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20

Shania


Nach der ausgiebigen Dusche legen wir uns in einem breiten Wasserbett schlafen. Obwohl das Bett wirklich himmlisch weich ist, schlafe ich schlecht., denn die ganze Zeit muss ich an meine fehlenden Erinnerungen, an Sidon und an das unangenehme Gespräch mit dem Zora-König denken, das mir morgen bevorsteht. Selbst wenn ich mal weggetreten bin, wache ich nach wenigen Augenblicken wieder auf. Revali wirkt ebenso ruhelos neben mir. Ehe ich mich versehe, flutet die Morgensonne den Eingangsbereich zur Treppe.

Einige Bedienstete bringen uns Frühstück und... ein Gewand.

»Was ist das?«, frage ich die Zora-Frau, die die Kleidungsstücke auf dem Glastisch unterhalb eines riesigen Spiegels abgelegt hat.

»Prinz Sidon hat angeordnet, dass Ihr Euch damit für die bevorstehende Audienz beim König einkleiden sollt!«, erklärt sie mir und verschwindet mit den anderen wieder über der Treppe.

Revali, der bereits seine komplette Rüstung angelegt hat, schlendert an mir vorbei und hebt die Kleidung auf. Ausdruckslos betrachtet er das blaugrüne Kleid aus Zora-Schuppen. Als er es wieder auf den Tisch zurücklegt, schüttelt er den Kopf.

»Das sollst du anziehen? Ist das sein Ernst?«, höre ich den Orni brummen.

So begebe ich mich zu ihm, nehme das Kleid selbst in die Hand. Ich lege es mir an meinen Körper und schaue in den Spiegel. Abrupt erinnere ich mich an fröhliche Musik, Gelächter und einen Tanz. In diesem Kleid habe mit Sidon getanzt. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, als er mich im Kreis gedreht hat. Ja, von da an habe ich begonnen, mich in ihn zu verlieben. Nach und nach kann ich verstehen, warum Sidon will, dass ich dieses Kleid anziehe. Allerdings kann ich Revalis skeptischen Blick genauso nachvollziehen, denn das Kleid ist ziemlich knapp.

Mein Gefährte sieht mir zu, als ich mich ausziehe und das Zora-Kleid anprobiere. Augenblicklich verzieht er den Schnabel.

»Ziemlich kurz!«, bemerkt er, als ich neben ihm vor dem Spiegel trete.

»Es wäre unhöflich, wenn ich etwas anderes anziehen würde«, erwidere ich dem Orni mit einem unschuldigen Blick.

Revali seufzt entnervt auf. »Es wird nichts bringen, es dir zu verbieten, aber begeistert bin ich nicht, wenn du so vor deinem Verlobten herumrennst, nur damit du es weißt.«

»Ich weiß...«, murmle ich kleinlaut und wende meinen Blick von ihm ab.

»Schon gut...«, meint Revali daraufhin mit etwas milderer Miene. »Während du deine Verlobung auflöst, werde ich ein paar Runden über Ranelle drehen. Wir sehen uns später!«

Verlobung auflösen? Wer hat gesagt, dass ich sie auflösen werde? Schon klar, dass Revali das erwartet aber... Geht das so einfach?

Bevor ich dem Orni-Krieger etwas erwidern kann, küsst er meine Stirn und verschwindet dann über die Treppe in die Stadt hoch. Verdutzt schaue ich ihm nach.

Wie wird mein Gefährte wohl reagieren, wenn es sich herausstellt, dass sich die Verlobung nicht so leicht auflösen lässt? Oder... vielleicht ist es am Ende sogar so, dass ich es nicht will. Über meinen letzten Gedanken bin ich selbst schockiert. Revali ist nun mein Gefährte, ich will mit ihm zusammen sein. Aber ich war auch mit Sidon zusammen. Und ich weiß nicht, ob ich noch Gefühle für ihn habe.



Wenige Augenblicke später werde ich von Sidon persönlich abgeholt. Er wartet bereits oben auf der Treppe. Als ich ihn sehe, beginnt mein Herz, augenblicklich zu hüpfen. Meine Finger fühlen sich mit einem Mal taub an und ich fröstle am ganzen Körper, außerdem röten sich meine Wangen leicht.

»Loreena!«, begrüßt mich Sidon freudestrahlend. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«

»Das Wasserbett war anders, aber nicht unangenehm«, antworte ich meinem Verlobten, ohne auf meinen Schlafmangel einzugehen.

Mit einem Mal verblasst das schöne Lächeln des roten Zoras. Sein Blick schweift zur Treppe hinunter ab.

»Kommt der Orni auch mit?«

Mit gekräuselter Lippe schüttle ich den Kopf. »Nein...«, antworte ich nur kurz angebunden.

Mit sofortiger Wirkung sind Sidons heitere Gesichtszüge wieder da. »Dann lass uns gehen! Vater wartet schon.«

Der Zoraprinz legt mir eine Hand auf den Rücken und bewegt sich vorwärts. Gemeinsam spazieren wir durch die Hauptstadt der Zoras. Mit staunenden Augen betrachte ich die funkelnden Straßen aus Leuchtstein und die vielen Edelsteinen, die als Dekor in den Häusern und Mauern eingebaut wurden. Wie konnte ich nur vergessen, dass die Zora-Domäne so schön ist. Überall spritzen Kaskaden in die Höhe und Rutschstraßen, führen von einer Ebene zur nächsten. Am schönsten sind jedoch die vielen Wasserfalle die rund um die Stadt herum tosend von den Felswänden in den See stürzen.

»Du trägst das Kleid«, bemerkt Sidon plötzlich.

Von Sidons schmunzelnden Gesicht blicke ich an mir herab. Das enge Schuppenkleid geht nicht mal bis zu den Knien. Daher sollte ich es strickt vermeiden, mich zu bücken. Die Träger bestehen aus einem silbernen Stoff, in dem funkelnde Edelsteine eingearbeitet wurden. Die Seiten sind frei. Der Stoff beginnt erst ab meinem Bauchnabel wieder. Der Ausschnitt ist zwar nicht sehr tief, aber dennoch betont er meine üppige Oberweite.

»Ja... Aber ich frage mich gerade, ob es das Richtige ist für eine Audienz beim König.«

»Wieso?«, fragt mich Sidon überrascht.

»Nun ja...« Ich spüre, wie ich leicht rot werde. »Ich fühle mich etwas zu übertrieben elegant gekleidet.«

»Du siehst wunderschön aus, glaub mir«, versichert mir Sidon und wirft mir einen verführerischen Blick zu.

Verlegen wende ich mein Gesicht ab. Er sollte nicht mit mir flirten und ich sollte davon nicht so geschmeichelt sein. Das fühlt sich so falsch an.

»Jetzt, wo du hier bist...« Der Prinz lässt seinen Blick durch die Stadt schweifen. »Kannst du dich an irgendetwas erinnern?«

Ja, an den Tanz! Aber das will ich ihm nicht sagen. Die Situation gerade ist mir schon unangenehm genug.

So antworte ich ihm einfach nur: »Nur an vage Bilder!« Damit lüge ich auch nicht, denn eigentlich ist es auch wahr.

»Aha...« Die Enttäuschung in Sidons Augen ist nicht zu übersehen.

»Tut mir leid!«, entgegne ich dem Prinzen aufrichtig.

Milde lächelt Sidon zu mir herab. »Du brauchst dich zu entschuldigen. Da kannst nichts dafür, dass du deine Erinnerungen verloren hast. Und eigentlich...« Mit einem Mal bleibt der adelige Zora stehen, sein Blick ist auf den Weg gerichtet, den wir gekommen sind. »Wenn dieser Orni nur nicht wäre...«

Ergeben seufze ich. Die Situation ist dermaßen verzwickt, dass ich am liebsten schreiend davonlaufen möchte.

Wieder entschuldige ich mich bei Sidon und versuche, es ihm zu erklären. »Ich konnte mich nicht mal an meinen richtigen Namen erinnern. Glaub mir, ich wusste überhaupt nichts mehr. Außer den Schwertern und der Kette hatte ich nichts bei mir.«

»Und bei dem Anblick unserer Kette konntest du dich auch an nichts erinnern?« Sidons Stimme klingt kühl und leicht verbittert.

»Da war ein Gefühl, aber ich konnte es nicht so richtig einordnen. Das Medaillon schien mir wichtig zu sein, aber warum, das wusste ich nicht mehr.«

»Jetzt weißt du es ja wieder!« Sidon ballt seine Hände zu Fäusten, erhebt sie an seine Brust und strahlt mich wieder an.

Der Zora hat so ein hinreißendes Lächeln. Es ist wirklich unvergleichlich. Obwohl das ganze Desaster für ihn zum Heulen sein muss, er hat seine fröhliche Art nicht verloren. Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, das habe ich schon immer an ihm geschätzt.

»Jedenfalls...« Sidon geht weiter und ich folge ihm, während ich versuche, mich weiter zu erklären. »... haben mich ein paar Farmer gefunden. Sie lebten ganz in der Nähe des Orni-Dorfes. Dort gab es Probleme, eine Krankheit, und ich wurde hingeschickt, um ihnen zu helfen. Als ich sie schließlich von dieser Krankheit befreit habe, haben mir die Orni vorgeschlagen zu bleiben. Und Revali...« Als ich den Namen meines Gefährten erwähne, verdunkelt sich Sidons Gesichtszüge. »Er wurde zu meinem Beschützer ernannt.«

»Und dann hast du dich in ihn verliebt...« Traurig schaut Sidon von mir weg.

Während wir weiter durch die Straßen ziehen, werden wir von den Bewohnern der Stadt beobachtet. Mir entgeht nicht, dass mich einige Zora ziemlich böse anstarren. Dabei fällt mir auf, dass es sich dabei vermehrt um ältere Fischmenschen handelt.

»Erst nicht! Am Anfang konnten wir uns eigentlich gar nicht leiden. Aber dann...«, antworte ich dem Prinzen bedauernd, während ich verwirrt zu den Alten hinübersehe.

Meine Ohren vernehmen Sidon leise seufzen. Mir ist bewusst, wie sehr meine Worte ihn verletzen müssen. Nun ist es mir selbst zuwider, weiter zu sprechen, so bleibe ich stumm, lasse es einfach bleiben.

»Ich wüsste gerne, wieso du dich an nichts mehr erinnern kannst«, murmelt Sidon nach einer Weile, ohne mich anzusehen.

»Das wüsste auch gern, aber daran kann ich mich eben auch nicht erinnern«, entgegnete ich dem Prinzen mutlos.

Dann taucht plötzlich ein großes Gebäude vor uns auf, der Palast. Er ist über und über mit funkelnden Edelsteinen verziert. Der Zora-Palast ist wunderschön.

Vor den Treppen zum Palasteingang bleiben wir stehen. Sidon und ich stehen uns gegenüber, sehen einander in die Augen. Unsicherheit schimmert in meinen Pupillen, während er mir zuversichtlich zunickt.

»Du brauchst keine Angst zu haben, Vater ist über alles informiert. Er wird all deine Fragen beantworten«, versichert mir der rote Zora aufmunternd.

Ich kann mich nicht erinnern, wie Sidons Vater war oder wie er aussieht. Aber ich gehe davon aus, dass er ziemlich sauer auf mich sein wird. Wenn man es genau nimmt, habe ich Sidon mit Revali betrogen. Ja, ich habe einen Prinzen betrogen! Am liebsten würden ich in den Erdboden versinken, denn ich schäme mich so, stattdessen muss ich mich jetzt, vor einem König rechtfertigen. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich nun verhalten soll. Panik kommt in mir auf.

»Hey!«, sagt Sidon mit einem Mal und nimmt mich an der Hand. Überrascht zucke ich zusammen. Offenbar hat Sidon es mir angesehen, dass ich kurz davor bin, tot umzufallen. »Alles wird gut. Ich komme ja mit. Keiner wirft dir etwas vor!«

»Das stimmt nicht! Ich habe mir schon mindestes tausend Vorwürfe gemacht«, meine ich etwas säuerlich auf mich selbst.

Da werden Sidons Gesichtszüge plötzlich butterweich. Ganz berührt sieht er mich an, während er immer noch meine Hand hält. Er beugt sich ein Stück zu mir herunter. Augenblicklich bekomme ich weiche Knie.

»Merkwürdig... Du bist immer noch dieselbe«, haucht er mir zart zu.

Ich sollte ihm meine Hand entreißen und zurückweichen, aber ich kann nicht. Unfähig mich zu rühren, stehe ich da, wie eine Idiotin. Wenn Revali uns sehen würde, er würde den Palast auseinandernehmen. Er hätte auch jedes Recht dazu. Ich sollte mich schämen!

»Prinz Sidon!« Jemand räuspert sich. »Euer Vater wartet bereits.«

Augenblicklich springen wir auseinander, als die Palastwachen auf uns zukommen. Sidon nickt und bedeutet mir, den Soldaten zu folgen. Stumm tue ich das, was man von mir verlangt.

Über die Treppe gelangen wir hinauf zum Palast, überqueren einige von Licht durchflutete Korridore, bis wir die oberste Etage erreicht haben. Dort befindet sich ein Thronsaal. Kleine glitzernde Wasserfälle schießen blubbernd die vielen Säulen hinab und sammeln sich in kleinen Teichen, auf denen rosafarbene Seerosen schwimmen. Die Wachen bleiben vor dem Eingang zum Saal stehen. Mit einem letzten ängstlichen Blick zu Sidon überschreite ich die Schwelle. Der Prinz nickt mir erneut zusprechend zu. Doch mir gelingt es nur halbherzig, ihm zu zulächeln.

Mit schlagenden Herzen lasse ich mich von Sidon durch den Raum führen. Auf dem Thron am Ende des Saals sitzt ein riesengroßer, blauer Zora. Er ist sogar noch größer als Sidon. Er trägt ein königliches Banner um seine Brust und einen reichverzierten Stirnreif. Ohne Zweifel, das muss der König der Zora sein. Neben ihm steht ein dunkelgrüner Zora. Seine leichtgebeugte Erscheinung lässt vermuten, dass er bereits alt ist. Auch er wirft mir einen ziemlich grimmigen Blick zu. Mit einem Mal wird mir ganz flau im Magen. Ich bin so nervös, dass ich mich am liebsten Übergeben möchte. Verbissen ermahne ich mich, mich zusammenzureißen und mir nichts anmerken zu lassen.

Vor dem Thron befindet sich eine leichte Erhöhung. Sidon platziert sich daneben und bedeutet mir mit seinen Händen, auf die Erhebung zu steigen. Unhörbar seufzend trete ich in die Mitte des Raumes, wo mich jeder hören und sehen kann. Wie ich es doch hasse, im Mittelpunkt zu stehen.

Nervös spielen meine Hände mit dem Stoff meiner Kleidung. Alle Augen sind auf mich gerichtet. Keiner sagt etwas. Die Anspannung in mir droht mich zu zerreißen. Was soll ich nun sagen? Soll ich überhaupt etwas sagen? Soll ich warten, bis ich zum Reden aufgefordert werde? Wie sehr ich mir doch wünschte, dass der Moment bereits vorbei wäre.

»Loreena!« Erschrocken zucke ich zusammen, als ich die tiefe Stimme des Königs vernehme. Doch dann fällt mir plötzlich sein Name wieder ein. Das ist König Donphan, genau, und er redet anders. Anders? Wie anders?

»Wie sehr wir uns freuen, dich wiederzusehen. Doch unsere Freude ist leider getrübt, da wir erfahren haben, dass es dir schlecht ergangen ist. Wie fühlst du dich?«

Ach ja, er spricht nie von sich, er redet immer zu in der Wir-Form.

Verwundert schaue ich zu Donphan zurück. Sehe ich da etwa Sorge in seinem Gesicht? Der König sorgt sich um mich... Er sollte doch wütend sein.

»Ich... ähm...«, stammle ich unbeholfen, wie der letzte Volltrottel. So schlucke ich den Kloß, der sich an meinem Hals gebildet hat, herunter und bemühe mich um Fassung. »Ähem! Also, mir geht es gut, danke, Eure Hoheit!«

Plötzlich schaut mich Donphan ganz verdutzt an. Dann wirft er den Kopf in den Nacken und beginnt, tief zu lachen. Auch Sidon macht einen amüsierten Eindruck. Nur dieser dunkelgrüne Zora starrt mich immerzu mürrisch hat. Habe ich etwa was Falsches gesagt?

»Keine Förmlichkeiten! Du gehörst nun schließlich zur königlichen Familie. Das haben wir doch schon seit langer Zeit geregelt«, erwidert mir der König vergnügt.

Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf. »Tut mir leid, aber... ich kann mich nicht daran erinnern, wie Ihr bestimmt schon wisst.«

»Ja...« Der Zorakönig lehnt sich etwas zurück, sein Gesichtsausdruck wird bekümmerter. »Wir wissen Bescheid. Deshalb wollte ich dich bitten, einen Blick aus diesem Fenster hinaus zu werfen.« Donphan deutet mit seiner Hand zu einem Fenster seiner Linken hinaus. Verwirrt blinzle ich den Regenten an.

»Keine Scheu! Du kannst gerne ans Fenster gehen und hinaussehen. Ich bitte darum.« Die Stimme des großen, blauen Zora klingt überraschend väterlich.

Etwas zögerlich gehe ich der Bitte des Königs nach, steige die eine Stufe hinunter, wate durch das Wasser, das mir bis zu den Knöcheln geht und schreite zu dem Fenster hinüber. Wie mir befohlen, blicke ich hinaus.

»Was siehst du?«, fragt mich König Donphan nach wenigen Augenblicken.

Unter dem Fenster befindet sich ein riesiger Platz. Dort befinden sich viele Geschäfte und korallenartige Pflanzen. Mein Augenmerk fällt auf die Mitte des Platzes, dort befindet sich eine Statue aus hellem Leuchtstein. Abrupt strenge ich meine Augen an, versuche die Gestalt der Skulptur zu erkennen. Es handelt sich wohl um eine Zora, eine weibliche, atemberaubend schöne Zora. Sie hält einen reichverzierten Dreizack in den Händen. Einen Dreizack... Ein Bild blitzt vor meinen Augen auf, in dem die Waffe im strömenden Regen unter Kampfeslärm geschwungen wird. Im Anschluss vernehme ich einen Schrei. Mein Herz tut mir einem Mal weh.

»Mipha...«, murmle ich betrübt.

»Du kannst dich also an sie erinnern?«, ertönt die überraschte Stimme des Königs.

Als ich mich umdrehe, schauen mich alle drei Zora ganz unterschiedlich an. Doch keinen der Blicke kann ich richtig deuten, sie wirken alle irgendwie verwirrt, aber auch fröhlich, bis auf der alte Zora, der wirkt eher entsetzt.

Mit einem Mal tritt der Zora, dessen Haupt aussieht wie der eines Rochens, vor und schüttelt den Kopf. »Eure Majestät, wer zagt uns, dass Lady Loreena wirklich ihre Erinnerungen verloren hat. Möglicherweise spielt zie uns nur etwas vor, um einen Vorwand für ihren Seitensprung zu erfinden.« Der Alte klingt dabei schmerzlich herablassend.

Schockiert fahre ich zusammen. Sidon hatte unrecht! Von Wegen keiner macht mir einen Vorwurf. Naja, mich sollte es nicht überraschen.

»Verzeih!«, meint Donphan zu mir und wirft dem Zora zu seiner Rechten einen mahnenden Blick zu. »Muzu ist mein Berater. Es ist seine Aufgabe, mir seine Bedenken mitzuteilen, auch wenn sie nicht immer begründet sind.«

»Schon gut...«, murmle ich und kehre zu der Erhöhung zurück.

Dort stehe ich nun, direkt neben Sidon unter dem vernichtenden Blick dieses Muzu. Der alte Zora scheint, mich nicht sehr zu mögen und ich kann es ihm nicht verdenken. Aber irgendetwas sagt mir, dass Muzu mich noch nie gemocht hat. Allerdings verstehe ich noch nicht wieso. Aber vielleicht werde ich das schon bald herausfinden.

»Also, um Eure Frage von vorhin zu beantworten...« Zermürbt schaue ich zu dem König hinauf. »Mipha hat oft zu mir gesprochen, wenn ich in Schwierigkeiten war oder in meinen Träumen. Sie hat mir Ratschläge erteilt und mich begleitet. In gewisser Weise hat sie mir sehr geholfen. Doch leider hat sie mir nie gesagt, wer sie eigentlich ist und woher ich sie kenne. Leider weiß ich nicht viel über sie... aber ich glaube, ich denke... Sie war mir sehr wichtig.«

Donphan schaut schweigend auf mich herab. Seine Gesichtszüge sagen mir nichts über seinen derzeitigen Gemütszustand. Muzu dagegen wendet empört den Kopf ab.

»Loreena...« Als Sidon zu mir spricht, drehe ich mich ihm zu. »Du warst Mipha eine treue Freundin. Sie hatte dich sehr ins Herz geschlossen.«

»Es wundert uns nicht, dass sie dich selbst nach ihrem Tod immer noch beschützt«, fügt der König hinzu.

»Umso trauriger macht es mich allerdings, dass ich mich nicht an sie erinnern kann...«, raune ich bestürzt und schließe kurz die Augen.

»Ich bin mir sicher, dein Gedächtnis braucht seine Zeit, um sich vollständig zu erholen. Die Tatsache, dass deine Erinnerungen bisher Stück für Stück zurückgekehrt sind, lässt uns hoffen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis du dich an alles erinnern kannst, was die Zora betrifft. Du hast in der Vergangenheit viel für uns getan, Loreena. Wir sind dir zu tiefstem Dank verpflichtet.«

»Wenn jemand dankbar sein soll, dann wohl ich. Ich danke Euch zutiefst, dass ihr keinen Groll gegen mich hegt.«

»Warum sollte wir?« Donphan lächelt mich milde an.

»Nun ja...« Verstohlen gucke ich Sidon hinüber. »Wegen...der... Verlobung... Ich weiß nicht... Also, was soll ich jetzt tun?«

Sidon schaut stumm zu mir herüber, in seinem Gesicht regt sich nichts. Ich bin fast davon überzeugt, dass der rote Zora die Antwort seines Vaters schon kennt. Bestimmt hat er mit ihm schon darüber gesprochen.

»Was eure Verlobung an sich betrifft...«, sagt Donphan und stützt beide Hände auf die Armlehne ab. »Sie kann nur aufgelöst werden, wenn beide Partner einwilligen und die Medaillons zerstören. Allerdings...« Der König schaut mir tief in die Augen, bevor er fortfährt. »Solltest du dich erst deiner Gefühle bewusstwerden, bevor du einen solchen Schritt verlangst. Uns ist bewusst, Kind, dass du nun auch eine gemeinsame Geschichte mit dem Orni hast, aber dennoch, die Verlobung mit dir und meinem Sohn besteht weiterhin, dem solltest du dir bewusst sein.«

»Ich...«

Donphan hebt seine Hand und gebietet mir Einhalt, sein Gesicht ist dabei führsorglich und verständnisvoll. »Nimm dir Zeit! Du musst dich nicht sofort entscheiden. Dein Geist muss heilen. Ich denke, die Domäne der Zora ist der richtige Ort dafür. Du solltest einen Rundgang machen, versuchen dich an Mipha zu erinnern. Ich bin mir sicher, alles wird so kommen, wie es kommen muss.«

Abrupt verlässt Muzu grummelnd den Thronsaal. Er scheint, über die Worte des Königs jedenfalls nicht erfreut zu sein, während ich zutiefst erleichtert bin.

»Wenn du also keine weiteren Fragen hast, bist du entlassen, Loreena!«, spricht der König zu mir und vollzieht eine winkende Handbewegung.

Ich verbeuge mich kurz vor dem Zorakönig und halte meine Hand an mein Herz.

»Ich danke Euch zutiefst, Eure Majestät!«

Wieder lacht der Regent. »Und nochmal: Nenn mich Donphan, du bist schließlich meine Schwiegertochter!«

Abrupt werde ich rot. Der König hat offenbar keine Bedenken, dass ich und Sidon wieder zueinanderfinden werden. Und wenn ich mir Sidon so ansehe... Langsam schaue ich in sein Gesicht. Er wirkt auch nicht gerade hoffnungslos. Trotz der milden Worte des Königs fühle ich mich unter Druck gesetzt. Aber ich liebe doch Revali, mein Herz gehört ihm. Da bin ich mir sicher! Oder?

Dieses atemberaubende Siegerlächeln von Sidon ist einfach unwiderstehlich. Seine ganze Erscheinung ist einfach wundervoll. Man erkennt, dass er ein Prinz ist, seine Haltung, sein Charm. Er ist ein wirklich schöner Zora, muss ich zugeben. So muskulös und großgewachsen, wie er ist, macht er eine gute Figur. Ja, er ist attraktiv und sympathisch, aber er ist kein Revali.



»Wo ist eigentlich dein Vogel?«, fragt mich Sidon, als wir aus dem Thronsaal hinaustreten.

»Du meinst Revali?« Ausdruckslos sehe ich zu dem Zoraprinzen auf, der mein Verlobter sein soll. »Er hat gesagt, er will die Region erkunden. Ich vermute, er wird eine ausgiebige Runde über Ranelle drehen und die Gegend auskundschaften.«

»Toll!«, meint der Zora und versucht erst gar nicht, seine Freude darüber zu verbergen.

Seine gelben Augen beginnen plötzlich, mich ganz eindringlich zu fixieren, so eindringlich, dass ich dazu gezwungen bin, verlegen den Kopf von ihm abzuwenden.

Zugegebenermaßen macht mir die Situation sehr zu schaffen. Meine Gefühle gleichen einem Salat, aus tausend verschiedenen Zutaten, die gar nicht zueinander passen. Einerseits bin ich von ziemlich allen enttäuscht. Daruk, mein Vater, Mipha, sie alle wussten, dass ich verlobt bin und keiner hatte den Schneid, es mir zu sagen. Sidon gegenüber habe ich starkes Mitleid. Ich kann es ihm ansehen, dass er starke Gefühle für mich hat, doch ich kann mich an rein gar nichts mehr erinnern, selbst jetzt, wo ich vor ihm stehe und seinen Namen wieder weiß. Und dann ist da noch Revali. Jetzt bin ich mit dem Orni zusammen und ich liebe ihn von ganzen Herzen. Ich will ihn nicht verletzen, aber trotzdem würde ich gerne herausfinden, was zwischen mir und Sidon war. Oh Mann, ich bin so hin- und hergerissen! Das ist eine echt verdammt blöde Situation. Darüber hinaus kann ich nicht mal die Verlobung mit dem Zoraprinzen so leicht auflösen und das wird Revali ganz und gar nicht passen. Das habe ich schon befürchtet.

»Hey! Warum nutzen wir nicht die Zeit und machen unsere eigene Sight-Seeing-Tour durch Ranelle? Dann kann ich dir all die Orte zeigen, an denen wir früher miteinander waren. Na? Wie klingt das für dich?«, reißt mich Sidons Vorschlag aus meinen Gedanken.

Überrascht funkle ich den großen Fischmenschen an. Er hat sein typisches breites Grinsen aufgesetzt und eine abenteuerliche Pose eingenommen. Mit großen Augen betrachte ich seine glänzenden Reißzähne und seinen gestählten Körper.

»Ich weiß nicht...«, meine ich unschlüssig. »Revali wird immer sauer, wenn er nicht weiß, wo ich bin.«

Abrupt verschwindet das Lächeln in Sidons Gesicht und seine Haltung erschlafft. »Im Ernst? Du musst dich bei diesem Vogel immer abmelden. Loreena, das sieht dir gar nicht ähnlich! Seit wann lässt du dir von anderen vorschreiben, was du tun sollst?«

Erschrocken fahre ich zusammen und blinzle überwältigt. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber seine Worte lassen meine Unsicherheit in weniger als einem Wimpernschlag verschwinden. Ich bin sogar ein wenig säuerlich. Abrupt vergesse ich Revali und seine lodernde Eifersucht.

»Das tue ich auch nicht!«, herrsche ich den Zora an.

Als mich dieser mir einen amüsierten Blick zuwirft, da ich gerade überraschend laut geworden bin, besinne ich mich schnell wieder.

»Tut mir leid...«. So räuspere ich mich. »Ich meine, du hast Recht. Das ist eigentlich eine gute Idee. Vielleicht kann ich mich dann wieder an etwas erinnern.«

»Na, also!«, ruft der Prinz fröhlich. »Du wirst es nicht bereuen.«

Sidon zwinkert mir zu. Ein unangenehmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Erstens, die Vorahnung, weil ich jetzt schon weiß, dass Revali überschäumen wird vor Wut. Und Zweitens, die Unsicherheit, weil ich nicht weiß, wohin mich mein Verlobter hinbringen wird und was dort vielleicht geschehen könnte.

»Mal sehen...«, überlegt der Prinz laut und setzt ein nachdenklich gestimmtes Gesicht auf. »Also wo könnten wir beginnen? Hmmm.... Am Anfang würde ich sagen. Als Erstes haben wir...« Schließlich schnippt er mit den Fingern. »Ich hab's! Komm mit! Ich weiß, was wir zuerst machen.«

»Äh, Sidon... Was hast du vor?«

Doch der Prinz antwortet nicht, er packt mich einfach an der Hand und zieht mich lachend vorwärts. Zwar winsle ich etwas verwundert auf, dennoch lasse ich es geschehen. Wenn Revali jetzt über uns fliegt und seine scharfen Augen sehen, wie mich Sidon an der Hand durch das Dorf der Zoras schleift, wird es Ärger geben, mächtigen Ärger. In diesem Augenblick jedoch schaue ich zu Sidon auf, er blickt zu mir zurück. Er lacht wieder, zwinkert mir mit einem verführerischen Lächeln zu. Sofort schießt ein bekanntes Gefühl durch meinen Körper. Mein Herz hämmert. Ich sehe Bilder vor meinen Augen, so schnell, dass ich sie nicht deuten kann. Doch eines weiß ich, auf diesen Bildern ist immerzu Sidons Kopf zu sehen mit diesem Lächeln, diesem unbeschreiblich schönen Lächeln.

Irgendwann, als wir den Rand des Dorfes erreicht haben, lässt der Zora meine Hand los. Wir klettern einen bewachsenen Hang hinunter, bis ich schließlich das feuchte Ufer des Sees unter meinen Füßen spüre. Mit dem Rücken zum See stellt sich Sidon auf einen Felsen und schaut zu mir hinab. Präsentierend hebt der adelige Fischmensch die Hände.

»Hier habe ich dir das Schwimmen beigebracht!«, verkündet er.

Grüblerisch verziehe ich das Gesicht und lege meinen Blick auf den See. Nach einer Weile meine ich, mich an mein eigenes Lachen zu erinnern, aber das war es auch schon.

Enttäuscht sehe ich zu Sidon auf und schüttle den Kopf. »Tut mir leid, wenn ich dir schon wiedersagen muss, dass ich es nicht mehr weiß.«

Doch mein Verlobter lässt sich davon nicht beeindrucken. »Wäre ja zu leicht, wenn du dich bei der ersten Etappe schon an alles erinnern könntest. Außerdem...« Sidon wendet sein Gesicht etwas von mir ab. »Denke ich, dass durch Handeln mehr geschehen könnte, als durch meine bloßen Worte.«

Ehe ich ihn fragen kann, was er damit meint, vollzieht Sidon einen atemberaubenden Rückwärtssalto und taucht anmutig ins Wasser ein. Beeindruckt beobachte ich den königlichen Zora dabei, wie er wiederauftaucht und wie ein Fisch im Wasser planscht. Solch eine Anmut kenne ich nur von Revali. Es ist mit immer wieder eine Freude, dem Orni dabei zu zusehen, wie er graziös durch die Lüfte gleitet, sich vom Himmel stürzt und dazu auch noch den Bogen spannt. Der Orni-Krieger ist so schön, alles an ihm ist so perfekt. Nur ist es immerzu gefährlich, ihm das ins Gesicht zu sagen, denn jedes Mal bläst sich sein Ego nur wieder zu doppelter Größe auf. Sidon dagegen ist da wohl anders. Hylia! Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein.

»Wow!«, staune ich und gehe auf einem der Felsen in die Hocke, um Sidon noch besser betrachten zu können. »Können das alle Zoras?«

»Das war doch gar nichts«, erwidert mir Sidon, als er innehält und verlegen lächelnd den Kopf zur Seite legt. »Komm rein! Lass uns ein bisschen schwimmen!«

Abrupt sehe ich an mir runter. Ich trage immer noch das Kleid aus Zora-Schuppen.

»In diesem Kleid? Keine gute Idee, wenn du mich fragst«, erwidere ich dem Prinzen mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Du kannst dich gerne umziehen. In deinem Zimmer liegt noch genügend Kleidung von dir rum. Aber zieh dir auf jeden Fall Zora-Kleidung über, die ist wasserundurchlässig. Ich warte hier!«, ruft mir Sidon zu und beginnt, wie ein Fisch, springend durch das Wasser zu gleiten.

Obwohl ich ein schlechtes Gewissen wegen Revali habe, gehe ich auf Sidons Vorschlag ein. Ich kehre kurz zurück in mein Zimmer und ziehe mich dort um. Schnell habe ich etwas Passendes gefunden. Ich wähle ein bauchfreies Top mit Zora-Schuppen aus und eine schwarze, kurze Hose. Darüber trage ich einen bunten Rock aus Flossen.

Sofort kehre ich zu Sidon zurück. Bei Weitem nicht so berauschend, wie der Zora-Prinz, springe ich ins Wasser. Es macht einen lauten Platsch. Kaum ins Wasser getaucht, befinde ich mich schon wieder an der Oberfläche. Sofort schwimme ich zu dem Zora hinüber, der es einfach nicht lassen kann, mich immerzu anzulächeln.

»Gut!«, lobt mich der Prinz. »Das Schwimmen hast du offenbar nicht verlernt. Folge mir!«

Ziemlich schnell schwimmt der Fischmensch voran, weiter in den See hinein. Seufzend atme ich die Luft aus und sehe ihm nach. Meine Gedanken sind immerzu bei Revali. Wenn er uns jetzt sehen könnte... Oh je, oh je! Er würde so was von ausflippen. Dann beginne ich mir die Frage zu stellen, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn es anders herum würde, wenn Revali eine Verlobte hätte und sie mit ihm den Tag verbringen würde. Augenblicklich verkrampft sich mein Magen und ich fühle mich verloren. Ja, so muss sich Revali wohl gerade fühlen, verloren... machtlos... wie das fünfte Rad am Wagen. Ich möchte meinem Gefährten dieses Gefühl nicht geben. Aber andererseits... Wie würde ich mir an Sidons Stelle vorkommen? Nehmen wir mal an, ich hätte einen Gefährten und verliere ihn. Dann taucht er wieder auf, ich freue mich riesig, will ihn küssen, ihn in meine Arme schließen, nur um dann sofort festzustellen, dass mein Liebster in der Zwischenzeit sich in jemand anderes verliebt hat, weil er mich vergessen hat. Das ist ein ziemlich frustrierendes Gefühl, sehr frustrierend.

Zögerlich beginne ich, schwimmend dem Zora zu folgen. Mit dem Armen rudere ich vorwärts und mit meinen Beinen stoße ich mich ab. Zwar bin ich nicht so schnell, wie Sidon, doch ich komme voran. Während ich weiterschwimme, sehe ich dabei zu, wie der Zora auf eine kleine Insel klettert. Als ich ihn erreicht habe, streckt er die Hand nach mir aus und zieht mich auf's Land.

»Siehst du?«, höre ich den Fischmenschen sagen, während meine Füße das Gras berühren. »Du hast es nicht verlernt, es ist immer noch da. Nur weil, du es vergessen hast, heißt das noch lange nicht, dass es weg ist.«

Seine gelben Augen leuchten vor Wärme. Komisch... Aus irgendeinem Grund denke ich, dass er nicht vom Schwimmen redet.

Dann räuspert sich der Prinz und zeigt in eine Richtung. »Ich habe mir gedacht, dass wir einige unserer Siedlungen besuchen, so wie damals, als wir uns kennengelernt haben. Wir schwimmen durch den See, dann die Strömung hinauf. Danach legen wir eine kleine Pause ein und dann schwimmen wir über den Fluss wieder zurück zum Damm. Was meinst du?«

»Klingt nach einem langen Tag«, entgegne ich dem Zoraprinzen. »Außerdem dauert es bestimmt ziemlich lange, bis ich das Ende des Sees erreicht habe. Flussaufwärts schwimmen wird auch schwierig werden für mich.«

Sidon lacht und dreht sich mir zu. »Aber wer sagt denn, dass du den ganzen Weg alleine schwimmen musst. Du kletterst einfach auf meinen Rücken, so wie damals.«

Verblüfft reiße ich die Augen auf. »Auf deinen Rücken? Aber... bin ich nicht vielleicht zu schwer für dich.«

Der Prinz legt den Kopf in den Nacken und lacht noch lauter. »Ich kann mich daran erinnern, dass du ziemlich leicht bist. Komm! Ich schwimme noch eine Weile neben dir her und später nehme ich dich mit. Das wird lustig! Komm!«

Während Sidon zurück ins Wasser springt, verharre ich noch einen Moment lang auf der Insel. Sidon und Revali... Das ist wirklich kein Vergleich. Im Gegensatz zu dem Orni ist der Zora so unbeschwert, lebenslustig und voller jugendlicher Freude. Außerdem besitzt er einen ziemlich spritzigen Charm. Wirklich bemerkenswert ist allerdings die Offenheit, die ihr mir gegenüber zeigt. Sidon hat im Gegensatz zu Revali keine Angst davor, über seine Gefühle zu reden.

Als ich mich immer noch nicht bewege, ruft der Prinz nach mir. Nicht ungeduldig, sowie Revali es tun würde, sondern belustigt. Augenblicklich rühre ich mich und springe ins Wasser. So wie Sidon es gesagt hat, schwimmt er eine Weile neben mir her. Es macht mir Spaß, ihm dabei zu zuschauen, wie befreit er sich durch den See bewegt.

Eine Weile vergeht, als der Zora sich plötzlich auf den Rücken dreht und sich unbekümmert im Wasser treiben lässt. Er lässt seine guttrainierten Bauchmuskeln von der Sonne wärmen. Ein nicht gerade unbeeindruckender Anblick!

Gerade bemerke ich, dass er zu mir hinüberschielt. »Loreena?«

»Ja!«

»Wollen wir tauchen? Bis ganz nach unten?«

Sofort stoppe ich, schlucke dabei etwas Seewasser. Hustend starre ich zu Sidon zurück.

»Aber bis dahin ertrinke ich doch«, protestiere ich.

Nun ist es der Zora, der mich verwirrt anguckt. »Aber... Hast du das etwa auch vergessen?«

»Was denn?«

»Du kannst doch unter Wasser atmen«, erwidert mir der rote Fischmann.

Genau in diesem Moment erinnere ich mich an den Augenblick, als ich Zuhause bei den Vogelmenschen im Orni-See geschwommen bin. Während ich meine Runden im Wasser gedreht habe, hatte ich eine Vision. Ich konnte mich an einen Zora erinnern, der mich unter Wasser gezogen hat und mit mir bis hinunter an den Grund des Sees geschwommen ist. Mir ging nicht die Luft aus, denn ich bekam plötzlich Kiemen. Damals wollte ich der Sache auf den Grund gehen, aber dann hat mich Revali aus dem See gefischt. Danach hatte ich nicht mehr den Drang dazu, es auszuprobieren.

»Also habe ich wirklich Kiemen?«, frage ich den Zora und halte mich planschend auf der Stelle. »Als ich bei den Orni gelebt habe, habe ich mich mal daran erinnert, dass du mit mir getaucht bist. Doch ich dachte, es wäre nur Einbildung, der Gedanke kam mir absurd vor.«

»Du hast dich also schon damals an mich erinnert?« Hoffnung glitzert in Sidons Augen.

Etwas beschämt drehe ich den Kopf weg. »Ja... Nein! Also doch, eigentlich schon. Nicht direkt! Dann und wann konnte ich dein Gesicht sehen oder dein Lachen hören, aber ich konnte mich einfach nicht an deinen Namen erinnern. Tut mir leid!«

Die letzten Worte habe ich nur noch gemurmelt, weil ich mich so dafür schäme, ihm das sagen zu müssen. Doch Sidon bleibt merkwürdig gelassen, eigentlich wirkt er sogar recht zufrieden.

»Schon in Ordnung, Loreena!«, versichert er mir. »Die Erinnerung wollte ans Licht. Da bin ich mir sicher. Es hat eben nur gedauert. Aber, hey, deshalb bist du ja hier! Ich bin mir sicher, dass alles schon bald wieder zurückkommt. Also gut... Jetzt lass uns tauchen!«

Wieder wartet der Zora keinerlei Reaktion von mir ab, stattdessen packt er mich am Handgelenk und zieht mich hinab. Augenblicklich bin ich von Wasser umgeben. Sidons Hand lässt mich nicht los. Er schwimmt immer weiter nach unten. Verzweifelt blicke ich um mich. Ich bekomme Angst, denn er lässt mir keine Zeit, es wirklich auszuprobieren. Ich weiß nicht mehr, wie ich unter Wasser atmen soll. Soll ich jetzt einfach den Mund öffnen oder durch die Nase atmen, wie ich an der Oberfläche nach Luft schnappe? Nein, ich glaube nicht! Und wenn ich nun nur noch Wasser schlucke? Ich will nicht ertrinken! Nun ärgere ich mich über Sidon. Er bringt mich doch in Gefahr mit dieser waghalsigen Nummer. Ihm muss doch klar sein, dass ich es nicht mehr weiß. Aber er hält nicht an, zieht mich immer weiter nach unten.

So öffne ich den Mund, möchte schreien. Es erscheinen nur Blasen, ein gedrückter kaum merklicher Laut kommt aus mir heraus. Gerade bin ich versucht, panisch los zu zappeln, als plötzlich mein Hals zu brennen beginnt. Es wirkt gerade so, als würde sich die Haut zwischen Hals und Gesicht sich trennen. Dann geht alles, wie von selbst. Ich atme, atme durch Kiemen. Erschrocken zucke ich zusammen, anschließend lächle ich. Ganz langsam beginnt sich, mein Herzschlag wieder zu beruhigen.

Obwohl Sidon wirklich schnell schwimmt, dauert es eine Weile bis wir an den Grund des Hylia-Sees angelangen. Es wird dunkler, doch ich kann immer noch etwas sehen. Schließlich tut sich eine bunte Welt vor mir auf. Erstaunt öffne ich den Mund und lasse Luftblasen zur Oberfläche hochsteigen. Ja, ich kann mich definitiv erinnern! Das habe ich alles schon mal gesehen, buntes Seegras, ein gepflasterter Weg aus Leuchtsteinen, große und kleine Seefische, Schnecken, die auf den algenbedeckten Felsen entlangkriechen und ein gutgelaunter Sidon, der nach wie vor meine Hand hält und mich bezaubernd anlächelt.

Es ist mir unangenehm, aber ich spüre etwas, Schmetterlinge, es sind Schmetterlinge. Aber fühle ich es jetzt oder war das einmal?

Bevor ich dem Gefühl auf den Grund gehen kann, zieht mich Sidon weiter. Wir schwimmen eine Zeit lang am Boden herum, bis der Zora beschließt, mich wieder an die Oberfläche zu bringen. Genau in dem Moment, als mein Kopf wiederauftaucht und ich Luft einatme, verschwinden meine Kiemen wieder.

»Und was sagst du?«, will Sidon von mir wissen, der aufgeregt neben mir herplanscht.

»Also... Ich sage das ziemlich oft in letzter Zeit, aber ich denke, ich habe ein Déjà-vu.«

Der Zoraprinz lacht über meine Aussage. Anschließend schwimmt er ganz dicht an mich heran, so dass seine Haut die meine berührt. Sofort zucke ich zusammen.

»Gut so! Jetzt komm rauf und lasse dich von mir zur nächsten Siedlung tragen!«

»Ist es weit?«, frage ich den Fischmenschen mit wachsender Unsicherheit in den Augen.

Sidon schüttelt den Kopf. »Aber nein, in ein paar Minuten sind wir da. Also los, komm rauf!«

Mit erhobenen Augenbrauen schiele ich zu dem Zora hinüber. Irgendetwas sagt mir, dass er nicht eher ruhegeben wird, bevor ich auf seinen Rücken gestiegen bin. Nun ja, also habe ich wohl keine andere Wahl. Zögerlich schwimme ich zu Sidon hinüber. Als mein Bauch seinen Rücken berührt, lege ich meine Arme um seinen Hals, so wie ich es bei Revali mache, wenn wir fliegen.

»Super!«, ruft Sidon und wendet mir sein Gesicht zu, sodass seine gelben Augen in die meinen blicken. »Nur schön festhalten, Loreena! Also, los geht's!«

Kein Wimpernschlag vergeht, da legt der ungestüme Zora auch schon los. Mit einem ziemlich rasanten Tempo rast er über die Wasseroberfläche. Mit halbgeschlossenen Augen blinzle ich mir die Tropfen der Gischt aus dem Sichtfeld. Nach wenigen Augenblicken erreicht der Prinz die Flussmündung. Mir bleibt die Luft weg, als er ohne Vorwarnung über die niedrige Flusstreppe springt und mit mir wieder ins Wasser eintaucht. Durch die Strömung hindurch schwimmt der Zora flussaufwärts. Beeindruckt schaue ich dabei zu, wie das Ufer an uns vorbeizieht.

3 Siedlungen erkundet Sidon mit mir. Die Erste befindet sich auf Inseln auf dem Fluss verteilt. Die Zweite liegt in den Ranelle-Sümpfen. Und die Letzte erreichen wir durch einen Spaziergang durch den Wald am Rand eines Waldsees. Der Zora scheut sich nicht davor, mir jeden Winkel zu zeigen und mir zu erklären, was wir dort so gemacht haben. Unteranderem erzählt mir der Prinz, dass ich in der Flusssiedlung einen Haufen Tontöpfe versehentlich ins Wasser geschupst habe. Danach meint er, dass er sich ab diesem Zeitpunkt in meine tollpatschige Seite verliebt hätte. In den Ranelle-Sümpfen hätten wir Frösche gejagt. Da ist Sidon anscheinend klar geworden, dass man mit mir Spaß haben kann. Bei der Siedlung im Waldsee meint der Prinz dann schließlich zu mir, dass man von hier aus das Donnerhorn gut sehen kann. Angeblich soll da oben etwas Bestimmtes passiert sein. So setzen wir und auf einen Hügel in der Nähe des Waldsees und er erzählt es mir.

»Wenn du so hinaufsiehst, erinnerst du dich an was?«, fragt er mich, bevor er loslegt.

Tatsächlich sehe ich kurz eine Gestalt aufblitzen. Ich erblicke die grauenhafte Visage eines Untiers. Ein Löwe? Ein Pferd? Eine Mischung aus beidem? Da kommt mir plötzlich ein Wort in den Sinn.

»Leune...«

Überrascht richtet sich Sidon auf, der direkt neben mir sitzt. »Du kannst dich an den Leunen erinnern? Weißt du auch noch, warum wir da rauf sind?«

Abrupt schüttle ich den Kopf. »Nein, so ist es nicht! Ich kann mir nur an ein Monster erinnern, ein furchtbares Monster. Und an... einen Blitz?«

In meinem Gedanken spielt sich eine kurze Szene ab.

»Es hat geregnet... ja, das weiß ich noch.« Sidon hört schweigend zu, lässt mich erzählen. »Dann war dieses Monster. Ich höre Hufgetrappel. Und dann, dann taucht aus dem nichts ein kleiner Blitz auf. Er schießt an mir vorbei und...«

»Trifft mich«, vollendet der Zora meinen Satz.

In meiner Erinnerung höre ich mich plötzlich schreien und dann sackt Sidon vor meinen Augen zusammen. Allerdings endet meine Rückführung hiermit.

»Warum sind wir da hochgegangen und was ist danach passiert?«, will ich von dem Prinzen wissen.

Sidon schweigt einen Augenblick lang. Mit den Füßen planscht er im See. Meine Ohren vernehmen ein klangvolles Plätschergeräusch.

Die gelben Augen des Zora sind auf das Donnerhorn gerichtet, als er zu berichten beginnt. »Vor einem guten Jahr hat uns ein blauer Drache bedroht. Sein Name ist Naydra. Seitdem er aufgetaucht ist, hat es nicht aufgehört, zu regnen. Es gab schlimme Überschwemmungen. Einige Zora sind an den Folgen gestorben. Es gab nur eine Möglichkeit den Drachen zu vertreiben und zwar mit Blitzpfeilen.« Als Sidon einem Moment innehält und mich ansieht, werden seine Gesichtszüge ganz weich. »Ich habe dich aus dem Fluss gefischt, dich gerettet. Schon damals war mir klar, dass du was ganz Besonderes bist. Du warst die Rettung in unserer Not, denn Zora können keine Blitzpfeile berühren. Du hast es bestimmt vergessen, aber wir Zora sind äußerst empfindlich gegen Elektrizität. So haben wir entschieden, dass du und ich uns welche holen, und zwar von dem Leunen.« Sidon zeigt auf die Spitze hinauf. »Wir haben gegen das Biest gekämpft. Wir haben dir zwei Zora-Schwerter gegeben. Du konntest gut mit ihnen umgehen. Sogar geritten bist du auf dem Untier. Das war wie bei einem wilden Rodeo.«

Als Sidon lacht, muss auch ich lächeln, doch dann verfinstert sich sein Blick.

»Doch dann hat sich das Blatt gewendet. Ich habe einen Moment lang nicht aufgepasst. Der Leune hat mich mit einem Blitzpfeil getroffen. Was dann passiert ist, kann ich dir offengesagt gar nicht erklären, denn ich war die ganze Zeit ohnmächtig. Ich weiß nur, dass du den Leunen eigenhändig besiegt und mich zu Mipha zurückgebracht hast, damit sie mich heilen kann. Ohne dich wäre ich gestorben, doch du hast mich gerettet. Keiner weiß, wie genau du das angestellt hast, aber du hast es geschafft. Seitdem war ich so fasziniert von dir. Du warst die schönste und stärkste Hylianerin, die ich je getroffen habe. Ich habe dich schon vorher gemocht, aber seitdem her... seitdem habe ich dich geliebt.«

Seine Worte und sein liebevoller Blick bringen mich zum Schlucken. Als er dann auch noch seine Hand mit meinen Fingern berührt, durchfährt mich ein kurzer Blitzschlag. Wow, dieser Zora scheut sich wirklich nicht davor, mir seine Gefühle zu gestehen. Wenn das Revali auch nur öfters gelingen könnte...

»Loreena? Alles in Ordnung mit dir?«, fragt mich Sidon, als ich nicht darauf reagiere.

Kurz schüttle ich mich durch, um wieder zur Besinnung zu kommen und rücke meine Hand ein Stückchen von seinen Fingern weg.

»Ja, ja, es ist nur...« Hektisch suche ich nach einem anderen Thema, um ausweichen zu können. Doch dann kommt es wie von selbst. Mipha, er hat Mipha erwähnt! »Sidon? Du weißt ja, dass ich mich so gut wie gar nicht mehr an Mipha erinnern kann. Ich weiß ja, dass es dir wehtun muss, über deine Schwester zu reden, aber...«

Traurig blickt mich Sidon an, doch er lächelt zaghaft. »Ist schon gut... Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir dabei helfen werde, all deine Erinnerungen wieder zurückzuerhalten. Und Mipha gehört genauso dazu.« Er seufzt, bevor er fortfährt. »Inzwischen weißt du ja, dass du die Heilkräfte von ihr bekommen hast, ja?«

Ich nicke.

»Nun...«, sagt er und erzählt weiter. »Sie war etwas ganz Besonderes. Sie war zwar ein wenig schüchtern und zurückhaltend, aber sie hatte ein gutes Herz und eine ziemlich fürsorgliche Art. Sie hat sich um jedes Wesen hingebungsvoll gekümmert. Ihr beide habt euch gut verstanden. Mipha hat sogar einmal zu mir gesagt, dass du ihre beste Freundin bist. Und ja, es wundert mich eigentlich gar nicht, dass sie sich in ihrem Tod dazu entschlossen hat, dir ihre Seele zu geben. Auch die Seele meiner Mutter hat sich dir angeschlossen, durch sie bist du an die Kraft gelangt, unter Wasser zu atmen.«

»Ich traue mich kaum zu fragen, aber... Wie sind sie gestorben, deine Mutter und Mipha?«

Sidon wagt es nicht, mich anzusehen, als er weiterspricht. »Meine Mutter ist kurz nach meiner Geburt an einer schweren Krankheit gestorben, damals haben sich Miphas Heilkräfte noch nicht gezeigt. An meine Mutter kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Und Mipha ist gestorben, weil...« Er macht eine kurze Pause, bevor er fortfährt. »Es war ein Schatten, ein sehr mächtiger Schatten. Einer von Ganons Flüchen, der mit dem Geist des Wassers beseelt war. Eigentlich wollte er sich deiner annehmen und von dir Besitz ergreifen, doch Mipha hat dich beschützt.«

Dieses grauenhafte Bild, ich hatte es schon mal vor Augen, in einer meiner Träume. Mipha, sie wird von einer Speerspitze durchbohrt. So ist sie also gestorben, sie wollte mir helfen. Wie schrecklich!

»Du brauchst nicht weiterzusprechen«, unterbreche ich meinen Verlobten. »Ich glaube, ich weiß, was geschehen ist. Hassen mich deshalb die Ältesten?«

Mit verzerrtem Gesicht nickt Sidon ganz langsam. »Ja... Sie geben dir die Schuld dafür. Vor allem Muzu, er hat Mipha aufgezogen musst du wissen. Vater war schließlich immerzu beschäftigt, also hat er sich um ihre Erziehung gekümmert.«

»Gibst du mir auch die Schuld daran?«, wage ich die Frage zu stellen, die mein Herz zum Rasen bringt.

Schockiert schaut mich der Zoraprinz an. »Nein! Natürlich nicht! Ich und Vater haben dir dafür nie die Schuld gegeben. Mipha hat an diesem Tag viel Mut bewiesen, als sie sich dazu entschlossen hat, es mit dem Fluch aufzunehmen. Ich war stolz auf sie... Das bin ich immer noch. Weißt du, sie wollte dich einfach nur retten, du warst ihre beste Freundin und meine Verlobte. Sie konnte es nicht ertragen, dich an Ganon zu verlieren. Sie hatte keine Gelegenheit mehr, mir das zu sagen, aber ich weiß es. Ich kannte meine große Schwester, ich kannte sie sehr gut. Für dieses Opfer sollte ich ihr zutiefst dankbar sein... aber ich vermisse sie so sehr.«

Betrübt betrachte ich den traurigen Zoraprinzen. Es muss ihm viel abverlangen, über seine Trauer zu sprechen. Revali geht es da nicht anders, auch er hat einen sehr wichtigen Orni in seinem Leben verloren, es war sein Vater. Er selbst hat sich immerzu die Schuld an dessen Tod gegeben. Mein Gefährte redet überhaupt nicht gerne darüber.

»Ich vermisse sie auch...«, platzt es einfach so aus mir heraus und es stimmt auch, denn selbst wenn ich mich nicht mehr richtig an sie erinnern kann, das Gefühl bleibt.

Sidon überrascht mich, als er mir entgegnet: »Ich weiß, sie war uns beiden sehr wichtig. Aber eigentlich ist sie ja gar nicht fort. Sie ist immer bei dir, im Reich der Seelen. Du trägst sie stets mit dir rum und das ist für mich immer ein kleiner Trost gewesen.«

Abrupt halte ich die Luft an, als Sidon näher an mich rückt und mir seine Hand auf die Schulter legt.

»Immer wenn ich dich ansehe, erkenne ich ein Stück von Mipha in dir«, gesteht er mir.

Wieder ist mir unsere Nähe ziemlich unangenehm. Unruhig rutsche ich auf meinem Platz hin und her. Wegstoßen will ich Sidon allerdings auch nicht, das wäre unhöflich und darüber hinaus würde ich ihn mit dieser Geste verletzen.

Als ich es nicht mehr aushalte, stehe ich auf. »Ist unsere Tour schon vorbei? Oder wolltest du mir noch etwas zeigen?«

Sidon grinst zu mir hoch. »Es ist gerade erst früher Nachmittag. Wir beide sind noch längst nicht fertig. Der Damm wartet noch auf uns.«



Auf Sidons Rücken schwimme ich wenig später durch einen anderen Flussarm. Die Gegend hier ist sehr schön. Hier befindet sich viel Wald und Einiges an Vegetation. Sogar einige Tiere, wie Rehe und Wildschweine bekomme ich zu Gesicht.

»Jetzt kommt das Beste!«, prophezeit Sidon plötzlich. »Der Wasserfall! Wir werden hinaufschwimmen, genau wie wir es schon mal gemacht haben. Also halte dich gut fest!«

»Wasserfall?«, kreische ich überrascht und höre genau in diesem Augenblick das Rauschen. »Warte mal, Sidon! Hinaufschwimmen? Das meinst du doch nicht ernst?«

»Doch! Zora können das. Erinnerst du dich?«

Unwirsch schüttle ich den Kopf. »Nein, kann ich nicht!«

»Dann frischen wir deine Erinnerungen wieder einmal auf!«, ruft der Prinz vergnügt.

»Sidon, warte!«, schreie ich, doch da taucht der große, breite Wasserfall schon vor uns auf.

Gebannt starre ich die tosende Schönheit an. Es geht ziemlich hoch hinauf, bemerke ich gerade. Plötzlich nimmt der Zora an Geschwindigkeit auf. Aufschreiend kralle ich mich an den Fischmenschen fest. Dann beginnt er doch tatsächlich, steil aufwärts den Wasserfall hinauf zu schwimmen. Ich würde den Moment ja gerne genießen, aber vor lauter Angst habe ich die Augen zugeschlagen. Erst als der Prinz am Höhepunkt angelangt ist, öffne ich sie wieder, nur um zu sehen, dass wir uns in der Luft befinden. Kurz sehe ich den Staudamm vor mir, der in einem großen See eingespeist ist, dann tauchen wir in das Wasser ein.

Blinzelnd stelle ich in meiner trüben Sicht fest, dass ich von seinem Rücken gerutscht bin. Den Atem anhaltend sehe ich mich im Wasser um. Keine Spur von dem roten Zora. Meine Kiemen erscheinen wieder, so atme ich das Wasser ein. Mit etwas unsicherem Blick beschließe ich, etwas herumzuschwimmen. Meine Augen sind auf die Sonne gerichtet, die durch die Oberfläche scheint. Erschrocken stoße ich Bläschen aus, als plötzlich ein großer Körper den meinen streift. Augenblicklich sehe ich mich um, erkenne aber niemanden. So verharre ich auf der Stelle, lasse meinen Blick umherschweifen. Ein breitgrinsendes Gesicht taucht vor mir auf. Es ist Sidon. Verschreckt will ich ihn mir stoßen, doch dann packt er mich. Nah an seinen Körper gedrückt, schießt er mit mir hinauf zu Oberfläche. Er springt aus dem Wasser. Fasziniert bemerke ich, dass wir einen kurzen Augenblick lang über das Wasser fliegen, bis wir wieder eintauchen und kurzer Hand wieder an die Oberfläche schwimmen.

Sidon lacht. Es ist ein ziemlich heiteres Lachen, das mich ansteckt. Wir spritzen uns gegenseitig ab und machen uns danach auf dem Weg zum Ufer.

Kichernd helfen wir uns gegenseitig dabei, aus dem Wasser zu steigen, dabei fällt mir eine Nische auf. Diese Nische ist mit Vorhängen versehen und in der Mitte befindet sich ein großes Bett.

»Was ist das?«, frage ich den Zora und zeige in eine bestimmte Richtung.

Sidon richtet sich auf. Die Tropfen spritzen von seinen Schuppen ins Wasser zurück. Von dem Bett blickt er wieder zurück zu mir.

»Der Damm ist nur ein Platz für die Königsfamilie. Das hier war unser persönlicher Ort, für mich als Prinz und für dich als meine Zukünftige.«

»Und was haben wir hier gemacht?«, frage ich den Zora-Prinzen verwirrt.

Sidon kratzt sich am Hinterkopf und lächelt verlegen. Vielsagend schaut er zu mir hinunter.

»Naja, also wir beide waren hier gelegentlich, um allein zu sein...«, erklärt er mir.

Augenblicklich laufe ich rot an. Was für eine blöde Frage? Dort drüben steht ein Bett. Ist doch völlig klar, was das zu bedeuten hat. Zu allem Überfluss kommt dann auch noch eine Erinnerung über mich. Ich sitze auf Sidon in diesem Bett, küssend, ohne Kleidung. Schluckend schüttle ich kaum merklich den Kopf und ermahne mich, es gut sein zu lassen.

»Verstehe schon...«, sage ich nur.

Allerdings bleibt von mir nicht unbemerkt, dass Sidon mich erwartungsvoll anschaut. Offensichtlich fragt er sich, ob ich mich daran erinnere, wie wir hier oben miteinander geschlafen haben. Glücklicherweise fragt er mich nicht direkt und dafür bin ich ihm dankbar.

Wortlos setzen wir uns auf die Treppe. Eine Zeit lang schweigen wir, bis Sidon die Stille bricht.

»Ich hoffe sehr, dass der Tag dir gefallen hat.«

»War ziemlich interessant«, gebe ich zurück.

Sidon lehnt sich zurück und sieht mich an. »Weißt du, eigentlich bist du immer noch ganz die Alte. Du hast dich kaum verändert...« Doch dann verschwindet sein fröhlicher Gesichtsausdruck und schaut ziemlich finster drein. »Bis auf die Tatsache, dass du jetzt mit diesem Vogel zusammenbist.«

Etwas verärgert seufze ich auf. In einem Punkt sind beide gleich. Jeder verachtet den anderen und weigert sich dessen Namen zu verwenden. Eine Tatsache, die mich überhaupt nicht wundern sollte. Der eine sieht den anderen nämlich als Rivalen an.

»Sidon...«, beginne ich mit ehrlichem Bedauern. »Hör zu, es tut mir wirklich furchtbar leid! Ich schwöre dir, wenn ich mein Gedächtnis nicht verloren hätte...«

»Ja, ja, ich weiß«, unterbricht mich der Prinz. »Das ist mir schon klar. Ich verstehe nur nicht, was du an ihm findest. Er ist so von sich selbst überzeugt und redet nur von sich. Außerdem hat er eine ziemlich abweisende Art. Ich weiß auch nicht...«

»Ich wünschte, ich könnte mich wenigstens daran erinnern, warum ich meine Erinnerungen verloren habe, aber niemand kann mir eine Antwort geben. Sidon, kannst du dir vorstellen, was passiert ist?«

Achselzuckend blickt er mich an. »Also, Loreena, ich kann dir nur sagen, dass ich nicht wollte, dass du alleine aufbrichst, doch ich konnte dich nicht aufhalten. Du wolltest mich nicht in Gefahr bringen, also hast du dich heimlich davongestohlen. Wenn du mich mitgenommen hättest, könnte ich dir mehr sagen. Vermutlich hätte ich es sogar verhindern können.«

»Oder du wärst vermutlich verletzt oder tot«, kontere ich.

»Wer weiß das schon?«, entgegnet er mir. »Das ist jetzt auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass du dich wieder erinnerst, an uns, an die Gefühle, die du für mich hattest. Ich weiß, dass sie noch da sind. Das Schwimmen hast du ja auch nicht verlernt.«

Sidon trägt die Hoffnung deutlich in seinem Gesicht spazieren. Ich für meinen Teil jedoch weiß nicht recht, was ich ihn darauf erwidern soll. Er könnte durchaus recht haben, denn wenn wir uns berühren, fühle ich etwas. Ob es jedoch alte Gefühle oder aktuelle sind, ist mir ein Rätsel. Allerdings stehe ich mir auch selbst im Weg, denn ich habe Revali. Für mich ist er meine große Liebe. Doch stellt sich mir die Frage, ob ich für Sidon dasselbe empfunden habe. Was wenn ich mich entscheiden muss? Abrupt könnte ich mich selbst auslachen. Natürlich musst du dich entscheiden, du Dummerchen! Denkst du, die beiden würden dich miteinander teilen? Oder bist du etwa der Meinung, dass dir jemand die Entscheidung abnimmt? Beide lieben dich. Beide wollen, dass du mit ihnen zusammen bist. Keiner der beiden will dich verlieren. Die innere Stimme in mir sagt sogar, dass eine Entscheidung längst überfällig ist. Je länger ich es hinauszögere, desto schlimmer wird es werden.

»Sidon?« Ich nehme das Medaillon um meinen Hals in die Hand und schaue dabei zu seinem hinüber. »Was machen wir jetzt damit?«

Der Prinz schaut zu dem Anhänger hinunter. »Kannst du dich eigentlich an irgendetwas davon erinnern, was unsere Verlobung betrifft? Als ich dir den Antrag gemacht habe oder an das Verlobungsritual selbst?«

Verlegen sehe ich zur Seite. »An das Ritual habe ich mich neulich schemenhaft erinnert. Da waren ein Teich und ein Wasserfall.«

Mit dem Finger streift er über das glatte, durchsichtige Material. »Was schlägst du denn vor, was wir jetzt tun sollen?«, will er von mir wissen, statt zu antworten.

Unschlüssig blinzle ich ihn an. »Ich weiß nicht, deshalb frage ich dich ja.«

»Ich werde es nicht zerstören, falls du darauf hinauswillst. Für mich hat sich nichts geändert, Loreena. Meine Gefühle für dich sind immer noch dieselben«, gesteht er mir und schaut mir tief in die Augen.

Unfähig mein Gesicht abzuwenden starre ich zurück. Ich kann das erwartungsvolle Schimmern in seinen Augen erkennen. Sidon wartet darauf, dass ich ihm mitteile, ob ich ihn immer noch liebe oder nicht. Aber ich kann ihm keine Antwort geben, denn ich bin mir meiner Gefühle nicht bewusst.

»Sidon...«, beginne ich und möchte ihm all das offenbaren, was ich soeben gedacht habe, da vernehmen meine Ohren plötzlich das Schlagen von Flügeln, ein Geräusch, vor dem ich mich den ganzen Tag lang gefürchtet habe.

Vor uns landet ein ziemlich wütender Orni. Seine grünen Augen lodern, wie grünes Höllenfeuer, das mich und Sidon am Liebsten verschlucken und niederbrennen möchte. Sofort springe ich auf, weiche einige Schritte von Sidon fort. Doch meine Reaktion besänftigt Revali nicht mal im Entferntesten.

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