18
Revali
Gemächlich marschiert Shania vor mir her. Ihre Augen sind dabei auf den Shika-Stein in ihren Händen gerichtet, anstatt zu schauen, wo sie hingeht. Sie beißt sich auf die Unterlippe, als sich ihre Augen konzentriert auf der glatten Oberfläche des Geräts bewegen.
Augenblicklich muss ich an gestern Nacht denken...
Shania reißt mich aus meinen Tagträumen, als sie plötzlich über einen Stein stolpert und hinfällt. Der Shika-Stein fällt ihr aus der Hand und landet im Staub. Sofort eile ich zu der unvorsichtigen Hylianerin hinüber, die verdutzt den Boden anglubscht. Schockiert schaue ich zu ihr hinab. Mit den Augen suche ich ihren Körper ab, um zu überprüfen, ob sie sich was getan hat, aber meine Kleine scheint, unversehrt zu sein. Shania schaut zu mir auf, lächelt betreten über ihre eigene Ungeschicktheit. So rolle ich mit den Augen und strecke ihr den Flügel hin.
»Du bist ein unverbesserlicher Tollpatsch, weißt du das?« Mir fällt dabei auf, dass ich zugleich genervt, als auch amüsiert, klinge.
Meine Gefährtin greift nach meiner Schwinge und lässt sich von mir hochziehen.
»Ich kann doch auch nichts dafür, dass hier so viele Steine rumliegen«, verteidigt sich mein Mädchen nicht gerade überzeugend.
Wie immer amüsiert mich ihre Ungeschicktheit, die ich ziemlich niedlich an ihr finde.
»Vielleicht solltest du beim nächsten Mal aufpassen, wo du hingehst, anstatt pausenlos auf den Shika-Stein zu starren«, schlage ich der Hylianerin mit hocherhobenen Augenbrauen vor.
Shania schnaubt etwas beleidigt und hebt das Gerät wieder auf. Sie hält es in die Höhe, prüft ob dem Ding irgendetwas fehlt, doch es scheint, noch einwandfrei zu funktionieren. Erleichtert stößt die Kleine die Luft aus, ehe sie mich mit ihren großen, wunderhübschen, braunen Augen ansieht.
»Ich wollte nur die Karte inspizieren, um mich zu versichern, ob wir auch in die richtige Richtung gehen.«
So werfe ich ihr einen belustigten Blick zu und stemme die Flügel an die Hüften. »Und? Sind wir?«
Shania nickt.
»Dann wäre dein Sturz nicht nötig gewesen. Darüber hinaus kann man auch stehenbleiben, um die Karte zu studieren, falls dir das entgangen ist.«
»Ja, ja!«, gibt Shania etwas genervt zurück und zieht an mir vorbei. »Du bist der großartige, fehlerlose Revali und ich ein dummes Hühnchen!«
Abrupt folge ich ihr. Schon bald habe ich aufgeholt und gehe neben ihr her. Etwas säuerlich starrt sie geradeaus, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Verschmitzt grinse ich. Wenn sie sauer ist, ist sie ebenfalls süß.
»Aber ein sehr attraktives, dummes Hühnchen!«, erwidere ich ihr und stupse sie mit dem Flügel an.
Überrascht schaut Shania zu mir zurück. Als sie mich lachen hört, weicht ihre verärgerte Miene und sie lächelt. So hebe ich meinen linken Flügel und bedeutete ihr mit einem Wink mit meinem Schnabel, sich bei mir einzuhaken. Shanias Ärger über mich hat sich augenblicklich verflüchtigt. So greift sie nach meinem Flügel und spaziert an meiner Seite den Weg entlang. Für mich ist es ein Kindespiel, Shania zu besänftigen. Wie könnte sie mir, den unwiderstehlichsten Orni in ganz Hyrule lange böse sein? Mein Charm ist unübertrefflich.
Nach einer Weile vernehmen meine Ohren ein Tosen. Schon bald taucht ein gewaltiger Fluss neben uns auf. Wild schäumt er durch eine Brücke hindurch und fließt auf der anderen Seite weiter. In diesem Moment bleibe ich stehen, lasse meine scharfen Augen über die weite Umgebung streifen. In der Ferne sehe ich einige Wäldchen. Davor beherrscht ein Meer aus grauen Farbtüpfeln das malerische Bild. Hierbei handelt es sich wohl um große Schlammpfützen, die die Sümpfe von Ranelle einläuten. Um uns herum befinden sich hochgewachsene Felsen, die ihre Schatten auf den Boden werfen und die Landschaft einkesseln. Blaue Blumen säumen büschelweise die feuchten Wiesen um den Fluss herum.
»Kein Zweifel!«, murmle ich mehr zu mir selbst, als zu Shania. »Wir haben Ranelle erreicht.«
Trotzdem wundert es mich, dass die Kleine mir nichts entgegnet. Nicht mal ein leises Staunen entweicht ihr, obwohl die Hylianerin für ihre hohe Faszination bekannt ist. Als ich zu Shania hinunterschaue und ihr versteiftes Gesicht erblicke, mache ich mir Sorgen.
»Stimmt etwas nicht?«, frage ich meine Gefährtin, die immer noch meinen Flügel im Arm hält.
Wieder keine Antwort! Skeptisch hebe ich die Augenbrauen.
»Shania!«
Endlich hebt sie den Blick und sieht mich an. »Hast du etwas gesagt?«
Ihr entgeisterter Gesichtsausdruck lässt mich daraus schließen, dass sie wohl von einer Erinnerung heimgesucht wurde.
Mit dem Schnabel deute ich auf das Gebiet vor uns. »Warst du hier schon mal?«
Shania nickt langsam, als sie ihre Augen wieder von mir löst und auf die Ebene hinausblickt. »Ich denke, ich bin hier schon mal vorbeigekommen. Aber...«
»Was ist?«, frage ich sie, als sie ihr Gesicht verzieht.
Doch dann schüttelt meine Kleine den Kopf. Keine Ahnung, ob sie es mir nicht sagen will oder die unklaren Gebilde in ihrem Kopf einfach nicht deuten kann.
»Nichts...«, murmelt Shania einfach nur enttäuscht. »Lass uns weitergehen!«
Grimmig starre ich meiner Gefährtin hinterher, die meinen Flügel losgelassen hat und weitermarschiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie etwas beschäftigt. Allerdings will sie mich daran nicht teilhaben lassen und das regt mich auf. Shania hat mir schon mal etwas verheimlicht. Wer sagt mir, dass sie es dieses Mal nicht wieder tut?
So folge ich der Hylianerin über eine feuchte Wiese. Der Weg endet hier. So beschließen wir, dem Fluss zu folgen und über die Brücke zu überqueren. Nach einer Weile schlage ich vor eine Rast einzulegen. An einem sandigen Ufer legen wir schließlich eine Pause ein. Shania und ich setzen uns nebeneinander auf einen Felsen. Meine Gefährtin kramt zwei Äpfel aus der Tasche, einen Roten und einen Grünen. Mir reicht sie den Roten.
»He, warum bekomme ich nicht den Grünen?«, krächze ich und erhebe die Augenbrauen.
Während sie schon in den Apfel beißt, lächelt mich Shania schelmisch an.
»Ich mag die Grünen lieber und es ist nur noch einer da«, antwortet sie mir mit vollem Mund.
»Rein zufällig mag ich die Grünen auch lieber. Und du egoistisches Ding kommst gar nicht auf die Idee, ihn mit mir zu teilen«, scherze ich belustigt.
So beherzt und zufrieden, wie sie den Apfel verputzt, kann ich ihr gar nicht böse sein. Shania wirkt dabei, wieder einmal wie ein kleiner Hamster.
»Ich mach's wieder gut, versprochen!«, versichert mir mein Mädchen mit einem charmanten Lächeln.
Stumm schaue ich meine Kleine an. Abrupt schießen mir 1000 schmutzige Gedanken in den Kopf. Seitdem ich Shania kenne, denke ich nur noch zweideutig. Ich kann mich nicht erinnern, dass vor ihr auch so war.
So picke ich anmutig in den Apfel und werfe der Hylianerin einen kessen Blick zu. »Bin gespannt, wie du das anstellst.«
Unter dem anstößigen Schimmer meiner Augen wird Shania rot. Verlegen wendet sie den Blick von mir ab. Ich wette, dass sie geradeeben an gestern Nacht denkt. Während ich weiter in meinen Apfel hineinpicke, schweift mein Blick von Shania zu dem Baum hinter ihr ab. Vogelbeeren! Die rot-leuchtendenden Früchte hängen traubenähnlich an den dünnen Ästen umgeben von den langfingrigen, grünen Blättern.
»Vergiss den grünen Apfel!«, murmle ich mehr zu mich selbst, nachdem ich den Apfel verputzt habe. »Da gibt es etwas noch viel Besseres!«
Verwirrt schaut mir Shania dabei zu, wie ich die Apfelreste wegwerfe, mich von meinem Platz erhebe und zu dem Baum hinüberschreite. Ich recke mich ein wenig, um an den nächst gelegenen Ast heranzukommen und picke die schmackhaften Vogelbeeren direkt vom Geäst. Schon bald schmunzelt mich Shania an. Offenbar mache ich einen höchst vergnüglichen Eindruck.
»Wie ich sehe, schmeckt es dir. Für dich muss Hyrule wohl ein einziges Schlaraffenland sein. Gestern die Melonen, heute die... Äh, was ist das eigentlich?«
»Vogelbeeren!«, antworte ich ihr schmatzend. »Ich kenne keinen Ort, wo sie nicht wachsen. Aber meistens haben die Vögel schon davon genascht.«
»Und wie schmecken die Vogelbeeren?«, will Shania wissen und erhebt sich von dem Felsen.
»Hervorragend!«, erwidere ich ihr und picke bereits nach der nächsten Beere. »Ich würde dir ja gerne welche anbieten, aber leider sind Vogelbeeren für Hylianer giftig. Also lass lieber die Finger davon.«
Nun pflücke ich mit dem Flügel einen kleinen Vorrat. Shania steht plötzlich neben mir und beobachtet mich dabei vergnügt.
»Bist du sicher? Vielleicht ist es nur ein Mythos?« Die Hylianerin klingt zwar scherzend, dennoch kann man bei ihr nicht sicher sein.
Augenblicklich lasse ich von dem Ast ab, den ich soeben im Flügel halte und werfe meiner Kleinen einen warnenden Blick zu.
»Pfoten weg!«, dabei betone ich jede Silbe einzeln.
Shania umarmt mich von hinten. Ihren Kopf legt sie auf meine Schulter ab und schaut dabei die Beeren an. »Vielleicht hast du das mit den giftigen Beeren ja nur erfunden, weil du den ganzen Baum für dich allein haben willst, als Rache für den grünen Apfel.«
»Shania...« Ergeben seufze ich über dieses Mädchen. »Was denkst du? Warum werden die Vogelbeeren, Vogelbeeren heißen?«
»Weil Vögel sie gerne essen? Hey, sie könnten eigentlich auch Orni-Beeren heißen!« Shania lacht, strahlt dabei verzaubernd über das ganze Gesicht.
Shanias Umarmung und ihr reizendes Lachen bringen mein hinterhältiges Gefieder mal wieder dazu, sich aufzurichten. Ich spüre, wie Shania verwundert zuckt, als sie das wachsende Volumen meines Federkleids erkennt.
»Hhhmmmm... Wie flauschig du bist!« Sofort kuschelt sich Shania näher an mich und schmiegt ihr Gesicht an meine Federn.
Erweicht blicke ich auf meine Kleine hinab. Vor Ergriffenheit wären mir fast die Beeren aus dem Flügel entglitten.
»Shania, lass das doch!«, lache ich und versuche mich aus ihrem Griff zu entwinden, allerdings gebe ich mir damit auch nicht so viel Mühe.
»Wieso? Dein Körper sagt, dass es dir gefällt. Du kannst es gar nicht abstreiten. Also spar dir die Mühe«, kichert meine Kleine.
Ergeben verdrehe ich die Augen. Sie hat recht, es macht keinen Sinn, es zu leugnen. Ich liebe es, wenn Shania mich berührt. Allerdings hasse ich, dass mein Körper mich jedes Mal verrät.
»Shania...« Ich schlinge meinen freien Flügel um die Hüfte meines Mädchens. Langsam bewege ich meinen Schnabel auf sie zu und schnäble ihre niedliche, kleine Nase. »Was machst du nur mit mir«, flüstere ich kaum hörbar.
Die schwarzhaarige Hylianerin reibt ihre Wange an meine Federn. »Ich wollte noch etwas mit den Doppelklingen trainieren, bevor wir weitergehen, wenn du brav bist, darfst du mir zusehen.«
Amüsiert lache ich auf. »Was?!?«
Dann trennt sie sich von mir und läuft auf unser Gepäck zu, dabei dreht sie sich noch einmal zu mir um und wirft mir einen verführerischen Blick zu. Der leichte Wind weht ihr eine ihrer schwarzen Strähnen ins Gesicht.
Starr schaue ich dem reizenden Mädel hinterher. Geht sie wirklich trainieren? Als hätte sie das nötig. Shania hat mir nach dem Kampf mit dem Drachen erzählt, dass ihr eine Gerudo-Frau in ihren Träumen erschienen ist, die offenbar in der Welt der Seelen festsitzt. Von ihr hat sie die Fähigkeit mit den Schwertern umzugehen, wie eine Gerudo-Kriegerin. Außerdem hat die Seele der Toten ihr gezeigt, wie man Seelentau herstellt. Shanias Fähigkeiten nehmen mit jedem Tag an Stärke zu. Ich verstehe nichts von alldem, doch ich sehe ihr an, dass sie immer stärker wird. Wie stolz ich doch auf die faszinierende Hylianerin bin.
Tatsächlich nimmt Shania die Doppelklingen von ihrem Rücken und beginnt in der Nähe unseres Gepäcks, die Schwerter anmutig in der Luft herum zu schwingen. Die Hylianerin wirkt wie eine Tänzerin, als sie sich geschmeidig über den Boden bewegt. Mit den Beeren im Flügel stolziere ich zu dem großen Stein hinüber und setze mich. Langsam schiebe ich mir eine Vogelbeere nach der anderen in den Schnabel, während ich meine Kleine beim Trainieren beobachte.
Da sie diese Fähigkeit durch ihre Seelenkraft erlangt hat, könnte sie es sich sparen, zu üben. Ganz im Gegenteil zu mir, ich muss meine Fähigkeit Aufwinde zu erzeugen, immer noch verfeinern. Ich bin meisterhaft, keine Frage, dennoch ich bin immer noch nicht da, wo ich sein möchte.
Abwechselnd schwingt Shania eine Klinge nach der anderen in die Luft, bewegt dabei ganz reizvoll ihre Hüften und schreitet grazil voran. Müsste die Hylianerin Arbeiten gehen, könnte sie als Tänzerin durchaus ihre Brötchen verdienen. Die Männer würden ihr die Rubine nur so nachwerfen. Doch bei dem Gedanken verziehe ich meine Miene augenblicklich. Die Vorstellung gefällt mir gar nicht, Shania könnte irgendwo in einem anzüglichen Kleid in einem Palast tanzen, umgeben von widerlichen Hylianern, die sie mit ihren Augen gierig anstarren. Sofort schüttle ich den Kopf, um dieses Bild loszuwerden. Einmal haben Teba und Shania gemeinsam trainiert. Drei Orni haben sie dabei beobachtet. Ich war rasend vor Eifersucht, als ich bemerkt habe, wie sie Shania begafft haben. So wütend wie ich war, habe ich Shania in den Krallen genommen und habe sie zu meinem Haus zurückgeflogen. Danach hat sie mich mit Schweigen bestraft, ich hasse es so sehr, wenn sie das macht. Ich gebe ja zu, meine Reaktion war nicht gerade respektvoll. Nachdem wir uns auf eine ziemlich „innige" Weise versöhnt haben, habe ich ihr versprochen, weniger besitzergreifend zu sein. Das klappt nur leider nicht immer so. Jedes männliche Wesen ist für mich, seitdem ich mit Shania zusammen bin, ein möglicher Rivale. Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Kleine tatsächlich besitzen will, nein, ich mag sie so wie sie ist, ich will sie nicht verändern und sie zu irgendetwas zwingen, was gegen sie spricht, ich fürchte mich eigentlich nur davor, dass sie mir jemand wegschnappen könnte. So jemanden, wie Shania werde ich niemals mehr finden. Sie nimmt mich so wie ich bin und versucht erst gar nicht mich zu verdrehen, obwohl mir durchaus bewusst ist, dass es nicht immer leicht mit mir ist. Die Hylianerin ist so wundervoll. Und nur ich will derjenige sein, der sie in den Flügel halten und küssen darf. Nur ich habe dieses Privileg, denn nur ich bin ihr Gefährte.
Verträumt betrachte ich Shanias sinnlichen Tanz weiterhin. Es ist meine eigene kleine Privatvorstellung und ich genieße es. Bald sind die Beeren aufgegessen. Mein Magen ist voll, ich bin satt. Doch an Shanias Anblick werde ich mich nie sattsehen können.
Plötzlich höre ich etwas Plätschern. Das Wasser regt sich neben mir. Etwas springt plötzlich aus dem Fluss und stürzt sich auf mich. Vor Erstaunen krächzend wälze ich mich mit dem hinterhältigen Angreifer auf dem Boden. Mit Flügel und Krallen schlage ich nach meinem Feind, trete in sein echsenartiges Gesicht. Das Monster hält ein großes zweizackiges Messer in der Hand und hiebt nach mir. Mit meinem Schnabel picke ich dem Kerl ins Auge. Gequält schreit die Echse auf und wirft sich auf den Rücken. Im nächsten Augenblick greife ich nach meinem Bogen und versetze ihm den Todesstoß mit einem Pfeil. Mit finsterem Blick betrachte ich die Leiche. Schon bald trifft mich die Erkenntnis, dass ich einen Echsalfos umgebracht habe. Die Goronen haben uns vor denen gewarnt. Offenbar halten sie sich gern im Wasser auf und greifen aus dem Hinterhalt an. Das werde ich mir definitiv merken. In Zukunft werden wir uns nicht mehr so nah am Wasser aufhalten.
Plötzlich höre ich ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem kurzen Aufschrei. Als ich meinen Kopf hebe, sehe ich, dass Shania zusammensackt. Sie fällt auf den Boden, die Doppelklingen entgleiten ihr aus der Hand. Meine Kleine ist umzingelt von einer Horde Echsen. Schockiert fahre ich herum, öffne meine Flügel, erhebe mich in die Luft, um Shania zu Hilfe zu eilen. Da werde ich auch schon von Echsalfos-Schützen beschossen, die sich in der Nähe von Felsen befinden. Gekonnt weiche ich aus, greife selbst nach dem Bogen und mache ihnen in der Luft den Gar aus. Augenblicklich vollziehe ich eine Schleife, meine Augen suchen hektisch nach meinem Mädchen, dass dank dem Ablenkungsmanöver, auf das ich mich Spatzenhirn eingelassen habe, in Gefahr schwebt. Die ohnmächtige Seelenbändigerin wird von den Echsalfos ins Wasser gezogen.
»Shania!«, schreie ich.
Mit dem Bogen in meinen Krallen nehme ich die Verfolgung auf. Abrupt schwebe ich über den Fluss. Die echsenartigen Monster schwimmen mit meiner Gefährtin stromaufwärts. Meine scharfen Augen fixieren die Widerlinge, die mir mein Mädchen geraubt haben. Gerade möchte ich mir meinen Adlerbogen zuwerfen, um die Echsalfos unter Beschuss zu stellen, doch dann erwischt mich plötzlich eine ekelhafte Flüssigkeit. Sie durchtränkt meine Flügel, macht sie schwer und bewegungsunfähig, aufschreiend stürze ich in den Fluss. Im nächsten Augenblick werde ich unter Wasser gezogen. Einer der Echsalfos hat sich auf mich gestürzt. Mit Flügel und Schnabel wehre ich mich gegen diese heimtückische Attacke. Das Biest beißt in meinen Flügel. Eine Spur aus Blut ist im Wasser zu sehen. Während die echsenartige Kreatur weiter gegen mich kämpft zieht sie mich immerzu hinab in die Tiefe. Obwohl nun auch mein eigenes Leben in Gefahr ist, drehen sich meine Gedanken nur um Shania. Ich muss mich befreien, um Shania zu retten. Ich bin schließlich ihr Beschützer, wenn ich jetzt ertrinke ist die Hylianerin für immer verloren. Ich muss diese schleimige Kreatur loswerden. Na los doch, du bist der große Revali! Lass dir etwas einfallen! Und zwar schnell, bevor dir die Luft ausgeht.
Während ich weiter mit dem Echsalfos ringe, bemerke ich, dass ich noch immer meinen Bogen in den Fängen halte. Mit roher Gewalt ramme ich meine Waffe meinem Gegner in den Wanst. Luftblasen steigen auf, als die Echse vor Schmerz schreit. Endlich lässt mich das Biest los. Mit dem Schnabel hacke ich anschließend gegen seinen Kopf, um ihn mir vom Leib zu halten. Meine Luft wird knapp. Ich muss dringend auftauchen. So schwimme ich nach oben. Ich bin schon ewig nicht mehr geschwommen, Orni schwimmen ja eigentlich auch nicht. Hylia sei Dank unterscheidet es sich nicht sonderlich vom Fliegen, nur dass ich dazu die Beine bewegen muss.
Sauerstoff füllt meine Lungen, als ich nach einer halben Ewigkeit auftauche. Hustend rudere ich mit den Flügeln, versuche mich in Richtung Ufer zu bewegen, doch die starke Strömung reißt mich mit. Erschrocken krächze ich auf, als ich wieder unter Wasser gezogen werde. Verdammt nochmal! Diese Viecher geben einfach keine Ruhe, was? Nun sind es schon zwei, die sich mit mir anlegen. Einer rammt seine Zähne in meinen Fuß und zerrt mich runter, während der andere mir seine unglaublich scharfen Krallen in die Brust schlägt. Gezielt picke ich den Echsalfos ins Auge. Er gibt meine Brust frei. Den Anderen schlage ich mit Klauen und Bogen ins Gesicht. Wieder tauche ich auf, um gleich darauf erneut nach unten gezogen zu werden. Schon bald ringe ich mit der Verzweiflung. Während ich mich hier mit diesen Biestern amüsiere, tut der Rest der Meute Shania sonst was an.
Schon bald tauchen immer mehr Monster auf. Während die anderen mich, beißen, kratzen, schlagen oder aufschlitzen, ziehen mich die anderen immer weiter nach unten. Wie sehr ich mich auch wehre, es gelingt mir nicht, meine Feinde abzuschütteln.
Meine Kräfte lassen nach. Doch ich darf nicht aufgeben, das habe ich nie, werde ich auch nie. Vor allem jetzt nicht. Shania braucht mich. Und... ich... brauche... dringend... Luft.
»Wo ist sie jetzt, deine Macht, großartige Revali?«, hetzt die Stimme in meinem Inneren. »Du willst der Beschützer der Auserwählten sein? Wie lächerlich! Du kannst ja nicht mal dich selbst beschützen. Du wirst Shania verlieren, wie du einst auch deinen Vater verloren hast, weil du unfähig bist. Nicht mal dein außergewöhnlicher Sturm kann dir jetzt noch helfen.«
Mein Sturm! Ich habe ihn noch nie unter Wasser benutzt und auch schon gar nicht in einem solch geschwächten Zustand. Es ist die einzige Möglichkeit, um mich aus dieser misslichen Lage herauszubringen. Wenn jemand das schafft, dann ich. Und ich muss es schaffen, sonst bin ich verloren.
Obwohl die Echsen nach wie vor auf mich einschlagen, versuche ich mich zu konzentrieren und meine innere Kraft zu fokussieren. Bis jetzt hat es mir immer geholfen, den Wind zu fühlen, doch hier unten gibt es keinen Wind, nur Wasser. Du kannst es, Revali! Du kannst es! Gib nicht auf! Es steht zu viel auf dem Spiel. Während ich mich selbst ansporne, stelle ich mir Shanias Stimme vor, rufe mir ihr hübsches Gesicht ins Gedächtnis und ihr reizvolles Lachen. Wenn ich mich jetzt nicht befreien kann, werde ich mich niemals wieder an ihr erfreuen. Meine grünen Augen flackern auf, als es mir gelingt, den Aufwind zu wirken. Ein Wirbel entsteht im Wasser, schleudert meine Feinde weg und trägt mich ganz nach oben. Von allen Sinnen beraubt atme ich die Luft ein, spucke Wasser und rudere unkontrolliert mit den Flügeln. Land! Ich muss an Land! Doch ich sehe nichts, mir verschwimmt die Sicht. Mir wird speiübel. Ich meine, mich übergeben zu müssen. Dann spüre ich plötzlich einen heftigen Schmerz in meinem Rücken. Bald realisiere ich, dass ich gegen einen Felsen geschlagen bin. Ich sehe Sterne und gehe unter. Wieder rudere ich unkontrolliert mit den Flügeln, doch jetzt weiß ich nicht einmal mehr, wo oben und unten ist. Reiß dich zusammen, Revali! Du musst Shania retten! Du musst... du musst...
Meine Kräfte schwinden mit jedem Flügelschlag, den ich vollziehe. Schon bald spüre ich nichts mehr, als die Kälte. Langsam schließe ich die Augen.
Dann ist da plötzlich etwas Grünes. Es schnellt an mir vorbei. Einer der Echsalfos? Kommt er um mir den Rest zu geben? Ehe ich mich versehe, werde ich gepackt. Doch dieses Mal werde ich nicht nach unten gezogen, das Ding trägt mich nach oben.
Ich muss einen Augenblick lang ohnmächtig geworden sein, denn als ich die Augen wieder öffne, liege ich am Ufer. Hustend und spuckend erwache ich wieder zum Leben.
»Geht es dir gut?«, fragt mich eine weibliche Stimme.
Abrupt schaue ich auf. Meine Augen nehmen etwas Verschwommenes wahr. Als ich mich schüttle, kehren meine Sinne langsam wieder zu mir zurück. Vor mir steht eine grüne Person. Sie wirkt zierlich, aber dennoch groß gewachsen. Meine Sicht wird immer schärfer, ich erkenne immer mehr. Dieses Wesen, das mich gerettet hat, es ist... ein Fischmensch. Ungläubig blinzle ich die Kreatur an. Ja, ich halluziniere nicht, es gibt keine Zweifel, vor mir befindet sich eine Zora. Sie besitzt weibliche Gesichtszüge und grüne Schuppen. Die Zora-Frau trägt eine spärliche Rüstung, die nur die wichtigsten Körperteile an ihr schützt.
»Ich... muss... Shania retten«, murmle ich entkräftet.
Besorgt blickt die Fischfrau auf mich herab. »Wie bitte?«
»Shania...«
Abrupt stelle ich mir vor, wie diese grässlichen Echsen meine Gefährtin foltern. Dieser Gedanke lässt meine Kräfte wieder zurückehren. Augenblicklich erhebe ich mich vom Boden, stoße mich ab hinauf in die Luft. Die Zora ruft mir etwas hinterher, doch ich kann sie nicht mehr verstehen. Meine Flügel tragen mich hinauf, dem Himmel entgegen. Als ich an Höhe gewonnen habe, schaue ich hektisch umher, suchen den Fluss ab. Panik steigt in mir auf, ich kann Shania und die Echsalfos nirgends erkennen. Dann vernehmen meine Ohren den Laut von Kampfgeräuschen.
Flügelschlagend erstarre ich in der Luft. Shania! Abrupt fliege ich in die Richtung, aus der der Lärm kommt. Ich fliege schneller, als mir lieb ist. Meine Lunge brennt inzwischen vor Anstrengung, doch das ist mir egal. Das Einzige, was zählt, ist Shanias Wohlergehen. Der Lärm kommt aus den Sümpfen.
Schon bald erreiche ich einen Turm. Mein Herz setzt einen Moment aus, als die Kampfgeräusche verstummen, ehe ich landen kann. Flügelschlagend setze ich am Boden auf, greife nach meinem Adlerbogen und bewege mich geräuschlos vorwärts. Als ich dem Turm näherkomme, vernehme ich den Klang einer männlichen Stimme. Das kann kein Echsalfos sein. Langsam trete ich hinter einen Baum. Irgendjemand muss hier sein. Erleichtert atme ich auf, als ich plötzlich Shanias liebliche Stimme vernehme. Doch ich kann nicht hören, was sie sagt. Vorsichtig spähe ich von dem Baum hervor. Ich kann Shania sehen. Sie steht da, völlig durchnässt und zerzaust von einem Kampf, den sie hinter sich gelassen hat. Um sie herum liegen Echsalfos-Leichen auf dem Boden. Und genau direkt vor ihr steht ein Zora, ein großer, roter Zora. Mit geweiteten Augen beobachtete ich diesen schmierigen Kerl dabei, wie er sich zu meiner Kleinen herunterbeugt und sie küsst. Augenblicklich weicht Shania zurück, schaut den Fischmenschen mit entsetzter Miene an.
»S-Sidon?«, höre ich mein Mädchen stottern.
Knurrend trete ich von dem Baum hervor. Egal, was den Flossenheini dazu getrieben hat, meine Gefährtin zu küssen, ich werde ihm die Augen aus dem Gesicht picken und sie an die Fische verfüttern. Shania schüttelt immerzu ungläubig den Kopf, als sie dem Zora rückwärts ausweicht, der gerade auf sie zustapft. Abrupt erhebe ich mich vom Boden, fliege die nächsten Meter hinüber und stelle mich dem Fischmenschen in den Weg.
»Was in Hylias Namen ist in dicht gefahren!«, fahre ich den Zora an. »Finger weg von meinem Mädchen!«
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