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Kapitel 29: Sol

Irgendwann zwischen Hailees Erzählungen über Moms und Dads Wunsch, wir sollten uns doch langsam einen Partner suchen und ihrer darauffolgenden Triade, dass sie niemals wieder irgendeinen Volltrottel an ihre Seite lassen würde, war ich eingedöst. Als ich wieder aufwachte, war ich allein mit Atlas.

Dieser saß nun neben mir auf dem hölzernen Klappstuhl und strich gedankenverloren mit dem Daumen über meinen Handrücken. Seine Hand war eiskalt und doch spürte ich, wie winzige, hauchzarte Blitze elektrisierend auf meine Haut übergingen.

Ich zog meine Stirn in Falten, als mir seine eingefallenen Wangen und die stark hervorstechenden Wangenknochen auffielen. Der lange schwarze Mantel hing ihm locker über die schmalen Schultern. Er wirkte, als würde er in sich zusammenfallen. Beinahe als würde etwas das letzte bisschen Leben aus ihm heraussaugen.

Plötzlich hob er seinen Blick. Helles Silber, umrahmt von dichten Wimpern, starrte mich aus zusammengekniffenen Augen besorgt an. Die dunklen Ringe unter seinen Augen zeichneten einen Kampf, von dem ich nicht wusste, dass er ihn täglich führte. Ich konnte nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, wie es war, sein Leben zu führen. Mit welchem Schmerz er umgehen und wie sehr ihn seine Aufgabe belasten musste.

Doch er machte einfach weiter, weil es das war, wozu er von Athanasios bestimmt war.

,,Du bist wach'', stellte er tonlos fest.

Die Angst in mir stieg. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen und die feinen Härchen in meinem Nacken stellten sich kerzengerade auf. Ich wollte ihn fragen, warum er nach diesen Wochen so abgeschlagen aussah und sichergehen, dass es ihm gut ging, doch kein Laut kam über meine Lippen. Vielleicht, weil ich insgeheim schon wusste, dass irgendetwas mit ihm passierte, dass ich nicht aufhalten konnte.

,,Wo sind Hailee und Dante?'', fragte ich stattdessen kleinlaut und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Ich wusste, dass ich Atlas nicht mit meinen tausend Fragen, die mir im Kopf schwebten, bombardieren konnte. Er würde mir keine davon beantworten. Und doch wurde ich nicht das nagende Gefühl in meinem Herzen los, das mich daran erinnerte, dass mir die Zeit davonlief.

Obwohl ich mich nicht mehr fühlte, als würde der Tod vor meiner Tür stehen. Sondern eher, als würde das Leben mich langsam zurückziehen und mir neue Energie einhauchen.

,,Nachdem du eingeschlafen bist, wollte Hailee los, um dir aus deiner Wohnung noch ein paar Klamotten zu holen. Dante ließ sich natürlich nicht davon abbringen, sie zu begleiten. Sehr zum Missfallen deiner Schwester.''

Seine Mundwinkel hoben sich und ein zartes Lächeln schmückte sein abgekämpftes Gesicht. Ihn auf diese Weise zu sehen, erfüllte mich mit Wärme und ein tiefer Wunsch, ihn noch länger so befreit zu sehen, schlich sich in mein Herz.

,,Er passt auf sie auf. Nur weiß sie das noch nicht'', erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln und drückte mich noch tiefer in die harten Kissen.

Atlas' Mundwinkel verrutschten, als er bemerkte, wie ich mich unbewusst vor ihm zurückzog. Es gab noch so vieles, was unausgesprochen zwischen uns stand und die Distanz zwischen uns mit jeder verstrichenen Minute vergrößerte.

An seinem angespannten Kiefermuskeln erkannte ich, wie sehr ihn meine Aussage getroffen haben musste. Denn während Dante wahrscheinlich Hailee nicht von der Seite weichen würde, war er damals gegangen. Es sollte keine Anklage an ihm sein, und doch musste er sie auf sich bezogen haben.

Langsam legte ich meine Finger um seine zur Faust geballte Hand.

,,So habe ich das nicht gemeint'', flüsterte ich mit sanfter Stimme, um den Sturm in seinem Inneren zu bändigen. Doch als seine grauen Augen sich in mich bohrten, wusste ich, dass der Orkan nicht mehr aufzuhalten war.

,,Du hast recht'', zischte er aus zusammengebissenen Zähnen. ,,Er würde sie nie freiwillig verlassen. Nicht so wie ich dich.''

Ein tiefer Schmerz legte sich schattenhaft über seine Augen. In mir zog sich alles zusammen.

,,Du hast mich nie ganz verlassen. Ich habe es immer gespürt, wenn du in der Nähe warst. Nur so konnte ich...'' Überleben. Doch ich beendete den Satz nicht. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an die Zeit, als ich mich fühlte, als würde die Verdammnis mich in seinen Höllenschlund ziehen und mir qualvoll das Leben aus mir heraussaugen. Nur wenn er in der Nähe gewesen war, hatte ich mich für einen kurzen Augenblick besser gefühlt. Als wäre er das Leben, das mich vor dem Tod bewahrte.

,,Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen'', sagte er mit fester Stimme, die seinen Selbsthass widerspiegelte. ,,Wenn jemand anderes dein Seelenpartner gewesen wäre, hätte er dich niemals ohne Erklärung zurückgelassen und dich diesen Schmerzen ausgesetzt. Er hätte niemals auf Athanasios gehört und stattdessen weiter nach einer anderen Lösung gesucht. Doch leider hast du das Pech, mich als deinen Seelenpartner zu haben. Alles, was ich berühre, zerfällt zu Staub.'' Die Bitterkeit war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören.

Sein Blick verhakte sich mit meinem. Ich presste meine Lippen fest aufeinander, um die Tränen zurückzuhalten und schüttelte den Kopf. Seine Worte versetzten mir einen weiteren Stich. Nicht weil er recht hatte, sondern weil ich erkannte, dass er von seiner Aussage überzeugt war.

Deshalb legte ich meine Hand an seine Wange und strich sanft über seine kalte Haut. Meine Finger begannen zu vibrieren, als würden winzige Funken zwischen unseren Membranen hin- und herspringen.

,,Ich habe jeden Tag daran geglaubt, das du zu mir zurückkommst. Bis zum Schluss.''

Atlas verzog sein Gesicht, als hätte er körperliche Schmerzen. Doch ich sah die Reue, die seit diesem verregneten Abend in seinen Augen schlummerte.

,,Ich hätte niemals gehen dürfen'', wisperte er mit rauer Stimme und legte sein Gesicht in meine Hand, als suchte er Trost in meiner Berührung. Meine Seele explodierte förmlich, während Amy sich aufgrund des Energiestoßes, der mich plötzlich erfasste, zurück in den hintersten Schatten meines Gehirns verzog. Als würde das Licht, das Atlas ausstrahlte, sie erblinden lassen.

,,Du bist zurückgekommen. Das ist alles, was zählt.''

Plötzlich löste sich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Der Knoten in meinem Magen zog sich dabei schmerzhaft zusammen.

Herr, du weinst, hörte ich Horus in meinen Gedanken sagen. Der Rabe schien darüber erschüttert zu sein. Sofort stieß er sich vom Fenstersims ab und flog quer durchs Zimmer, ehe er direkt auf Atlas' Schulter landete. Vorsichtig pickte er mit dem Schnabel in seine linke Wange und fing die Träne auf, die langsam über seine Haut gerollt war. Mit seinem weichen, pechschwarzen Gefieder kroch er in Atlas' Halsbeuge, an der ursprünglich sein Rabentattoo prangte.

Doch mit Erschrecken musste ich feststellen, dass die Flügel des Vogels fast vollständig verblasst waren. Mir blieb die Luft weg, als ich meine Finger ganz langsam zu meinem Hals führte. Auch wenn ich die schwarzen Linien nicht sehen konnte, spürte ich, dass sie da waren. Denn wenn ich über sie strich, durchfuhr mich das warme, prickelnde Gefühl, dass nur eine Person in mir auslösen konnte.

Als sich daraufhin unsere Blicke begegneten, wusste ich es. Panik und Angst durchströmten mich gleichermaßen, als seine Augen langsam zu meinem Hals wanderten.

,,Atlas'', meine Stimme war anklagend und ich rutschte ein Stück von ihm weg. ,,Was ist seit dem Moment, als du dich in der Nacht von mir verabschiedet hast, passiert? Irgendetwas hat sich verändert. Ich kann es spüren.''

Der Knoten in meinem Bauch pulsierte und verstärkte die Angst, die schon die ganze Zeit in meinen Venen pumpte. Sofort versteifte sich sein Körper, ehe er ldas Gesicht aus meiner Hand löste. Seine Kiefermuskeln spannten sich an und er presste den Kiefer fest zusammen.

,,Ich weiß nicht, wovon du redest'', presste er mühsam hervor, während er meinem Blick auswich. ,,Ich bin meiner Aufgabe nachgegangen.''

Er lügt!, mischte sich Amy ein. Ganz langsam trat das Biest zurück aus ihrem Schatten, bereit, alles niederzuringen, was ihr im Weg stand.

,,Das ist aber nicht alles'', sagte ich mit vibrierender Stimme und deutete auf die Markierungen auf meinem Hals. Atlas schluckte.

,,Warum verschwindet deine Verbindung zu Horus und taucht plötzlich auf meiner Haut auf? Weshalb kann ich deinen Gefährten in meinen Gedanken hören? Und warum sehe ich bei manchen Menschen schwarze Wirbel zwischen ihren Augen?'', fragte ich mit einer Spur Panik in der Stimme. Ganz langsam kroch die Angst meine Kehle hinauf und erschwerte mir das Atmen.

Seine Gesichtszüge verhärteten sich.

,,Du musst dir darüber keine Sorgen machen. Das ist alles, was du darüber wissen musst'', antwortete er zähneknirschend.

Das ist doch jetzt nicht sein verdammter Ernst, oder? Lässt du dich so von ihm abspeisen? Du hast jedes Recht zu erfahren, warum sich dein Körper verändert!, stieß Amy wutentbrannt hervor.

Seltsamerweise war ich mit diesem Ding einer Meinung. Ich stieß mich von den Kissen ab und bohrte meinen Finger in seine Brust.

,,Jetzt hör mal zu. Du kannst nicht einfach sagen, ich solle mir keine Sorgen machen, wenn plötzlich ein Tattoo auf meiner Haut erscheint und ich eindeutig Horus' Stimme in meinem Kopf höre, obwohl seine Worte nicht an mich gerichtet sind!''

Doch Atlas ließ sich nicht beirren. Dieser elende Sturkopf.

,,Es schadet dir nicht. Reicht das nicht als Antwort?'', sagte er mit fester Stimme, die erahnen ließ, wie verzweifelt er versuchte, die Wahrheit vor mir zu verbergen.

,,Nicht, wenn es dir schadet!'', rief ich in meiner blinden Wut. Plötzlich packte er meine Hand und drückte sie fest zu. Perplex starrte ich in seine vor Schock geweiteten Augen.

,,Was redest du da? Mir geht es gut!'', stieß er schwer atmend hervor.

Er lügt. Schon wieder, sprach Amy das aus, was ich schon die ganze Zeit dachte.

,,Hör auf mich anzulügen, verdammt! Ich sehe doch, wie schlecht es dir geht!'', schrie ich nun und kämpfte gegen seinen festen Griff an. Doch er ließ mich nicht los. Tränen brannten mir in den Augen.

Sofort erweichten sich seine Gesichtszüge und ein Ausdruck von Schmerz trat in seine Iriden. Er zögerte, ehe er sprach. ,,Das Tattoo...es zeigt nur, dass unsere Seelen sich miteinander verbinden. Es...es ist natürlich, dass das passiert. Da wir Seelengefährten sind, fangen wir an, alles miteinander zu teilen. Deshalb beginnst du auch, eine Verbindung zu Horus aufzubauen. Deshalb musst du dir keine Sorgen machen. Mir passiert nichts.'' Der letzte Satz war kaum mehr als ein Flüstern.

Amy tobte in mir und hämmerte gegen meine empfindlichen Wände. Sie glaubte ihm kein Wort, doch wann hatte ich schon mal auf sie gehört? Ich wollte seinen Worten vertrauen, auch wenn ein Gefühl in mir sagte, dass er nicht die komplette Wahrheit sagte. Aber ich merkte, wie aufgebracht er war und wie viel Kraft ihm dieses Gespräch kostete, weshalb ich mich dazu entschied, nicht weiter nachzuhaken.

,,Ist gut'', flüsterte ich, ehe ich mich zögerlich vorlehnte und mein Gesicht an seiner Brust vergrub. Vorsichtig legte ich die Arme an seinen Rücken, der sich unter meiner Berührung langsam entspannte. ,,Ich vertraue dir'', murmelte ich, obwohl das dumpfe Pochen in mir mich warnte, diesem Gefühl nicht nachzugeben.

Er erwiderte daraufhin nichts, sondern zog mich noch fester an seinen Körper, der für mich irgendwann zum Zuhause geworden war, ohne dass ich es aufhalten konnte. Er war meine Luft zum Atmen. Deshalb klammerte ich mich an ihn, aus Angst, ich könnte ersticken, wenn er sich plötzlich in meinen Händen auflöste und zu Staub zerfiel.

Denn was er nicht wusste, war, dass nicht er derjenige war, der alles zu Staub zerfielen ließ, wenn er es berührte, sondern ich.

Und mit diesem Gedanken im Kopf entfernte ich mich langsam von ihm und starrte für einen kurzen Moment in seine silbernen Augen, die mich voller Wärme anstrahlten, ehe ich mich zu ihm lehnte und seinen weichen Mund mit meinen aufgerissenen Lippen verschloss. Als ich ihn dieses Mal küsste, war es anders als das erste Mal im Schmetterlingshaus. Während damals meine Seele förmlich explodierte, spürte ich nun eine tiefe Sehnsucht, die mich immer mehr zu meinem Seelenpartner zog. Ein Schluchzen bildete sich in meiner Kehle, als er mein Gesicht mit seinen Fingern umfasste und mich noch näher an ihn presste. Erst vorsichtig bewegten sich unsere Lippen aufeinander, doch die Sehnsucht nach mehr keimte mit jedem verstrichenen Augenblick in mir auf. Es war nicht genug.

Mein Griff um seinen Rücken wurde fester, als ich meine Finger in seine angespannten Muskeln drückte. Seine Lippen wurden drängender und als seine Zunge mit meiner verschmolz, konnte ich spüren, wie sich unsere Seelen miteinander verbanden und zum ersten Mal seit Jahrtausenden Jahren eins wurden.

Auch wenn Athanasios alles darangesetzt hatte, zu verhindern, dass wir uns begegneten, hatte das Schicksal uns zusammengeführt. Und auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick war, würde ich alles halten, was er mir gab, und machte es zu meinem Schatz, sodass ich nur einen Teil von ihm verlor, wenn der Moment verstrich und ich zu Staub zerfiel.

Denn obwohl unser Ende schon längst feststand, versuchte ich alles, um die Zeit aufzuhalten.

Fast panisch klammerte ich mich an seine Wärme fest, aus Angst, Athanasios würde mich bald zu sich holen und nichts von mir zurücklassen, außer der Erinnerung, die mich mit dieser Welt verband. Und während sich Atlas' weiche Lippen liebkosend auf meinem Mund bewegten, spürte ich, wie mir der dünne Faden, der mich noch in der Welt der Lebenden hielt, langsam entglitt.

Dennoch lächelte ich, als ich realisierte, dass ausgerechnet der Tod mich verzweifelt am Leben hielt. Denn ohne den Sensenmann wäre ich schon längst zu Asche zerfallen.

Vorsichtig löste er sich von mir. Immer wieder huschte sein Blick zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her. Auch bei ihm breitete sich ein Lächeln aus, das mein Herz erwärmte.

,,Das habe ich vermisst'', raunte er mir zu und stahl sich einen weiteren langen Kuss von mir. Alles in mir erstrahlte und ich spürte, wie mir die Wärme ins Gesicht stieg.

,,Ich auch'', wisperte ich und lehnte meine Stirn an seine, ehe ich die Augen schloss, um den Moment festzuhalten, obwohl ich wusste, dass er mir entrinnen würde, wie alles andere auch.

Er fuhr mir durch die Haare und atmete die Luft ein, die ich ausstieß. Und so verharrten wir einige Augenblicke, ehe er die Stille unterbrach.

,,Ich habe nie gewusst, wie ich mit mir selbst Frieden schließen sollte, weil ich der bin, zu dem Athanasios mich gemacht hat. Seit ich als Sensenmann auf dieser Erde wandle, habe ich mich gefragt, wie ich aus diesem Körper ein zu Hause machen soll. Doch die Wahrheit ist, dass dieser Körper der letzte Platz war, in dem ich die meisten Tage sein wollte. Bis zu dem Moment, als du deinen Kopf an ihn legen wolltest. Diese Hände fühlten sich niemals wie meine eigenen an, bis du sie das erste Mal berührt hast und meine Lippen waren nie bereit sich zu öffnen, ehe du sie geküsst hast. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass dieser Körper immer zu dir gehört hat. Als hätte er nur darauf gewartet, dass du kommst und ihn komplett machst und mich vervollständigst.''

Seine Worte trieben mir die Tränen, die ich die ganze Zeit krampfhaft versucht hatte zurückzuhalten, aus den Augen, ehe sie über meine Wangen kullerten.

,,Es ist nicht fair'', wisperte ich mit zittriger Stimme, ehe ich die bebenden Lippen aufeinanderpresste.

Noch immer hielt ich die Augen geschlossen, als ich plötzlich eine Berührung an meiner Wange spürte. Ich schmiegte mich in seine Berührung, die trotz der Kälte seiner Hand ein Gefühl von Wärme und Glück in mir auslöste.

,,Ich werde so lange bei dir bleiben, wie ich kann'', flüsterte er mit tiefer Stimme.

,,Ich weiß'', wisperte ich erstickt und legte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Sanft schloss er seine Arme um mich und drückte mich an ihn. Meine Tränen benetzten seine Haut, die unter unserer Berührung zu glühen begonnen hatte.

,,Weißt du'', sagte ich nach einiger Zeit, während mein Kopf noch immer auf seiner Schulter ruhte. ,,Als ich dir das erste Mal begegnet war, hatte ich das Gefühl, dich schon einmal irgendwo getroffen zu haben. Ein Teil von mir hatte dich schon immer gekannt und sich nach dir gesehnt. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber du hast etwas tief in mir berührt. Alles, was ich weiß, ist, dass du zu einer Zeit in mein Leben getreten bist, in der ich nicht nach dir gesucht habe. Gerade in dem Moment als mein Leben auseinanderbrach, warst du plötzlich da und hast mich aufgefangen. Auch wenn du es selbst nicht sehen kannst, steckt mehr Leben in dir als Tod. Ich kann spüren, wie stark deine Seele ist und wie sehr sie dich lebendig macht.'' Dabei lege ich sanft meine Hand auf seine Brust, unter der ich ein dumpfes Pochen vernahm. Es war schwach, aber es war da.

,,Athanasios hat sich damals in dir geirrt. Denn auch seine Schatten können nach all den Jahren nicht das Licht in dir vertreiben, dass du mir nun schenkst.''

Sein Gesicht wirkte nachdenklich. Er hatte die Augenbrauen leicht zusammengezogen, sodass zwischen seinen Augen eine kleine Falte entstand. Gedankenverloren strich er mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr.

,,Du hast recht. Vielleicht war es nie meine Bestimmung gewesen, die Seelen der Menschen in die Zwischenwelt zu führen. Vielleicht war ich nur so lange am Leben, um letztlich dir zu begegnen. Und allein dafür bin ich dem Gott der Schattenwelt dankbar. Denn ohne ihn und seinen Bruder hätte ich dich niemals getroffen.''

Na klar, jetzt lob den alten Dreckssack auch noch und lass außer Acht, dass er uns den Tod an den Hals wünscht. Selbstverständlich..., stöhnte Amy sarkastisch.

Ein lautes Grummeln von draußen ließ mich leicht zusammenzucken. Dicke, dunkelblaue Wolken türmten sich übereinander und verdeckten schlagartig das Sonnenlicht, das noch vor wenigen Minuten das Zimmer erhellt hatte. Plötzlich wirkte der Raum kleiner und dunkler, fast einengend.

,,Da ist Athanasios wohl anderer Meinung'', murmelte ich, ohne meinen Blick von der schwarzen Wolkenwand abzuwenden.

,,Irgendwann wird er es verstehen. Tief im Inneren ist er gut, er kann es nur nicht zeigen. Jeder folgt seiner eigenen Bestimmung und seine Aufgabe ist es, das Gleichgewicht zu behalten. Im Endeffekt beschützt nur jeder von uns das, was er am meisten auf der Welt liebt.''

Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass Athanasios etwas beschützen konnte. Ob er auch jemanden an seiner Seite hatte, für den er alles aufs Spiel setzte?

,,Wen beschützt er?'', fragte ich leise und starrte die dunklen Wolken an.

Atlas spante sich unter meiner Frage an.

Plötzlich schoss ein greller Blitz über den Himmel, gefolgt von einem tiefen Donner, der sich in meinen Ohren wie Gebrüll anhörte. Der Gott der Schattenwelt wollte nicht, dass wir über ihn sprachen.

,,Die Seele, die niemals den Platz an seiner Seite einnehmen wird. Grace hat sich geopfert, um die Welt im Gleichgewicht zu halten. Nur wegen ihr existieren wir und ohne sie sind wir verloren. Vielleicht kann er es deshalb nicht ertragen, wenn sich zwei Seelen finden, weil er ihren Schmerz spürt, wenn sie wieder getrennt werden.''

Zum ersten Mal fühlte ich mich mit dem Gott der Schattenwelt verbunden. Ich spürte seinen tiefen Schmerz, der sich nun in dem schweren Gewitter am Abendhimmel niederschlug. Der Regen prasselte in Strömen auf die Erde und trommelte anklagend gegen die dicken Fensterscheiben. Allein die Vorstellung, wie viele Jahrtausende er nun schon seine zweite Hälfte vermisste, zerriss mir das Herz. Wenn er all das tat, um sie zu beschützen, dann verstand ich ihn.

Wer war ich, dass ich mich aufgrund meines eigenen Egoismus zwischen sie drängte und versuchte, meinen Tod aufzuhalten, obwohl mein jämmerlicher Versuch, einer anderen Person nur schadete?

,,Sie muss ihm sehr fehlen'', flüsterte ich traurig.

,,Er hat nie darüber gesprochen, doch wir Schatten spüren seinen Schmerz. Denn sein Schmerz ist ihrer, wenn die Welt aus dem Gleichgewicht gerät.''

Ich wollte noch mehr über Athanasios und Grace erfahren, doch ich hatte das Gefühl, dass Atlas mir schon wieder mehr erzählt hatte, als er eigentlich sollte. Doch es half mir, Athanasios in einem anderen Licht zu sehen.

Deshalb wandte ich meinen Blick ab und schaute zu Horus, der sich gerade das Federgewand putzte. Plötzlich schoss sein Kopf zur Seite. Sein Auge wurde milchig weiß. So wie er ins Leere starrte, wirkte es als wäre er in diesem Augenblick an einem anderen Ort. Ein lautes, markerschütterndes Krächzen erfasste den Raum.

Es ist an der Zeit, Herr, hörte ich den Vogel in meinen Gedanken. Die Seele wartet auf uns.

Ich wusste, dass diese Worte nicht für mich bestimmt waren und doch hallten sich in meiner Brust wieder. Atlas schien über seine Verbindung mit Horus etwas zu antworten. Dabei presste er seinen Kiefer fest aufeinander.

Doch es war wieder Horus' Antwort, die klar und deutlich in meinem Verstand zu hören war. Mach dir keine Sorgen. Es wird ihr nichts passieren. Wir dürfen diese Seele nicht warten lassen, du weißt, was dann mit ihr geschieht.

Atlas' Griff verstärkte sich um meine Hand, während er mir einen langen Blick zuwarf.

,,Geh ruhig. Ich komme schon klar'', sagte ich mit fester Stimme, obwohl ich schon jetzt die Leere in mir spürte, die meinen Körper vollständig einnehmen würde, wenn er verschwand.

Schweren Herzens löste er sich von mir und stand von seinem Platz auf.

,,Ich werde gleich zurück sein'', sagte er mit tiefer Stimme. Ich nickte und lächelte ihm zu, als Horus auf seiner Schulter landete und sie gemeinsam im Nebel verschwanden.

Und plötzlich war alles ruhig.

Ehe wenige Augenblicke später die Höllenpforten geöffnet wurden und der Teufel höchstpersönlich meine Seele holen kam...

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