23
Shania
Der rustikale Klang der Trommelmusik dröhnt in meinen Ohren, als mich mein Vater mit einem stolzen Lächeln an der Hand nimmt und zum goronischen Altar nach vorne bringt. Langsam schreite ich mit Paps über die Brücken zwischen der staunenden Menge aus Goronen entlang, die ich allesamt seit meiner Kindheit kenne.
Als ich all dieser Gesichter wiedersehe, werde ich irgendwie leicht melancholisch. Diese Zeit, meine Kindheit, sie ist viel zu schnell vergangen. Früher war alles so lustig und unbeschwert. Damals hatte ich noch keine Pflichten zu erfüllen und ich musste mich auch noch nicht meinem Schicksal stellen. Bludo hat sich die ganze Zeit über gut um mich gekümmert, er hat mich aufgezogen, wie seine eigene Tochter. Und Daruk, der war immer für mich da. Er war und ist ein toller Bruder. Später trat dann auch noch Yunobo in mein Leben. Mein Neffe war für mich irgendwie eine Mischung aus Sohn und einem kleinen Bruder. Doch nun bin ich erwachsen. Heute heirate ich Revali zum zweiten Mal, doch diesmal auf goronische Art. Es hat mich nahezu begeistert, als er von sich aus vorgeschlagen hat, dass er mich auch noch in Goronia heiraten will. Er hat mich damit überglücklich gemacht. Ich liebe diesen Orni einfach abgöttisch.
Still laufen mir Tränen der Berührung über die Wange. Zaghaft lächle ich und blicke jeden einzelnen Goronen nochmal ins Gesicht, ehe ich nochmal heirate und sie alle wahrscheinlich nicht mehr so schnell sehen werde, weil ich von nun an für immer bei Revali leben werde.
Die lange Schleppe meines weißen Goronen-Rocks hinterherziehend erreiche ich mit dem Strauß aus Feuerlilien in der Hand den überdachten Altar aus Stein. Leyla, die frischgebackene Schamanin der Goronen steht vor davor. Sie trägt ein rot-braunes Kleid und einen festlichen Umhang. In der Hand hält sie den Priesterstab, der von einem Goronen-Priester zum nächsten übergeben wurde. Das Zepter geschmiedet aus Holz und Marmor überragt ihre Größe bei Weitem und Leyla ist keine kleine Frau. Ihre Haare hat sie hochgesteckt und mit einem Gesteck aus versteinerten Drachenknochen und Edelsteinen geschmückt. Warm lächelnd sieht die Gefährtin meines Bruders auf mich herab, als ich mit meinem Ziehvater an der Hand vor dem Traualtar stehen bleibe.
Ich erwidere Leylas Lächeln, als ich plötzlich Bludos Finger auf meinem Gesicht spüre. Vorsichtig fährt er mit seiner übergroßen Fingerspitze meine Wange entlang, dort, wo die Tränen ihre Spuren hinterlassen haben.
»Du weinst doch nicht etwa, oder meine kleine Loreena?« Paps Stimme klingt rau und etwas besorgt.
Verlegen strahle ich ihn an und beruhige den Goronen, der mich aufgezogen hat. »Das sind nur Freudentränen Paps. Auch wenn ich Revali zum zweiten Mal heirate, rührt mich das nicht weniger. Außerdem...« Meine Stimme bricht. Prompt beiße ich mir auf die Lippen, um nicht wieder zu weinen. »Das hier ist meine Heimat. Du und Daruk, ihr wart alle so lieb zu mir. Ihr habt euch um mich gekümmert und mir eine unvergessliche Kindheit gegeben. Ich bin dir so unendlich dankbar, dass du mich aufgenommen hast. Für mich warst du immer ein echter Papa. I-ich habe euch alle... so liebgewonnen.« Plötzlich kann ich ein Schluchzen doch nicht mehr vermeiden. »Ihr seid meine Familie... und jetzt... jetzt werde ich euch alle verlassen.«
Gerührt blickt Paps auf mich herab, als sich neue Tränen in meinen Augen bilden. Beschämt will ich mein Gesicht von meinem Ziehvater abwenden, doch da hebt der Goronen-Chef mein Kinn an, damit ich dazu gezwungen bin, ihn in seine dunkelblauen Augen zu sehen.
Väterlich lächelt der alte Gorone mich an, als er mir mit sanfter Stimme versichert: »Loreena... du wirst immer meine Tochter sein. Egal, ob du ursprünglich eine Halb-Shika bist und nun ins Dorf der Orni einheiratest, du wirst immer mein kleiner Edelkiesel bleiben. Goronia wird auf ewig dein Zuhause sein. Du bist hier stets willkommen, du und dein Gemahl... und vielleicht bringst du ja eines Tages mal meine Enkelkinder mit.«
»Ach, Paps...«
Mir verschwimmt die Sicht vor lauter Tränen, als ich mich Bludo in die Arme werfe und ihn umarme. Seine Worte rühren mich nur noch mehr. Energisch reibe ich mir meine Wange gegen seine harte, raue Haut, wie ein schmusebedürftiger Welpe. Einen erstickten Atemzug später spüre ich die andere Hand meines Ziehvaters, die meinen Rücken so vorsichtig wie möglich tätschelt und mich gegen ihn drückt.
»Ich werde dich immer liebhaben, kleine Loreena!«, flüstert mir der Goronen-Chef ins Ohr und umarmt mich noch etwas fester, sodass ich mir schon bald gequetscht vorkomme.
»Ich dich auch!«, erwidere ich ihm mit gedrückter Stimme.
»Och, ihr beiden...«
Ruckartig heben Bludo und ich unseren Blick in Richtung Altar. Die Augen reibend steht Leyla da. Ihr bewegtes Gesicht zeigt uns, dass sie jedes Wort von unserem Vater-Tochter-Gespräch verstanden hat.
Verlegen räuspert sich Paps und lässt mir wieder Luft zum Atmen. Milde lächelnd mache ich mich daran, meine Tränen mit der Hand wegzuwischen.
Genau in diesem Moment schwingt der träge Rhythmus der Trommeln um und der Klang wird temperamentvoller und dynamischer. Sofort halte ich den Atem an. Zwischen der Menge taucht plötzlich mein liebster Orni auf. Mit geschwollener Brust stolziert Revali über die Brücken auf mich zu. Seine Augen fangen meinen Anblick. Mit einem Mal erkenne ich ein bewegtes Lächeln auf seinen Schnabel. Fest drücke ich meinen Brautstrauß an mich und sauge die fesselnde Gestalt meines Bräutigams gierig auf. Revali trägt genau, wie bei unserer ersten Hochzeit, seine edle, blau-grüne Rüstung. Zu der heißen Melodie der Trommeln und den warmen Hintergrundfarben Goronias wirkt der Orni noch viel anmutiger und männlicher, als er bereits schon ist. Ich könnte glatt schmelzen! Begleitet wird mein attraktiver Gemahl von einem Hochzeitszug bestehend aus Daruk, Yunobo und ein paar anderen, namhaften Goronen aus dem Dorf.
Während ich auf meinen Recken warte, merke ich, wie nervös ich schon wieder bin, mindestens genauso sehr, wie bei meiner ersten Hochzeit. Mir ist abnormal heiß, mein Herz pocht in meiner Brust, wie bei einem Erdbeben und plötzlich wird mir sogar ein wenig schwindelig.
Doch dann steht er vor mir, positioniert sich mit einem strahlenden Lächeln neben mir. Daruk und Yunobo treten zu uns, stellen sich hinter Paps und Revali. Mein Bruder erkennt den völlig baffen Blick, den mir mein Neffe zuwirft. Er wirkt geradeso, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen. Da haut ihm sein Vater gehörig auf den Nacken. Er erschrickt sich so sehr, dass er versehentlich seinen Schild hervorruft. Amüsiert lacht Daruk seinen Sohn aus.
Revali, der die Aktion der beiden bemerkt hat, dreht sich zu den Goronen um, stemmt seinen Flügel an die Hüfte und meint zu Yunobo: »Was hast du denn, Kleiner? Hast du noch nie eine solch schöne Braut zu Gesicht bekommen?«
Die Bäckchen meines Neffen beginnen augenblicklich, vor glühender Röte zu leuchten. Verlegen kratzt er sich an den Hinterkopf, wendet sein Gesicht ab und murmelt ein beschämtes: »T-Hehe...«
Verträumt schaue ich meinem Bräutigam in die Augen, als er meine zitterte Hand ergreift und zu mir sagt: »Da wären wir wieder...«
Ich bringe es nicht fertig, irgendein Wort über die Lippen zu bekommen. Wie versteinert stehe ich da, unfähig, mich zu rühren. Verliebt schauen wir uns einander in die Augen. Wieder einmal versinke ich in der Unendlichkeit seiner smaragdgrünen Weiten.
Plötzlich verstummen die Trommeln. Es wird so still, dass ich der Meinung bin, man könne mein Herz schlagen hören. Alle Aufmerksamkeit legt sich auf Leyla. Auch Revali und ich sehen nach vorne. Die ganze Zeit über lässt der Orni meine Hand nicht los, als hätte er Angst, ich könne ihm davonlaufen.
Die Schamanin nimmt ihr heiliges Zepter in beide Hände. Hoch erhebt sie dessen Spitze über ihren Kopf, als sie die Zeremonie beginnt.
»In Hylias Namen werde ich heute zwei Wesen zusammenbringen, einen Orni und eine Hylianerin. Wie Stein und Feuer sollt ihr sein. Erschaffet zusammen Land, wie die Urväter der Goronen diese Stadt mit ihren bloßen Händen erbaut haben. Seid wie der Vulkan und machet fruchtbare Erde, sodass eure Saat Pflanzen gedeihen wird. Die Pflanzen sollen Früchte tragen und euch mit Glück erfüllen.«
Plötzlich klopft Leyla einmal mit dem Stock auf dem Boden. Die Goronen um uns herum, stampfen im selben Augenblick mit ihren Füßen auf.
Als die ehemalige Gerudo-Heilerin weiterspricht, erhebt sie ihre Stimme. Jedes Mal zwischen ihren Sätzen lässt sie erneut das untere Ende des Zepters auf die Erde schnellen und jedes Mal antworten ihr die Goronen mit einem Stampfen. »Die Lava soll eure Liebe sein! Lasst die Pflanzen eure Ehe symbolisieren! Und die Früchte, die eure Ehe trägt, mögen sie eure Kinder sein!«
Während mein Blick weiter auf Leyla haftet, bemerke ich aus den Augenwinkeln heraus, dass Revali mich ansieht. Kinder... Zum ersten Mal seitdem wir zusammen sind, hat er mit mir ausgelassen über's Kinderkriegen gesprochen, und das in unseren Flitterwochen. Er will es! Er will Kinder mit mir! Weder ein „Es kann nicht funktionieren" oder ein „Du könntest auf dem Kindsbett sterben" bekam ich zu hören, nein, er redete mit mir, so richtig. Er hat mir sogar von seinen Wunschnamen erzählt. Zwar gefällt mir Cuoco immer noch nicht, aber ich habe mich so über die Tatsache gefreut, dass Revali endlich seine Zweifel fallen gelassen hat. Bitte, Hylia! Lass es endlich geschehen! Segne uns mit Kindern! Bitte!
»Leget nun die Symbole von Feuer und Stein nieder! Verbindet euch und werdet eins! Lasst eure Liebe gedeihen, wie einst der Todesberg Hyrule aufblühen ließ!«
Auf Leylas stillen Signal hin treten Yunobo und Daruk vor. Während mein Neffe mir das Feuer reicht, erhält Revali den Ring aus Stein von meinem Bruder. Mein Bräutigam lässt mich nicht aus den Augen, als er den schweren Steinring auf die Erde ablegt. Geduldig warte ich darauf, dass Leyla sich mit ausgebreiteten Armen umdreht und nach der Karaffe auf dem Altar greift. Als sie mit dem Gefäß in der Hand zu uns zurückkehrt, übergießt sie den Steinring mit Öl. Erst als die Gerudo zurücktritt, habe ich die Erlaubnis mein Symbol hinzuzugeben. Doch bevor ich es tue, blicke ich zu Revali hinüber, der für diesen Teil der Zeremonie meine Hand losgelassen hast.
»Sieh bloß zu, dass du nicht dein wundervolles Brautkleid in Flammen steckst!«, höre ich meinem liebsten Orni belustigt scherzen.
Mit einem Schmunzeln lasse ich das Feuer in meiner Hand fallen. Punkt genau landet es in der Mitte des Ringes. Der mit Öl übergossene Stein fängt sofort Flammen. Alle Goronen im Umkreis nicken zufrieden, während ich und Revali Blicke des puren Glücks austauschen. Ein besseres Ergebnis der goronischen Eheschließung gibt es nicht.
»So sei es!«, spricht Leyla und reckt das Zepter noch ein Stück in die Höhe. »Möget euer Feuer erst erlöschen, wenn ihr zu Staub zerfallen seid! Gebt eurer Erde Platz sich zu entfalten! Nun zeichnet euch mit den Runen eurer Leidenschaft und werdet geerdet mit dem Vertrauen zueinander.«
Daruk tritt an den Altar, wo Leyla bereits mit einer Schüssel pechschwarzer Flüssigkeit auf ihn wartet. Beide werfen sich verliebte Blicke zu, als die Schamanin ihm die Schale überreicht. Mit einem breiten Grinsen stellt sich Daruk zwischen uns, während das Feuer zu seinen Füßen nach wie vor lodert.
»Also! Wer von euch will zuerst?«, ruft mein Bruder und reckt uns die Schüssel entgegen.
Unser Augenmerk fällt auf die dunkele Schmiere im Innern.
Als ich mein Blick wieder hebe, frage ich meinen Gatten: »Darf ich dieses Mal anfangen?«
»Ja... Aber bitte tu mir den Gefallen und mal mir bloß keine Katze auf den Leib!«
Auch dieses Mal kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen.
»Nein, keine Katze...«, versichere ich dem Orni und tauche meinen Finger in die Schmiere.
Nun spreche ich die Worte zu dem Ritual. »Revali, Recke der Orni! Hiermit verleihe ich dir die Rune meiner treuen Liebe, das Zeichen der Flügel.« Revalis Augen leuchten liebevoll auf, als ich ihm Flügel-Runen auf die rechte Außenfläche seiner Schwinge male. »Denn nicht nur deine Schwingen haben mich an Orte gebracht, die ich als Hylianerin niemals hätte erreichen können, sondern auch deine unvergleichliche Liebe zu mir haben mich beflügelt.«
Als ich fertig bin, dreht der Orni bewundernd seinen Flügel und betrachtet das goronische Symbol, das nach Art der Goronen so viel bedeutet, wie ein Ehering. Im Anschluss nickt er mir zu und taucht eine Fingerfeder in die schwarze Flüssigkeit. Dann, als er meine Hand nimmt, beginne ich, zu zittern. Seine grünen Augen fesseln mich.
»Shania Loreena, Seelenbändigerin der Shika! Hiermit verleihe ich dir die Rune meiner undurchdringlichen Liebe, den Stern.« Selbst als er meine Hand dreht und anfängt zu malen, kann ich nicht anders, als die ganze Zeit über in seine glänzenden Smaragde zu starren. »Denn du bist der Leitstern an meinem Horizont. Sei meine Sicht auch noch so dunkel und trüb, du erhellst meinen Weg durch deine endlose Güte und deine behagliche Wärme, die mich sicher ans Ziel bringen.«
»Die Worte sind gesprochen!« ruft Leyla plötzlich mit erhobener Stimme. »So traue ich euch nun mit Hylias Segen zu Mann und Frau. Revali, du darfst deine Braut jetzt küssen!«
»So wie letzte Mal habe ich ewig auf diesen Spruch gewartet«, meint mein Bräutigam, nimmt mein Gesicht in seine Flügel und küsst mich sehnsüchtig.
Die Goronen um uns herum, brechen in tosendem Jubel aus. Während ich schwören könnte, dass mein Vater eine Träne vergießt, denn Daruk schlägt ihm im Anschluss aufmunternd auf die Schulter. Leyla und Yunobo klatschen. Leider endet unser Kuss viel zu schnell. Verliebt blinzle ich Revali an. Er erwidert meinen Blick. Sofort widerstehe ich dem Drang, meinen Recken nochmal zu küssen. Ich verschränke seine Flügel mit meinen Händen. Wir können es einfach nicht lassen, uns einander tief in die Augen zu sehen. Dort fühle ich mich so wohl, in seinen Smaragden. Ich kann kaum glauben, dass ich den Orni nun schon wieder geheiratet habe. Aber ich würde es immer wieder tun, auf jede erdenkliche Art, die sich uns in Hyrule bieten würde.
Die Hochzeitsfeier im Anschluss ist ein Fest, dass die Goronen nicht mehr so schnell vergessen werden. Es werden Steaks an Masse gegrillt und eine Menge Löschbier ausgeschenkt. Ich tanze mit Revali bis in die Nacht hinein, bis es schließlich an der Zeit wird, das Fest für uns zu beenden...
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