25
Shania
Ich spüre die Kälte. Schneeflocken wehen mir ins Gesicht. Zaghaft öffne ich die Augen und blinzle in das Schneegestöber. Kniend befinde ich mich auf einer Plattform. Mein Blick ist auf dem Kopf des Orni-Felsens gerichtet.
Alles scheint friedlich und normal, doch schon im nächsten Augenblick spüre ich es, die Dunkelheit. Sie zerrt an meinem Herzen, bringt mich um meine Stärke und schwächt mich. Ein drückender Schmerz durchfährt meinen Körper. Schmerzverzerrt stöhne ich auf. Die schwelende Macht der Dunkelheit bleibt nicht mein einziger Pein. Langsam hebe ich meine zitternden Hände. Schockiert stelle ich fest, dass sie bis oben hin zerkratzt und zerschrammt sind.
Dann höre ich einen ohrenbetäubenden Knall. Erschrocken sehe ich auf. Ein gewaltiger, brennender Ballen schlägt im Orni-Felsen ein und reißt den Kopf mit sich. Mit geweiteten Augen sehe ich hilflos dabei zu, wie der Teil des Felsen in den See stürzt.
Plötzlich gelingt es mir, mich von dem Boden zu erheben. Mit bebenden Knien stehe ich auf. Mein Herz klopft, ich habe Angst. Gehetzt sehe ich mich um. Verstört verfalle ich in Schnappatmung, als ich bemerke, dass das Dorf um mich herum in Flammen steht. Die Hütten, die Brüstungen, einige Treppen und Plattformen, alles brennt. Meine Ohren vernehmen die Schreie der Orni. Ich kann meinen Augen kaum trauen, als ich dabei zusehen muss, wie manche in ihre brennenden Behausungen eilen, um ihr Hab und Gut oder ihre kleinen Küken zu retten. Tränen steigen mir in die Augen. Um Hylias Willen, was geschieht hier nur?
Erschrocken weiche ich zurück, als urplötzlich ein Pfeil an mir vorbeisaust und mich nur haarscharf verfehlt. Ich stolpere, falle hin. Durch das züngelnde Feuer hindurch erspähe ich Orni-Krieger am Himmel. Sie kämpfen gegen fliegende, schwarze Ungeheuer. Ächzend atme ich die Luft ein, als ich erkenne, dass es sich um Schatten handelt. Schatten? Unmöglich! Zelda und ich haben Ganon versiegelt. Wir haben ihn weggesperrt in ein Gefängnis aus purem Licht im Reich der Seelen. Der Dämonenkönig hat keine Macht mehr über die reale Welt Hyrules. Aber dennoch, dort am Himmel befinden sich Schatten, Ganons Schergen und sie wirken stärker als je zuvor.
Gerade muss ich mitansehen, wie einer der fliegenden Dämonen einem mutigen Orni-Krieger sein dunkles Schwert in den Leib rammt. Leblos stürzt der Orni vom Himmel. War das eben Masuli? Ungläubig schüttle ich den Kopf. Das ist ein Albtraum, ein schlimmer Albtraum! Wach auf, Shania! Wach auf!
Doch die Schreie der Orni verstummen nicht, die Kulisse aus Leid und Zerstörung bleibt bestehen. Reflexartig lasse ich einen Lichtschild entstehen, als plötzlich ein weiterer Feuerball in eine Hütte unter mir einschlägt und mir Trümmer davon ins Gesicht schleudert.
Endlich gelingt es mir, mich vom Fleck zu bewegen. Getrieben eile ich über eine Treppe, um irgendetwas zu tun, den anderen zu Hilfe zu eilen, doch es ist nahezu unmöglich. Überall brennt es, vermehrt treffen Schatten ein, färben den Himmel ganz und gar schwarz. Mir ist klar, ein Kampf ist aussichtslos, uns bleibt nur noch die Flucht. Das Dorf der Orni ist verloren. Aber wo ist mein Ehemann? Wo sind Revali und Medoh?
Rastlos suche ich den Himmel ab. Keine Spur von dem Recken und dem Titanen. Wo sind sie nur? Wo bleibt Revali? Ohne ihn ist es hoffnungslos. Es nützt nichts. Ich muss den anderen helfen, sich in Sicherheit zu bringen, sonst werden wir alle sterben.
Der Rauch brennt in meinen Augen, als ich die Treppen hinuntereile. Auf dem Weg helfe ich jedem, der meine Hilfe benötigt. Ich heile verwundete, bringe Kinder in Sicherheit, befreie Orni aus den Trümmern. Gerade als ich einem alten Orni aufhelfe und ihn in die Obhut eines Jüngeren gebe, bemerke ich Tebas Hütte aus den Augenwinkeln.
Bevor ich mich überhaupt umdrehe, spüre ich, einen tiefen Schmerz in meiner Brust, der mich droht in die Tiefe zu ziehen, um mich dort zu ertränken. Mein Innerstes wehrt sich aus irgendeinem Grund, mich der Behausung zuzuwenden, doch irgendeine dunkle Kraft will, dass ich das sehe und zwingt mich hinzusehen. Ehe ich mich versehe, gehe ich auf Tebas Haus zu. Es ist eingerissen, liegt in Trümmern zu meinen Füßen. Plötzlich höre ich einen Schrei, Tebas Schrei. Mit zitternden Beinen komme ich immer näher, jeder einzelne Schritt fällt mir schwer. Vorsichtig hebe ich den Blick, schiele durch die Trümmer des Hauses hinein und erblicke Teba, der inmitten der Zerstörung auf dem Boden kniet und herzzerreißend wimmert, heult und schreit. Plötzlich bleibe ich stehen. Der Shika-Stein entgleitet mir Fassungslos schüttle ich den Kopf, halte mir eine Hand an den Mund und weiche zurück.
Teba hält den leblosen Körper seiner Frau in den Flügeln. Sakis Schwingen rutschen weg und enthüllen ihre toten Kinder. Saki... Sita... Tulin... Nein!
»Bitte tut mir das nicht an! Saki, bitte! Steh wieder auf! Meine Süße... Bitte, Hylia! Nimm mir nicht meine Familie! Bitte nicht! Sita... Tulin, mein Sohn! Mein Sohn, nicht mein Sohn! Nicht meine Tochter! Nicht meine Frau! Oh, Hylia, bitte nicht!«
Ich mache einen Schritt vor. Grünes Licht bricht aus meinen Händen. Doch dann bleibe ich stehen, das grüne Licht erlischt wieder. Mir ist klar geworden, dass jede Hilfe zu spät kommt. Ich kann meine Freundin und ihre Kinder nicht heilen, denn sie sind schon längst tot. Selbst Miphas Kraft kann sie nicht wiederbeleben.
Tränen rinnen mir in Strömen über das Gesicht, als ich zusehen muss, wie Teba den Kopf seiner Kinder streichelt und heftig schluchzt. Er bückt sich hinab zu seinem toten Sohn, sein Ein und Alles, und schnäbelt ihm das letzte Mal das Gesicht. Der silbergraue Orni wimmert, als er seine Frau an sich zieht und alle drei an seinen Körper presst.
Dieses entsetzlich traurige Bild wagt, mich zu überwältigen. Mir wird schwindelig. Ich taumle. Doch ich falle nicht. Im nächsten Augenblick fängt mich jemand auf und dreht mich zu sich herum. Durch meine Tränen hindurch blicke ich in zwei grüne Augen, die mich sorgenvoll und erschöpft anblicken.
»Shania, was ist...«
»Saki... Die Kinder... Sie sind...«, flüstere ich heiser, unfähig einen ganzen Satz zu Stande zu bekommen.
Revali hebt seinen Blick. Als er seinen Bruder erblickt, der gebrochen um seine Familie trauert, geht auch in dem Recken etwas zu Bruch. Unwirsch schüttelt er den Kopf, seine Atmung wirkt hektisch und schwer. Blankes Entsetzen spiegeln sich in seinen Smaragden. Revalis Krallen klackern über den Boden, als er mich loslässt und einen Schritt vorgeht. Doch dann bleibt er wieder stehen, mit einem Gesichtsausdruck, den ich noch nie an ihm gesehen habe, dreht sich mein Recke zu mir um.
»Shania... Bring dich in Sicherheit!«
Ich will meinen Mund öffnen, ihm sagen, dass ich bei ihm bleiben werde, doch kein Wort kommt über meine Lippen. Stattdessen sehe ich stumm dabei zu, wie Revali sich seinem Bruder nähert. Neben ihm bleibt er stehen. Als er auf die Leichen seiner Nichte, seinem Neffen und seiner Schwägerin herunterblickt, muss er kurz die Augen schließen, um seine eigenen Tränen zurückzuhalten. Als er die Lider wieder öffnet, schaut er ernst seinen Bruder an.
»Teba, wir müssen gehen! Das Dorf ist verloren. Wir müssen alle in Sicherheit bringen!«
Doch Revalis Bruder antwortet ihm nicht. Er drückt seine Familie nur noch stärker an sich und schmiegt sein tränennasses Gesicht an die rosafarbenen Federn seiner Frau.
»Teba...« Der dunkelblaue Orni legt seinen Flügel auf die Schulter seines Verwandten. »Lass uns gehen. Es hat keinen Zweck mehr.«
Nun höre ich nur noch Tebas Weinen, sein Flehen und sein Schreien, die Kampflaute, das Kreischen der Orni, vermischt mit dem Tosen und Ächzen der fliegenden, brennenden Bälle. Dann ein gleisendes Licht. Nun sehe ich überhaupt nichts mehr.
Plötzlich spüre ich den Wind um meinen Körper. Mein Blick ist nach unten gerichtet. Meine Füße befinden auf antikem Metall. Als ich meinen Kopf hebe, bemerke ich, dass ich mich auf Medoh befinde. Der Himmel ist tiefschwarz. Es regnet.
Vor mir befindet sich Medohs Herz. Doch es leuchtet nicht in einem kühlen blau, wie üblich. Es blinkt nun in einem kräftigen orange und färbt sich allmählich immer mehr rot. Schwarzer Rauch taucht um die Hauptsteuerung auf, vermehrt sich mit jedem Atemzug. Was geht hier vor sich?
Plötzlich bemerke ich Blitze am Himmel. Langsam bewege ich mich auf den Rand zu und wage einen Blick über den schwebenden Titanen hinaus.
Schockiert stelle ich fest, dass es sich nicht um ein Gewitter handelt, das den Himmel heimsucht. Es ist der Windfluch. Wieder schüttle ich den Kopf und kann es nicht glauben. Der Windfluch dürfte gar nicht mehr existieren, ich habe ihn in der Schlacht besiegt. Er ist durch die Kraft des Lichts vernichtet worden, denn nur durch Hylias heilige Macht kann ein Dämon sterben. Offenbar ist er wiederbelebt worden, sowie die anderen Schatten auch.
Erst jetzt bemerke ich, dass etwas vor dem mächtigen Fluch herfliegt und gegen ihn kämpft. Mir bleibt die Luft weg, als ich Revali erkenne. Mit seinen tödlichen Kanonenschüssen setzt der Dämon meinem Recken schwer zu, schickt ihm auch noch einen Wirbelsturm hinterher. Revali versucht währenddessen, auszuweichen und einen Pfeil auf die Sehne zu ziehen, doch da gleitet ihm das Geschoss aus dem Flügel. Abrupt attackiert der Dämon meinen liebsten Orni mit einem weiteren Schuss. Obwohl Revali so weit weg von mir ist, kann ich hören wie er ein: »Oh, verflucht!« raunt und im nächsten Augenblick davongeschleudert wird. Da ich und Revali miteinander verbunden sind, kann ich spüren, dass ihn die Kräfte verlassen. Ich weiß, dass er noch ein letztes Mal an mich denkt. Ihm ist klar, dass er den Kampf nicht mehr gewinnen kann.
In dem Moment, als mein Mann seinen Bogen loslässt, höre ich in meinen Gedanken seine Stimme. »Es tut mir so leid, Shania! Bitte verzeih mir!«
Ich strecke die Hand aus und schreie mir die Stimme aus der Seele. »NEIN! REVALI!«
In diesem Augenblick lässt der Windfluch einen mächtigen Schuss los, der den Himmel in gleißendes Licht taucht. Meine Ohren vernehmen einen entsetzlichen Schrei, Revalis Todesschrei.
Dann wird alles schwarz. Im nächsten Moment höre ich nur noch mein eigenes Weinen. Verschwommene Bilder gleiten an mir vorbei. Ich sehe Revali, wie er leblos mit angesenkten Federn auf dem Boden liegt. Die Trümmer des großen Adlerbogens befinden sich um ihn herum verstreut. Als ich blinze, sehe ich mich selbst, wie ich auf Revalis toten Körper liege und mir die Augen aus dem Kopf weine. Jemand tritt auf mich zu. Es ist Teba. Er hält seine Augen geschlossen. Tränen laufen ihm über sein Gesicht.
Schluchzend schließe ich die Augen, spüre meine eigenen Tränen. Doch die Welt wird nicht besser, als ich meine Lider wieder öffne. Denn nun befinde ich mich auf dem nächsten Schlachtfeld, umgeben von etlichen Wächtern. Ich sehe Prinzessin Zelda durch den Matsch rennen. Sie fällt hin, ruiniert ihr weißes Kleid. Im nächsten Atemzug folgt ein Hagel aus Pfeilen. Doch ehe ich etwas tun kann, stürmt Link vorbei und benutzt sich als menschlichen Schutzschild um die Prinzessin zu beschützen. Schockiert muss ich dabei zusehen, wie die Pfeile meinen Cousin durchbohren. Ich will schreien, doch kein Wort kommt aus meinem Mund. Ich will meine Kräfte nutzen, doch es geschieht nichts. Etwas stimmt nicht mit mir, ich habe meine Stimme verloren und meine Kräfte. Mir ist nichts geblieben, gar nichts. Ich habe meine große Liebe verloren, mein Zuhause, meine Familie, einfach alles. Und nun muss ich auch noch zusehen, wie mein Verwandter stirbt. Doch dann ein greller Lichtfunken. Er zerstört alle Wächter um uns herum. Es ist Prinzessin Zelda. Sie schwebt über den Boden. Ihre wahre Kraft wurde entfesselt. Doch was ist nun mit Link?
Als ich ein Geräusch höre, blicke ich weg. Nun möchte ich wieder zu meinem Cousin zurücksehen, doch da bemerke ich, dass wir uns nicht mehr auf dem offenen Schlachtfeld befinden, sondern in einem Schrein. Link liegt auch nicht mehr verletzt auf dem schlammbedeckten Boden, sondern in einem Bett umgeben von einem heilvollen Licht. Traurig blicke ich auf ihn hinab. Mir ist klar, dass es noch Hoffnung für Link gibt. Seine Wunden werden heilen, doch es wird wohl einige Zeit dauern.
Als diese Szene verschwindet, sehe ich die Titanen, die allesamt die Farbe wechseln. Manche bleiben für immer rot, andere, sowie Medoh werden aus irgendeinem Grund wieder blau. Dann erkenne ich plötzlich ein fremdes Orni-Mädchen. Oder war es doch eine Hylianerin? Das Bild vergeht zu schnell, als sich sicher zu sein. Sie steht auf Medoh, direkt neben seinem Herzen.
Ich möchte mehr über diese Person erfahren, die nun anstelle meines Reckens neben der Steuereinheit des Vogel-Titanen befindet, doch dann bin ich plötzlich in Schloss Hyrule. Dieser Palast jedoch ist nicht derjenige, den ich kenne. Die Mauern sind eingerissen, Schutt und Trümmer liegen überall verstreut, finsterer Dunst dehnt sich wie Nebel über die Erde aus. Mir ist bewusst, dass dies Schloss Hyrule sein muss, wenn es erst von der Verheerung Ganon eingenommen worden ist. Dies ist ein dunkler Ort, an dem niemand sein will.
»Sieh an, sie an!«, höre ich plötzlich eine Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt. »Auch in der Zukunft befindet sich ein Schimmer Hoffnung. Doch auch dieser wird vergehen und dann wird nur noch die Dunkelheit bleiben.«
Langsam drehe ich mich um. Einige Schritte hinter mir steht dieser Mann mit Kutte. Auch dieses Mal kann ich sein Gesicht nicht sehen.
»Wer bist du, zum Teufel?«, schreie ich ihn an, aufgebracht durch die schlimmen Bilder meines Traums.
Der Fremde, von dem eine dunkle Aura ausgeht, legt seine Hand auf seine Brust und verbeugt sich kurz vor mir. »Ich bin der Vorbote der Verheerung, treuster Diener Ganons und der Prophet deiner schrecklichen Zukunft.«
»Das hier... Das hier soll die Zukunft sein?« Meine Stimme ist nur noch ein Wimmern. Mir schlottern die Knie.
Der Vorbote der Verheerung steht einfach nur da, sieht mich an. Das Einzige was ich auch dieses Mal sehen kann, ist sein boshaftes Grinsen.
»Wohl wahr! Das ist das Hyrule der Zukunft.«
»A-aber w-wie?«, stottere ich völlig bestürzt. »Zelda und ich... wir haben doch...
»Meinen Meister versiegelt? Ja, das habt ihr!« Kalte Verachtung ist aus seiner Stimme zu hören. »Aber Ganon war nie allein. Er hat treue Diener und eine bestehende Blutlinie. So habt ihr die Verheerung also nur hinausgezögert und nicht vereitelt. Und darüber hinaus...« Ganons Diener macht ein paar Schritte auf mich zu, bleibt dann aber stehen und streckt die rechte Hand aus. »...wirst auch du deinen Teil zu dem Ausgang der Geschichte beitragen. Willst du es sehen, Shania Loreena? Willst du sehen, wie es endet?«
Da stürzt sich plötzlich ein Orni wie aus dem Nichts auf mich. Es geht so schnell, dass ich meine, Revali mit glühend roten Augen zu sehen. Die Wucht stößt mich um. Der Orni ist wieder verschwunden. Doch statt ihm steht plötzlich ein schwarzes, großes Ungetüm vor mir, ein Schatten. Er packt mich an der Gurgel und hievt mich hoch. Wild strample ich mit meinen Füßen, als ich keine Luft mehr bekomme. Ich will mich wehren, meine Kräfte wirken, doch die Dunkelheit kommt über mich, ich fühle nur noch die Finsternis, das Licht hat mich verlassen. Dies ist der Moment, an dem ich meine Kräfte verlieren werde... und meine Stimme. Im nächsten Augenblick schreie ich, es ist mein letzter Schrei, denn dann spüre ich plötzlich seine Krallen auf meinem Hals, die mir die Stimmbänder herausreißen.
Schreiend erwache ich aus dem Schlaf. Die Tränen brennen in den Augen. Versehentlich wirke ich all meine Mächte, als hätten die Seelen aus ihrem Reich zugesehen und zeigen mir ihr Mitgefühl, in dem sie ihre Kräfte an die Oberfläche steigen lassen. Ein Fels wächst plötzlich aus der Erde, zerstört eines meiner Regale und wirft eine Vase um. Grünes Licht erscheint über meinen Körper und heilt mich, obwohl ich nicht verletzt bin. Meine Kiemen öffnen sich, obwohl ich nicht unter Wasser bin. An einer Hand erscheinen Flammen, während ich auf die anderen Eis spüre. Zuletzt setze ich versehentlich ein Seelentau frei. Ein Lichtstrahl, so hell, wie die Sonne, erscheint in meinem Zimmer und blendet mich.
Als ich wieder sehen kann, erkenne ich, dass ich zusammengekrümmt auf den Boden liege, neben dem Bett. Ich wimmere vor Angst und habe meine Beine an mich gezogen. Meine Gestalt ist unverhüllt, ich bin nackt. Erst als ich Revalis Stimme höre, wird mir klar, wo ich gerade bin, in Goronia, in meinem Zimmer.
»Um Hylias Willen, Shania! Was ist passiert? Geht es dir gut?«
Revalis Kopf taucht plötzlich über dem Bett auf. Sein Gefieder ist aufgebläht vor Schock und völlig zerzaust. In seinen grünen Augen spiegeln sich Verwirrung und Panik.
Ich bin nicht fähig, ihm eine Antwort zu erteilen. Die einzigen Dinge, zu denen ich im Stande bin, ist Schluchzen, Wimmern, Weinen und wiederholt den Kopf zu schütteln. Das war das Schrecklichste, was ich je geträumt habe. Ich habe Hyrules Untergang gesehen, ich habe gesehen, wie meine Freunde sterben... und mein geliebter Revali. Das darf niemals geschehen! Niemals! Nein, das darf es nicht!
»Shania... Hey...« Revali klingt besorgt. Ich kann seinen Blick auf mir spüren, obwohl ich ihn schon längst nicht mehr ansehe, sondern mir die Augen aus dem Kopf heule.
Mein Mann ist vor meinen Augen gestorben. Der Windfluch hat ihn getötet. Und ich konnte nichts tun. Auch Saki und ihre Kinder konnte ich nicht retten. Oh, gute Hylia! Es hat mir das Herz aus der Brust gerissen, Teba dabei zuzusehen, wie er seine tote Familie in den Flügeln hielt und um sie weinte. Und Link? Er wurde von einer Salve aus Pfeilen durchbohrt, als er die Prinzessin beschützen wollte. Aber er hat überlebt. Wir haben ihn irgendwo hingebracht, wo er Chance auf Heilung bekam. Denn ich konnte ihn wohl nicht mehr heilen. Ich hatte meine Fähigkeiten verloren und dieses Mal wohl für immer. Das war einfach nur schrecklich!
»Shania, jetzt rede endlich mit mir! Was hast du denn?« Revali klingt verunsichert und mittlerweile etwas gereizt.
Meine Ohren vernehmen das Knarzen der Matratze. Doch ich kann immer noch nichts anderes tun, als zu heulen. Ich ersticke in einem Meer aus Tränen. Diese furchtbaren Bilder, sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Aber das Schrecklichste daran ist, dass ich nicht mal mit Sicherheit sagen kann, ob all das nur ein Traum war. Denn ich konnte Ganons Macht spüren, die Dunkelheit war allgegenwärtig und sie trat in der Form einer Gestalt auf. Dieser Mann in Kutte, er hat mich schon mal in meinen Träumen besucht, doch damals träumte ich nur davon, dass Revali mich betrügen würde. Dies war allerdings nur eine Angst, doch das, was ich eben geträumt habe, könnte durchaus ein Teil der Zukunft gewesen sein. Diese Tatsache bringt mich um den Verstand.
Plötzlich spüre ich etwas Weiches auf meinen Schultern. Federn streicheln beruhigend meine Haut. Flügel umschlingen mich, ziehen mich an einen warmen Körper heran. Revali haucht mir sanft ein „Ssssshhhhhtttt..." zu, als mein Heulkrampf immer noch kein Ende findet. Sanft beginnt er, mich zu schaukeln.
»Egal, was du auch geträumt haben magst, mein Engelchen, du bist in Sicherheit. Wir sind in Goronia. Du bist bei mir. Ich beschütze dich. Es ist alles gut. Siehst du? Niemand ist hier, der dir wehtun wird. Alles ist gut.«
Seinen letzten Satz wiederholt er immer wieder, bis mein Weinen jäh ein Ende nimmt und ich nur noch Schluchze. Erst jetzt fühle ich deutlich, wie ich am ganzen Leib zittere. Mir geht es schrecklich. Am liebsten würde ich nun für immer die Augen schließen wollen, damit ich diese Zukunft niemals miterleben muss.
Nun ist da auf einmal Revalis Schnabel auf meinem Gesicht, der die Strähnen aus meinem Gesicht streicht und meine Tränen wegküsst. Allmählich beruhige ich mich. Das Beben meines Körpers nimmt ab und auch das Pochen meines Herzens verstummt.
Nun gelingt es mir auch wieder, die Lider zu öffnen. So kommt es, dass ich direkt in Revalis Augen starre, die beunruhigt auf mich herabblicken. Langsam senke ich meinen Blick. Ich liege in Revalis Flügeln. Auch mein Recke trägt nichts. Da fällt mir eben ein, dass heute meine zweite Hochzeitsnacht ist. Wir haben uns am heutigen Tag zum zweiten Mal das Jawort gegeben, diesmal auf goronische Art. Es ist wirklich alles in Ordnung... noch.
Plötzlich schwindet der sorgenreiche Ausdruck in Revalis Gesicht, stattdessen wirkt er ernst, geradezu erzürnt. »Bitte, sag mir nicht, dass dieser Schweinepriester zurückgekehrt ist! Sag nicht, Ganon streckt wieder seine schmierigen Hände nach dir aus!«
Nein, tut er nicht... Jedenfalls noch nicht. Wenn mein Traum recht behält, wird es aber. Was soll ich meinem Mann nur sagen? Ich habe geschworen, nichts mehr vor Revali zu verheimlichen. Aber ich will ihn nicht beruhigen, außerdem bin ich mir nicht sicher, was der Traum zu bedeuten hat.
»Nein... Ganon... kam nicht in meinem Traum vor.« Meine Stimme klingt ganz heiser und gebrechlich. Es wirkt geradeso, als müsste ich erstmal wieder lernen, wie man spricht, nachdem ich geträumt habe, dass mir ein Fluch die Stimmbänder aus dem Hals gerissen hat.
Revali atmet auf. Kurz schließt er die Augen, versucht sich zu sammeln, nachdem er so unsanft geweckt worden ist. Doch als mein Recke die Lider wieder öffnet, kann ich nur aufrichtige, bedingungslose Liebe in seinen leuchtenden Smaragden entdecken.
»Das schien ja ein ganz besonders heftiger Albtraum gewesen zu sein«, bemerkt Revali, während sein Augenmerk über das zerstörte Regal und die zerbrochene Vase streift, streichelt er besänftigend mein Gesicht.
»Tut mir leid...«, entschuldige ich mich bei meinem Gatten. »I-ich w-wollte d-dich nicht wecken.«
Der Orni zuckt zusammen, als er bemerkt, wie schrecklich sich meine Stimme anhört.
»Ich hole dir erstmal etwas Wasser. Ist das in Ordnung, mein Täubchen?« Revali lässt seine Fingerfeder zärtlich über mein Kinn gleiten und schaut mir tief in die Augen.
Da ich es vermeiden möchte, zu reden, nicke ich nur. Stumm lasse ich es zu, dass mein Mann mich vom Boden aufhebt und auf das Bett setzt.
Bevor er sich umdreht, um sich etwas anzuziehen, um den Raum kurz zu verlassen, damit er mir etwas Wasser holen kann, raunt er mir zärtlich zu: »Ich bin gleich wieder da.«
Der Schock sitzt immer noch tief, selbst jetzt, nachdem mir bewusst geworden ist, dass Revali noch lebt und alles in Ordnung ist. Doch trotzdem, sollte uns wirklich ein solch schreckliche Zukunft bevorstehen, dann...
Träge schaue ich mich um, versuche mich mit irgendetwas zu beschäftigen, bis mein Recke wieder da ist. So ziehe ich mir das Negligé über, das irgendwo neben dem Bett auf dem Boden liegt. Im Anschluss werfe ich mir eine dünne Decke über die Schultern und bedecke mich damit. So sitze ich eine Weile da, starre auf meine verhüllten Zehen, bis ich Revali im Eingang sehe. Mit einer Karaffe Wasser und einen leeren Holzbecher kommt er auf mich zu, tritt über die Stufen ans Bett. Dort setzt er sich hin. Er schenkt mir etwas ein Wasser ein und überreicht mir im Nachhinein den Becher. Dankend nehme ich ihn an und trinke. Mein Hals fühlt sich tatsächlich nach jedem Schluck besser an.
Nachdem eine Weile verstrichen ist und ich den Becher leer getrunken habe, fragt mich mein liebster Orni: »Wie geht es dir jetzt?«
»Danke, Revali!«, antworte ich ihm mit einer bereits festeren Stimme. »Mit geht's wieder besser.«
»Willst du mir jetzt von deinem Traum erzählen?«
Mit traurigem Blick wende ich mein Gesicht von meinem Liebsten ab. »Nein, es war schrecklich!«
»Ich weiß...« Seine Flügel streicheln liebevoll meinen Arm. »Aber willst du es mir nicht trotzdem sagen. Vielleicht hilft es dir ja, wenn du darüber redest.«
Seufzend blicke ich dem Recken in die Augen. »Revali... Ich denke, es ist noch nicht vorbei.«
Er legt den Kopf schief. »Wie meinst du das?«
»Ganon... Ich glaube, er ist nicht der Einzige, der die Verheerung in die Wege leiten kann«, beginne ich ihm zögerlich zu erzählen. »Es kann sein, dass er einen Komplizen hat, einen äußerst begabten Komplizen, der über dieselbe dunkle Macht verfügt.«
»Und du hast von ihm geträumt?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, ich habe von der Zukunft geträumt«, gestehe ich ihm vollends.
Revali verschränkt seine Flügel und blickt skeptisch auf mich herab. »Ich wette, die sah wohl nicht so rosig aus.«
Langsam schüttle ich den Kopf. »Nein... Revali, ich fürchte, dass etwas sehr Schreckliches passieren könnte. Ich will wieder zurück ins Orni-Dorf.«
»Bevor wir das tun, solltest du zunächst mit der Prinzessin darüber reden. Falls wirklich...«
»Nein!«, schreie ich Revali fast schon an und greife mit meinen Händen nach seinen Schwingen. »Bitte...« Meine Stimme wird augenblicklich wieder eine Spur milder. »Lass uns erst in Dorf zurückkehren! Ich will nach Hause, bitte Revali! Ich will mich vergewissern, dass alles gut ist und ich brauche einen ruhigen, vertrauten Ort, wo es mir leichter fällt, ins Reich der Seelen einzutauchen. Du musst verstehen, ich will nachsehen, ob alles in Ordnung ist und mich mit den anderen Seelen austauschen. Unter anderem brauche ich Miphas Rat.«
»Verstehe...«, meint der Recke und bemüht sich um ein liebevolles Lächeln. »Wahrscheinlich ist es besser so. Vermutlich ist es das Beste, zunächst die Fakten auszuwerten, bevor wir alle in Panik versetzen.« Anschließend presst Revali seine Stirn gegen meine und haucht: »Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast.«
Ich schweige lediglich, lege meine Hand auf Revalis Hinterkopf und genieße seine Wärme. Wenn ich meinen Liebsten verlieren würde... Nein, das darf niemals geschehen! Es würde mich innerlich vernichten. Dennoch wird mir gerade klar, dass ich meinem Orni längst nicht alles verraten habe. Aber soll ich ihm von seinem Tod und der Zerstörung des Dorfes erzählen? Nein, das will ich ihm nicht antun!
»Also... Brechen wir morgen auf?« Flehend schaue ich in die schönen, leuchtend grünen Augen des obersten Orni-Kriegers.
Revali nimmt meine Hand in seinen Flügel und nickt: »Ja, ich verspreche es dir! Im Morgengrauen verabschieden wir uns von allen und kehren augenblicklich auf Medohs Rücken nach Tabanta zurück.«
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