7
Loreena
Skeptisch zupfe ich an der Zora-Kleidung, die wie eine zweite Haut an meinem Körper klebt.
»Gefällt es dir nicht?«, höre ich plötzlich Sidons Stimme.
Der Prinz schwimmt bereits im Wasser. Schmunzelnd betrachte ich den Zora dabei, wie er sich scheinbar schwerelos im Wasser bewegt. Bei ihm sieht das so einfach aus.
»Nein, nein, natürlich gefällt sie mir! Es ist nur... Sie klebt ziemlich dicht an meiner Haut und das ist ungewohnt.«
»Du gewöhnst dich schon noch dran. Wenn du im Wasser bist, wirst du vergessen, dass sie da ist. Schwimmen ist eigentlich ganz einfach. Lass es dir zeigen! Also komm!« Während Sidon herumplanscht, winkt er mich herbei. »Spring rein!«
»Aber...« Missmutig blicke ich ins Wasser. »Wenn ich untergehe...«
»Das wirst du nicht. Ich bin ja da. Ich pass auf dich auf!«, beruhigt mich Sidon und grinst mich aufmunternd an.
Keinen blassen Schimmer warum, aber bei ihm fühle ich mich sicher. Ich vertraue ihm. Also nicke ich ihm lächelnd zu und bewege mich vorwärts. Vorsichtig steige ich in das Wasser hinein. Sidon schwimmt auf mich zu und fängt mich auf.
Sofort laufe ich rot an, als ich mich in seinen Armen befinde, ganz dicht an seinem Körper. Instinktiv stütze ich mich an seiner Brust ab. Dabei bemerke ich, wie ausgeprägt sich seine Muskeln anfühlen.
»So! Und jetzt versuch dich zu bewegen. Nicht vergessen! Ich bin immer da. Dir kann gar nichts passieren«, weist mich mein neuer Schwimmlehrer an.
Sidon lässt mich los. Unbeholfen rudere ich mit den Armen, versuche mich irgendwie über Wasser zu halten und vorwärts zu kommen. Der Versuch scheint offenbar ziemlich lustig auszusehen, denn Sidon fängt augenblicklich zu prusten an.
»Aber so doch nicht! Vielleicht hilft es ja, wenn du zu anfangs wie ein Frosch schwimmst.«
»Hä? Wie ein Frosch? Nimm's mir nicht übel Sidon, aber willst du mich auf den Arm nehmen?« Meine Stimme nimmt den leichten Hauch von Panik an, als ich anfange Wasser zu schlucken, da ich es kaum fertigbekomme, meinen Kopf über der Oberfläche zu halten.
»Aber nicht doch! Ich will nur, dass du irgendwie vorwärtskommst und nicht untergehst. Also... Zieh mal abwechselnd die Beine und Arme an.«
So höre ich auf, wie wild herumzurudern und versuche mich an dem Rat des Zora-Prinzen. Allerdings treibe ich dieses Mal so gut wie regungslos im Wasser umher. Frustriert stoße ich die Luft aus. Doch da ich den Kopf halb unter Wasser halte, entstehen dadurch nur Blubberblasen.
»Aber so schwimmt doch kein Frosch!«, lacht Sidon.
Ich hebe den Kopf aus dem Wasser und schaue den Zora mit halbheruntergezogenen Lidern an. »Vielleicht sollte ich den Prinz darüber informieren, dass in Eldin keine Frösche leben, sondern nur Löschechsen. Woher soll ich denn bitteschön wissen, wie ein Frosch schwimmt!?!«
»Oh, entschuldige, Loreena! Das wusste es nicht. Also mal sehen...« Sidon setzt eine nachdenkliche Miene auf und blickt zum Himmel hoch. »Wenn es nicht so funktioniert, dann machen wir es eben anders. Was hältst du davon, wenn du dich eine Weile von mir tragen lässt und mir zusiehst, vielleicht klappt es ja dann.«
»W-wie meinst du das?«, stammle ich etwas überfordert und schaue den Zora mit geweiteten Augen an. »Soll ich etwa auf deinem Rücken reiten?«
Sidon lacht äußerst vergnügt und wirft mir einen komischen Blick zu. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen der Prinz flirtet mit mir. »Klar, lass mich dein Seepferd sein!«
Zwar habe ich keine Ahnung, was ein Seepferd ist, aber die Art wie er es sagt, bringt mich schon zum Lachen.
Als ich mich jedoch nicht vom Fleck bewege, nimmt mich Sidon einfach in die Arme und trägt mich zum Ufer zurück. Dort lässt er mich auf einen Stein klettern. Aufrecht stellt er sich vor mich hin und zeigt mit einem breiten Grinsen auf seinen Rücken.
»Komm! Nimm Platz!«, fordert er mich gutgelaunt auf.
»Du hast es also ernst gemeint...« Unsicher schiele ich auf seinen Rücken und schlucke.
Sidon geht etwas in die Hocke, damit ich es leichter habe. Er dreht sich zu mir um und strahlt mal wieder über das ganze Gesicht.
Wow, ich habe noch nie jemanden gesehen, der so eine anhaltende gute Laune hat, wie er! Er zeigt mir gegenüber viel Geduld, obwohl ich mich grauenhaft anstelle.
»Na klar, hab ich das! Komm schon, das wird bestimmt ganz viel Spaß machen!«, versucht mich Sidon zu ermutigen.
Zaghaft nicke ich. Es gibt keinen Grund es nicht zu tun. Auf Sidons Rücken bin ich bestimmt sicher. Vielleicht lerne ich so wirklich besser schwimmen. Bestimmt bekomme ich auf diese Weise ein besseres Gefühl für das Wasser. Also hopse ich auf seinen Rücken, um gleich darauf meine Arme um den großen Zora zu schlingen. Kaum spürt er mich, legt sich Sidon ins Wasser. Es macht Platsch und wir beide landen im Nass. Wasser spitzt mir ins Gesicht. Ich huste. Sidon höre ich allerdings nur lachen.
Ihm scheint das alles ganz schön viel Spaß zu machen. Offenbar amüsiere ich den Prinzen sehr. Irgendwie ist mir das unangenehm, sogar schon fast peinlich. Aber mit beeindruckenden Schwimmkünsten werde ich nicht glänzen, das muss ich eben einsehen. Es sollte mir Trost genug sein, dass der Prinz sich überhaupt Zeit für mich nimmt und mir das Schwimmen beibringt. Bestimmt hätte er im Moment wirklich wichtigere Dinge zu tun. Wobei ich mich gerade frage, warum Sidon sich überhaupt dazu bereit erklärt hat, mein Schwimmlehrer zu werden. Wenn ich richtig verstanden, soll er ja nur auf mich aufpassen, während ich gezwungener Weise hier eine Weile verbleibe, bis die Überschwemmungen sich gelegt haben. Im Grunde hätte er ja jeden anderen diese Aufgabe zuweisen können. Vielleicht ist ihm auch nur nach ein wenig Abwechslung. Das Leben als Zora-Prinz muss bestimmt langweilig sein.
Erschrocken keuche ich auf, als Sidon plötzlich einfach losschwimmt. Abrupt kralle ich mich an ihm fest und schlage die Augen zu. Doch dann bemerke ich, dass der Zora mir zu Liebe ein gemächliches Tempo einschlägt. Er hat sein Gesicht mir zugedreht und schaut mich belustigt an.
»Hey! Du brauchst keine Angst zu haben.« Sidon klingt wie immer äußerst freundlich. »Ich bin auch ganz vorsichtig. Siehst du?«
Langsam gleitet er durch das Wasser. Erleichtert stoße ich die Luft aus und sehe ihm dabei zu, wie er schwimmt. Sidon bewegt sich dabei, wie ein Fisch. Dann stockt er mit einem Mal und zieht plötzlich Arme und Beine an, zeigt mir, wie ich mich im Wasser bewegen soll.
»Schau! Das ist die Hylianer-Art. So musst du schwimmen!«, meint er zu mir und demonstriert mir es wieder.
Interessiert lege ich den Kopf schief. »Ahhhh! Und so schwimmt ein Frosch?«
»Genau! Arme und Beine anziehen und wieder abstoßen. Ist ganz einfach! Willst du es auch versuchen?«
Aus meiner Kehle kommt ein verunsicherter Laut. Wir haben uns schon etwas vom Ufer entfernt, auch wenn Sidon in meiner Nähe ist, so ist mir das nicht ganz geheuer.
»Äh, darf ich dir noch eine Weile zusehen? Außerdem ist auf deinem Rücken sehr bequem.«
»Haha! Wenn das so ist...« Vergnügt wendet der Prinz mir sein Gesicht zu. »Dann solltest du noch ein wenig sitzen bleiben.«
Überrascht quieke ich auf, als Sidon beginnt, schneller zu schwimmen. Lachend zieht er durch das Wasser. Die Tropfen spritzen mir ins Gesicht und erfrischen mich. Auf Sidon durch den See zu gleiten, macht mir plötzlich unheimlich viel Spaß. Ich habe überhaupt keine Angst mehr.
Gezielt steuert der Prinz eine Gruppe aus kleinen Inseln an, die im See treiben. Als wir uns in dessen Nähe befinden, lässt er mich absteigen und es selbst versuchen. Verbissen versuche ich, Sidon nachzumachen, die Beine und Arme anzuziehen, wie er vorhin, doch so recht will es noch nicht klappen. Dem Anschein nach scheine ich auch viel zu viel Energie in mein Vorhaben zu stecken, denn plötzlich geht mir die Kraft aus. Erneut schlucke ich Wasser. Angewidert huste ich und fange wieder an, unkontrolliert mit den Gliedern zu strampeln. Doch da sind plötzlich Sidons Arme, die mich festhalten und mich an sich ziehen.
»Ist schon gut... Du wirst immer besser« meint er zu mir und schaut mich dabei lächelnd an. »Aber mach mal eine kurze Pause, nicht dass dir noch die Puste ausgeht.«
Irgendwie fühlt es sich so an, als würde mich der Zora umarmen, hier im Wasser. Auf mich wirkt es angenehm, auch wenn meine Haut plötzlich zu kochen scheint. Und dieses Lächeln von ihm, es ist so aufrichtig und liebevoll.
Plötzlich verschwindet jedoch das Lächeln auf Sidons Gesicht und er starrt mir gebannt in die Augen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zurück zu starren und mich von seinem sonnengelben Blick gefangen nehmen zu lassen. Seine Pupillen gleichen einem Schlitz, wie die einer Schlange, aber ich empfinde ihn überhaupt nicht als gefährlich, nein, dieser Zora könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Er ist ein lebenslustiger Sonnenschein, das schätze ich sehr an ihm.
Sidons Blick wird immer eindringlicher. Er scheint regelrecht jeden Zentimeter meines Gesichts zu analysieren. Obwohl mir dieser intensive Blick leicht unangenehm ist, lasse ich es geschehen. Vorhin hat er mir schließlich offen gestanden, dass er mich faszinierend findet, was mir ziemlich geschmeichelt hat. Er hat zwar zuvor schon einige Hylianer gesehen, doch ich scheine da wohl anders zu sein. Und er war der erste Zora, den ich je zu Gesicht bekommen habe. Allerdings habe ich bereits festgestellt, dass er ein Prachtexemplar von einem Zora ist. Er ist groß, stark und so ausgelassen.
Überrascht zucke ich zusammen, als ich mit einem Mal seine Finger in meinem Gesicht spüre, die behutsam über meine Wange bis hinunter zu meinen Hals gleiten. Das Herz bleibt mir plötzlich stehen. Ich habe vergessen, wie man atmet. Ungewollt beiße ich mir auf die Unterlippe und bedenke Sidon mit einem unsicheren Blick. Was macht er da? Und warum gefällt mir das so?
Abrupt verharren seinen Finger bei meinem Hals. Forsch dirigiert er meinen Kopf zur Seite, damit er die Stelle besser betrachten kann.
Mein Herz rast unaufhaltsam in meiner Brust. Es ist ungefähr mit dem Gefühl gleichzustellen, wenn ich Angst habe, aber eigentlich fürchte ich mich gar nicht. Allerdings bin ich aufgeregt, sehr, sehr aufgeregt.
»Äh, Sidon... Was machst du denn da?«
»Hmmmm...« brummt er nachdenklich, während er unentwegt auf meinen Hals starrt. »Warum lassen sich deine Kiemen nicht blicken?«
»Was für Kiemen?« Irritiert blinzle ich den Zora an, verrenke mir dabei fast den Hals.
»Letztens im Fluss, als ich dich gefunden habe, da habe ich deine Kiemen gesehen.« Mit der Hand rubbelt er über meine Haut, erhofft sich damit, irgendetwas zum Vorschein zu bringen, aber es bleibt alles so, wie es ist.
»Aber Sidon, ich habe doch keine Kiemen«, schnaube ich belustigt, weil ich denke, der Zora will nur mal wieder einen Witz machen.
»Doch hast du!« Vorsichtig reißt er mein Gesicht herum und setzt seine Forschungsmission an mir auf der anderen Seite meines Halses fort. »Du scheinst es selbst nicht zu wissen. Du hast ja gar keine Ahnung, was für Kräfte in dir stecken.«
Nun wird mir dieses Abtasten und der forsche Blick von ihm zu blöd. Ich drücke seine Hand von mir weg und schaue ihn streng an. »Ich bin kein Fisch, Sidon!«
»Das ist mir schon klar, aber Kiemen hast du trotzdem, hier irgendwo. Die Seele meiner Mutter hat dir diese Kraft gegeben. Da bin ich mir sicher«, beharrt er stur.
Geräuschvoll atme ich die Luft aus. Diese Zora stellen wilde Theorien auf, auf die selbst die Goronen nach zwei Jahrzehnten nicht gekommen sind. Warum soll ausgerechnet ich eine Seelenbändigerin sein? Klar, es klingt ziemlich närrisch, aber diese Vermutung würde durchaus Sinn ergeben, schließlich bin ich in der Lage Bawos Kräfte zu nutzen. Trotzdem wirkt dieser Gedanke immer nur etwas befremdlich auf mich. Außerdem habe ich Sidons Mutter im Gegensatz zu Bawos Geist nie gesehen.
»Wenn ich Kiemen hätte, wäre mir das wohl aufgefallen«, widerspreche ich dem Prinzen nach einer Weile des Schweigens.
»Merkwürdig... Aber es muss einen Grund geben, warum sie erschienen sind. Vielleicht sind deine versteckten Kräfte ja so eine Art Schutzmechanismus.«
Mit dieser Annahme hat er wohl auch nicht ganz Unrecht denke ich. Schließlich kann ich Bawos Fähigkeiten auch nur heraufbeschwören, wenn ich wütend bin.
»Wenn ich wütend bin, kann ich die Erde bewegen«, gebe ich zu. »Aber Sidon ich sage es dir nochmal, Kiemen habe ich keine.«
»Du kannst die Erde bewegen? Warum weiß ich davon noch nichts?« Erschrocken lehnt sich Sidon etwas zurück und beäugt mich mit erstauntem Blick. Doch nachdem er den ersten Schock überwunden hat, beginnen seine gelben Augen zu leuchten, wie die eines kleinen, aufgeregten Welpen. »Beeindruckend!«
»Warum ist das so wichtig?« In seinen Armen zucke ich mit Achseln.
Zwar vertraue ich dem Prinzen, doch das heißt noch lange nicht, dass er alles über mich wissen muss. Ich bin nicht dazu verpflichtet, ihm meine Lebensgeschichte zu erzählen.
Breit grinst mich der Zora an. »Das macht dich besonders.«
Schon wieder bringt mich dieser Fischmann mit seinem reizenden Blick in Verlegenheit. Meine Wangen werden ganz warm und meine Haut beginnt zu kribbeln. Dieses Gefühl ist irgendwie unangenehm.
»Naja... Ist nun auch egal.« Zaghaft entwinde ich mich aus seinem fesselnden Blick und blicke auf den See hinaus. »Hilfst du mir wieder beim Schwimmen?«
Der Zora-See gleicht einer märchenhaften Kulisse. Das Wasser ist so klar, wie ein Glaskristall. Die Luft ist erfüllt von wohlschmeckenden Düften und die Seerosen verzücken jedes Auge mit ihrem wundersamen Formen und Farben. Doch gerade in diesem spüre ich leichte Tropfen auf meiner Haut. Mein Blick wandert nach oben in Richtung Wolken. Vorhin hat es doch tatsächlich kurz zu regnen aufgehört. Wie schön wäre der See erst, wenn sich die Sonne blicken ließe? Hoffentlich bekomme ich die zauberhafte Landschaft mal im Sonnenschein zu Gesicht.
»Willst du dich nicht noch ein bisschen ausruhen?« Erstaunt funkelt mich der Zora an.
»Nein, ich habe wieder Kraft«, gebe ich ihm zu verstehen.
»Gut«, sagt Sidon und grinst wieder breit. »Dann zeig mir mal, was du schon kannst.«
Sidon und ich üben noch den ganzen Nachmittag trotz des leichten Regens. Schon bald mache ich Fortschritte. Irgendwann weise ich den Zora an, sich schon ein wenig von mir zu entfernen und mir einfach zusehen. Also lässt er mich einfach machen. Obwohl mein Schwimmstil nach wie vor etwas abgehakt und mühsam wirkt, gelingt es mir trotzdem, mich endlich ohne fremde Hilfe im Wasser fortzubewegen.
Ich höre, wie Sidon mich anfeuert. »Ich glaube an dich, Loreena! Gut machst du das!«
Seine Worte motivieren mich. Mit einem verwegenen Grinsen auf den Lippen schwimme ich weiter.
»Du musst nur noch etwas ruhiger werden, sonst geht dir gleich wieder die Kraft aus«, weist mich Sidon hin.
So gehe ich seinem Rat nach und bewege mich bedächtiger.
»Schon viel besser!«, lobt mich Sidon.
Nun versuche ich sogar, allein zu den Inseln rüber zu schwimmen. Achtsam schwimmt Sidon neben mir her, lässt mich nicht aus den Augen. Am Ufer einer der Inseln setze ich mich nieder und mache eine Verschnaufpause. Keuchend sehe ich Sidon dabei zu, wie er heranschwimmt und sich zu mir setzt.
»Klappt ja schon ganz gut!«, meint er und reckt den Daumen nach oben.
»Danke! Das liegt aber nur daran, weil du so ein guter Lehrer bist.« Stolz strahle ich Sidon an.
Verlegen kratzt er sich an seiner Kopfflosse. »So gut bin ich auch wieder nicht. Eigentlich liegt es an dir, du bist ziemlich ehrgeizig und zäh. Das muss man dir lassen.«
So sitzen wir beide auf der Insel und lächeln uns gegenseitig an.
Eine Weile verbringen ich und Sidon in Schweigen. Ich sehe zum See hinaus, während der Zora mit seiner Kopfflosse spielt. Irgendwann treffen sich jedoch unsere Blicke wieder. Der Zora kann es einfach nicht lassen, mich anzusehen.
Diese eine Frage geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Warum ist er hier bei mir? Warum spielt er meinen Schwimmlehrer? Sidon schuldet mir eine Antwort.
»Sidon?«
»Ja?« Ruckartig dreht er mir sein Gesicht zu.
»Warum bringst eigentlich du mir das Schwimmen bei und nicht irgendeiner deiner Soldaten?«, will ich von ihm wissen.
»Wieso?« Frech grinst Sidon mich an, während seine Kopfflosse taktvoll von links nach rechts schwingt. »Bist du denn nicht zufrieden mit mir?«
»Doch, doch!« Kaum merklich zucke ich zusammen, da mich seine verwegene Art irritiert. »Aber du bist schließlich ein Prinz, also...«
»Vater hat gesagt, ich soll dich betreuen und das mache ich auch.« Dann hält er einen kurzen Moment inne. Er langt sich mit der rechten Hand an das Kinn und schielt bemessend zu mir herüber. »Außerdem wollte ich mich mit dir anfreunden.«
Seine Ehrlichkeit treibt mir wieder einmal die Röte ins Gesicht. Sidon scheint keinerlei Probleme damit zu haben, das zu sagen, was er sich denkt. Vielleicht sollte ich seinem Bespiel folgen.
»Oh! Ich denke, das hast du schon«, gebe ich zu.
»So schnell?« Überrascht funkelt mich der großgewachsene Zora an.
»Tja, ich sehe keinen Grund, warum wir keine Freunde sein sollen«, entgegne ich ihm aufgeschlossen. »Außerdem hast du mich gerettet. Danke nochmal dafür!«
»Gern geschehen!« Sidon zeigt mir seine makellosen Reißzähne, als er mich glanzvoll anlächelt. »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist. Die Goronen wären bestimmt sauer gewesen, wäre dir etwas zugestoßen. Bestimmt müssen sie dich ziemlich gernhaben.«
Warum sagt er bloß so nette Sachen zu mir? Das macht mich irgendwie ganz nervös und anderer seits auch glücklich. Ob er auch zu anderen so lieb ist oder nur zu mir?
»Ach ja? Was macht dich da so sicher?«, will ich von ihm wissen.
»Weil du etwas Besonderes bist«, antwortet er mir unverzüglich und zieht seinen rechten Arm an. »Die Art, wie du mit anderen umgehst, dein freundliches Wesen, dich kann man nur mögen. Bestimmt bist du bei allen ziemlich beliebt.«
»Äh... Naja bis jetzt hat sich noch niemand über mich beschwert.« Unauffällig spiele ich mit einer meiner Haarsträhnen, während ich mein rotes Gesicht von dem Prinzen abwende.
»Außerdem... Wie du dich bewegst und die Körperspannung... Kein Hylianer, den ich zuvor zu Gesicht bekommen habe, ist so wie du. Du wirst uns auf alle Fälle helfen können.«
Diese Worte bringen mich dann jedoch wieder in die Realität zurück.
»Was das betrifft, da solltest du nicht so viel Hoffnung in mich hineinstecken«, erwidere ich ihm ernüchtert.
»Warum denn? Sei doch nicht so bescheiden!« Sidon vollzieht eine wegwerfende Handbewegung und zwinkert mir aufmunternd zu. »Ich weiß, dass mehr in dir steckt, als du denkst.«
Obwohl mich der Zora-Prinz kaum kennt, scheint er von mir echt überzeugt zu sein. Derweil bin ich bestimmt nicht, was er sich vorstellt.
»Das, was du vorhin gesagt hast, dass ich eine Seelenbändigerin bin und dass ich die Seele deine Mutter in mir trage. Zugegeben, das macht mir irgendwie Angst«, schneide ich das Thema, war mir tief in der Seele brennt, an.
»Es ist völlig in Ordnung Angst zu haben, das macht dich menschlich.« Mein Körper reagiert augenblicklich, indem ich zittere, als Sidon eine Hand auf meine Schulter legt. »Aber du musst dich nicht fürchten, ich unterstütze dich.«
Skeptisch schaue ich Sidons Hand auf meiner Schulter an. Langsam dämmert es mir, warum Sidon so ein reifes Interesse an mir zeigt. Für ihn gelte ich wohl als Lösung all seiner Probleme. Außerdem meint er wohl, ich könne ihn wieder mit seiner verstorbenen Mutter zusammenbringen. Hach, wie sehr ich ihm dieses Wiedersehen auch gönne, ich bezweifle stark, dass dies funktionieren wird.
»Ich denke nicht, dass du mir sonderlich dabei helfen kannst.« Ich ziehe die Beine an und schlinge meine Arme um sie, während ich traurig meine Knie betrachte.
»Meine Schwester weiß zwar mehr über Seelenbändiger, aber...«
»Die Goronen wussten nie etwas über meine Kräfte. Warum ausgerechnet ihr Zora?«, stelle ich ihm die äußerst berechtigte Frage.
Sidon zieht seine Hand von mir zurück und antwortet: »Mipha hat die heiligen Schriften studiert.«
So wird das nichts. Er klammert sich ja regelrecht an der Trugerscheinung, dass ich alles wieder ins Lot bringen werde. Vielleicht hilft es ja, wenn ich ihm die Wahrheit vor Augen führe.
»Ich habe gemerkt, dass du ziemlich ehrlich bist«, fange ich zögerlich an. »Bleibst du das auch, wenn ich dich frage, ob du dir durch mich erhoffst, mit deiner verstorbenen Mutter zu reden?«
Zunächst starrt Sidon mich einfach nur an. Er scheint, das was ich gesagt habe, erst einmal zu verdauen. Anschließend nimmt er seinen Blick von mir und zuckt mit den Achseln. »Also... Ja, eigentlich erhoffe ich mir das schon.«
Ein weiches Lächeln entsteht auf meinen Lippen. Womöglich hat es ja etwas gebracht, jetzt, wo er sich die Wahrheit eingestanden hat.
»Sei nicht enttäuscht, wenn es nicht funktioniert.« Meine Stimme klingt sanft und aufmunternd. »Wie bereits erwähnt hatte ich bisher nur zu Bawo Kontakt. Über dieses Seelenreich, wie du sagst, habe ich keinerlei Kontrolle. Bawo nimmt schließlich mit mir Kontakt auf.«
»Nun, wir haben alle viel zu lernen.« Sidon sieht mich nicht an, als er das vor sich hinmurmelt.
»Ich bin 24 Jahre alt, Sidon«, bemerke ich unter einem Auflachen. »Findest du es nicht merkwürdig, dass ich so gut wie gar nichts über meine Kräfte weiß?«
»Mipha war 56, als sie ihre Heilkräfte richtig nutzen konnte.«
Verwirrt funkle ich Sidon an. Einen Moment bin ich davon überzeugt, mich verhört zu haben.
»56?«, rufe ich ungläubig. »Wie alt ist Mipha denn?«
»30 Jahre jünger als ich. Sie ist 145.«
Seine Antwort bringt mich völlig aus dem Konzept. Mein Mund öffnet sich bis zum Anschlag. Doch sofort mache ich ihn wieder zu, als ich das Regenwasser zu schmecken bekomme.
»Dann bist du 115? Aber du siehst so... jung aus?« Fassungslos mustere ich Sidon von oben bis unten.
Kopfschüttelnd lacht Sidon über meine fassungslose Gestalt. »Du musst wissen, wir Zora werden weitaus älter, als ihr Hylianer. Der älteste Zora, der uns bekannt ist, ist fast 500 Jahre alt geworden«, klärt mich der Zora auf.
»Und ich habe gedacht, du bist jünger als ich«, gestehe ich ihm kleinlaut.
»Umgerechnet in Hylianer-Jahren bin ich das auch«, erwidert er mir mit lauter, fröhlicher Stimme. »Vermutlich wäre ich nicht einmal volljährig.«
»Hm...«
Auf mich wirkt er mit seinen 115 Jahren kein bisschen unerfahren. Zwar besitzt er einen äußerst unbekümmerten Charakter, aber dennoch finde ich nicht, dass er sich wie ein unreifer Jüngling verhält.
»Der Regen wird stärker.« Sidon hat seine flache Hand ausgetreckt und sieht den Regentropfen dabei zu, wie sie auf seine Schuppen prasseln. »Wir sollten unser Schwimmtraining für heute beenden und zurückschwimmen.«
Sidon möchte soeben aufstehen. Hektisch greife ich nach seiner Schulter, um ihn aufzuhalten. Verwundert dreht sich Sidon nach mir um und bleibt sitzen.
»Warte noch kurz. Ich habe schon noch so einige Fragen an dich.«
»Ja? Tatsächlich?« Sidon wirkt aus einem unerklärlichen Grund erfreut, weil ich das gesagt habe. »Was willst du wissen?«
Ich mache es Sidon gleich und öffne meine Hand, um den Regen dabei zuzusehen, wie er sich in meiner Handfläche sammelt. »Warum regnet es die ganze Zeit und weshalb ist euer Land überschwemmt?«
»Das liegt an Naydra.« Von mir blickt Sidon zum Himmel hinauf, als er anfängt, mir das Problem zu schildern. »Naydra ist ein blauer Drache. Sie war uns gegenüber stets freundlich gesinnt, doch vor einiger Zeit hat sie angefangen, es ununterbrochen regnen zu lassen. Wir haben bereits einige Versuche in die Wege geleitet, sie zu besänftigen. Aber alles, was wir bisher getan haben, scheiterte. Allerdings haben wir etwas herausgefunden, womit wir sie vielleicht aufhalten können.«
»Und das wäre?« Interessiert recke ich den Hals.
»Naydra hat die gleiche Schwachstelle, wie wir«, erklärt mir der Prinz. »Sie ist empfindlich gegenüber Elektrizität. Allerdings führt das nur zu einem neuen Problem. Wir können weder mit statischen Waffen umgehen, noch welche Schmieden.«
Kaum höre ich das Wort „Schmieden", fangen meine Hände zu jucken an. Also von diesem Handwerk verstehe ich etwas.
»Oh, ich kann schmieden. Ich habe sogar Erfahrung mit Elementwaffen. Unser Schmiedemeister hat mich schon mal eine Feuerlanze basteln lasse. Ich bin mir sicher, ich bekäme auch eine Elektrolanze zu Stande.«
»Was? Du kannst schmieden?« Völlig perplex wirft Sidon seine Kopfflosse umher. »Gibt es auch etwas, was du nicht kannst?«
»Es gibt viele Dinge, die ich nicht kann«, stelle ich klar. »Aber schmieden gehört da nicht dazu. Du musst wissen, Paps war es ungeheuer wichtig, dass ich dieses Handwerk lerne. Allerdings konnte ich nur leichte Waffen schmieden, die völlig ungeeignet waren für Goronen. Daher konnte ich mein Hobby nicht zum Beruf machen.«
»Super! Ich habe gewusst, dass du der Schlüssel unserer Lösung bist.« Abrupt steht Sidon vom feuchten Boden auf, zieht seine Arme an und schenkt mir einen beeindruckten Blick.
»Sidon, stopp! Mach mal halb lang!« Beschwichtigend erhebe ich die Arme. »Du erwartest doch nicht, dass ich mit einem Drachen kämpfe, oder? Du vergisst, dass ich keine Kriegerin bin. Ich kann zwar kämpfen, aber...«
Doch Sidon hört mir gar nicht zu. »Und diese Doppelschwerter, die du bei dir getragen hast, als ich dich gefunden habe, hast du die auch selbst geschmiedet? Sie schienen mir von hervorragender Qualität zu sein.«
»Ja, ich habe sie eigenhändig geschmiedet, aber...«
»Klasse!«, ruft Sidon überglücklich. »Du bist genau die Hylianerin, die wir brauchen.«
»Sidon!«, quengelnd verziehe ich das Gesicht. »Du siehst in mir etwas, was ich nicht bin. Ich bin keine Heldin.«
»Aber du kannst eine werden. Davon bin ich überzeugt.«
Ergeben seufze ich. Der Prinz spinnt sich da etwas zusammen. Mir ist bereits bewusst, dass ich seine Erwartungen beim besten Willen nicht erfüllen kann. Ich bin nicht die Antwort auf alles. Im Grunde genommen, bin ich eine gewöhnliche, kleine Waise, die von Goronen großgezogen worden ist. An mir ist nichts besonders. Zwar kann ich mich verteidigen, aber das war es schon auch. Aus mir würde nie eine Kriegerin werden, auch wenn ich es wollte. Aber ich bin auch zufrieden mit dem, was ich bin. Und was meine Kräfte betrifft, sie machen mir lediglich Angst. Am liebsten würde ich gar nichts mit ihnen zu tun haben wollen.
Der Zora hievt mich aus meinen Gedanken, als er mir plötzlich die Hand hinhält. Interessiert funkle ich seine Finger an, zwischen denen sich Schwimmhäute befinden. Bestimmt kann der Fischmann deshalb so gut schwimmen.
»Komm! Schwimmen wir zurück!«, fordert er mich in aller Fröhlichkeit auf. »Wir müssen einen Plan schmieden.«
Seufzend ergreife ich die Hand des Prinzen und lasse mich von ihm hochziehen.
Wo bin ich da nur wieder reingeraten? Es ist ja nicht so, als würde ich den Zoras nicht helfen wollen, aber einen Drachen zu bezwingen, klingt für mich nicht nach einer einfachen Aufgabe. Außerdem fühle ich mich nicht genügend informiert. Sozusagen bin ich geradewegs in das Schlamassel hineingeschupst worden und nun stehen die Chancen gleich null, dass ich da so einfach wieder herauskomme. Nun, die Goronen pflegen stets zu sagen, Herausforderungen sind dazu da, um sie zu bewältigen. Das mag stimmen. Und wenn Daruk hier wäre, würde ich mich vielleicht auch stärker fühlen. Aber so allein...
Es ist immer dasselbe, selbst nach 24 Jahren ist es nicht anders geworden. Ich benötige stets die Bestätigung eines anderen, fühle mich unsicher und sehne mich ständig nach einer helfenden Hand. Vielleicht wird es endlich an der Zeit, mutiger zu werden. Womöglich hat Sidon ja recht. Was ist, wenn ich wirklich nicht grundlos hier bin? Es ist bestimmt Hylias Wille, dass ich über mich hinauswachse. Also vielleicht sollte ich die Chance ja ergreifen. Die Zoras benötigen schließlich jede erdenkliche Hilfe.
»Gut, ich helfe euch!«, gebe ich schließlich nach. »Aber einen Schritt nach dem anderen, ja? Bevor ich nicht richtig schwimmen kann, werde ich auch keinen Drachen besiegen. Nur damit das klar ist.«
»Ja, Loreena!«, lacht Sidon. »Keiner erwartet, dass du von jetzt auf gleich unserer Probleme wegpustest.«
»Da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher«, bemerke ich ihm gegenüber ganz offen.
Anstatt einer Erwiderung zerrt mich Sidon ins Wasser zurück. Er bedeutet mir mit einer Kopfbewegung, mich wieder auf ihn zu setzen. So schlinge ich meine Hände um seinen Hals und warte, bis er sich in Bewegung setzt. Kaum spürt er mich auf sich, schwimmt er los, doch ganz gemächlich oder jede Art von Hektik. Mich wundert es, dass Sidon plötzlich so still ist. Offenbar scheint er, über etwas nachzudenken.
»Ich wollte dir keinen Druck machen«, gibt er schließlich nach einer Weile preis, was ihn so beschäftigt hat. »Tut mir leid! Es ist mein Fehler, dass ich mich momentan an jede Hoffnung klammere.«
Mitfühlend funkle ich den Zora an. Natürlich kann ich das gut nachvollziehen. Wären die Goronen in Gefahr, würde ich mich wahrscheinlich auch an jeden Strohhalm klammern.
»Ist schon gut. Irgendwie kann ich es auch verstehen«, beruhige ich den Zora.
»Du bist mir also nicht böse?«
Seine Frage überrascht mich. Warum sollte ich ihm denn böse sein?
»Nein...«
»Dann bin ich aber froh.« Sofort klingt Sidon wieder beschwingt und unbekümmert.
Ein erstickter Laut entkommt mir, als Sidon in seiner wachsenden Euphorie schneller wird. Langsam gewöhne ich mich an seine Geschwindigkeit und fange an, den Ritt durch das Wasser zu genießen.
Sanft schmunzle ich, als ich zu dem Zora-Prinzen herunterblicke. Auch wenn ich mich etwas überfordert fühle, trotzdem bin ich gerne hier. Vor allem dieser Prinz hat es mir ziemlich angetan. Ich mag ihn. Er besitzt eine sehr angenehme Art. Warum sollte ich ihm also nicht helfen?
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