10
Shania
Mehrere Tage sind seit meiner Ankunft in Kakariko vergangen. Die Zeit habe ich genutzt, um mich ein wenig zu erholen. Außerdem habe ich ein wenig in den Shika-Büchern recherchiert und einiges über die Titanen herausgefunden. Die heiligen Tiere waren schon öfters in einem Kampf gegen finstere Mächte verwickelt. Sie sollen ein eigenes Wesen besitzen, dennoch brauchen sie einen Piloten, der sie durch die Schlacht führt. Die Titanen seien dabei sogar im Stande, ihre Gedanken an ihre Reiter zu übermitteln und mit ihnen zu kommunizieren. Es heißt, die antiken Maschinen und Recken würden eine mentale Verbindung eingehen. Gestern bin ich sogar nochmal in ihrem Hort hinter dem Wasserfall gewesen und habe mir die Titanen genauer angesehen. Währenddessen hatte ich ein Buch in der Hand, das über die Kriegsmaschinen genauer einging. Jeder von ihnen ist mit einem Element beseelt. Vah Rudania zum Beispiel, sei ein Titan der Erde. Merkwürdig, dass ich da sofort an Daruk denken musste. Bei genauerer Betrachtung wäre er für die große Riesenechse vielleicht wirklich der perfekte Pilot.
Nun sitze ich in dem Haus meiner Großmutter. Neben mir befinden sich Link und Paya. Nachdem meine Cousine uns allen Tee eingeschenkt hat, setzt sie sich an ihren Platz. Impa, die uns gegenüber auf einem hohen Sitzkissen kauert, bedenkt mich mit einem ruhigen, aber erwartungsvollen Blick.
»Hast du bereits über die nächsten Schritte deines Handelns nachgedacht, Loreena?«
Mit einem milden Lächeln nicke ich meiner Oma zu. »Ja, das habe ich Großmutter! Ich werde meine eigentliche Mission aufnehmen und nach Urbosa suchen. Sie soll mir im Kampf gegen Ganon helfen und ihren ehemaligen Titanen besteigen. Außerdem...« Mein Blick schweift zu Boden ab. »... kann mir Urbosa vielleicht noch etwas über Aira, meiner Mutter, erzählen. Ich wüsste zu gerne, wie genau Aira gestorben ist und warum die Gerudo mich ausgerechnet nach Goronia gebracht hat.«
»Verstehe!«, meint Impa und faltet die Hände auf ihrem Schoß. »Doch dieses Mal wirst du nicht allein gehen. Link soll dich begleiten, damit sich die Sache von letztens nicht noch einmal wiederholt. Dein Cousin ist ein begnadeter Schwertkämpfer, er wird dir auf deiner Reise eine große Hilfe sein.«
Mein naher Verwandter, der zu meiner Linken sitzt, nickt mir entschlossen zu. Dankbar erwidere ich ein Lächeln.
»Das ist sehr nett von euch. Natürlich erfreue ich mich an etwas Gesellschaft«, sage ich an Link gerichtet. Im Anschluss wende ich mich wieder meiner Großmutter zu. »Ich möchte heute noch aufbrechen. Aber zunächst möchte ich noch einen letzten Brief verfassen, danach werde ich mein Gepäck zusammenpacken.«
»So sei es!«, spricht Impa. »So wünsche ich euch eine gute Reise und hoffe, dass Hylias Segen euch auf eurem Weg begleiten wird!«
Nachdem wir unsere Teerunde beendet haben, ziehe ich mich mein Zimmer zurück. Ich rutsche den Stuhl vom Tisch weg und setze mich. Feder, Papier und Tintenfass befinden sich immer noch auf der Tischfläche. Zögerlich nehme ich ein Pergament in die Hand und greife nach der Schreibfeder. Nachdenklich gestimmt drücke ich das weiche, gefiederte Ende der Feder gegen meinen Mund.
Der Brief an Daruk müsste längst eingetroffen sein, falls sich der Falke nicht verflogen oder einen Hitzekoller erlitten hat. Diese Nachricht, die ich jetzt schreiben möchte, ist dieses Mal jedoch nicht für meinen Bruder. Meinen zweiten Brief möchte ich Sidon zukommen lassen. Schließlich habe ich ihn mit einem Elektropfeil geschockt, um zu verhindern, dass er mich begleitet. Dabei sind Zora äußerst empfindlich für Elektrizität. Ich hoffe es geht ihm gut und er hat sich von meiner hinterlistigen Attacke erholt. Eine ausführliche Entschuldigung wäre angebracht. Augenblicklich lege ich los und versuche mich dabei, so kurz wie möglich zu fassen.
Lieber Sidon,
nochmals will ich dich um Verzeihung bitten. Mir war klar, dass du mich nicht alleine ziehen lassen würdest. Glaub mir, ich wollte das nicht und wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte, hätte ich dich bestimmt nicht der lebensgefährlichen Elektrizität ausgesetzt. Ich hoffe sehr, dass es dir gutgeht.
Vielleicht freut es dich zu hören, dass ich Kakariko gefunden habe. Dort habe ich meine leibliche Familie angetroffen. Meine Mutter und mein Vater leben zu meinem eigenen Bedauern jedoch nicht mehr. Großmutter Impa hat mir allerdings etwas ziemlich Interessantes gezeigt. Als Seelenbändigerin bin ich in der Lage, Titanen zu erwecken. Das sind altertümlich Kriegsmaschinen. Für alle vier muss ich allerdings jeweils einen Piloten finden, der die heiligen Tiere steuert. Eine von den Recken meiner Mutter lebt noch. Sie heißt Urbosa und lebt in Gerudo-Stadt. Ich habe daher beschlossen in die Wüste zu reisen und sie zu suchen. Doch mach dir keine Sorgen, dieses Mal bin ich nicht allein. Mein Cousin Link wird mich begleiten.
Mein Herz hofft sehr, dass du mir verzeihen und mich verstehen kannst. Vor mir liegt eine unbekannte Reise, aber ich werde tun, was ich kann, um zu den Frieden in Hyrule meinen Teil beizusteuern.
Bis bald!
Deine Loreena Shania
Seufzend lege ich den Brief in einen Umschlag und mache mich anschließend daran, mein Gepäck zusammenzusuchen. Nachdem ich alles beisammenhabe, mache ich mich gemeinsam mit Link auf den Weg zum Falkenkäfig. Stumm wähle ich einen Falken aus, den ich für den Botenflug nach Ranelle am geeignetsten finde. Danach hole ich ihn aus dem Käfig, setze ihn auf meinen Arm und übergebe ihm den Brief. Im Anschluss hebe ich meine Hand und schicke ihn hinfort. Link steht mit seinem gesattelten Pferd neben mir, während ich dem Falken hinterhersehe, bis er nur noch ein Punkt am Firmament ist.
Der Greifvogel erinnert an mich meinen ehemaligen Gefährten. Ich kannte keinen Orni, der sich so geschmeidig in der Luft bewegen konnte, wie er. Wie gern ich ihn doch während seines Flugs betrachtet habe! Revali war ein solch schöner Orni. Alles an ihm war so perfekt. Ich habe ihn sehr geliebt. Immer wieder schmerzt die Tatsache auf's Neue, dass ich ihn für immer verloren habe. Der stolze Orni-Krieger wird mir nie verzeihen. Auch wenn seit unserer Trennung, bereits fast zwei Wochen vergangen sind, es tut trotzdem noch höllisch weh. Mein Herz blutet nach wie vor. Die Sehnsucht nach ihm ist nicht vergangen. Das wird sie wahrscheinlich nie.
»Bist du nun bereit?«, höre ich meinen Cousin fragen.
Mit kummervollem Gesichtsausdruck blicke ich in seine ausdruckslose Miene.
»Ja...«, antworte ich ihm ein wenig mutlos. »Lass uns aufbrechen!«
Nachdem wir uns von Großmutter, Paya und einigen anderen Shika verabschiedet haben, besteigt Link Epona und ich setze auf das antike Pferd auf. Mein Cousin reitet voran und ich fahre hinter ihm her. Der ausgezeichnete Reiter nimmt eine andere Straße aus Kakariko heraus, die neben Impas Haus. Als ich Link folge, schaue ich noch ein letztes Mal zurück. Irgendwie fühlt es nicht richtig an, meine Familie schon wieder zu verlassen. Doch irgendetwas sagt mir, dass es dieses Mal anders sein wird, als beim letzten Mal.
Nun ist es Nacht. Link und ich haben unser Nachtlager in einem Wald aufgeschlagen. Ich habe uns etwas Fleisch geröstet. Mein stiller Begleiter hat seine Portion brav aufgegessen, ich dagegen habe meine kaum angerührt. Zerknirscht starre ich auf meinen halbangeknabberten Fleischspieß. Link hat hierfür ein paar Rebhühner getötet. Wenn Revali wüsste, dass ich nun Geflügel esse, er würde mich angewidert und entsetzt ansehen. Orni essen zwar Fleisch, aber strickt kein Geflügel. Traurig muss ich schmunzeln, als ich daran denke, wie schockiert Revali Daruk angesehen hat, als mein Bruder ihm ein Stück Eldin-Strauß angeboten hat. Obwohl ich den Geschmack von Geflügelfleisch recht schätze, habe ich mich seither zurückgehalten und auf Revalis Bitte hin diese Fleischsorte nicht mehr angerührt. Nun hat mich mein Gefährte verlassen und ich könnte nach Herzenslust in die Fleischstücke hineinbeißen, doch jetzt habe ich festgestellt, dass mir Geflügel überhaupt nicht mehr schmeckt.
»Hast du keinen Hunger?«
Langsam schaue ich auf und bemerke Links besorgten Gesichtsausruck. Ob er bemerkt hat, dass ich nach wie vor unverbesserlichen Liebeskummer habe?
»Nein, ich...« Ich wende mein Gesicht von meinem Cousin ab und starre in die Nacht hinein. Soll ich ihm von Revali erzählen? Es täte gut, endlich mit jemanden darüber zu reden, außerdem scheint der stille Kerl ein guter Zuhörer zu sein, aber andererseits will ich ihn auch nicht mit meinen Problemen auf die Nerven gehen.
»Tut mir leid!«, entschuldigt sich mein Verwandter überraschender Weise bei mir und zuckt mit den Achseln. »Die Rebhühner waren wohl schon recht alt. Das Fleisch ist ein bisschen zäh.«
Leise lachend lege ich meinen bereits kalten Fleischspieß auf das Kochgeschirr ab und schüttle den Kopf.
»Das ist es nicht. Die Hühner trifft keine Schuld. Es ist nur... Nun ja, die letzte Zeit war recht... deprimierend. Deshalb verspüre ich seit kurzem auch keinen richtigen Appetit mehr. Entschuldige, dass du wegen mir fast umsonst jagen warst.«
»Schon gut!«, meint Link und lächelt mich reizend an.
Mein Gegenüber mag zwar etwas in sich gekehrt sein, aber er ist mir sympathisch und ich finde ihn ziemlich nett. Seine Schwester Paya mag ich auch sehr gern, obwohl sie recht schüchtern und traditionell ist.
Mein Blick streift das knisternde Feuer. Revali und ich haben, seitdem wir nach Eldin aufgebrochen sind, oft draußen in der Natur geschlafen und uns ans Lagerfeuer gekuschelt. Es war schön. Ich habe jeden Moment mit ihm genossen. Seine Federn hielten mich nachts warm und der ruhige Rhythmus seines Atems half mir stets beim Einschlafen. Meine Miene verdüstert sich. Keinen blassen Schimmer warum, aber plötzlich habe ich das Verlangen, einfach zu weinen. Mir fehlt Revali so. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemanden so schmerzlich vermissen könnte. Egal, was ich auch tue, ich kann nicht aufhören an ihn und an die schöne Zeit zu denken, die wir hatten. Schließlich kann ich es auch nicht mehr vermeiden, dass eine einsame Träne über meine Wange läuft.
Schockiert zuckt Link zusammen, als er meine Träne sieht. Ruckartig wische ich sie mir aus dem Gesicht, doch leugnen kann ich meinen Kummer nun nicht mehr.
Link wirft mir einen besorgten Blick zu und macht Anstalten von seinem Platz aufzustehen und zu mir zu gehen, doch ich erhebe kopfschüttelnd die Hand und bedeute ihm, sich wieder hinzusetzen.
»Mir geht es gut«, antworte ich ihm wenig überzeugt. »Ich fühle mich nur... einsam.«
Fragend blinzelt mich mein Cousin gerade an. Er legt den Kopf schief und setzt eine seltsame Grimasse auf.
Bewusst, dass er sich nun fragen muss, warum mir seine Gesellschaft nicht reicht, bewege ich mich dazu, doch über meinen Kummer zu sprechen. »Verstehe mich nicht falsch, Link, ich bin froh, dass du mich in die Wüste begleitest. Aber es gibt da jemanden, den ich sehr vermisse. Er war mal mein Beschützer, ein Orni. Er war vielleicht über den Maßen hinaus arrogant und von sich selbst überzeugt, aber er war etwas ganz Besonderes. Wir haben uns ineinander verliebt und er hat mir geholfen, wieder zurück zu den Goronen zu finden. Er hätte mich auch hierher nach Kakariko begleitet, aber...«
Revalis grüne Augen, in der sich Schmerz und Wut widerspiegeln, blitzen in meiner Erinnerung auf. Eine weitere Träne tröpfelt mir über das Gesicht. Mein Schmerz ist nichts im Vergleich, was ich ihm angetan habe. Ich habe es verdient, mich so elend zu fühlen.
Als ich mich wieder so einiger Maßen unter Kontrolle habe, erzähle ich weiter. »Auf dem Weg von Eldin nach Kakariko mussten wir durch Ranelle. Wir wurden von Echsalfos angegriffen. Ein Zora hat mich gerettet. Dieser Zora war mein Verlobter, stellte sich heraus. Aber ich konnte es nicht wissen, ich habe schließlich meine Erinnerungen verloren. Schon allein das war unverzeihlich. Revali war grundlos schon oft eifersüchtig genug, doch da hatte er einen driftigen Grund eifersüchtig zu sein, denn Sidon hat mich immer noch geliebt. Er wollte, dass ich mich wieder an ihn erinnere und bei ihm bleibe. Ich hätte auf Revali hören und nie mit Sidon zurück in die Domäne gehen sollen. Aber ich wollte meinen Ex nicht verletzen, ich wollte nur das Richtige tun.«
Es folgen immer mehr Tränen. Im nächsten Augenblick fischt Link ein Taschentuch aus seiner Tasche und reicht es mir. Dankbar nehme ich es an und putze mir die Nase.
»Ich war so hin- und hergerissen zwischen den beiden. Ich habe beide geliebt, aber letztendlich habe ich mich für Revali entschieden. Er war einfach alles für mich. Das mit Sidon war etwas völlig anderes, es war nicht dasselbe. Revali und ich wollten die Domäne schon verlassen, doch dann hat er sich mit Sidon geprügelt und wir waren dazu gezwungen, doch noch eine Nacht zu bleiben. Revali war dann natürlich sauer, weil ich in seinen Augen Sidon mehr verteidigt habe, als ihn. Dabei habe ich mich doch nur vor Sidon geworfen, weil Revali ihn mit Pfeil und Bogen fast umgebracht hätte. Revali hat es nicht verstanden, so haben wir gestritten und ich bin abgehauen. Schließlich bin ich zu Sidon, um mich bei ihm zu entschuldigen und ihn zu heilen. Wir haben geredet und beschlossen, Freunde zu bleiben.«
Wieder schnäuze ich und trockne mein Gesicht. Nun hole ich Luft für den Rest des Dramas. »Ich und Sidon haben die ganze Nacht über geredet. Am nächsten Morgen habe ich nach Revali gesucht, aber ihn nicht gefunden. Am See bin ich dann wieder Sidon begegnet und wir haben uns unterhalten. Revali hat uns dabei belauscht. Als ich dann in mein Zimmer zurückgekehrt bin, habe ich mitbekommen, dass er vorhatte, zu packen. Ich wollte mit ihm reden, doch Revali hat mir nicht zugehört. Er hat unser Gespräch völlig falsch verstanden. Er meinte, ich hätte mit Sidon geschlafen und wäre zu ihm zurück. Als Revali mir dann auch noch vorgeworfen hatte, er wäre für mich nur ein Pausenfüller, habe ich rotgesehen. Ich habe zu ihm gesagt...« Meine Stimme wird wieder ganz weinerlich, doch trotzdem rede ich mir unaufhörlich den Kummer von der Seele. »Ich habe gesagt, dass er niemals lieben kann und schon gar nicht geliebt wird. Aber das stimmt nicht, ich habe ihn geliebt, ich liebe ihn immer noch und ich werde ihn auch immer lieben. Doch das nützt jetzt auch nichts mehr, diese Worte kann ich nicht mehr zurücknehmen. Es ist unverzeihlich! Ich habe ihn so verletzt.«
Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich sanft tätschelt. Verwundert fahre ich hoch und blicke ihn Links aufmunterndes Gesicht. Er sagt nichts, sondern lächelt mich einfach nur warm an.
»Entschuldige...«, bitte ich ihn schniefend um Verzeihung. »Ich wollte dich nicht volllabern.«
»Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. Mir war klar, dass dich etwas beschäftigt. Seitdem du bei uns warst, wirktest du so traurig.« Links Stimme klingt beruhigend.
Mit einem Mal fühle ich mich besser. Es hat wirklich gutgetan, über meinen Liebeskummer zu reden.
Doch einen Moment später wird es mir wieder unangenehm und ich versuche von mir abzulenken. »Hast du eigentlich jemanden, der dir sehr nahesteht, Link?«
Mit dieser Frage scheint mein Cousin, nicht gerechnet zu haben. Meine Ohren vernehmen ihn sogar schlucken. Verlegen kratzt sich Link am Oberarm und schaut betreten zur Seite.
»Nein...«
»Komisch!«, erwidere ich ihm, weil mich die Antwort überrascht. »Mir ist aufgefallen, dass dir die Mädchen im Dorf ziemlich sehnsüchtige Blicke zuwerfen. Du scheinst ja regelrecht, ein Frauenschwarm zu sein.«
»Das mag sein«, höre ich Link murmeln, der sich weigert, mich an zu sehen. »Nur stehe ich nicht auf Frauen...«
Diese Antwort erstaunt mich sogar noch mehr. Das bedeutet wohl, dass mein Cousin sich zu Männern hingezogen fühlt. Doch das stört mich nicht, im Gegenteil. Sein Geständnis zeigt mir, dass er mir vertraut. Als ich mit Sidon zusammen war, hat er mir erklärt, dass es unter den Zora recht häufig vorkommt, dass jemand das gleiche Geschlecht attraktiver findet. Sidon findet sogar Frauen und Männer interessant. Die Tatsache war zunächst etwas fremd für mich, da Goronen nie gleichgeschlechtliche Beziehungen hatten. Aber Liebe bleibt Liebe! Schließlich macht die Vielfalt uns menschliche Wesen aus. Es ist schön, wenn jeder auf eine andere Art und Weise liebt. Die Hauptsache ist ja, dass man liebt und geliebt wird. Das geht auch für Beziehungen zwischen verschiedenen Rassen. Revali ist ein Orni und ich eine Hylianerin. Viele haben auch unsere Liebe nicht verstanden. Das ist mir aufgefallen, als ich und Revali in Hateno waren und ich drei sonderbaren Jägern begegnet bin. An ihre abfälligen Kommentare kann ich mich noch gut erinnern. Doch Revali hat sich darum gekümmert und ihnen mit seiner herrisch kalten Art einen ziemlichen Schreck eingejagt.
»Bestimmt ist es schwer, im Shika-Dorf einen passenden Mann für dich zu finden. Die wirken alle ziemlich traditionell«, erwidere ich meinem Cousin und lächle dabei sanft.
»So ist es, aber...« Ich sehe Link an, dass ihm das Gespräch irgendwie unangenehm ist, daher überrascht es mich nicht, dass er das Thema wechselt. »Lass uns den Weg zur Wüste noch einmal durchgehen!«
Stumm stimme ich zu. Ich hole den Shika-Stein hervor und übereiche ihn meinem Cousin. Da auch er ein Halb-Shika ist, gelingt es ihm das Karten-Modul aufzurufen. Gemeinsam mit mir zoomt er durch die Karte und sucht nach dem passenden Weg.«
Mit sehnsüchtiger Miene stehe ich gemeinsam mit Link auf dem Scheideweg. Der eine Pfad führt direkt in die Wüste und der andere nach Tabanta.
»Was ist?«, fragt mich Link und reitet mit Epona an mich heran.
Gebannt starre ich auf die Schilder. Wie es Revali jetzt wohl geht? Ob er mich schon vergessen hat? So wie ich den Recken kenne, wird er die Gedanken an mich einfach abschütteln und nach besten Möglichkeiten ignorieren. Der Orni erlaubt sich nämlich keine Gefühle, wenn sie ihn ablenken. Er hat wahrscheinlich seine Aufgaben als Anführer der Krieger wieder voll aufgenommen und macht weiter, wie bisher. Wie er wohl reagieren würde, wenn ich plötzlich vor ihm stehe? Er würde mich wegstoßen wollen, glaube ich. Vielleicht gibt er mir auch keine Möglichkeit, mich zu erklären. Auf diese Gefahr hin könnte es hinauslaufen, aber vielleicht ist das ja meine letzte Gelegenheit, Revali zu sehen und mich mit ihm auszusprechen. Es besteht immer noch der winzige Hauch von Chance, dass wir doch noch wieder zusammenkommen. Doch letztendlich wird das nur ein Wunsch von mir bleiben, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass der Orni mir jemals vergeben wird. Doch trotz allem...
Ohne mein Augenmerk von den Schildern zu heben, stelle ich Link eine Gegenfrage, statt ihn zu antworten. »Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir einen kleinen Umweg in Kauf nehmen?«
Als Erwiderung zeige ich auf das rechte Schild, das noch Tabanta zeigt.
»Du willst also nach Tabanta. Aber warum?«
Als ich zu dem Reiter hochblicke, bemerke ich sein verblüfftes Gesicht.
»Da gibt es eine Angelegenheit, die ich klären möchte, bevor wir unsere Reise zur Wüste antreten«, meine ich zu meinem Cousin.
Zunächst blinzelt mich Link immer noch recht verwirrt an, doch dann beginnt er, zu verstehen. Wissentlich lächelt er auf mich herab. »Es geht um den Orni, von dem du mir erzählt hast, stimmts?«
Seufzend nicke ich, während ich unverändert auf meinem antiken Pferd sitze.
Link wirft mir einen brüderlichen Blick zu, als er auffordernd die Hand in meine Richtung streckt. »Würdest du mir kurz den Shika-Stein geben?«
Ohne zu zögern hole ich das altertümliche Gerät aus meiner Tasche und übergebe ihm den Shika-Stein. Während der erfahrene Schwertkämpfer die Karte aufruft, tätschle ich Eponas Nüstern, die mir wiehernd ihr Gesicht zuwendet.
»Du bist ein braves Pferd«, lobe ich die Stute und streichle sie ganz sanft.
Nach einer Weile hebe ich meinen Blick von dem gutmütigen Pferd und betrachte meinen Cousin, der sein Gesicht zu einer nachdenklichen Schnute verzogen hat.
»Von hier aus ist es nicht weit nach Tabanta. Wir sollten am späten Nachmittag oder am frühen Abend dort sein. Lebt der Orni, den du suchst, in einen der Siedlungen oder...«
Hektisch schüttle ich den Kopf. »Er lebt direkt im Dorf.«
»Gut... Vor dem Dorf der Orni ist ein Stall. Dort kann Epona rasten. Von Tabanta aus können wir dann über das Gerudo-Hochland im Süden zur Wüste aufbrechen.«
»Also macht es dir nichts aus?« Meine Augen glänzen im Angesicht der Vorfreude, vielleicht doch noch Revali sehen zu können.
Leicht vergnügt schüttelt Link den Kopf.
»Danke, Link!« Euphorisch strahle ich meinen Cousin an und intensiviere die Streicheleinheiten für Epona.
Auf dem antiken Pferd nähere ich mich dem Orni-Felsen. Schon bereits von Weitem kann ich seine charakteristische Gestalt erkennen. Links Pferd trabt gemütlich neben mir her. Je näher wir kommen, desto lauter klopft mein Herz. Ich werde Revali wiedersehen. Wie er wohl reagieren wird? Zunächst wird er mich ignorieren, denke ich, am Schluss wird er wütend werden und mich wegschicken wollen. Ob ich ihn dazu bringen werde, mir zu zuzuhören? Ob wir uns wieder versöhnen? Mit jedem Hufschritt, den Links Pferd macht, sinkt mir der Mut. Kurz bin ich sogar dazu versucht, meine Maschine zu wenden und in die falsche Richtung zu fahren. Doch das werde ich nicht tun, die Sehnsucht nach dem dunkelblauen Orni ist stärker.
Erst als der See sich unmittelbar vor mir befindet, bremse ich. Epona kommt neben mir zum Stehen. Ich spüre den Blick meines Cousins auf mir, doch er schweigt.
Lange und ausgedehnt seufze ich, schlucke den Kloß, der sich in meinen Hals gebildet hat hinunter.
»Dort hinten befindet sich der Stall. Wir bringen Epona dort unter und stellen meine Maschine ab. Über den Brücken gelangen wir dann ins Dorf«, erkläre ich dem stillen Krieger.
Links blaue Augen starren mich einfach nur an, als ich zu ihm aufblicke. Seine ausdruckslose Miene verändert sich.
»Ist es dir lieber, wenn ich außerhalb des Dorfes auf dich warte?«
Verwirrt blinzle ich meinen Cousin an. Ich habe mich so an seine Gesellschaft gewöhnt, dass ich eigentlich gar nicht will, dass er mich nicht begleitet. Andererseits weiß ich nicht, wie Revali auf mich reagieren wird, geschweige denn, wie er sich verhalten wird, wenn ich dann auch noch in Begleitung bin.
»Vermutlich ist es wirklich das Beste, wenn ich alleine gehe«, meine ich zu Link, nachdem ich ein weiteres Mal nicht gerade geräuschlos die Luft ausgestoßen habe. »Ich verspreche dir, ich werde so schnell machen, wie möglich.«
Zu meiner Überraschung wirft mir mein Cousin einen verständnisvollen Blick zu und lächelt warm. »Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst! Ich werde derweil bei den Ställen bleiben und mich um Epona kümmern.«
Zaghaft lächle ich.
Nachdem ich Link, Epona und mein antikes Pferd bei dem Stall zurückgelassen habe, überquere ich die Brücken. Leise knarzt das Holz unter meinen Füßen und übertönt, den unruhigen Takt meines Herzens. Mein Körper zittert vor Aufregung und mein Magen zieht sich schmerzlich zusammen. In diesem Moment rufe ich mir Revalis bitterkalten Blick ins Gedächtnis. So wird er mich wahrscheinlich begrüßen, wenn er mich sieht. Vielleicht gibt er mir nicht mal die Chance dazu, den Mund aufzumachen. Womöglich fliegt er weg, in unerreichbare Höhen, dort, wo ich ihn nicht finden kann. Ich weiß nur zu gut, dass Revali gerne gefühlvolle Konfrontationen aus dem Weg geht.
Am Ende der drei langen Hängebrücken erkenne ich einen Orni, einen Wächter. Er hält eine Elster-Lanze in den Flügeln. Sofort mache ich mich bereit, Masuli zu begrüßen, doch dann bemerke ich, dass es sich nicht um den Falken-Orni handelt. Eigentlich ist es Sitte, dass der oberste Wächter den Eingang zum Dorf bewacht.
Verwirrt bleibe ich vor dem unbekannten Orni stehen und grüße ihn. »Hallo...«
»Sei gegrüßt, Hylianerin! Leider muss ich Euch sagen, dass für Auswertige eine Eingangssperre verhängt worden ist, ein Befehl von unserem obersten Krieger.«
»Und ich nehme an, wenn du mich bei Revali anmeldest, wird er mich trotzdem nicht reinlassen, oder?«
»Ihr kennt Revali? Wer seid Ihr denn?«
»Mein Name ist Loreena...« Als er mich skeptisch anblickt, schüttle ich den Kopf und korrigiere mich. »Entschuldige... Shania... Ich heiße Shania! Ich bin...«
»Die Auserwählte!?!« Überwältigt zuckt der hellgraue Orni mit den schwarzen Punkten zusammen.
»Ja...«, murmle ich und verziehe das Gesicht, denn ich hasse es, so genannt zu werden. »Könntest du ihn bitte herbitten und...«
»Oh, ich bin untröstlich, sehr verehrte Auserwählte! Leider ist Master Revali verhindert.«
Gerade in diesem Moment fällt mir reges Treiben oben im Dorf auf.
»Was ist denn da los?«, frage ich die Wache.
»Die Vorbereitungen zur Hochzeit sind im Gange.«
Als ich das Wort Hochzeit höre, schnürt sich mir augenblicklich die Kehle zu. Revali wird sich doch nicht mit einer Orni-Frau vermählen. Nein, das kann nicht sein! Es sieht ihm gar nicht ähnlich, zu solch überstürzten Mitteln zu greifen.
»W-wer heiratet denn?«, stammle ich furchtsam, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich die Antwort hören möchte.
»Masuli, unser oberster Wächter!«, erwidert mir der Orni.
Erleichtert seufze ich auf. Deshalb ist Masuli also nicht hier. Das erklärt Einiges.
»Hylia sei Dank...«, nuschle ich.
Fragend schaut mich der Orni an. »Wie bitte?«
Zäh lächle ich und schüttle den Kopf. »Schon gut! Könntest du mich dann bei Teba anmelden?«
»Natürlich, bitte wartet hier, sehr verehrte Auserwählte!«
Der Orni dreht sich um und verschwindet. So setze ich mich ins Gras und warte. Dabei frage ich mich, warum Revali für Hylianer eine Eingangssperre verhängt hat. Ich bezweifle, dass es mit mir zu tun hat, trotzdem bleibt die Angst bestehen, ich könnte seinen Hass gegen Hylianer geschürt haben. Er mochte Hylianer nämlich nie besonders.
Eine halbe Ewigkeit vergeht, bis Tebas silbergraue Gestalt am Himmel auftaucht. Ruckartig erhebe ich mich vom Boden, mache dem Orni Platz und warte geduldig bis er gelandet ist. Tebas Krallen graben sich in die Erde, ziehen eine tiefe Spur in den Boden. Höchst verwundert mustern mich seine gelben Augen, als er auf mich zuschreitet, fast so anmutig, wie sein Bruder.
»Shania? Was tust du denn hier?« Seine Stimme sagt mir, dass ich wohl die Letzte bin, mit der er gerechnet hat.
Missmutig wende ich den Blick von ihm an und starre zum See hinab. »Ich wollte zu Revali...«
»Shania... Also...« Teba zögert, hebt seinen Kopf und schaut zu dem Dorf hinauf.
Ob er es mir verbieten würde, zu seinem Bruder zu gehen, weil ich ihn verletzt habe? Revali wird ihm sicher erzählt haben, was passiert ist, auch wenn ich weiß, dass mein ehemaliger Gefährte nicht gerade der Geschwätzigste ist, wenn es um seine Gefühle geht. Wird Teba mir verzeihen?
Betreten schaue ich zu Boden. Mich sollte es nicht wundern, wenn Revalis Bruder mich jetzt auch hassen würde.
»Wir beide sollten zu meinem Haus gehen und dort reden. Komm!« Teba vollzieht eine winkende Bewegung mit seinem Flügel und bedeutet mir, ihm zu folgen.
Zaghaft nicke ich und gehorche dem silbergrauen Adler-Orni. Über die letzte Brücke folge ich ihm ins Dorf. Ich steige die vielen Leitern und Treppen hoch, bis wir schließlich seine Behausung erreichen. In freudiger Erwartung Saki und Tulin wiederzusehen, betrete ich Tebas Hütte. Enttäuscht bleibe ich im Eingang stehen, als ich bemerke, dass niemand hier ist.
»Saki ist nur zu ihren Freundinnen gegangen und Tulin ist bei Molly«, erklärt mir Teba, als er mein enttäuschtes Gesicht erkennt und sich an mir vorbeidrängt.
Er schlendert zu dem großen Tisch hinüber und bedeutet mir mich hinzusetzen. Mit betrübtem Gesichtsausdruck folge ich ihm und setze mich auf ein Sitzkissen.
»Tee?«, bietet mir Teba unter einem Blick an, den ich nicht deuten kann.
Ich schüttle nur den Kopf. »Nein, danke!«
»Ich dachte, du seist in der Wüste«, meint Teba plötzlich und setzt sich hin.
Entgeistert sehe ich den Orni an. »W-woher weißt du denn das?«
Anstatt mir zu antworten, seufzt Teba. Kurz schließt er die Augen. Als er sie wieder öffnet, erkenne ich großes Bedauern darin. »Ich gehe wohl davon aus, dass du hier bist, um dich mit Revali auszusprechen, nicht?«
Ich nicke.
»Es tut mir wirklich leid, Shania! Du hast ihn knapp verpasst. Er ist losgezogen, um dich zu suchen.«
»Revali sucht mich?« Meine Pupillen weiten sich hoffnungsvoll.
»Ja... Daruk war vorgestern hier und hat ihn um Hilfe gebeten. Er war davon überzeugt, dass du dich in Schwierigkeiten bringen würdest.«
»Ist Revali etwa mit Daruk aufgebrochen, um mich zu finden?«
»Sie sind in Richtung Wüste. Sie vermuten, dass du nach Gerudo-Stadt wolltest.« Nachdenklich gestimmt greift Teba nach seinem Schnabel.
»Wie lange ist das her, Teba?«
»Sie sind gestern aufgebrochen.«
Während ich versuche, meine Gedanken zu sammeln, streift mein Blick durch den Raum. Daruk hat offenbar meinen Brief erhalten. Offensichtlich macht er sich große Sorgen um mich und hat Revali um Hilfe gebeten. Dass der Orni tatsächlich mit ihm mitgegangen ist, kann nur bedeuten, dass er sich auch um mich sorgt. Kann es sein, dass er mir verzeiht? Will er mich wieder zurück? Revali wäre niemals gegangen, wenn es nicht so wäre. Es muss so sein. Sofort mache ich mir Hoffnungen. Allerdings bedauere ich es auch sehr, dass ich einen Tag zu spät bin.
Plötzlich bleibt mein Blick auf etwas Ovalem haften. Nicht weit von hier befindet sich ein großes Ei, weich gebettet in einem Nest. Prompt erschrecke ich. Ist das etwa ein Orni-Ei?
»Was ist das?« Die Worte kommen mir nur zögerlich über die Lippen, so überrascht bin ich.
Teba dreht sich um, folgt meinem Blick. Sein Augenmerk bleibt auf dem Ei hängen. Mit einem Mal fliegt ein breites Lächeln über seinen Schnabel.
»Das ist mein zweites Kind«, erwidert mir der Orni freudestrahlend.
Mir fällt die Kinnlade herab, als mir klar wird, dass Teba und Saki wieder Eltern werden. Nur langsam komme ich wieder zu Gesinnung.
»Wow... Teba... Das freut mich für euch!« Obwohl ich nicht weiß, ob sich das geziemt, stehe ich von meinem Sitzkissen auf und umarme Revalis Bruder.
Teba ist so überrascht, dass sein Flügel gegen den Tisch knallt. Es verwundert mich selbst, als der Ornis schließlich meine Umarmung erwidert.
»Also... so eine Reaktion hätte ich von Revali auch erwartet, aber... nun ja...«
Abrupt weiche ich von Teba zurück und schaue ihn verwirrt an. »Wieso? Wie hat er denn reagiert?«
Teba verzieht das Gesicht. »Er war wütend, um es gelinde auszudrücken.«
Der silbergraue Adler-Orni steht von seinem Kissen auf, nimmt mich an der Hand und zieht mich zu seinem ungeborenen Kind hinüber. Nun stehe ich direkt vor dem Ei, beäuge es mit wachsender Faszination. Ich kann es kaum fassen, darin steckt ein echter, kleiner Orni.
»Saki hat es vor wenigen Wochen gelegt«, meint Teba stolz. »Es dauert allerdings noch einige Monate, bis es schlüpft.«
»Ob es wohl ein Junge oder Mädchen wird?«, denke ich laut nach und beuge mich etwas zu dem Orni-Ei hinunter.
»Saki hätte gern ein Mädchen«, erwidert mir Revalis Bruder.
Meine Augen können sich einfach nicht von dem kleinen Wunder trennen. Dieses Ei, diese hellgraue Schale, das leicht gesprenkelte Muster, es ist so unbeschreiblich schön. Zögerlich strecke ich die Hand aus, halte aber sofort inne. Das ist nicht mein Ei! Finger weg! Verlegen erröte ich sofort und ziehe die Hand zurück.
»Nur zu! Du kannst es gern berühren und dein Ohr dagegenhalten. Saki hat bestimmt nichts dagegen.«
Ich traue mich kaum zu fragen, aber... Sitzen Orni auch auf ihren Eiern, wie Vögel und brüten sie aus? Des Öfteren habe ich Revali auch solche Fragen gestellt, über Orni und ihre Sitten, aber meistens habe ich von ihm nur eine empörte Antwort erhalten. Gelegentlich fand er meine Unwissenheit unterhaltsam, doch meistens war er davon nur genervt.
»Darf ich wirklich?«, frage ich den werdenden Vater nochmal um Erlaubnis und deute unschlüssig auf das Ei.
»Aber natürlich, Shania! Du gehörst doch zur Familie.«
Gerade wollte ich mein Ohr an das kleine Wunder pressen, da halte ich geschockt inne.
»Was? Was hast du eben zu mir gesagt?«
Als der Orni meinen Gesichtsausdruck erblickt, lächelt er mich an und geht auf mich zu. Behutsam legt er mir einen Flügel über die Schulter.
»Shania, ich weiß, was passiert ist! Das mit dem Zora-Prinzen und dir... Revali hat euch am Fluss belauscht, doch er hat nur die Hälfte mitbekommen. Bevor du ihn verlassen konntest, was er zu Unrecht befürchtet hat, dieser sture Idiot, hat er dich verlassen. Er konnte es einfach nicht ertragen, aus deinem Mund zu hören, dass du dich für jemand anderes entschieden hast. Ich weiß, du brauchst nichts sagen, du hast dich nie gegen Revali entschieden. Du hättest ihn sehen sollen, er war völlig fertig. Aber hätte er dir zugehört, hätte er nie mit diesem Schmerz leben müssen. Aber ich bin mir sicher, Shania, ihr zwei werdet wieder zusammenfinden. Das weiß ich, ihr beiden seid füreinander geschaffen.«
Langsam ergreife ich Tebas Flügel und drücke ihn sanft. »Danke, Teba!«
»Und nun begrüße deinen zweiten Neffen oder deine kleine Nichte«, frohlockt der gutgelaunte Orni.
Ein letztes Mal nicke ich Revalis Bruder dankend zu, dann wende ich meine Aufmerksamkeit dem Ei zu. Zunächst lege ich meine Hände ganz vorsichtig auf die Eierschale. Bei der Berührung fahre ich ein wenig zusammen, denn ich habe nicht erwartet, dass es sich so warm anfühlt. Im Anschluss presse ich mein Ohr ganz sachte dagegen. Natürlich höre ich nichts, dafür ist es viel zu früh, aber es ist ein schönes Gefühl. Wohlige Wärme breitet sich in meinem Bauch aus. Ich fühle mich so glücklich. Vielleicht bekomme ich ja eines Tages auch Kinder. Zwar werde ich niemals ein Ei legen, aber es wäre schön, das Wunder der Geburt selbst mit zu erleben. Wer weiß, vielleicht ist Hylia mir ja gnädig. Vielleicht belohnt sie mich ja eines Tages mit einem Kind. Allerdings würde ich wollen, dass nur Revali der Vater meiner Kinder ist, einen anderen Mann würde ich niemals wollen. Mir ist klar, dass ich mich nie wieder verlieben werde, falls Revali und ich nicht mehr zusammenfinden werden.
»Teba! Du glaubst gar nicht, was ich eben erfahren habe«, höre ich Saki rufen, bevor ich sie überhaupt sehen kann. Langsam entferne ich meinem Kopf von dem Ei.
»Das kannst du mir gerne erzählen, aber vielleicht solltest du zuerst reinkommen«, schreit Teba als Antwort.
Mit einem Mal steht die pinkfarbene Orni im Raum. Als sie mich sieht, versteift sich ihr Körper.
»Saki!«, rufe ich, komme auf sie zu und lächle erwärmt.
Stürmisch umarmt sie mich. Ihre Flügel schlingen sich eng um meine Erscheinung. Gerade jetzt wird mir klar, wie sehr ich sie alle vermisst habe. Hier bin ich Zuhause, hier ist mein Leben. Der Einzige, der noch fehlt ist Tulin... und natürlich Revali. Doch ich werde ihn finden, meinen liebsten Orni. Bald wird alles wieder gut, jetzt, wo ich neue Hoffnung geschöpft habe.
»Shania, was machst du eigentlich hier? Ich hätte gedacht...« Saki weicht ein wenig von mir zurück. Ihr Blickt ist mit liebevoller Wärme getränkt.
»Ich weiß, ich weiß«, lache ich. »Aber ich wollte zuerst noch einen kleinen Zwischenstopp einlegen.«
Meine gefiederte Freundin wirft ihren Blick einen vielsagenden Blick zu. »Nur zu schade, dass Revali nicht hier ist.«
Teba zuckt mit den Achseln. »Er ist bestimmt schon im Gerudo-Hochland.«
»Ist schon okay«, meine ich und seufze lange und ausgedehnt. »Wir werden uns schon über den Weg laufen... Denke ich.«
Als ich missmutig den Kopf sinken lasse, tritt Teba auf mich zu. Er berührt meine Schulter und sieht mich aufmunternd an.
»Mach dir keine Sorgen!«
Tebas positive Art tut mir in der Seele gut.
»Erzählt ihr mir nun, was ich in meiner Abwesenheit alles verpasst habe?« Grinsend schaue ich das Orni-Paar an und wirke schon etwas fröhlicher.
Schließlich setzen wir uns. Teba und ich nehmen auf den Sitzkissen Platz, während Saki es sich auf ihrem Ei gemütlich macht. Fasziniert beobachte ich die rosafarbene Orni dabei. Noch nie habe ich einen Vogelmenschen auf einem Ei sitzen sehen. Irgendwie wirkt es komisch, aber andererseits hat der Anblick auch etwas ziemlich Niedliches.
Aufmerksam höre ich dabei Teba zu, der mir von ein paar Angriffen von Monstern erzählt, die versucht haben, in das Dorf einzudringen. Außerdem erfahre ich, dass Hertis von einem Monster verletzt wurde, während er versucht hat, gemeinsam mit den anderen das Dorf zu verteidigen. Ohne zu zögern biete ich meine Hilfe an. Teba grinst breit und meint, dass er genau das von mir erwartet hat.
»Warum hat Revali eine Eingangssperre für Hylianer angeordnet?«, frage ich den silbergrauen Orni, als wir die Treppe hinaufsteigen.
Während Teba weitergeht, dreht er sich leicht zu mir um. »Oh, das gilt nicht nur für Hylianer, sondern für alle, die keine Orni sind. Seitdem die Angriffe von Monstern sich häufen, sind wir vorsichtiger geworden. Aus diesem Grund darf niemand mehr ins Dorf.«
»Verstehe...«, murmle ich. »Hertis ist also auch ein Opfer von diesen Monsterangriffen?«
»Leider ja. Er wollte nur helfen. Zwar ist er ein hervorragender Schütze, aber nicht gerade der beste Krieger. Aber sag ihm das nicht, das würde nur seinen Stolz kränken.«
»Keine Sorge!«, versichere ich Revalis Bruder.
Ehe wir uns versehen, stehen wir vor Hertis Werkstatt. Vergnügte Kinderstimmen dröhnen zu uns nach draußen. Zuerst betritt Teba die Hütte, ich folge ihm sofort. Kaum habe ich einen Fuß in den Raum gesetzt, fällt mir auf, dass es seit dem letzten Mal etwas Unordentlicher zugeht. Hertis hat offenbar schon eine Zeit lang nicht mehr aufgeräumt.
»Tante Shania!«
Überrascht fahre ich zusammen, als sich plötzlich zwei kleine Flügel um meinen Fuß schlingen. Freudestrahlend blicke auf den kleinen grauen Orni hinab, der mich rührselig umarmt. Sanft tätschle ich den kleinen Kopf des Jungen.
»Hallo, Tulin! Wie geht es dir?«, begrüße ich Tebas Sohn.
»Gut!«, ruft Tulin zu mir hoch. »Hast du mir ein Geschenk mitgebracht? Onkel Revali hat meins leider vergessen, so wie es aussieht.«
Einen Augenblick lang schmunzle ich, dann muss ich lachen. »Mach dir nichts draus! Onkel Revali überlässt mir das Geschenke besorgen. Selbstverständlich habe ich etwas für dich dabei. Aber das bekommst du erst später, wenn du Zuhause bist. Jetzt muss ich erst einmal...«
In meiner Reisetasche befinden sich noch ein paar Edelsteine aus Eldin. Ich habe nämlich nicht alle Purah gegeben. Die bunten Steinchen werden Tulin sicher gefallen.
»Bist du etwa hier, um meinen Papa zu heilen?«, piepst mich plötzlich jemand an.
Langsam blicke ich nach links und bemerke eine kleine fliederfarbene Gestalt auf mich zukommen. Es ist Molly, Hertis Tochter.
»Guten Tag, Molly!«, grüße ich das Orni-Mädchen. »Ja, deshalb bin ich hier! Wo ist er denn?«
»Im Nebenraum!«, antwortet mir die Kleine und packt meine Hand mit ihrem winzigen Flügel. »Komm, ich bringe dich zu ihm!«
Während mich Molly zu dem Bogenbauer in den Nebenraum führt, bleibt Teba mit Tulin im Laden zurück.
»Papa ist seitdem Unfall ganz seltsam«, erzählt mir das Mädchen. »Er wird schnell sauer und hat zu gar nichts mehr Lust.«
Mitfühlend beäuge ich die Kleine. »Sei nicht traurig, Molly! Das liegt nur da dran, dass dein Papa seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann, deshalb ist er ein wenig verstimmt. Aber das wird sich bald ändern, ich mache deinen Papa wieder heile.«
Die Fliederfarbene wendet mir ihr Gesicht zu und strahlt mich fröhlich an. »Gut! Ich bin ja so froh, dass du wieder da bist. Jetzt darfst du aber nicht mehr weggehen, ja?«
Verbittert verziehe ich die Miene. Leider muss ich aber, lange kann ich nicht bleiben. Doch ich bringe es nicht übers Herz, ihr das zu sagen.
Eilig betritt Molly mit mir im Schlepptau den Nebenraum. In einer Ecke auf einem ausladenden Nest sitzt der Bogenbauer. Er lässt den Kopf hängen und brummt gepeinigt vor sich hin. Revali hat mir mal erzählt, dass Orni in Nestern liegen, wenn sie krank oder verletzt sind.
»Papa! Papa!«, quietscht seine Tochter überschwänglich vor Freude. »Sieh her, wen ich dir mitgebracht habe! Bald hast du keine Schmerzen mehr.«
»Molly, ich habe dir doch gesagt, ich brauche keinen Heiler mehr...«
Hertis hebt seinen strengen Blick. Schockiert fährt der dunkle Orni zusammen, als er mich erkennt. Seine Augen werden groß.
»Lässt du mich und Papa kurz alleine, Molly?«, meine ich an das Orni-Mädchen gewandt, die sofort eifrig nickt.
»Ich gehe wieder zu Tulin und seinem Papa.«
Geduldig warte ich, bis die Kleine verschwunden ist, dann wende ich mich Hertis zu.
»Mit dir hätte ich am wenigsten gerechnet«, gesteht mir der Bogenbauer und blinzelt mich weiterhin ungläubig an.
»Glaub mir, das höre ich heute nicht ersten Mal«, erwidere ich ihm mit einem Lächeln im Gesicht. Im Anschluss gehe ich auf ihn zu und deute auf seinen Flügel. »Darf ich ihn mir mal ansehen?«
Anstatt mir zu antworten, nickt er nur. Der Orni mit den über den Scheitel gekämmten dunklen Haaren lässt mich dabei nicht aus den Augen. So kniee ich mich vor dem Bogenbauer nieder und greife ganz vorsichtig nach seinem Flügel. Schon bald bemerke ich, dass die Schwinge böse geschwollen ist. Es muss Hertis auch ziemlich wehtun, denn ich habe ihn kaum berührt, da verzieht er schon den Schnabel.
»Das bekommen wir wieder hin«, diagnostiziere ich schließlich. »Aber ich muss den Knochen erst richten, bevor ich ihn wiederzusammenwachsen lasse. Ich will dich ja nicht verschrecken, aber...«
»Mir ist schon klar, dass das nicht schmerzlos wird. Aber bitte, tu, was du kannst! Ich kann keinen Tag länger einfach nur faul herumsitzen und nichts tun, während es im Dorf drunter und drüber geht. Die anderen brauchen mich, sie brauchen Bögen und ich kann keine bauen mit diesem Flügel.« Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, erhebt er seine gebrochene Schwinge ein Stück, lässt sie aber gleich wieder sinken, da es zu schmerzhaft ist.
»Gut...«, meine ich und werfe Hertis Flügel einen kurzen unsicheren Blick zu. »Dann wollen mir mal.«
Ich stehe auf und positioniere mich neben dem Bogenbauer, dort gehe ich in die Hocke. Als meine Finger die Federn des Orni berühren, muss ich an den Moment denken, als ich Revali verschüttet im Schnee gefunden habe. Er hat damals gegen den Drachen gekämpft und den Kampf verloren. Er wurde von einer Lawine erwischt und begraben. Kashiwa und ich haben den Orni gesucht und schließlich gefunden. Revalis Flügel war gebrochen. Auch heute kann ich mich noch gut an das Knacken erinnern, als ich seinen Knochen korrigiert habe.
»Erzähl mir doch von den Monstern, die dich angegriffen haben!«, schlage ich vor, bevor ich beginne, um ihn ein wenig abzulenken.
»Sie haben eine Siedlung angegriffen, nicht weit von hier. Einer der Bewohner hat Verstärkung angefordert. Ich habe mich aufgedrungen zu helfen, dafür musste ich Teba allerdings anbetteln. Er war der Meinung, ich würde bessere Dienste leisten, wenn ich hierbleibe. Aber diese Siedlung...«
Nachdenklich gestimmt blickt der Bogenbauer zu Boden. Meine Hände umschließen seinen gebrochenen Flügeln. Ganz vorsichtig drehe ich die Schwinge nach vorne. Es knackst. Gequält krächzt Hertis auf.
»Schon gut!«, beruhige ich meinen Patienten. »Es wird gleich nicht mehr wehtun. Ich muss die Knochen nur noch in die richtige Position bringen.«
Es knackst erneut. Tränen des Schmerzes steigen dem Orni in die Augen, als er trotzdem weiterspricht. »Araya hat in dieser Siedlung gelebt. Sie hätte gewollt, dass ich ihre Heimat beschütze.«
»Araya? Deine Frau?« Behutsam lege ich meine Hand auf den Flügel des Vogelmenschens. Erstaunt sehe ich dabei zu, wie das grünliche Licht unter meiner Handfläche erstrahlt. Wie problemlos es mir nun gelingt, andere zu heilen, und das ganz ohne Wasser.
Revali hat mir mal erzählt, dass Hertis Frau an einem tragischen Unfall gestorben ist. Sie soll an einer Felsenwand aufgeschlagen sein und sich das Genick gebrochen haben.
»Ja...«, erwidert mir der Bogenbauer mit erstickter Stimme. »Meine Frau.«
Bedauernd schaue ich Hertis kummervolles Gesicht.
»Die Bokblins haben die Siedlung nahezu überrannt. Ich habe alles getan, was ich konnte. Mit jedem Schuss habe ich an Araya gedacht. Obwohl es schon so lange her ist... Sie fehlt mir«, gesteht er mir und seufzt lange und ausgedehnt.
Während ich Hertis weiter verarzte, wende ich meinen betrübten Blick von ihm ab. Ich kann gut nachvollziehen, wie sich der Orni fühlt. Revali fehlt mir auch. Doch meine Liebe zu ihm ist noch nicht verloren, vielleicht gibt es noch Hoffnung. Teba hat gesagt, dass sein Bruder gemeinsam mit Daruk nach mir sucht. Der Orni-Krieger würde das gewiss nicht tun, wenn er nichts mehr für mich empfinden würde. Mit einem Mal erinnere ich mich an diesen Moment, als Revali im Schnee lag, ich heilte seine gebrochene Schwinge, so wie ich es jetzt gerade bei Hertis tue. Mein Recke schaute mir tief ins Gesicht. Er erkannte meine geröteten Augen. Liebevoll blickte er mich an.
»Hast du geweint?«, hat er mich gefragt. »Um mich?«
»I-ich, ich habe mir eben Sorgen gemacht«, habe ich gestottert, nachdem ich lange nicht wusste, was ich darauf erwidern soll.
»Warum?« Revali hat seinen Kopf schiefgelegt. Seine weichen Fingerfedern berührten mein Gesicht.
»Das tut man... also, so macht man das, wenn..., wenn, wenn man jemanden mag.« In Wahrheit habe ich ihn damals schon geliebt, doch ich habe es mir erst wenige Momente vorher selbst eingestanden.
Sein Schnabel kam mir plötzlich ganz nahe. Ich spürte seinen Atem bereits auf meiner Haut. Mein Gesicht rötete sich, als seine grünen Augen mich fesselten. Sein Schnabel liebkoste zärtlich meine Nase, schließlich pickte er mich sanft in die Oberlippe. Wenige Wimpernschläge später, spürte ich seinen Schnabel auf meinem gesamten Mund. Unser erster Kuss...
Scharf saugt Hertis die Luft ein und wimmert geschunden auf. Abrupt kehre ich in die Realität zurück. Geschockt bemerke ich, dass ich die falsche Stelle gedrückt und einen Knochen in verkehrte Richtung geschoben habe.
»Entschuldige, Hertis! Tut mir wirklich leid!«, entschuldige ich mich und korrigiere meinen Fehler.
Meine heilenden Hände nehmen ihm den Schmerz und lassen meine Unachtsamkeit vergessen.
»Das kommt nicht wieder vor!«, versichere ich dem Bogenbauer. »Ich war nur...«
»Du hast gerade an Revali gedacht, stimmts?« Hertis schaut mir in die Augen.
Ich gehe davon aus, dass Teba ihm von unserer Trennung erzählt hat. Bestimmt hat er Revalis schlechte Laune ebenso mitbekommen. So nicke ich einfach nur als Antwort.
»Weißt du, meine Frau ist tot. Nichts und niemand kann sie mir zurückbringen. Doch bei dir und Revali... Naja, ich habe ihn noch nie so erlebt. Er war am Boden zerstört. Einige Tage hat er sich sogar richtig gehen lassen. Er ist nur noch zu seiner Hütte und in die Wildnis hinaus. Revali war zwar noch nie der Geselligste, aber dieses Mal hat er sich wirklich von allen zurückgezogen.«
»Ich habe ihm sehr wehgetan«, entgegne ich dem Bogenbauer mit trauriger Miene und starre dabei die dunklen Federn seines Flügels an. »Ich habe etwas Unverzeihliches gesagt.«
»Das hat er bestimmt auch«, meint Hertis unbeeindruckt und zuckt mit den Schultern.
Mit zerknirschtem Gesichtsausdruck sehe ich auf.
»Ich weiß von Teba, dass du mit dem Zora-Prinzen verlobt warst. Aber du hast dich für Revali entschieden, doch der sture Gockel ist davon ausgegangen, dass du den Zora ihm vorziehen würdest. Teba weiß genau, wie sein Bruder tickt. Er muss nicht dabei gewesen sein, um zu verstehen, dass Revali nur mal wieder vor seinen Gefühlen davongelaufen ist. Er war fest davon überzeugt, du wolltest ihn verlassen und das konnte es nicht verkraften, deshalb ist er auch gegangen.«
Ungläubig blinzle ich den schwarzen Orni an.
»Mir ist bewusst, dass Revali sich nur selbst schützen wollte. Aber das wäre nicht nötig gewesen, wenn er mir zugehört hätte.«
»Ich weiß«, antwortet mir Hertis und grinst. »Der arrogante Vogel hat sich selbst ein Eigentor geschossen. Er hätte sich den ganzen Schmerz sparen können. Naja, aber vielleicht geschieht es ihm recht. Er wird daraus lernen und du auch. Ihr mögt euch beide verletzt haben, aber ich bin mir sicher, dass das zwischen euch nicht vorbei ist.«
»Wieso bist du dir so sicher?«
»Ich habe selbst einmal erlebt, was wahre Liebe ist. Araya und ich, wir waren füreinander bestimmt. Das Einzige, was mir von ihr geblieben ist, ist Molly. Mein Mädchen ist ihrer Mutter sehr ähnlich, jeden Tag erinnert sie mich immer mehr an sie. Darüber hinaus...« Hertis bedenkt mich mit einem langen Blick. »Du bist hier, um ihn zu sehen und er ist gegangen, um dich zu finden, also...«
Zögerlich hebe ich meine Hand von Hertis Federn. Der Orni streckt langsam den Flügel aus und bewegt ihn vorsichtig. Verwundert blinzelt er, als er bemerkt, dass seine Schwinge geheilt ist.
»Was für eine wundersame Kraft!«, staunt der Bogenbauer.
Anstatt mich von Hertis Worten aufmuntern zu lassen, lasse ich den Kopf sinken.
»Ich will mir keine falschen Hoffnungen machen... Es würde nur wehtun, wenn letzten Endes doch nicht alles gut wird. Ich denke nicht, dass ich das nicht nochmal verkraften könnte«, murmle ich vor mir hin.
Plötzlich spüre ich den Flügel des Orni auf meiner Schulter. Aufmunternd nickt mir der Bogenbauer zu. »Verzag nicht! Du bist die Auserwählte, der Schutzgeist der Orni und eine Seelenbändigerin. Du hast die Kraft, den Schmerz anderer zu nehmen. Da wäre es doch gelacht, wenn du das zwischen dir und Revali nicht auch wieder hinbekommen würdest.«
Ein zaghaftes Lächeln huscht über meine Lippen. Obwohl ich mir immer noch unsicher bin, ob Revali mich tatsächlich zurückhaben will, will ich die Hoffnung auf baldige Versöhnung nicht aufgeben.
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