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"Du weißt ich liebe dich und ich würde alles für dich tun. Jederzeit. Aber ich kann nicht länger hier warten und zusehen wie die Zeit davon läuft, die wir sinnvoller nutzen könnten, Selena."
Chaps Stimme über das Telefon brach weg, als würde er an sich halten und seine nächsten Worte gut wählen. "Ich... Ich will endlich nicht mehr alleine sein. Und entweder du raffst dich endlich auf, oder aber..."
"Oder?" fragte ich nach. Ich wusste bereits was er sagen wollte, doch ich musste es hören. Ich musste es hören damit es wahr wurde. Sein seufzen brach die Stille in der Leitung. "Ich kann nicht länger auf dich warten. Wenn du dasselbe willst wie ich dann musst du dafür etwas tun."
Das Gespräch wurde beendet.
Mit leerem Blick und Gedanken voller Zweifel und Selbsthass blickte ich den Bildschirm an, wo noch kurz vorher sein Foto abgebildet war. Er hatte recht. Es konnte nicht so weitergehen... Und gerade weil ich enorm viel für ihn empfand ließ ich ihn gehen, denn ich wollte das er glücklich war - konnte es ihm aber selbst nicht geben. Ich konnte aufgrund meiner Ängste nicht dafür sorgen das die Sonne jeden Tag für ihn aufging. Ich wollte es, aber es ging nicht.
So endete alles.
{ Wie ich an diesen Punkt gelangt war, fragst du dich?
Ich hatte bereits in frühen Jahren gemerkt das ich anders war. Was manchen leid tat, bereitete mir bereits Schmerzen. Seelische Schmerzen, die ich nicht abfedern konnte. Es zog sich bis ins Erwachsenen Alter und irgendwann hatte ich es akzeptiert und aufgehört dagegen anzukämpfen. Es gab keinen Grund mehr, mich zu wehren.
Ich dachte über alles zuviel nach, machte mir Sorgen die nicht nötig waren, geriet dank meiner Angstzustände und Depressionen immer weiter ins Abseits des alltäglichen Lebens, sodass ich am Ende niemanden mehr hatte, der für mich da war.
Dann kam Chap.
Ich lernte ihn online kennen und wir redeten nächtelang. Ich hatte das Bedürfnis ihm zu sagen was mit mir los war und - auch wenn ich es bis heute nicht verstand - nahm er mich, wie ich war. Er hatte keine Probleme mit dem 'Knacks', den ich mit mir rum schleppte. Aus anfänglichen nächtlichen Chats wurde mehr, denn ich fand irgendwo zwischen all den Zweifeln den Mut mit ihm zu telefonieren. Ich hatte sogar an einem Tag ein solches Hoch, das wir ohne Probleme per Videochat aktiv waren. Er gab mir das Gefühl alles überwinden zu können. Doch der tiefe Fall kam, wie es bei einer Manie üblich war.
Der Aufprall war so hart das es mich zurück warf. All die Fortschritte die wir gemacht hatten waren mit einem mal wie ausgelöscht - und ich war es, die sich wieder zurück zog.
Jede Frage nach einem Treffen, gemeinsam Zeit zu verbringen... Ich blockte es ab. Nicht, weil ich ihn nicht sehen und um mich herum haben wollte, nein. Es war weil ich nicht konnte. Meine Angst hatte mich fest im Griff.
So vergingen Jahre in denen wir zueinander hielten, ohne je von Angesicht zu Angesicht gesprochen zu haben. Ich wusste oftmals was er dachte, konnte aber nicht zufriedenstellend für ihn agieren. Es fühlte sich an, als würde ich alles falsch machen sobald ich es versuchte.
Das wars. Unspektakulär, ich weiß... }
Es war geschehen. Endgültig.
Chap hatte seine Bedürfnisse klar kommuniziert und meine Stimme hatte wieder versagt. Dieser Punkt war unwiderruflich, das Ergebnis unumgänglich. Es war an der Zeit zu akzeptieren das ich einen Menschen verloren hatte, weil ich zuviel Angst davor gehabt hatte zu leben und frei zu sein. Doch genau dieser Moment war auch der Zeitpunkt an dem ich - zwar mit Tränen in den Augen, einem schmerzhaftem Herzen - aufstand, weil sich etwas ändern musste. Es war Zeit, den Monstern in meinem Kopf die Herrschaft zu entreißen.
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Zwei Jahre später...
Nach erfolgreicher Therapie ging es mir wesentlich besser. Ich hatte die Angst im Griff, ebenso wie die Depressionen. Als absolutes Highlight konnte ich sogar einen Erfolg verbuchen, der mir einen deutlich positiven Schub gab ;
Ich hatte einen sehr guten Job bei einer renommierten Agentur ergattert und konnte das tun, was ich liebte... Schreiben. Meist über etwas weniger interessante Dinge, doch das änderte sich heute.
Beim Meeting mit unserem Chef, Mr. Porter, saß ich dicht neben Ally, einer guten Freundin. Es ging in diesem Meeting um die Vergabe des Lake Artikels. Der oder diejenige, die diesen Artikel schreiben durfte bekam zwei Wochen bezahlten Urlaub im Luxusressort, in dem Anita Lake - eine berühmte Sängerin - residierte und ihre Hochzeit feiern wollte. Natürlich wollten alle Magazine Infos aus erster Hand und so war es für mich nicht verwunderlich, daß Mr. Porter ebenfalls auf diesen Zug aufsprang.
Ich hatte vieles dafür getan für diesen Job in Frage zu kommen. Allem voran allerdings, das ich jeden wirklich noch so kleinen Botengang für den Chef erledigte. Es ging sogar soweit das ich mich um seine privaten Dinge kümmerte, wie zum Beispiel seine Hemden von der Reinigung zu holen oder die Aufgaben seiner Assistentin zu erledigen, die er kurz zuvor abgesägt hatte. Ich wollte diesen Artikel so unbedingt, um jeden Preis.
Und am Ende stellte sich heraus... All meine Mühen waren nicht umsonst. Mr. Porter hielt keine lange Rede, erklärte seine Begründung nicht sondern sah mich direkt an. "Selena." bellte er autoritär wie immer, "Du hast den Lake Job. Vermassel es nicht. Denk dran das wir für die Auflagen exklusive Fotos und Interviews benötigen. Vielleicht schaffst du es sogar den ominösen Mann an Lake's Seite zu erwischen, bevor die Trauung offiziell wird. Ich zähle auf dich. Dein Flug geht heute Abend und wenn du angekommen bist bereite dich vor."
Das wars. Das Meeting war vorbei und alle erhoben sich. Einige waren zerknirscht den Job nicht bekommen zu haben, andere spritzten Gift des Neids... Aber nichts davon konnte mich abhalten in Ally's Arme zu springen und mich gemeinsam mit ihr zu freuen. Es war eine Chance, ein Anker.
Und ich war gewillt diese Chance zu nutzen.
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