachte ich damit unruhig zu schlafen und das geschmacklose Essen runter zu würgen. Alles hatte an Farbe verloren, obwohl die bunten Blumen und Pflanzen in Fork ein absolutes Paradies waren. Mr. Porter war mein einziger Kontakt nach außen, weil ich Ally immer noch für die Sache die sie getan hatte bestrafen wollte. Mein Chef war zufrieden, auch wenn er eine seltsame Ausdrucksweise an den Tag legte.
Als ich es irgendwann nicht mehr aushielt warf ich mich in meine Sportkleidung, griff nach meinem Handy und verband dieses mit meinen Ear Buds. Ich musste mich bewegen und brauchte dabei die beste Unterstützung die es gab : Musik. Zielstrebig joggte ich entlang den Straßen und engen Gässchen, vorbei an Ständen und Marktschreiern. Fork war schön, doch ich konnte die Landschaft immer noch nicht so richtig genießen. Während also eine meiner Lieblingsbands meine Ohren beschrie, lief ich weiter und weiter, bis meine Lunge brannte.
/
Für einen kleinen Zwischenstopp hielt ich an einem Laden. Ich brauchte Flüssigkeit, um meinen verschwitzten Körper in Gang zu halten. Gierig floss das kühle Wasser meinen Hals hinab, benetzte meinen trockenen Mund.
Neben mir, auf der Straße, hielt ein Wagen. Zuerst hatte ich mir nichts dabei gedacht, bis die Scheiben herab gesenkt wurden und Chap's Gesicht erschien. In einem teuren Anzug und Sonnenbrille auf der Nase sah er wichtig aus - was er auch wusste. "Selena." hauchte er meinen Namen. "Steig ein."
Völlig irritiert starrte ich ihn an. Ich bewegte mich nicht. Die Straße war belebt und ich konnte mir bei Gott nicht vorstellen, daß er auf eine Szene aus war... Also ignorierte ich was er sagte und begann wieder zu laufen. Die Musik in meinen Ohren begrab seine Worte, machte sie geräuschlos. Dann spürte ich eine Hand auf meinem Arm und schoss herum. Er war ausgestiegen, doch der Wagen stand direkt daneben. "Steig ein." wiederholte er nachdem er einen Ear Bud entfernt hatte. Er behielt ihn in der Hand und ich wusste das er sich nicht weiter abwimmeln lassen würde, ganz gleich wie energisch ich mich wehrte.
Ich ging auf den Wagen zu, steuerte die bereits geöffnete Tür an und glitt hinein. Chap war dicht hinter mir. "Was soll dieser Überfall?" maulte ich sobald er saß. Das kleine Fenster zwischen seinem Fahrer und uns fuhr nach oben sodass wir praktisch unter uns waren.
Die Luft war angespannt, ebenso wie ich selbst. "Chap! Antworte oder ich steige aus."
Statt zu antworten tat er etwas ganz anderes. Er rutschte dicht an mich heran und küsste mich.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro